Übersetzung:
Nicole Storch
Saga
1. E-Book-Ausgabe, 2019
Format: EPUB 3.0
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An einem ganz normalen Tag wären Rainbow Dash die Sonnenstrahlen, die durch die Vorhänge ihres Schlafzimmers blitzten, nicht einmal aufgefallen. Aber heute war kein normaler Tag und sie befand sich nicht einmal in ihrem Schlafzimmer – genau genommen nicht mehr. Rainbow Dash war in ihre Heimatstadt Cloudsdale zurückgekehrt. Und statt es sich sich auf einer fluffigen Wolke über Ponyville gemütlich zu machen, hatte sich das blaue Pegasus-Pony in ihr regenbogenfarbenes Fohlenbettchen gequetscht. Sie hatte einen Flügelkrampf. Das Bett war eindeutig kleiner, als sie es in Erinnerung hatte.
Rainbow Dash seufzte und schaute zu, wie der Sonnenstrahl über die Trophäen, Schleifen und Überbleibsel aus Kindheitstagen wanderte, die immer noch an genau der Stelle standen, wo sie sie vor Jahren liebevoll mit ihren kleinen Hufen arrangiert hatte. So viele Erinnerungen!
Rainbow Dashs Blick blieb an ihren Bücherregal hängen, in dem ihr alter Plüschteddy Blue-Blue mit seinem ausdruckslosen Gesicht saß. Rainbow Dash konnte sich noch genau daran erinnern, wie sie ihn von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte, weil sie bei ihrem ersten Zahnarztbesuch so tapfer gewesen war. Dann bemerkte Rainbow Dash ihren wolkenbesetzten Basketballkorb und dachte daran, wie sie stundenlang den perfekten Wurf geübt hatte, statt ihre Hausaufgaben zu machen. Lernen hatte ihr nie wirklich viel Spaß gemacht. Nur eine Prüfung war jemals wichtig gewesen für Rainbow Dash – die Aufnahmeprüfung an der Wonderbolt-Akademie!
Das Poster über dem Basketballkorb zeugte von Rainbow Dashs Verehrung für die Flugakrobaten-Truppe. Es zeigte die berühmten Wonderbolts in Action – mit ausgebreiteten Flügeln bei ihrem berühmten „Im Auge des Sturms“-Flugmanöver. Die Show war legendär! Die kleine Rainbow Dash hatte jeden Abend sehsüchtig auf das Poster gestarrt und war darüber eingeschlafen. Und jede Nacht träumte sie davon, einst selbst zu den Wonderbolts zu gehören und einen der blau-gelben Fluganzüge zu tragen.
Nun, da ihr Traum Wirklichkeit geworden war, begeisterte sie mit der Flugtruppe oft die Zuschauer an öffentlichen Plätzen mit gewagten Flugmanövern und aufwendigen Choreografien. Und genau aus diesem Grund war sie auch jetzt in Cloudsdale, im Haus ihrer Eltern. Mit einem fröhlichen „Guten Morgen, Dashie-kins!“ platzte Windy Whistles in ihr Zimmer, in den Hufen ein Tablett mit einer Schüssel dampfendem Porridge und Toast mit Himmelbeer-Marmelade. Das Glas Orangensaft schwappte über, so aufgeregt war Windy, dass ihre Tochter da war. „Ich hab dein Lieblingsfrühstück gemacht! Wie geht es denn meinem kleinen Lieblingswonderbolt heute Morgen?“
„Ich, ähm …“, weiter kam Rainbow nicht, als ihr Vater, Bow Hothoof, hinter ihrer Mutter auftauchte. „Ist sie schon wach, Liebling? Ist unser Champion-Tochter bereit für ihren großen Auftritt bei der Wonderbolts-Jubiläumsshow ‚Looping Whoop Whoop‘?“ Er spähte über Windys Schulter mit einem breiten Grinsen auf seinem lila Gesicht. Wie auch bei seiner Tochter stand seine regenbogenfarbene Mähne in alle Richtungen ab.
„Dad, es heißt Loop-de-Loop Hoopla.“ Rainbow Dash seufzte lächelnd, als sie sich kerzengerade im Bett aufrichtete. „Und ja, ich bin jetzt wach.“ Sie schob die Decken beiseite und kletterte aus dem Bett. „Nein, nein! Schone deine Muskeln, Fräulein!“, sagte Windy energisch, als sie ihre Tochter zurück in die Kissen drückte, während sie in beeindruckender Weise das Tablett balancierte. „Entspann dich und iss etwas. Du solltest deine Kräfte für den großen Auftritt sparen. Alle Ponys aus Cloudsdale kommen und können es nicht erwarten, dich zu sehen! Sogar meine Freundinnen kommen alle – wir machen einen ganzen Mädelstag daraus mit passenden Outfits, der Show und Essen im Regentropfen-Café. Endlich kann ich auch mal mit meiner Tochter angeben! Wenn ich mir noch mehr über Snowfalls Tochter Moon Trotter und ihre Schneeflocken-Auszeichnungen anhören muss, weiß ich auch nicht mehr!“
„Die Mädels?!“, stöhnte Rainbow. „Etwa alle?“ Rainbows Mutter engagierte sich sehr in Cloudsdales Sammelteller-Club. Das hörte sich erst einmal nicht besonders spektakulär an, aber wenn diese Stuten alle beisammen waren, konnte es schon hitzig werden. „Nein, nein, natürlich nicht“, lachte Windy beschwichtigend. „Das wäre lächerlich! Nur Snowfall, Blue Skies, Pom Pom, Dew Shine, Sparkle Showers, Sunny Shores und … Helen.“ Windy grinste stolz. „Ach, und Barbara.“
„Natürlich, und Barbara”, Rainbow Dash lachte nervös und verbarg ihre wachsende Besorgnis, indem sie ein Stück vom Toast abbiss. Nachdem sie sich bei der letzten Wonderbolts-Show beschwert hatte, dass sie die Unterstützung ihrer Eltern zu krass fand, hatte Rainbow Dash sich fest vorgenommen, ihre Art der Unterstützung zu akzeptieren. Sie konnte sich glücklich schätzen, so liebevolle Eltern zu haben, auch wenn sie es manchmal übertrieben. Dank Scootalo und ihrem Erlebnis in der Schule wusste Rainbow Dash das jetzt zu schätzen.
„Ich hoffe, es ist okay, dass ich auch das alte Eimerball-Team eingeladen habe“, ergänzte Bow Hothoof und wurde rot. „Sie können es immer noch nicht glauben, dass der kleine Racker, der immer übers Spielfeld geflattert ist und sie zum Wettfliegen herausgefordert hat, nun ein echter Wonderbolt ist!“ Bow wischte sich eine Träne des Stolzes aus dem Auge und umarmte Rainbow Dash fest.
„Ladet ruhig die ganze Stadt ein, wenn ihr wollt. Ich habe auch ein paar Freunde eingeladen“, gab Rainbow Dash zu. „Aber ich bin nicht sicher, ob sie wirklich kommen. Ich meine … ich weiß ja nicht mal, ob sie meine Einladung bekommen haben …“ „Warum sollten sie nicht?“, fragte Windy und hob eine Augenbraue. „Hast du ihre Adressen etwa nicht?“ – „Darum geht’s nicht“, erklärte Rainbow und nahm noch einen Löffel Porridge. Sie wischte sich einen Klecks vom Kinn. „Sie … ähm … haben keine Adressen. Diese Freunde sind irgendwie … immer unterwegs. Ich habe sie zunächst mal hierher ins Haus eingeladen. Ich hoffe, das ist okay?“
„Wie schön!“, zwitscherte Windy, wie immer optimistisch. „Es ist wundervoll, Gäste zu haben.“ – „Ich kann es nicht erwarten, sie kennenzulernen“, ergänzte Bow Hothoof. „Die Freunde meiner Tochter sind in diesem Haus immer willkommen. Was hältst du davon, wenn ich noch ein wenig aufräume, bevor sie kommen?“ Er trabte zum Fenster und zog die Vorhänge auf. Frische Luft und Sonnenlicht durchfluteten den Raum. Doch bevor Rainbow Dash ihrem Vater danken konnte, stieß der einen erschrockenen Schrei aus.
„Whoa!“ Bow fiel die Kinnlade herunter und seine Augen wurden größer als Windy Whistles Sammelteller. „Was zur Gewitterwolke ist das denn?!“ – „Platz da!“ Rainbow Dash schoss wie ein Pfeil herüber. Sie machte sich auf einen schrecklichen Anblick gefasst. Sie fürchtete sich nicht. Rainbow Dash hatte schon alles gesehen: Drachen, einen Mantikor, neue furchterregende Kreaturen in der Wüsten-Hafenstadt Klugetown und sogar den Sturmkönig. Rainbow Dash erwartete eine riesiges Geschöpf, das auf das Haus zukroch. Doch was sie sah, überraschte sie total.
Ein riesiges Luftschiff bahnte sich mit gefiederten Segeln in den schönsten Farben seinen Weg durch die Wolken. Es schien Ewigkeiten her zu sein, seit Rainbow ihre Freundin Captain Celaeno und ihre polternde Papageien-Piraten-Crew zuletzt gesehen hatte, und jetzt steuerten sie genau auf das Haus ihrer Eltern zu! Das war zu schön, um wahr zu sein.