William Shakespeare

Ein Sommernachtstraum

 

 

 

William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum

 

Vollständige Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Henry Fuseli, Titania und der eselsköpfige Zettel, um 1785

 

ISBN 978-3-8430-5656-4

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-2112-8 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-2113-5 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstmals ins Deutsche übersetzt von Christoph Martin Wieland (1762). Die vorliegende Übersetzung stammt von August Wilhelm Schlegel. Erstdruck in: Shakspeare's dramatische Werke. Übersetzt von August Wilhelm Schlegel, Bd. 1, Berlin (Johann Friedrich Unger) 1797.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Herausgegeben von Anselm Schlösser. Berlin: Aufbau, 1975.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

Personen

–

Theseus, Herzog von Athen

 

Egeus, Vater der Hermia

 

Lysander,

Demetrius, Liebhaber der Hermia

 

Philostrat, Aufseher der Lustbarkeiten am Hofe des Theseus

 

Squenz, der Zimmermann

 

Schnock, der Schreiner

 

Zettel, der Weber

 

Flaut, der Bälgenflicker

 

Schnauz, der Kesselflicker

 

Schlucker, der Schneider

 

Hippolyta, Königin der Amazonen, mit Theseus verlobt

 

Hermia, Tochter des Egeus, in Lysander verliebt

 

Helena, in Demetrius verliebt

 

Oberon, König der Elfen

 

Titania, Königin der Elfen

 

Droll, ein Elfe

 

Bohnenblüte,

Spinnweb,

Motte,

Senfsamen, Elfen

 

Pyramus,

Thisbe,

Wand,

Mondschein,

Löwe, Rollen in dem Zwischenspiele, das von den Rüpeln vorgestellt wird

 

Andere Elfen, im Gefolge des Königs und der Königin. Gefolge des Theseus und der Hippolyta

 

Szene: Athen und ein nahe gelegener Wald[310]

 

Erster Aufzug

Erste Szene

Ein Saal im Palaste des Theseus. Theseus, Hippolyta, Philostrat und Gefolge treten auf.

 

THESEUS.

Nun rückt, Hippolyta, die Hochzeitstunde

Mit Eil' heran; vier frohe Tage bringen

Den neuen Mond: doch, o wie langsam nimmt

Der alte ab! Er hält mein Sehnen hin,

Gleich einer Witwe, deren dürres Alter

Von ihres Stiefsohns Renten lange zehrt.

HIPPOLYTA.

Vier Tage tauchen sich ja schnell in Nächte:

Vier Nächte träumen schnell die Zeit hinweg:

Dann soll der Mond, gleich einem Silberbogen

Am Himmel neu gespannt, die Nacht beschaun

Von unserm Fest.

THESEUS.

Geh, Philostrat, berufe

Die junge Welt Athens zu Lustbarkeiten!

Erweck' den raschen leichten Geist der Lust!

Den Gram verweise hin zu Leichenzügen:

Der bleiche Gast geziemt nicht unserm Pomp.

 

Philostrat ab.

 

Hippolyta! Ich habe mit dem Schwert

Um dich gebuhlt, durch angetanes Leid

Dein Herz gewonnen; doch ich stimme nun

Aus einem andern Ton, mit Pomp, Triumph,

Bankett und Spielen die Vermählung an.

 

Egeus, Hermia, Lysander und Demetrius treten auf.

 

EGEUS.

Dem großen Theseus, unserm Herzog, Heil!

THESEUS.

Mein guter Egeus, Dank! Was bringst du Neues?[311]

EGEUS.

Verdrusses voll erschein' ich und verklage

Mein Kind hier, meine Tochter Hermia. –

Tritt her, Demetrius! – Erlauchter Herr,

Dem da verhieß mein Wort zum Weibe sie.

Tritt her, Lysander! – Und, mein gnäd'ger Fürst,

Der da betörte meines Kindes Herz.

Ja! Du, Lysander, du hast Liebespfänder

Mit ihr getauscht: du stecktest Reim' ihr zu;

Du sangst im Mondlicht unter ihrem Fenster

Mit falscher Stimme Lieder falscher Liebe!

Du stahlst den Abdruck ihrer Phantasie

Mit Flechten deines Haares, buntem Tand,

Mit Ringen, Sträußen, Näschereien (Boten

Von viel Gewicht bei unbefangner Jugend);

Entwandtest meiner Tochter Herz mit List,

Verkehrtest ihren kindlichen Gehorsam

In eigensinn'gen Trotz. – Und nun, mein Fürst,

Verspricht sie hier vor Eurer Hoheit nicht

Sich dem Demetrius zur Eh', so fodr' ich

Das alte Bürgervorrecht von Athen,

Mit ihr, wie sie mein eigen ist, zu schalten.

Dann übergeb' ich diesem Manne sie,

Wo nicht, dem Tode, welchen unverzüglich

In diesem Falle das Gesetz verhängt.

THESEUS.

Was sagt Ihr, Hermia? Laßt Euch raten, Kind!

Der Vater sollte wie ein Gott Euch sein,

Der Euren Reiz gebildet; ja, wie einer,

Dem Ihr nur seid wie ein Gepräg', in Wachs

Von seiner Hand gedrückt, wie's ihm gefällt,

Es stehn zu lassen oder auszulöschen.

Demetrius ist ja ein wackrer Mann.

HERMIA.

Lysander auch.

THESEUS.

An sich betrachtet wohl.

So aber, da des Vaters Stimm' ihm fehlt,

Müßt Ihr für wackrer doch den andern achten.

HERMIA.

O säh' mein Vater nur mit meinen Augen!

THESEUS.

Eu'r Auge muß nach seinem Urteil sehn.

HERMIA.

Ich bitt' Euch, gnäd'ger Fürst, mir zu verzeihn.[312]

Ich weiß nicht, welche Macht mir Kühnheit gibt,

Noch wie es meiner Sittsamkeit geziemt,

In solcher Gegenwart das Wort zu führen;

Doch dürft' ich mich zu fragen unterstehn:

Was ist das Härtste, das mich treffen kann,

Verweigr' ich dem Demetrius die Hand?

THESEUS.

Den Tod zu sterben, oder immerdar

Den Umgang aller Männer abzuschwören.

Drum fraget Eure Wünsche, schönes Kind,

Bedenkt die Jugend, prüfet Euer Blut,

Ob Ihr die Nonnentracht ertragen könnt,

Wenn Ihr der Wahl des Vaters widerstrebt,

Im dumpfen Kloster, ewig eingesperrt,

Als unfruchtbare Schwester zu verharren,

Den keuschen Mond mit matten Hymnen feiernd.

O dreimal selig, die, des Bluts Beherrscher,

So jungfräuliche Pilgerschaft bestehn!

Doch die gepflückte Ros' ist irdischer beglückt,

Als die, am unberührten Dorne welkend,

Wächst, lebt und stirbt in heil'ger Einsamkeit.

HERMIA.

So will ich leben, gnäd'ger Herr, so sterben,

Eh' ich den Freiheitsbrief des Mädchentums

Der Herrschaft dessen überliefern will,

Des unwillkommnem Joche mein Gemüt

Die Huldigung versagt.

THESEUS.

Nehmt Euch Bedenkzeit; auf den nächsten Neumond,

Den Tag, der zwischen mir und meiner Lieben

Den ew'gen Bund der Treu' besiegeln wird,

Auf diesen Tag bereitet Euch, zu sterben

Für Euren Ungehorsam, oder nehmt

Demetrius zum Gatten, oder schwört

Auf ewig an Dianens Weihaltar

Eh'losen Stand und Abgeschiedenheit.

DEMETRIUS.

Gebt, Holde, nach; gib gegen meine Rechte,

Lysander, deinen kahlen Anspruch auf!

LYSANDER.

Demetrius, Ihr habt des Vaters Liebe:

Nehmt ihn zum Weibe; laßt mir Hermia!

EGEUS.

Ganz recht, du Spötter! Meine Liebe hat er;[313]

Was mein ist, wird ihm meine Liebe geben;

Und sie ist mein; und alle meine Rechte

An sie verschreib' ich dem Demetrius.

LYSANDER.

Ich bin, mein Fürst, so edlen Stamms wie er;

So reich an Gut; ich bin an Liebe reicher;

Mein Glücksstand hält die Waag' auf alle Weise

Dem seinigen, wo er nicht überwiegt;

Und (dies gilt mehr als jeder andre Ruhm)

Ich bin es, den die schöne Hermia liebt.

Wie sollt' ich nicht bestehn auf meinem Recht?

Demetrius (ich will's auf seinen Kopf

Beteuern) buhlte sonst um Helena,

Die Tochter Nedars, und gewann ihr Herz;

Und sie, das holde Kind, schwärmt nun für ihn,

Schwärmt andachtsvoll, ja mit Abgötterei,

Für diesen schuld'gen, flatterhaften Mann.

THESEUS.

Ich muß gestehn, daß ich dies auch gehört,

Und mit Demetrius davon zu sprechen

Mir vorgesetzt; nur, da ich überhäuft

Mit eignen Sorgen bin, entfiel es mir.

Doch ihr, Demetrius und Egeus, kommt!

Ihr müßt jetzt mit mir gehn, weil ich mit euch

Verschiednes insgeheim verhandeln will.

Ihr, schöne Hermia, rüstet Euch, dem Sinn

Des Vaters Eure Grillen anzupassen:

Denn sonst bescheidet Euch Athens Gesetz,

Das wir auf keine Weise schmälern können,

Tod, oder ein Gelübd' des led'gen Standes.

Wie geht's, Hippolyta? Kommt, meine Traute!

Ihr, Egeus und Demetrius, geht mit!

Ich hab' euch noch Geschäfte aufzutragen

Für unser Fest; auch muß ich noch mit euch

Von etwas reden, das euch nah betrifft.

EGEUS.

Dienstwillig und mit Freuden folgen wir.

 

Theseus, Hippolyta, Egeus, Demetrius und Gefolge ab.

 

LYSANDER.

Nun, liebes Herz? Warum so blaß die Wange?

Wie sind die Rosen dort so schnell verwelkt?[314]

HERMIA.

Vielleicht, weil Regen fehlt, womit gar wohl

Sie mein umwölktes Auge netzen könnte.

LYSANDER.

Weh mir! Nach allem, was ich jemals las

Und jemals hört' in Sagen und Geschichten,

Rann nie der Strom der treuen Liebe sanft;

Denn bald war sie verschieden an Geburt –

HERMIA.

O Qual! zu hoch, vor Niedrigem zu knien!

LYSANDER.

Bald war sie in den Jahren mißgepaart –

HERMIA.

O Schmach! zu alt, mit jung vereint zu sein!

LYSANDER.

Bald hing sie ab von der Verwandten Wahl –

HERMIA.

O Tod! mit fremdem Aug' den Liebsten wählen!

LYSANDER.

Und war auch Sympathie in ihrer Wahl,

So stürmte Krieg, Tod, Krankheit auf sie ein

Und macht' ihr Glück gleich einem Schalle flüchtig,

Wie Schatten wandelbar, wie Träume kurz,

Schnell wie der Blitz, der in geschwärzter Nacht

In einem Winke Himmel und Erd' entfaltet;

Doch eh' ein Mensch vermag zu sagen: »Schaut!«,

Schlingt gierig ihn die Finsternis hinab:

So schnell verdunkelt sich des Glückes Schein.

HERMIA.

Wenn Leid denn immer treue Liebe traf,

So steht es fest im Rate des Geschicks.

Drum laß Geduld uns durch die Prüfung lernen,

Weil Leid der Liebe so geeignet ist

Wie Träume, Seufzer, stille Wünsche, Tränen,

Der armen kranken Leidenschaft Gefolge.

LYSANDER.

Ein guter Glaube! Hör' denn, Hermia!

Es liegt nur sieben Meilen von Athen

Das Haus 'ner alten Witwe, meiner Muhme;

Sie lebt von großen Renten, hat kein Kind,

Und achtet mich wie ihren einz'gen Sohn.

Dort, Holde, darf ich mich mit dir vermählen,

Dorthin verfolgt das grausame Gesetz

Athens uns nicht: liebst du mich denn, so schleiche

Aus deines Vaters Hause morgen nacht,

Und in dem Wald, 'ne Meile von der Stadt,

Wo ich einmal mit Helena dich traf,[315]

Um einen Maienmorgen zu begehn,

Da will ich deiner warten.

HERMIA.

Mein Lysander!

Ich schwör' es dir bei Amors stärkstem Bogen,

Bei seinem besten goldgespitzten Pfeil,

Und bei der Unschuld von Cytherens Tauben;

Bei dem, was Seelen knüpft, in Lieb' und Glauben;

Bei jenem Feu'r, wo Dido einst verbrannt,

Als der Trojaner falsch sich ihr entwandt;

Bei jedem Schwur, den Männer je gebrochen,