Cover

Für Naima, Teindji, Naledi und Nelson

Inhalt

Einleitung

Das antirassistische ABC

Afrodeutsch

Schwarz

Bindestrich-Identitäten

PoC oder BIPoC

Begriffe, die wir ablehnen

Wie bezeichnen wir uns nun?

Warum es nie zu früh für antirassistische Erziehung ist

Wie erlernen Kinder Rassismus?

Kinder sehen keinen Unterschied und andere Mythen

Auswirkungen von Rassismus auf Kinder

Früh übt sich …

Beginn einer Reise

War Rassismus in deiner eigenen Kindheit ein Thema?

Rassismus: der ungebetene Gast

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen … Best-of rassistischer Äußerungen

Blues in Schwarz-Weiß: die Schwarze deutsche Geschichte

Die Geburt des Rassismus aus dem Kolonialismus

Die »Goldenen Zwanziger«

NS-Zeit und Nachkriegszeit

Afrodeutsch: ein Schwarzes Coming-out

Ein Blick in den Spiegel: Selbst- und Fremdzuschreibungen

Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?

Wo stehe ich in Bezug auf Rassismus?

Privilegien-Check

Weiß ich, was ich nicht weiß?

Wie beginne ich ein Gespräch mit Kindern über Rassismus: eine Anregung in 7 Schritten

EINS: Offen ansprechen und vor allem zuhören

ZWEI: Ehrlich sein und kindgerecht erklären

DREI: Besprechen, was wir gegen Rassismus tun können

VIER: Herausfinden, ob das Kind Vorurteile hat oder selbst Rassismus erlebt

FÜNF: Von Menschen erzählen, die sich gegen Rassismus einsetzen

SECHS: Auf dich selbst achten

SIEBEN: Wie hat das Gespräch auf dein Kind gewirkt?

Alltagssituationen: Was mache ich, wenn …?

Der Blick auf das eigene Verhalten

Das Fünf-Schritte-Schema

Kindliches Verhalten

Lieber nicht über Rassismus sprechen?

Rassismus in Kita und Kindergarten

#WasWirNichtMehrSingen

Karneval und Fasching. #EineKulturIstKeinKostüm

Schon kleinste Kinder nehmen Diskriminierung wahr

Was Kinder stärkt: ein Blick in die Rassismussprechstunde

Rassismus in der Schule

Stereotypen in Schulmaterialien

Im Lehrer*innenzimmer

Max und Murat und was nach der Schule kommt

Ausflug ins Spielzimmer: Kinderbücher, Spielzeug & Co.

Hard Facts: It’s a white world out there

Wie erkenne ich ein diversitätssensibles Kinderbuch?

Bücher für einen guten Einstieg in antirassistisches Lesen

Spielend lernen und lernend spielen

Vielfalt im Fernsehen: mehr Sichtbarkeit bitte!

Soziale Medien

Antirassistisches Lesen und Spielen in 10 Schritten

Ausflug zum Inneren Kind: Nostalgie und Tradition

Schlusswort

Glossar

Anmerkungen

Literatur

Über die Autorinnen

Einleitung

Wir schreiben das Jahr 1985. Zwei kleine Schwarze Mädchen, eines in Süddeutschland, eines in Norddeutschland, stehen auf dem Außengelände ihrer jeweiligen Kitas und hören den gleichen Ruf: »Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?« »Niemand!«, antworten sie im Chor ihrer Freund*innen. Nicht ganz so laut wie die anderen Kinder, beide mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. »Und wenn er kommt?«, ertönt die nächste Frage. »Dann laufen wir!«, schallt die Antwort um sie herum. Und beide möchten laufen. Weit weg, weg von diesem Gefühl, das sie nicht erklären können. Weg von diesem ominösen Schwarzen Mann, weg von all dem Schwarzen, was sie umgibt, das sie darstellen, das sie sind. Aber gleichzeitig möchten sie auch in die sicheren Arme einer der vielen Schwarzen Männer in ihrem Leben laufen, die zu ihren Onkeln, Vätern oder den Freunden ihrer Eltern zählen.

Rassistische Praktiken gehörten in unserer Kindheit so selbstverständlich zum Alltag, dass wir nicht verbalisieren konnten, was da eigentlich passierte; doch es gab dieses bedrückende Gefühl. Zahllose Male hat man uns ungefragt in die Haare gegriffen, unsere Körper wurden kommentiert oder uns wurde das Mitspielen verwehrt, weil wir zu braun oder vermeintlich zu anders waren.

Nicht böse gemeint? Das war es oft bestimmt nicht. Kleinigkeiten? Manchmal ja, oft aber auch nicht. Unterm Strich ist es die Summe der Erfahrungen, die uns immer wieder vermittelt hat: Ihr gehört nicht richtig dazu. Ihr dürft nur dabei sein, wenn wir es erlauben. Für die Dinge, wegen denen wir so ein komisches Bauchgefühl hatten, gab es 1985 in Deutschland noch keine Sprache. Heute wissen wir, diese Erfahrungen waren Othering oder Andern – und simpler Rassismus.

Immer wieder haben wir von weißen Freund*innen gehört, dass sie sich nie etwas bei dem Spiel »Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann« gedacht hatten. Dass sie nicht an einen konkreten Schwarzen Mann, sondern an irgendeinen maskierten (gefährlichen) Mann gedacht haben. Mal ganz davon abgesehen, dass grundsätzlich über das Konzept von einem angsteinflößenden Mann in einem Kinderspiel nachzudenken wäre, zeigt sich hier die Krux von Rassismus. Dieser ist derart in unsere Gesellschaft verwoben, dass oft weder diejenigen, welche von ihm profitieren, noch jene, die darunter leiden, ihn zu identifizieren vermögen. Wir sind uns jedoch sicher, dass, hieße das Spiel »Wer hat Angst vorm weißen Mann?«, schon früher einmal Eltern oder Erzieher*innen sich über Sinn oder Unsinn eines solchen Spiels Gedanken gemacht hätten. Gleichzeitig hätte sich ein solches Spiel wohl gar nicht erst etabliert.

Jahrzehnte später sind wir selbst Mütter geworden. Trotz dieser und anderer Widrigkeiten rassistischer Natur können wir sagen, dass wir eine gute Kindheit hatten. Wir waren von Menschen umgeben, die uns liebten, hatten Freundinnen, waren privilegiert, durften und konnten studieren. Seitdem hat sich die Welt einige Male um die eigene Achse gedreht, die digitale Revolution hat unser Leben für immer verändert. Und damit hat sich auch unser Blick auf uns selbst und auf unsere Kindheit gewandelt. Heute finden wir Worte für die rassistischen Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit gemacht haben. Wir blicken zurück und können einige Episoden in einem anderen Licht deuten. Viel wichtiger ist jedoch: Wir blicken auf unsere Kinder und damit auf die Gegenwart und in die Zukunft.

Wir zwei haben viele Gemeinsamkeiten: Aufgewachsen im Deutschland der 1980er-Jahre, sind wir beide Mütter und leben in Berlin. Außerdem verband uns schon vor unserem ersten Treffen im Jahre 2016 die gleiche Idee. Einen Onlineshop gründen, in dem wir all die Kinderbücher und das Spielzeug anbieten, das wir in unserer eigenen Kindheit nicht hatten und für unsere eigenen Kinder schmerzlich vermissten. Kinderbücher, in denen wir und unsere Kinder die Hauptrolle spielen dürfen, Heldinnen sein, scheitern, Freundschaften schließen und Abenteuer erleben. Wir haben uns gefragt, wo all die Kinder of Color, diejenigen mit Behinderung, aus verschiedenen Familienkonstellationen und mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen sind. Sie fanden in unserer Kindheit und bis heute selten Platz in Kinderbüchern und Spielsachen. Da wir ja schon unabhängig voneinander diesen Traum hegten, beschlossen wir also im Sommer 2016 per Handschlag, Geschäftspartnerinnen zu werden.

Seitdem ist viel passiert. 2018 sind wir mit unserem Geschäft online gegangen. Tebalou hat sich zu Deutschlands größter und erfolgreichster Online-Plattform für vielfältige Kinder- und Jugendbuchliteratur sowie Spielzeug entwickelt. Zunehmende Medienpräsenz und eine wachsende Online-Community haben uns gezeigt: Hier gibt es großen Bedarf. Gleichzeitig haben wir schnell gemerkt, dass der Fokus auf das Thema Vielfalt nicht ausreichend ist. Immer öfter erreichten uns Fragen zu den Themen Rassismus und Diskriminierung. Wie soll ich mit meinem Kind über Rassismus sprechen? Wie können wir unsere Kita diskriminierungssensibel gestalten?

Auf der Suche nach praktikablen und leicht umsetzbaren Lösungen – am besten einem Elternratgeber – mussten wir feststellen, dass ein solcher auf dem deutschsprachigen Markt bisher schlicht nicht verfügbar war. Ein »How to« für Eltern, das sich der antirassistischen Erziehung widmet, konnten wir nicht finden. In Instagram-Posts und Interviewbeiträgen haben wir immer wieder Impulse gegeben, um bestimmte Aspekte des Themas zu beleuchten. Wir haben jedoch schnell gemerkt, dass es eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus im Kindesalter braucht.

Damit war schnell klar, ein Buch muss her. Und wenn es das so auf Deutsch noch nicht gibt, müssen wir es selbst schreiben. Das Ergebnis hältst du nun in deinen Händen.

Das Jahr 2020 bildete aus vielen Gründen eine Zäsur in der Geschichte. Die globale Pandemie mit ihren gesellschaftlichen und strukturellen Auswirkungen offenbarte wie unter einem Brennglas die Herausforderungen der westlichen Gesellschaften. Insbesondere die strukturelle Diskriminierung und der Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen rückten durch die Black-Lives-Matter-Bewegung auch hier in Deutschland in den Fokus des öffentlichen Bewusstseins. Initialzündung für dieses verstärkte Bewusstsein war die brutale Ermordung eines weiteren Schwarzen Amerikaners, George Floyd, durch die Polizei.

Vielleicht warst auch du Teilnehmer*in einer der vielen Demonstrationen, die im Sommer des Jahres 2020 in vielen deutschen Städten stattgefunden haben. In jedem Fall hat es das Thema »Rassismus in Deutschland« in den Mainstream geschafft. Wie nachhaltig dieser Diskurs ist, vermögen wir momentan noch nicht zu sagen. Dies soll auch überhaupt nicht Thema dieses Buches sein. Wir erleben jedoch, dass teilweise ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat und weiterhin stattfindet. Während zuvor der Fokus zumeist auf den individuellen Erfahrungen Schwarzer Menschen und ihrer Kinder lag, wurde uns seit Juni 2020, sei es in Interviews oder in Gesprächen mit Eltern und Pädagog*innen, immer öfter die Frage gestellt, was weiße Menschen konkret machen können, um dem individuellen und strukturellen Rassismus entgegenzutreten. In der eigenen Familie, im Freundeskreis, in der Kita und in der Schule.

Wir begrüßen diesen Schritt sehr. Endlich weg von der weißen Betroffenheit und Schockstarre, hin zum weißen Handeln und der Betrachtung des eigenen Anteils an diesem System. Ein System, das unser aller Gesellschaft spaltet und in seiner brutalen Konsequenz Menschen tötet, wie wir es im Falle von George Floyd in den USA und Oury Jalloh in Deutschland sehen konnten und es tagtäglich an den europäischen Außengrenzen beobachten können. Immer mehr Eltern, insbesondere weiße Eltern, möchten ihre Kinder anders erziehen, als sie selbst erzogen worden sind. Ihre Kinder sollen rassismuskritisch und diversitätssensibel aufwachsen. Gleichzeitig stellt sich für uns und für viele andere Schwarze Eltern und Eltern of Color schon lange die Frage, wie wir unsere Kinder schützen können. Sei es vor rassistischen Äußerungen auf dem Spielplatz, in der Kita oder der Schule: Immer wieder scheitern Menschen daran, Gehör in Institutionen oder bei weißen Eltern zu finden, wenn ihr Kind Rassismus erfahren hat. Es wird relativiert, Täter-Opfer-Umkehr betrieben oder schlichtweg geleugnet. Diese Erfahrungen führen zu Frust, Resignation und einem Misstrauen gegenüber staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen.

Wenn also auf der einen Seite die Bereitschaft besteht, eine Veränderung herbeizuführen, und auf der anderen schon lange der Kampf um Gerechtigkeit, Chancengleichheit und ein Recht auf diskriminierungsfreies Aufwachsen gefordert wird, warum kommen wir dann nicht zusammen? Es scheint einer Übersetzungshilfe zu bedürfen. Es kann Schwarzen und PoCs nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht in wissenschaftlichen Texten, in Prosa, Fiktion, Blogbeiträgen, Zeitungsartikeln und Erfahrungsberichten erklärt haben, was Rassismus ist und wie sich dieser auf ihr Leben auswirkt. Diese Informationen existieren bereits zuhauf. Genannt seien hier nur einige der aktuellen und prominentesten Stimmen: Tupoka Ogette, Mohamed Amjahid, Alice Hasters, Natasha A. Kelley, Sharon Dodua Otoo und Emilia Roig.

Die vielen Rückmeldungen insbesondere weißer Eltern haben uns jedoch bewusst gemacht, dass es sehr vielen von ihnen an Wissen über Rassismus als Gesellschaftsstruktur mangelt. Daraus ergibt sich für uns, dass sie ihren Kindern als Vorbilder und Wissensvermittler*innen nicht ausreichend zur Seite stehen können. Kurz: Sie realisieren, dass sie kaum Werkzeuge zur Verfügung haben, um mit Kindern über Rassismus zu sprechen, Rassismus im kindlichen Alltag zu erkennen, dagegen vorzugehen.

Immer stärker verfestigt sich die Gewissheit, dass die Prämisse »sei immer schön nett zu allen Menschen« nicht ausreicht, wenn wir uns auf gesellschaftlicher Ebene mit Rassismus auseinandersetzen wollen. Menschen haben uns gegenüber unzählige Male im nettesten Ton sehr rassistische Dinge gesagt. Aus Ignoranz und Unwissenheit. Aber nie böse gemeint, natürlich.

Die Frage lautet also: Wie erziehen wir Kinder diversitätssensibel und antirassistisch? Wie schaffen wir es, Kinder vor Rassismus zu schützen? Unser gemeinsames Ziel ist: Kein Kind soll Opfer von Rassismus werden. Das bedeutet, dass wir gemeinsam rassistische Praktiken im kindlichen Kontext überwinden müssen. Dafür müssen wir unseren Kindern und erwachsenen Personen das erforderliche Wissen über Rassismus vermitteln, damit sie diesen erkennen, gegebenenfalls ablegen und ihn offen konfrontieren können.

In diesem Buch widmen wir uns vorrangig dem anti-Schwarzen Rassismus. Wir kennen ihn, haben ihn unzählige Male erlebt. Gleichzeitig wissen wir, dass Rassismus sich in unterschiedlichen Gestalten zeigt. Antimuslimischer Rassismus, Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zzi oder Antisemitismus sind einige der vielen hässlichen Ausprägungen. Die Beispiele, welche wir in diesem Buch aufführen, sind oft auch auf andere Rassismus- und Diskriminierungsformen anwendbar. Wir wissen jedoch, dass es betroffene Menschen gibt, die besser zu den jeweiligen Themen schreiben können. Wir wollen alle Betroffenen von Rassismus und Diskriminierung wissen lassen: We see you. We feel your pain and we are standing beside you. But it is your story to tell.

Während wir eine gesellschaftliche Bereitschaft erkennen, sich näher mit dem Thema Antirassismus beschäftigen zu wollen, erleben wir gleichzeitig einen weltweiten Rechtsruck. In Deutschland sitzen seit einigen Jahren wieder Rassist*innen im Bundestag. Rassismusskandale bei Polizei und Bundeswehr, Drohungen gegen Aktivist*innen und auch die Anschläge von Halle und Hanau spiegeln dies wider. Seit einigen Jahren hören wir in Freundeskreisen, unter Schwarzen Menschen und BIPoCs immer wieder die Frage nach einem Exit-Plan. Wann verlassen wir Deutschland, und wohin werden wir gehen? Angst und Ohnmacht machen sich breit. Gleichzeitig gibt es viel Mut und Widerstand. Dies alles unter Erwachsenen zu besprechen und zu verhandeln ist eine Sache. Was aber, wenn es sich um (die eigenen) Kinder handelt? Wenn Kinder Ängste entwickeln, weil sie erkennen, dass die Opfer rassistischer Anschläge aussehen wie ihre Eltern, Onkel, Tanten und Freund*innen? Wie können wir mit ihnen über diese Realitäten im Land sprechen und ihnen gleichzeitig Mut machen?

Mit diesem Buch möchten wir dich auf dem Weg begleiten, Kinder nicht nur nicht rassistisch, sondern antirassistisch zu erziehen. Dazu gehört, sich der eigenen Position und des Verwobenseins mit einer von Rassismus geprägten Gesellschaft bewusst zu werden. Um gegen Rassismus zu kämpfen und in einer gerechteren Gesellschaft zu leben, braucht es Eltern und andere erwachsene Angehörige und Freund*innen, die verstehen, worum es sich bei rassistischen Strukturen handelt, welche Rollen sie spielen und was sie aktiv dagegen tun können. Das ist die Aufgabe dieses Buches: Eltern und ihren Kindern ein Bewusstsein für ihre eigene Position in diesem gesellschaftlichen Geflecht zu geben und sie dabei zu unterstützen, auf Rassismus bauende Benachteiligungen für Menschen of Color abzubauen. 

Gleichzeitig möchten wir uns aber auch an Eltern wenden, die Kinder erziehen, welche innerhalb dieses Systems benachteiligt werden. Kinder of Color sollen in einer rassistischen Struktur ermächtigt und ermutigt werden. Sie sollen wissen, dass sie so, wie sie sind, ganz richtig sind. Hierfür benötigt es Eltern und Verbündete, die sich ihrer eigenen Positionierung bewusst sind und sich aktiv für sie einsetzen. 

Wir glauben fest daran, dass dieser Weg nur gemeinsam gelingen kann: Unsere Kinder, Schwarze und weiße, gehen gemeinsam in Kita und Schule, bewegen sich gemeinsam auf dem Spielplatz, besuchen gemeinsam Sportvereine, Musikschulen, Theatergruppen und vieles mehr. Da ist es für uns nur folgerichtig, auch unser Buch allen Kindern und den sie begleitenden Erwachsenen zu widmen.

Wie jeder Weg beginnt auch dieser mit einem ersten kleinen Schritt: der Beschäftigung mit Begrifflichkeiten, also der Antwort auf die leidige Frage: »Was darf man heute eigentlich noch sagen?« Wir schauen auf die Entwicklung in der Kindheit, um zu verstehen, wie Kinder überhaupt rassistisches Wissen erlangen und welche Auswirkungen Rassismus hat. Hierbei helfen uns auch der Blick in die eigene Kindheit und eine kurze Auseinandersetzung mit der jahrhundertealten Geschichte des Rassismus im deutschsprachigen Raum. Detaillierte Anregungen, wie ein Gespräch über Rassismus mit Kindern geführt werden kann und wie wir in Alltagssituationen reagieren können, werden deine Handlungskompetenz steigern. Zu guter Letzt werfen wir einen Blick auf das Thema Rassismus im Kontext von Kita, Schule, Kinderbüchern, Spielzeug und Kindermedien. Wie erkennen wir, wann ein Lied rassistisch ist, und wie kann ich gute Kinderbücher auswählen? Welche Filme, Serien und andere Sendungen bilden gesellschaftliche Diversität vorurteilsfrei ab? All diesen Fragen wollen wir auf den Grund gehen.

Wie alle Eltern wünschen wir uns für unsere Kinder eine bessere Welt. Nicht nur für die Kinder, sondern für alle Menschen. Mit diesem Buch möchten wir unseren Beitrag dazu leisten und dich einladen, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen.

Das antirassistische ABC

Wir merken immer wieder, dass wir, anders als andere Menschen of Color oder andere Menschen aus anderen Ländern, nicht einfach als »Mensch« oder als einer Nation zugehörig bezeichnet werden und uns eventuell auch nicht so bezeichnen möchten. Das kann viele unterschiedliche Gründe haben. Doch in einer Gesellschaft, die kategorisiert und Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen belegt, können es sich gerade Menschen, die in dieser Gesellschaft nicht zu den Privilegierten zählen, das sind Menschen of Color, Schwarze Menschen, Menschen, die behindert werden, Frauen usw., nicht aussuchen, wie sie benannt werden möchten.

Entlang dieser Fremd- und Selbstbezeichnungen sind viele rassistische und rassifizierende Begriffe zur Bezeichnung von Schwarzen Menschen entstanden. In mühevollen Prozessen kämpfen die mit diesen Begriffen Markierten weiterhin für würdevollere und respektvollere Bezeichnungen. Doch noch immer verlegen Verlage alte Bücher mit rassistischen Bezeichnungen, existieren Süßigkeiten mit alten rassistischen Logos oder Namen, geliebte Menschen möchten nicht auf ihre problematischen (sprachlichen) Traditionen verzichten und verwenden weiterhin abwertende Bezeichnungen.

Die Schwarzen Communities sind vielfältig und keineswegs homogen. Viele Schwarze Menschen leben isoliert voneinander. Viele von uns sind mit Fremdbezeichnungen aufgewachsen und haben diese sehr selten hinterfragt. Einige Begriffe haben wir klar als rassistisch abgelehnt, aber in Ermangelung von Alternativen konnten viele von uns auch nur auf gängige andere Bezeichnungen zurückgreifen. Dank der afrodeutschen Poetin, Aktivistin und Wissenschaftlerin May Ayim und engagierter queerfeministischer Frauen wie auch der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) wurden in den 1980er-Jahren empowernde, alternative Selbstbezeichnungen geschaffen, um neue Wörter zu finden, die nicht mit den negativen Bildern und historischen Echos gefüllt waren. Welche das sind, welche wir aber auch ablehnen, möchten wir hier erklären, um als Basis für unser Buch zunächst sicherzugehen, dass wir alle – du, unser*e Leser*in, und wir Autorinnen – dieselbe Sprache sprechen. Beginnen möchten wir mit den empfohlenen Eigenbezeichnungen für Schwarze Menschen in Deutschland.

Afrodeutsch

Afrodeutsch ist ein Begriff, den Schwarze Frauen in Ablehnung der zuvor vorherrschenden Fremdbezeichnungen erfunden und eingeführt haben. Diesem Begriff wohnt der Zauber des Widerstands und der Resilienz inne, denn er ist selbst gewählt und in ihm klingt nicht das Echo der Entmenschlichung mit.

Der Begriff »Afrodeutsch« entstand, um als Schwarzer Mensch nicht auf rassifizierende, abwertende Begriffe, die immer auch als Differenz zum Weißsein konstruiert waren, zurückgreifen zu müssen. In diesem Begriff steckt neben dem Widerstandspotenzial und der Resilienz auch die Verwobenheit Schwarzer Erfahrung(en) mit allen Regionen der Welt. All die Wege, die Schwarze Menschen auf der Welt entwickelt haben, um mit dem Echo der vergangenen und gegenwärtigen kolonialen Spuren, mit entmenschlichenden und abwertenden Strukturen zu leben.

Viele Schwarze Menschen nutzen diesen Begriff für sich auch, um sowohl ihre Zugehörigkeit zur deutschen Nation als auch ihre spezifische Erfahrung als Schwarze Menschen sichtbar zu machen. Dieser Begriff wird auch von den Interessensverbünden Schwarzer und afrodiasporischer Menschen genutzt.

Schwarz

Schwarzer Mensch, Schwarze Deutsche, Schwarze Frau, Schwarzer Mann, Schwarzes Kind. Diese Begriffe dürfen, können und sollen gewählt werden, um Schwarze Menschen zu beschreiben. »Schwarz« ist ein politischer Begriff und wird immer großgeschrieben, um, nach May Ayim, anzuzeigen, dass diese Bezeichnungen konstruierte, soziale Kategorien sind, die nichts mit der Realität zu tun haben. »Schwarz« beschreibt also kein Merkmal wie die Hautfarbe eines Menschen. Vielmehr wird die adjektivische Großschreibung gewählt, um Menschen zu beschreiben, die innerhalb einer Gesellschaft machtpolitisch mithilfe von verschiedenen Instrumenten wie Sprache, Zugängen und Ressourcen marginalisiert werden. Zudem sollen mit dieser Schreibweise der Widerstandscharakter dieser Erfahrungen innerhalb einer rassistischen Gesellschaft angezeigt werden und die Erfahrungen, die Menschen mit ihrer sozialen Rolle als rassifizierte Menschen machen.1

Daneben wird jedoch weiß kursiv geschrieben, um auch hier anzuzeigen, dass die Bezeichnung keine natürliche ist, sondern eine machtpolitische. Wenn es relevant ist. Wie häufig erzählst du von »dem Arzt« oder »dem Kind«, auch »der Lehrerin« und denkst dir nichts dabei. Doch sobald diese Schwarz sind, werden diese zum »Schwarzen Arzt«, zum »Schwarzen Kind« oder der »Schwarzen Lehrerin«. Unbemerkt hast du »das Weißsein« einer Person zur Norm gemacht, sodass du erst und nur dann die politische Position hinzufügst, wenn es sich um eine Person handelt, die von der Norm abweicht, sprich nicht-weiß ist. Wie wäre es also, wenn du das Weißsein infrage stellst und dieses von nun an markierst: also vom »weißen Arzt«, »weißen Kind« und der »weißen Lehrerin« sprichst, statt nur Menschen of Color oder Schwarze Menschen zu markieren? Und du könntest dir auch überlegen, ob es überhaupt nötig ist, Menschen of Color generell zu markieren. Menschen tragen Namen (»Kennst du den Arzt xy?«) oder Kleidung (»Die Frau in pinkfarbener Hose an der Bar«) . Sie sind in Beziehungen mit anderen Personen (»Der beste Freund von xy«). Auch darüber können sie beschrieben werden.

Bindestrich-Identitäten

Schwarze Menschen bewegen sich wie alle anderen Menschen auch innerhalb von nationalstaatlichen Identitäten, sind kulturelle und sprachliche Erben ihrer Eltern und Vorfahren. Dieses Verwobensein drückt sich für viele auch in konkreten Selbstbezeichnungen aus. Sie sind französisch-deutsch oder senegalesisch-deutsch. Wie das Schwarzsein beziehen sich diese Bezeichnungen nicht auf eine sichtbare Erscheinung oder deuten auf ein weißes, deutsches Elternteil hin, sondern auf ihre eigenen Selbstpositionierungen innerhalb geografischer und sprachlicher Grenzen. Und weil einige Schwarze Menschen auch Kinder und Enkel*innen von weißen, deutschen Menschen oder deutschen marginalisierten Gruppen sind, verschränken sich in ihrer Person das Schwarzsein und Deutschsein auch mit den historischen Positionen von deutschen Angehörigen, deren Vorfahren eine historische Verantwortung für die Naziverbrechen tragen, ebenso wie mit Jüd*innen oder Sintizze und Romnja, Muslim*innen oder indigenen Menschen. Denkst du nun, du müsstest dich auf eine oder zwei Identitäten reduzieren, um dein Gegenüber nicht mit deinen Identitäten zu überfrachten, so sagen wir dir: Nein. Du bist all das und noch mehr. Und abhängig vom Kontext magst du in dir das Echo der einen Identität spüren und in anderen Momenten ein anderes. Das ist in Ordnung und dein Gegenüber wird damit klarkommen (müssen).

PoC oder BIPoC

PoC steht für »Person of Color« und BIPoC (gesprochen: Bie Pie O ßee) steht für »Black/Indigenous Person of Color«. Beide Begriffe sind Selbstbezeichnungen. Beides sind politische Begriffe, die genutzt werden, um Menschen über verschiedene Communities hinweg zu beschreiben. Sie beschreiben einen gemeinsamen Erfahrungshintergrund. Nämlich jenen, in einer weißen Dominanzkultur marginalisiert zu werden und aufgrund dessen Diskriminierungserfahrungen zu machen. Damit kann sich der Begriff auch auf Menschen mit jüdischen, asiatischen, muslimischen, indigenen und/oder afrikanischen Erfahrungsdimensionen und noch viele mehr beziehen.

Begriffe, die wir ablehnen

Im folgenden Abschnitt werden Begriffe genannt, die so nicht mehr angewandt werden sollen, da sie zumeist rassistisch, abwertend, historisch verankert und veraltet sind. Menschen, die diese Fremdbezeichnungen weiterhin nutzen, dürfen und müssen sich darauf gefasst machen, auf zumindest ein kritisches Stirnrunzeln oder eine wenig freundliche Gegenreaktion zu stoßen. Sowohl viele Schwarze Menschen als auch politische und gesellschaftliche Interessensgruppen empfinden die folgenden Begriffe als hochgradig problematisch bis rassistisch und lehnen sie vehement ab.

Der Begriff »Mischling«

»Mischling« geht auf die veraltete Vorstellung zurück, die von der Existenz verschiedener rassifizierter Gruppen ausgeht. Schwarze Menschen und Menschen of Color, die so bezeichnet werden, werden innerhalb eines hierarchischen Systems eingeordnet. Da der Begriff sich nicht auf Kinder von Menschen bezieht, die aus zwei verschiedenen Ländern kommen, z. B. aus Deutschland und Irland, sondern explizit zwei unterschiedlich rassifizierte Gruppen meint, zeigt sich darin die Verwurzelung des Begriffs innerhalb des Rassismus. Menschen, die als »M« bezeichnet werden, rücken in die Mitte von zwei als grundsätzlich gegenseitig konstruierten, rassifizierten Gruppen. In dieser Zwischenposition werden sie über die Nähe zur weißen Position mit Privilegien wie angenommene Schönheit (»rassige Schöne«, »exotischer Look«, »interessante Mischung«), Talent, Ressourcen (Zugang zu generationalem Erbe, westliche Namen, Pässe, Sprache) ausgestattet. Diese Logik geht davon aus, dass Menschen »gemischt« sein können. Darin schwingt auch immer die Idee des »halb und halb« und des »weder das eine noch das andere«2 mit. Und auch, dass es ein Zustand jenseits einer angenommenen Norm ist. Doch neben der naiven Idee, dass Kinder aus Beziehungen von weißen und Schwarzen Menschen als Symbol des überwundenen »Rassismus« gelten können, wurden sie auch als anrüchig, ehrlos und nicht vertrauenswürdig angesehen. Als Gesetzlose und Heimatlose waren diese so markierten Menschen häufig jenseits der Gesellschaft verortet. Doch alle diese Annahmen sind reine Projektionen, die mit realen Menschen nichts zu tun haben. Menschen sind immer komplett und vollkommen, so wie sie sind.

Im Nationalsozialismus wurden Menschen, die aus Beziehungen mit jüdischen und »deutschen« Eltern hervorgingen, als »M« bezeichnet und fielen der antisemitischen deutschen Vernichtungspolitik zum Opfer. Mit Ende des Krieges verschob sich der Inhalt in Richtung der Kinder mit Schwarzen und weißen Elternteilen. Der Inhalt des Begriffs, nicht »rein« oder »vollkommen« zu sein, blieb gleich.

Es gibt Schwarze Menschen und Menschen of Color, die sich weiterhin aus verschiedenen Gründen als »M« bezeichnen. Das steht ihnen zu. Die Mehrheit Schwarzer Menschen oder Menschen of Color, denen die Position des »M« zugeschrieben wird, lehnen den Begriff aber als abwertend und rassistisch ab.

Dunkelhäutig

Auch »dunkelhäutig« wird häufig und gern, insbesondere journalistisch, genutzt. Auch dieser Begriff ist ein von weißen Menschen konstruierter Begriff, der wenig konkrete Bezüge hat. Denn wer ist dunkelhäutig im Vergleich zu wem? Der Begriff erinnert dabei an »farbig« und seine Implikationen. Da der Begriff den Menschen lediglich auf den »dunkleren« Hautton reduziert, sollte er nicht verwendet werden.

Mulatt*in

Diese Bezeichnung wird meist synonym zu »Mischling« verwendet und bezeichnet meist Menschen, die weiße und Schwarze Elternteile haben. Das Wort stammt aus dem spanisch-portugiesischen »mulato« von mulo (Maulesel; Kreuzung eines Esels und eines Pferdes, die nicht fortpflanzungsfähig sind), womit eine Nähe zwischen Schwarzen Menschen und dem Tierreich geschaffen wurde.3 Mit diesem Begriff wird auch signalisiert, dass Nachkommen aus Beziehungen zwischen weißen und Schwarzen Elternteilen implizit anrüchig und unnatürlich seien, und man unterwirft damit die Kinder einer rassistischen Ideologie. Dieser Begriff ist aufgrund der rassistischen Implikationen und ihrer Nähe zum Tierreich abzulehnen. Auch hier gilt: Einige Schwarze Menschen werden sich mit diesem Begriff aus verschiedenen Gründen bezeichnen. Nicht-Schwarze Menschen sollten diesen Begriff aber nicht für Schwarze Menschen anwenden.

Farbig

Schwarze Menschen werden vor allem seit dem 19. Jahrhundert in Anlehnung an das Englische »colored« als »farbig« bezeichnet. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurde nach Alternativen zur Bezeichnung Schwarzer Menschen gesucht, um rassistische Begriffe, die bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschten, zu vermeiden. Ähnlich wie das »N-Wort« transportiert diese Bezeichnung jedoch von Anfang an rassistische Inhalte. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Begriff fand nur ungenügend statt. Mit dem Begriff »farbig« wird auch suggeriert, dass weiße Menschen »ohne Farbe« seien und damit die Norm abbilden. Das zeigt sich ganz klar auch im Ausdruck der Farbe »hautfarben«, der die Farbe weißer Haut in Kleidung oder Stiften beschreibt.

»Farbig« wird gern auch von weißen Menschen benutzt, in der vermeintlichen Annahme, dass dieser Ausdruck positiver klingt als beispielsweise »Schwarz«. Doch diese Vermeidung betont nur ihre eigene Unsicherheit und Vorbehalte der Wortwahl gegenüber, und nicht selten spiegelt sich in dieser ambivalenten Beziehung zum Begriff »Schwarz« auch die eigene Unwissenheit wider. Bis heute steht »bunt« für Toleranz und Vielfalt, und damit wird die heterogene Gesellschaft beschworen. Wenn »bunt« jedoch in Verbindung mit Hautfarben benutzt wird, beispielsweise um die Hautfarbe von BIPoCs zu benutzen, um Gruppen, Kampagnen oder weißen Menschen den Hauch von Urbanität oder Toleranz zu geben, so werden BIPoCs dadurch objektiviert und auf ihr Äußeres reduziert. In der Verwendung dessen klingt auch ein Echo von »farbig« an.

Zusätzlich möchten wir hier auch auf das Apartheid-Regime Südafrikas verweisen, in dem »coloured« eine gesetzlich definierte Klassifikation war. Diese Einordnung in eine rassistische Hierarchie verwehrte Menschen, die so gelabelt waren, den Zugang zu weißen Institutionen und anderen Ressourcen.

»Farbig« sollte nicht mehr zur Bezeichnung von Menschen angewandt werden, da er rassistisch und abwertend ist. Zudem setzt dieser Begriff Weißsein als Norm voraus und markiert ausschließlich Schwarze Menschen.

Die Unaussprechlichen: Rassistische Begriffe, die wir hier nicht wiederholen wollen

Über die Jahrhunderte entstanden viele rassistische Begriffe, um Schwarze Menschen zu beschreiben, die niemals neutral waren und stets im Spannungsfeld von Abwertung und Markierung standen. Zudem verwiesen sie Schwarze Menschen immer in die Nähe des Tierreichs. Menschen, die behaupten, dass bestimmte Begriffe früher neutral waren, ignorieren, dass diese Begriffe noch nie Eigenbezeichnungen waren und dass ihnen die Idee der Herabwürdigung grundsätzlich immanent war. Nur weil Oma und Opa bestimmte Begriffe kannten, es eventuell nicht besser wussten, heißt das nicht, dass der Begriff dadurch unschuldig war. Unwissen schützt vor Schaden nicht. Ein Begriff ist nicht rassistisch, weil Menschen ihn rassistisch benutzen, ein Begriff ist rassistisch, weil er es ist. Da Schwarzen Menschen schon immer ein ganz spezieller Platz innerhalb der deutschen Gesellschaft zugewiesen wurde, waren alle Begriffe, die sie beschrieben, entsprechend durch diese Brille gefärbt.

Wir werden die Vielzahl rassistischer und abwertender Begriffe hier nicht wiederholen. Sie sind noch immer an allen Stellen der Gesellschaft, in Liedern, in Büchern, in Filmen zu finden. Entsetzlicherweise.

Als weißer Mensch wirst du immer wieder auf Schwarze Menschen treffen, die den einen oder anderen abwertenden Begriff für sich nutzen. Das kann aus Überzeugung sein, es kann auch aus Unwissen geschehen. Diese Selbstbezeichnungspraxis muss von dir akzeptiert werden. Wenn du in einer engen persönlichen Beziehung zu dieser Person stehst und ihr ein Vertrauensverhältnis miteinander habt, könntest du mit der Person über das Thema sprechen und eventuell auf die Problematik einer Bezeichnung hinweisen. Bohre nicht weiter nach oder belehre die Person nicht. Auch solltest du vermeiden, die Person zu nötigen oder überzeugen zu wollen. Du solltest diese Person aber auch nicht zur Legitimation von bestimmten Bezeichnungen benutzen, selbst wenn sie selbst die Bezeichnung richtig findet. Keine Person sollte die Bürde der Repräsentation einer so heterogenen Gruppe wie die Schwarzer Menschen tragen.

Was du jedoch tun kannst, ist, am Familientisch oder im Freund*innenkreis zu intervenieren, wenn dort rassistische Fremdbezeichnungen von nicht-Schwarzen Menschen benutzt werden. Dort ist es wichtig, unabhängig davon, ob eine Person of Color oder eine Schwarze Person am Tisch sitzt oder nicht, rassistische Begriffe klar als solche zu benennen und klarzumachen, dass dies rassistisch ist und du das vehement ablehnst. Es ist nicht die Aufgabe einer Schwarzen Person, in diesen Momenten einzugreifen und Rassismus zu benennen. Es ist deine Aufgabe.

Wie bezeichnen wir uns nun?

Als Schwarzer Mensch kann es sein, dass du, wie viele von uns, die Erfahrung machst, dass du erst jetzt erkennest, wie falsch und verletzend deine bisher gewählten Selbstbezeichnungen waren. Das kann wehtun und schamvoll sein. Ärgere dich nicht, du bist nicht allein. Niemals. Überlege dir, welche Selbstbezeichnung dir am besten passt: Afrodeutsch, Schwarz, PoC, BIPoC. Inzwischen gibt es glücklicherweise eine Auswahl an nichtrassistischen Selbstbezeichnungen. Möchtest du weiterhin eine von uns abgelehnte Bezeichnung wählen, ist dir das selbstverständlich freigestellt. Erweitere diese Bezeichnung jedoch nicht unreflektiert auf andere Schwarze Menschen, die dies eventuell ablehnen. Und bedenke, dass wir alle, immer wieder, zur berühmten »Freundin oder Bekannten« werden (können), die (ohne unser Wissen) dazu benutzt werden, dies oder jenes zu legitimieren.

Warum es nie zu früh für antirassistische Erziehung ist

Bevor wir uns damit auseinandersetzen, was wir Erwachsene als Kinder über Rassismus von unseren Eltern und anderen Bezugspersonen gelernt haben, und bevor wir auf konkrete Beispiele aus dem Alltag, der Kita und Schule eingehen, wollen wir schauen, wie Kinder Wissen über Rassismus erwerben. Was sind ihre Informationsquellen, und wie hängt das mit der kindlichen Entwicklung zusammen? Dieses Wissen wird uns dabei helfen, je nach Alter des Kindes korrigierend einzugreifen.

Rassismus ist ein System und kein natürlicher Zustand. Kinder werden nicht rassistisch geboren, sie erlernen rassistische Strukturen und ihre Regeln. Und zwar viel früher, als viele von uns glauben. Wir wollen in diesem Kapitel auch einen Blick auf die negativen Auswirkungen von Rassismus auf alle Kinder, besonders natürlich auf jene, welche negativ von Rassismus betroffen sind, werfen.

All dies wird zeigen, warum eine antirassistische Erziehung so wichtig ist und warum wir eigentlich nicht früh genug damit beginnen können. Denn wenn wir unsere Kinder nicht antirassistisch erziehen, überlassen wir es im besten Fall dem Zufall, ob sie sich früher oder später rassistisch äußern oder so handeln. Mit oder ohne böse Absicht.

Wie erlernen Kinder Rassismus?

Entsprechend ihrem Alter und Entwicklungsstand lernen Kinder ihre Umwelt kennen und verstehen. Dabei ist es erst einmal normal und Zeichen einer gesunden Entwicklung, wenn sie auch Unterschiede zwischen Menschen erkennen und benennen. Worauf wir als Eltern achten müssen, ist, welche Schlussfolgerungen Kinder aus den Beobachtungen von Unterschieden ziehen. Welche nonverbalen Botschaften erhalten Kinder über Schwarze Menschen, Menschen of Color, Sinti*zzi und Rom*nja oder Frauen mit Hijab? Inwieweit sind diese Menschen in ihrem Leben präsent und in den Medien, die sie konsumieren? Und nicht zuletzt: Welche Botschaften vermitteln wir Kindern durch unser eigenes Verhalten diesen Menschen gegenüber?