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Herstellung und Verlag
BoD Books on Demand GmbH Norderstedt Printed in Germany
ISBN 9783749426669
Die Hoffnung treibt die Menschn jeden Tag zu neuem Schaffen an.
Bei den Strafrichtern der Unterwelt zählen nicht die Reichtümer, sondern nur die guten Taten, die einer während seines Lebens angesammelt hat.
Glück und Unglück, beides streuen die Götter aus.
Ein guter Lotse bläst im Notfall mit seinem Mund die Segel auf.
Es ist dreitausendfünfhundert Jahre her.
Zweiundzwanzig Jahre sass sie, Hatschepsut, auf dem eigentlich Männern vorbehaltenen Thron der ägyptischen Pharaonen und war damit die mächtigste Frau der damals bekannten Welt. So lange hatte es keine Frau zuvor geschafft, sich in dieser von Männern dominierten Gesellschaft auf diesem Platz zu behaupten.
Aber auf der Liste der Pharaonen des Priesters Manetho (ca 300 v.Chr.) sucht man ihren Namen vergebens.
Daher galt sie lange Zeit als unbekannt, ja, als nicht existent. Niemand kannte ihren Namen. Erst im 19. Jahrhundert kam nach und nach bei der Recherche der Ägyptologen ihre Zeit und Anwesenheit ans Licht. Das lag auch daran, dass sie eine Reihe von Jahren zusammen mit ihrem Stiefsohn und Nachfolger Thutmosis III regierte.
Sie lebte in einer Zeit, in der sich Ägypten durch die Pharaonen Kamose und Ahmose von der Herrschaft der Hyksos, einem aus Asien eingewanderten Volk, befreit hatten und begonnen hatte, Großmacht zu werden. Ihr Vater, Thutmosis I., hatte mit einigen Feldzügen die Grenzen im Norden und im Süden gesichert.
Hatschepsut – „Erste der edlen Frauen“ so lautet ihr Geburtsname. Später kam noch der Name Ma'at Ka Re hinzu – Gerechtigkeit ist die Seele des Sonnengottes Re, so könnte man es in heutiger Sprache annähernd übersetzen.
Nach ihren eigenen Angaben hat sie einen Gott, nämlich Amun, zum Vater, worauf sie immer wieder stolz hinweist und sogar in einer Bildergalerie darstellt. Ihre göttliche Abstammung ist ihr als Frau besonders wichtig. Solche Legenden hatten bei den Ägyptern eine außerordentliche Bedeutung.
Ihr Gedächtnistempel drüben in Deir el-Bahari vor dem steilen Felsenrund des Ausläufers der Lybischen Wüste ist eines der eindrucksvollsten und schönsten Bauwerke Alt-Ägyptens. Und der eine verbliebene, aufrecht stehende Obelisk im Karnak-Tempel, den sie zu ihrer Krönungs-Erneuerung erstellen ließ, ragt noch immer fast dreißig Meter in die Höhe wie kein anderer Obelisk zuvor. Alles wurde in sieben Monaten in den Steinbrüchen von Assuan erstellt – eine gewaltige Leistung mit den damaligen bescheidenen Hilfsmitteln und Werkzeugen, denn das Eisen war den Ägyptern noch nicht bekannt! Ein späterer Pharao, Echnaton, ließ sogar Künstler bis an die Spitze der Obelisken klettern, um das Abbild Amuns, den er ja durch seinen Gott Aton ersetzen wollte, auszuhacken. Der zweite Obelisk ist leider zusammengestürzt, wahrscheinlich durch ein Erdbeben..
Aber vieles Weitere aus ihrem Leben und ihrer Regentschaft bleibt bis heute im Dunkeln – es ist immerhin einige Tausend Jahre her.
In diesem Buch will ich ihr – posthum versteht sich – die Chance geben, sich durch ein fiktives Tagebuch der Nachwelt darzustellen. Ich möchte ihre Sprache und Ausdrucksweise der Einfachheit halber an die heutige Zeit anpassen, nur wenn es notwendig und nicht anders verständlich ist, übernehme ich alt-ägyptische Ausdrucksweisen und Bezeichnungen.
Auf ähnliche Weise habe ich es bereits mit Nofretete, Echnaton und Teje in meinem Buch „Tagebücher vom Nil“ versucht.
Es versteht sich aber, dass ich in einem solchen zeitbezogenen Buch, einem Tagebuch dazu, keine griechischen und lateinischen Fachausdrücke oder irgendwelche Begriffe und Fremdwörter der Zukunft einbringen kann. Das macht die Textgestaltung zwar manchmal schwierig, sogar sehr schwierig, aber das wären sonst wahre Anachronismen! Aber völlig vermeiden lässt es sich wohl nicht ganz, um Leser der Jetztzeit anzusprechen und Klarheit zu schaffen.
Natürlich mag so mancher Berufs-Ägyptologe – schon aus Prinzip – darüber die Stirn in Falten legen. Aber: Ich war häufig, um nicht zu sagen sehr oft in Luxor und habe dabei immer wieder staunend vor und in ihrem Gedächtnistempel in Deir el-Bahari gestanden und mir vorgestellt, wie es früher, gerade nach der Rückkehr der Schiffe aus dem Lande Punt mit den vielen exotischen Bäumen, ausgesehen mag. Vor der grandiosen Kulisse der gebirgigen Ausläufer der Lybischen Wüste muß es ein Bild gewesen sein, das die Herzen der Ägypter höher schlagen ließ und Hatschepsut mit Stolz erfüllt haben mag.
Aber es sind immer die Geheimnisse, die manche Personen der Antike so attraktiv machen. Langweilige Personen, die in der Geschichte keine Farbtupfer hinterließen, gibt und gab es zuhauf.
So ähnlich ist es bei dem Paar Echnaton – Nofretete. Die Herkunft der Schönen und ihr Ende sind voller Rätsel. Nofretete verschwindet plötzlich aus allen Aufzeichnungen – und niemand weiß, wo sie geblieben ist. Auch das Ende von Echnaton verbleibt im Dunkel der Geschichte. Seine religiöse Kühnheit verschaffte ihm viele Feinde, vor allem unter den Amun-Priestern, die um ihren Einfluß und ihre Pfründe fürchteten.
Und ist es bei Hatschepsut nicht ähnlich? An ihrem Ende steht ebenfalls ein großes Fragezeichen. Übrigens auch bei dem Mann, der jahrelang als Berater an ihrer Seite stand und der uns in diesem Buch noch sehr oft begegnen wird: Senenmut.
Hatschepsut ist sicher eine der interessantesten Gestalten der an Persönlichkeiten reichen alt-ägyptischen Geschichte.
Wenn ich jetzt versuche, ihr ganzes Leben in einem Tagebuch auferstehen zu lassen, dann ist vieles belegt, denn dazu habe ich fast alles gelesen, was ich über sie in Erfahrung bringen konnte.
Aber vieles ist von mir in ihr Leben hinein interpretiert, hinein komponiert worden, das ist Fiktion, das ist Phantasie. Also eine Person der Geschichte, wie ich sie sehe und wie ich sie mir vorstelle, ohne aber die bislang bekannten Fakten zu übergehen.
Lassen Sie mich daher zum Schluß dieser einführenden Worte noch einen etwas humorvollen Satz anfügen: Ich hätte sie gern einmal kennen gelernt – komme aber dafür wohl 3500 Jahre zu spät.
Bad Soden, im August 2019
Initial-Geständnis
Beim Titel des Buches habe ich einen kleinen sprachlichen Kunstgriff anwenden müssen. Im Alten Ägypten gab es das Wort „Pharaonin“ nicht, denn der Pharao war, zumindest bis zur Zeit von Hatschepsut immer ein Mann. Der Titel „Das Große Haus“ war männlich. Zum besseren Verständnis für die deutschen Leser dieses Buches habe ich es gewagt, die ägyptische Sprache etwas zu „modernisieren“.
Das Wort Pharao stammt aus dem Griechischen, die das Wort „per aa“ wie so vieles aus dem Altägyptischen in ihre Sprache gräcisiert haben.
So eine unglaubliche Gemeinheit, die mir, der Herrscherin der Beiden Länder, jetzt widerfahren ist! Ranufer, mein jahrelanger treuer Schreiber, spitze jetzt deine Binse an und nimm dein Papyros und schreibe alles genau auf. Ich hoffe, du hast genügend Papyros dabei, denn es wird eine längere Geschichte. Auch in Millionen von Jahren sollen die Menschen hier in Beiden Ländern und in allen Fremdländern erfahren und wissen, was man mit mir gemacht und wie man mich behandelt hat. Ich bin erbost und muß mich jetzt beruhigen, damit ich dir alles gründlich aus meiner Sicht erzählen kann und du in Ruhe mitschreiben kannst. Wenn ich zu schnell rede, so gib mir Bescheid.
Der heftige Lärm gestern morgen im Palast schreckte mich aus dem Schlaf hoch. Und dann waren die Truppen schon bei mir in meinem Schlafzimmer. Wenn man sich das vorstellt: Zehn Soldaten für mich, eine einzelne Frau! Eine grobe Beleidigung!
‚Majestät,’ so fuhren sie mich an, ohne die geringste Anstalt, sich zu verbeugen, ‚wir haben den Auftrag, euch gefangen zu nehmen und mitzuführen. Ihr braucht gar nicht nach euren Dienern und Mägden zu rufen, sie sind bereits von uns abgeführt und in Sicherheit gebracht worden. Sie bleiben euch erhalten. Also kleidet euch an und packt eure wichtigsten Sachen zusammen – wir sind in Kürze wieder da. Macht uns bitte keine Schwierigkeiten!’
Was für eine Frechheit! Mir, der Herrin der Beiden Länder, der Tochter Amuns, so etwas anzutun und solche Befehle zu erteilen.
‚Was fällt euch ein, ihr lausigen Schakale, die gekrönte Herrin von Ober- und Unter-Ägypten so zu behandeln, als wäre sie eine von eurer gemeinen Sorte! Mögen euch die Krokodile vom Gott Sobek in ihren Rachen ziehen und eure Namen im Nil auf Nimmerwiedersehen verschwinden.’
Das konnte ich denen gerade noch nachrufen. Aber sie reagierten nicht mehr darauf.
Wer steckt dahinter und wer hat den Befehl gegeben? Nur einer ist dazu in der Lage gewesen: Mein Stiefsohn Tuthmosis, gemeinsamer Sohn meines gestorbenen Mannes Thutmoses II und einer – ja was soll ich sagen – etwas zweifelhaften Dame aus dem Harem, die sich Thutmosis von der Straße geholt hat, weil sie ihm schöne Augen gemacht hat. Diese Nebenfrau ist mir schon lange ein Dorn im Auge, weil sie sich so aufspielt, als könne sie, Isis, die Mutter des rechtmäßigen Königs der beiden Länder, Ober- und Unterägypten, sich in die Geschicke Ägyptens einmischen. Dabei ist sie mit ihrer geringen Ausbildung nicht einmal in der Lage, die Heiligen Zeichen unserer Kultur zu lesen geschweige denn zu schreiben. Zumindest verdächtige ich sie, ihren Sohn bei diesen Schandtaten schon seit langer Zeit angestiftet zu haben.
Ja, nur Thutmosis kann den Befehl dazu gegeben haben, mich hier in diesem Haus gefangen zu halten. Ohne mein Wissen wurde dieses Haus heimlich aus gebrannten Lehmziegeln nördlich des Amun-Tempels von Karnak gebaut, wie mir Ranufer vorhin bestätigte. Also muß dieser Überfall von längerer Hand geplant gewesen sein. Und er muß viele Mitwisser gehabt haben. Der Erste Amunpriester Hapuseneb kam mir in der letzten Zeit ohnehin etwas aufsässig vor. Kaum konnte er sich dazu durchringen, mir die übliche Verbeugung zu zeigen. Ebensowenig konnte er mir noch direkt in die Augen sehen. Aber er ist bereits in das Land des Westens übergegangen. Das ganze Komplott haben Thutmosis und die Priester gemeinsam ausgeheckt. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.
Warum? Augenscheinlich konnte es Thutmosis, nachdem er älter geworden war, nicht ertragen, hinter mir nur die Nummer zwei der Herrscher der Beiden Länder zu sein. Seine militärischen Erfolge im Süden bei den Nubiern und im Norden in Syrien, das muß ich neidlos zugeben, haben ihn selbstsicher und etwas überheblich gemacht, auch seine Kommandeure und seine Truppen scheinen zu ihm hoch zu schauen. Dieser Respekt tut ihm sichtlich gut. Natürlich hätte ich all das verhindern können, aber ich wollte mir vor der Geschichte und meinem Vater Amun nicht vorwerfen lassen müssen, ich hätte die Entwicklung eines fähigen Führers, der auch das Wohl des Landes ebenso wie ich im Auge hatte, unterbunden. Obwohl mir von mancher Seite dezent und flüsternd der Vorschlag gemacht wurde – aber nein, darüber möchte ich jetzt nicht mehr reden.
Was wird jetzt das Volk meiner Untertanen denken, wenn sie überhaupt davon erfahren? Wie werden sich jetzt die Priester im Amun-Tempel verhalten, mit denen ich zusammen die religiösen Rituale und Feierlichkeiten, die dem Wohl der Beiden Länder dienten, durchführte? Solch ein abrupter Wechsel zieht immer Fragen und Unruhe nach sich.
Schaue ich nach draußen, so sehe ich zwei Soldaten mit Speeren zu meiner Bewachung postiert. Und das alles für eine einzelne Frau! Gut, man hat mir dich, Ranufer, als treuen Diener und Schreiber mitgegeben und auch für die Mahlzeiten und für meine sonstigen persönlichen Belange sind meine früheren Helfer mitgekommen. Und wenn ich die eine Treppe hoch gehe, dann sehe ich auf der anderen Seite des Nils meinen Gedächtnistempel – ist es nicht eines der schönsten Bauwerke, die je ein Herrscher Ägyptens unserem Allherrn Amun gewidmet hat? Alle späteren Generationen in Millionen von Jahren werden voll Bewunderung auf den Tempel schauen und meinen Namen aussprechen. Ob ich ihn wohl noch einmal betreten werde? Schaue ich nach Süden so fällt mein Blick auf den Amun-Tempel zu Karnak, in dem ich so viele Male das Ritual vor unserem Gott Amun vollzogen habe. Meine beiden Obelisken – wie glänzen ihre mit Elektron geschmückten Spitzen im Glanze des Sonnengottes Re. Eine steinern gewordene Hymne an seine tägliche Reise über den Horizont.
Aber ich fühle mich nicht mehr frei. Ich bin eine Gefangene, bewacht Tag und Nacht von bewaffneten Soldaten. Wie lange soll das dauern? Etwa, bis ich zu Osiris hinabgehe oder ich mit der Sonnenbarke des Re jeden Tag über den Horizont gleite? Ich hoffe, und bete zu Amun, dass keiner der Aufsässigen daran geht und meinen Namen, meine Abbilder und Reliefs im Tempel von Deir el-Bahari und überall in den Ländern der Biene und der Binse zerstört. Denn jeder Mensch, jeder Beamte, jeder König lebt weiter in seinem Abbild, sein Ka bleibt in alle Ewigkeit erhalten und sein bleibender Name gibt ihm die Gewähr, weiterhin in einer anderen Lebensform zu existieren.
Das gleiche erhoffe ich auch für meinen treu ergebenen Freund und Berater Senenmut, der vor gar nicht allzu langer Zeit in das schöne Land des Westens gegangen ist. Denn er war für viele andere zu mächtig und einflussreich geworden und hatte dadurch viele Neider. Was diese Mißgünstlinge uns alles unterstellt haben, als ob wir ein Paar gewesen wären! Nichts davon ist wahr! Ein guter Freund war er, mehr nicht!
Aber ich werde in diesem Tagebuch die Wahrheit verkünden, so dass auch in Millionen von Jahren die Menschen der Beiden Länder und auch bei den Fremdvölkern erfahren, wie man mit mir umgegangen ist.