Hanser E-Book
Martin Meyer
ALBERT
CAMUS
Die Freiheit leben
Carl Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-24444-3
Alle Rechte vorbehalten
© Carl Hanser Verlag München 2013
Umschlaggestaltung: Peter-Andreas Hassiepen, München, unter Verwendung eines Fotos von Albert Camus/© Archives Gallimard/Koestler.
Satz: Satz für Satz. Barbara Reischmann, Leutkirch
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Datenkonvertierung E-Book:
Kreutzfeldt digital, Hamburg
Vorwort
I.
Der Sprung ins Absurde
Debüt mit Philosophie - Ein »glücklicher Tod« - Versuche in Kurzprosa - Caligula, der Leidende - Missverständnis mit Folgen - Nachdenken über Sisyphos - Nochmals: »Der Fremde«
II.
Eine Welt von Unheil
Erster Auftritt Sartres - Die Tyrannis der Pest - Gefangenschaft und Exil - Das Böse in der Welt - Belagerungszustand – auf der Bühne - Roland Barthes als Kritiker
III.
Philosophie und Kritik der Revolte
»… in Zeiten des vollkommenen Verbrechens« - Erinnerungen an die Metaphysik - Von Baudelaire zu den Surrealisten - Von der Französischen Revolution zu Stalin - Gerechte und »Gerechte« - Sartre rechnet vor und ab
IV.
Kommentator im Zeitgeschehen
Anfänge eines Journalisten in Algier - Briefe an einen Deutschen - Weder Opfer noch Henker - Ein Scharmützel unter Intellektuellen - Gegen die Todesstrafe - Algerien: vergebliche Hoffnung - Der Künstler und die Freiheit
V.
Spiegelbild im Tagebuch
Auftakt mit Zurückhaltung - Tod und Lebenssinn - Streifzüge in Paris - Über die Freiheit - Reise nach den Vereinigten Staaten - Unterwegs durch Südamerika - Familiäre Krisen, Nöte des Künstlers als Nobelpreisträger
VI.
Verlorene Zukunft – späte Prosa
»Sommer«-Skizzen - Ein Fall ins Böse - Botschaft aus Stockholm - »Exil« und »Paradies« - Auf den Spuren des ungekannten Vaters - Ausblicke ins Ungewisse
Epilog
Siglen
Anmerkungen
Werkregister
Für Megan –
und für Michael
Unter den großen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts nimmt Albert Camus eine besondere Stellung ein. Er ist sowohl der Frühbegabte, der als junger Autor mit seinen Romanen »Der Fremde« und »Die Pest« rasch die öffentliche Aufmerksamkeit erreicht, wie auch der Frühverstorbene, dem es nicht vergönnt war, die volle Ernte seiner literarischen und philosophischen Gedanken einzubringen. Kontinuität ist da. Doch wird sie jäh und tragisch durchbrochen. Der Lebensfaden reißt ab, und es ist die kalte Sinnlosigkeit eines Unfalls, die als Spiegelbild der Absurdität im Dasein scheinbar das letzte Wort behält.
Dieses Unglück ist von den Biographen ausführlich geschildert worden. Anfang Januar 1960 reist Camus von Lourmarin in Südfrankreich, wo er vor kurzem ein Haus der Abgeschiedenheit erworben hat, zurück nach Paris. Er hat die Fahrkarte für den Zug bereits gekauft, als ihn seine Freunde Michel und Janine Gallimard überreden, mit ihnen im Auto zu fahren. Nach einer Übernachtung bei Mâcon im Burgund wird der Weg auf der Nationalstraße am 4. Januar fortgesetzt. Ein Mittagessen in Sens sorgt für eine Ruhepause. Dann: Auf der schnurgeraden Landstraße bei dem Dorf Villeblevin gerät Gallimards Facel Vega plötzlich ins Schleudern und prallt nach heftigem Zickzackkurs in einen Baum. Camus wird gegen das Rückfenster geworfen und ist sofort tot. Michel Gallimard stirbt ein paar Tage später im Spital. Janine und die achtzehnjährige Anne Gallimard überleben unverletzt. Die technischen Gründe für das Fanal bleiben ungeklärt, aber Kenner sind sich einig, dass der starke Wagen diverse Gefahren in sich barg.
In seinen Tagebüchern kommt Camus wiederholt darauf zu sprechen, dass ein Unfalltod im Verkehr als besonders sinnwidrig zu begreifen wäre: als höhnische Tücke des Seins gegenüber einem Leben, das ohnehin vergeblich auf die Transzendenz späterer Erlösung hofft. So verklammert sich Camus’ hartnäckiges und differenziertes Nachdenken über das Absurde in der Welt und die Unbehaustheit des Menschen in ihr auf dramatische Weise mit seiner eigenen Vita. Deren Gewinn aber ist in einem Werk gerettet, das weit über die französische Literatur hinaus bis heute den Geist erregt. Was die condition humaine meint und mit welchen produktiven Beunruhigungen sie umgehen muss, hat Camus in faszinierenden Parabeln, aber auch in Texten ausgeruhter Erzählkunst zu Ausdruck und Form gebracht. Die Freiheit ist hierbei ein Leitbegriff. Sie wird zur Losung für den Einzelnen, sich seiner Chancen ohne Furcht vor den übermächtigen Instanzen – heißen sie Gott, nennen sie sich die Geschichte – mit Selbstbewusstsein zu versichern.
Dieses Buch will den Büchern und Themen nachgehen, die Albert Camus uns hinterlassen hat. Es versteht sich als Lesekompass und vergegenwärtigt dabei die Herausforderungen, die in Camus’ Œuvre teils offener, teils verdeckter angelegt sind. Es interpretiert sowohl im Detail wie im Kontext und zieht das spezifisch Ästhetische wie auch das Politische, das Gesellschaftliche und wichtige Stationen der Biographie heran. Wenn Camus’ Aktualität wie seine Kunst jenseits der Zeiten im Jahr seines hundertsten Geburtstags erneut transparent werden, hat es sein Ziel erreicht.
Zürich, im Februar 2013