Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2011 Tilly von Schrubbstein
Umschlagdesign, Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-8448-7257-6
Dieses Buch ist ein fast biografischer
Roman.
Handlungen und Personen sind
zu 20% frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten
Personen sind natürlich rein zufällig. ;-)
Dies ist zu 80% ein Tatsachenbericht.
Sämtliche Fehler, die dieses Buch
beherbergt, gehen allein auf mein Konto.
Und ihr seid alle nicht gemeint! ;-)
Aller Anfang ist schwer… da sitze ich – Tilly von Schrubbstein – nun: 27 Jahre alt, heute vom Freund verlassen, gleichzeitig auch die Arbeit gekündigt, horrende Schulden auf der Bank und einen Brief vom Vermieter in der Hand, den wirklich KEINER in der Vorweihnachtszeit lesen will – die Wohnungskündigung!! Geht’s noch tiefer?
Wäre ich nicht so schusselig, dann hätte ich das Schreiben sicherlich schon erwartet. Aber so war dieser Blitz aus heiterem Himmel wie ein Vorschlaghammer auf meinem Kopf. Kaum zahlt man dreimal seine Monatsmiete nicht wird einem schon gekündigt!? Was soll das denn?? Erst einmal ein Gläschen Prosecco einschenken und danach meine Freundin Angie anrufen, die weiß sicher was zu tun ist in so einer schweren Notlage.
TUUT… TUUT… TUUT
„Tut mit leid, keiner daheim, lasst euren Spruch hier auf meiner Blechbüchse, ich rufe zurück.“
BÄH!! GRRR!!
DAS waren genau die Worte die ich nicht hören wollte!! Wo steckt sie nur? Normalerweise war sie um diese Uhrzeit immer daheim.
Uhrzeit? Himmel, es ist ja schon 3 Uhr morgens!! Vielleicht schläft sie ja auch bloß? Da könnte ich glatt mal vorbeischauen, sie wohnt im nächsten Eingang des Appartementblocks!!
Welch ein Glück für mich!!
Wirkliche Freundinnen kann man doch zu jeder Tagesund Nachtzeit stören, oder etwa nicht!?
Also, Schlüssel geschnappt, Morgenmantel und meine Plüschhauspuschen angezogen und nichts wie los…
KLINGELING…. Nochmals…. KLINGELINGELING… Na sag mal, wie tief schläft DIE denn? Soll ich’s noch mal versuchen?
KINGELINGELING…. Nichts!! Na gut, dann gebe ich für heute auf und versuche es Morgen noch mal…
SEUFZ!! Ich könnt heut wirklich im Selbstmitleid versinken…
BRRR, ist das kalt hier draußen!! Wieso passt denn der Schlüssel nicht in das blöde Schloss? Inzwischen bin ich wieder vor meiner Haustüre angekommen.
Stimmt! Hausnummer 252 – meine!! Ist vielleicht die Schließanlage wieder einmal kaputt? Und was ist denn das für ein putziger Herzanhänger an dem Schlüsselbund?
Welch ein Glück!! Das ist der Schlüssel von meiner Freundin Angie!! HURRA!!
Na, da kann ich mich ja gleich selber überzeugen das sie nicht daheim ist und meinen eigenen Notschlüssel bei ihr abholen, den sie zur Sicherheit immer in ihrem Nachtkästchen hat. Schnell hineingehuscht, es war ja auch ziemlich fröstelig, nur im Morgenmantel mit drunter nix… BRRR!!
Gott sei Dank hatte ich wenigstens meine pelzigen Lieblings-Hausschlappen an.
So, endlich angekommen im 4. Stock – PUH!!
SCHNAUF!! Sport sollte ich auch mal wieder machen…
Wohnungstür aufgesperrt – WOW!! Ein neuer, hellblauer, flauschig weicher Wintermantel hängt da im Flur. Mit weißem Pelz am Kragen! Den gleichen hatte ich mir von meinem mich sitzen lassenden Freund Alex zu Weihnachten gewünscht – ach, was soll’s, der Typ war vorbei und vergessen!! Was für ein Loser!!
Was sind denn das für Geräusche aus dem Schlafzimmer!?! Eindeutig!!
KICHER!! Ich war drauf und dran meine Freundin inflagranti zu erwischen!! Nur, mit wem? Sie hatte doch nach der letzten Pleite den Männern abgeschworen… Ins Schlafzimmer muss ich ja sowieso wegen meinem Schlüssel, stören würde ich sie also eh… auf ihre Augen bin ich mal gespannt!
KLOPF, KLOPF und die Tür aufgerissen….
„ÜBERRASCH…..“ Weiter komme ich nicht, denn meine allerbeste Lieblingsfreundin liegt eindeutig positioniert unter meinem mich sitzen lassenden Ex-Freund!! Kann man noch tiefer sinken?
Zornesrot im Gesicht, gekränkt bis auf die Knochen, mit aufgerissenem Mund und noch größeren Augen stehe ich da und schnappe nur noch nach Luft. Nun wusste ich auch für wen er mir den Laufpass gegeben hatte… Da ist mir auch sofort klar für WEN er den wunderschönen Wintermantel gekauft hat. Den schnappe ich mir dann auch auf dem Weg nach draußen! Sozusagen als Schmerzensgeld – BASTA!!
Heulend und schniefend tapse ich nach Hause, das heißt bis vor meine Haustür!! F….!! Ich habe ja immer noch IHRE Schlüssel in der Hand und nicht meine!! Jetzt reicht’s, nun wird der Hausmeister rausgeklingelt, dies ist ja schließlich ein Supernotfall!
Hocherfreut ist er nicht, aber er hat mir grummelnd und brummelnd meinen Ersatzschlüssel ausgehändigt, hat wohl Mitleid mit dem schniefenden, frierenden Häufchen Elend in nassen Plüschpantoffeln vor sich? Nach dem Versprechen von mir dass dies das letzte Mal in dieser Woche gewesen wäre, bin ich auch schon wieder aus der Tür. Na, kein Kunststück, ist ja auch schon Freitagnacht!!
AAAH!!
Endlich ins weiche Bett fallen, noch ein Gläschen Prosecco und Seelentröster-Schoki dazu, den Fernseher an und meine Kuschelmaus an die Backe gedrückt, schnell ein kleines Tränchen weggewischt. Morgen ist auch noch ein Tag….
Wie? Was? Wer läutet? Oh Himmel, so ein lauter Ton! Böse Nachrichten mögen bitte vor der Haustür bleiben!! Wer klingelt denn da am helllichten Morgen? 6.30 Uhr!! GRRR!!
Ach so… Ich hatte nur vergessen in dem Durcheinander am Vorabend den Wecker auszuschalten. Es ist Samstag und ich kann ausschlafen! Aber leider funktionierte in diesem Augenblick mein Gehirn wieder, die kleinen, grauen Zellen beginnen ihre Arbeit. Meine verquollenen Augen erblicken den trendigen Wintermantel, dazu den Schlüssel mit dem doofen Herzanhänger und zu guter letzt das Schreiben von meinem Vermieter neben meinem Bett mit dem das ganze Übel gestern Nacht angefangen hatte… Oh Mann, ist mir schlecht!! Was ist denn das für ein klebriges, braunes Zeug an meinem Morgenmantel? Wo kommt der Mief her? Und was ist da Hartes unter meinem Bein? Mit der rechten Hand ziehe ich das leere Wasserglas unter mir hervor… Wie kam das denn…? Ah ja, die Erinnerung kommt zurück…
Den Prosecco hatte ich wohl ins Bett geschüttet als ich eingeschlafen war. Daher auch der warmfeuchte, eklige Geruch. Der Fernseher läuft auch noch. Meine Güte! Das Drama vom letzten Tag nimmt ungeahnte Ausmaße an…
Da hatte ich wohl nach dem freudlosen Gespräch mit meinem Chef ein bisschen zu tief ins Glas geguckt!? Das war aber auch nötig gewesen nachdem ich ihm meine Kündigung ins Gesicht geschleudert hatte, mir ganz schnell meine Designerhandtasche schnappte und türenknallend aus der Firma gestürmt war. Soll der Trottel doch selber mal arbeiten anstatt seine Untergebenen so zu schinden!! Vom Golfspielen und Mittagessen kommt bestimmt kein Geld in die Kasse! Leider lag der Schlüssel zu meinem schnuckeligen Firmenauto noch in meinem Schreibtisch, aber zurück wollte ich auf gar keinen Fall!
Lieber Taxi oder doch mal den Bus ausprobieren? Das hatte ich in den letzten 4 Jahren nicht gemacht. Also warum am letzten Arbeitstag?
„TAAAAXI!!!“
Nach kurzen 25 Minuten mit einem äußerst mitfühlenden Fahrer und um 35 Euro inkl. großzügigem Trinkgeld ärmer stand ich vor dem Supermarkt meines Vertrauens. Einkaufswagen oder Körbchen? Schieben oder schleppen?
Keine Frage… Proseccoflaschen wiegen schwer. So schob ich den Wagen durch die Gänge auf der Suche nach meinem Leibgetränk. Ist ja nicht so dass ich durchgehend und immer trinke, eher bin ich die disziplinierte Wochenend-Alkoholikerin. Aber Härtefälle brauchen genügend Löschmittel – Auslöschmittel!!
UIIEH!! Ein Probierstand! Die liebe ich ja! Eine neue Sorte Hochprozentiges… vielen dank, sehr lecker!!
Wie wenn der nette Mann es gewusst hätte das ich den nötig habe. Sehr zuvorkommend, wirklich! Gleich mal die unschöne Geschichte meiner Kündigung mit dem liebenswerten Verkäufer geteilt…. Ob ich noch einen will? Klaro!!
Nach einer halben Flasche des Gebräus intus und noch zwei weiteren davon im Wägelchen kam ich dann endlich an meinem Spirituosenregal.
Überraschung! Meinen Lieblings-Prosecco gibt’s jetzt auch als Rosé! Wie der wohl schmeckt? Ich nahm einfach mal zwei Flaschen davon und von meiner Hausmarke auch noch drei, man weiß ja nie was der Abend noch für Gäste bringt, oder? ;-)
Schnell zur Kasse getippelt – wo war denn nur in dieser riesigen Handtasche meine Geldbörse? Alles noch mal durchgewühlt und umgekrempelt…. nichts!!
PANIK!!
Ich hatte doch wohl nicht das kleine Ding im Taxi liegen gelassen? Oh nee, oder!? AAH!! Gott sei Dank, mein kleiner Schatz hatte sich nur in der Manteltasche versteckt. Wie? Für die paar Fläschchen satte 80 Euros? Das ist Wucher!! Aber nach einem Blick auf die Kassiererin und die lange Schlange hinter mir bezahlte ich dann doch mit einem ungläubigen Kopfschütteln und einem unüberhörbaren Stoßseufzer.
Wieder draußen in der eisigen Vorwinterluft…
BRRRR! Wie ich dieses nasskalte Wetter hasse!! Ich bin von Haus aus ein Warmblütler, somit ist alles unter +10 Grad Celsius für mich einfach unerträglich. Kragen hochgeschlagen, Mütze zurechtgezupft, Handschuhe angezogen und ab durch die Mitte, waren ja nur 150 Meter bis zu meiner Haustüre – also los!
Daheim angekommen… Schnell meine Schätzchen in der Einkaufstüte auf den Balkon gestellt, da ist es kalt genug. Alkohol friert doch nicht… Ein Fläschchen von dem neuen Rosé gleich mal aufgemacht und probiert – LECKER!! Noch viel leckerer als mein altgewohnter Seelentröster! Das höchste Vergnügen bereitet mir aber doch ein heißes Bad und dazu ein Schlückchen mit Umdrehungen. Als ich endlich in der schaumigen, duftenden Wanne lag läutet mein Telefon… Natürlich habe ich es nicht mit ins Bad genommen, wir wissen ja alle was da schlimmes passieren kann!! Auf Stromschläge stehe ich nun wirklich nicht!
Die Neugier siegte…. Raus aus dem warmen Nass, PATSCH… PATSCH… PATSCH… durch den Flur ins Wohn-Schlafzimmer… Wo lag denn bloß mein rosa Knochen?? Hörte sich dumpf an, wahrscheinlich unter der Bettdecke…. Richtig!!
„Ja, hallo!?! Wer holt die Schönheitsgöttin aus ihrem Bad?“ Mein Freund Alex war der Störenfried… „Dass du schon daheim bist? Ich dachte ich kann dir kurz eine Nachricht auf deinem Anrufbeantworter hinterlassen…“
Mein Süßer hatte ja noch keine Ahnung!!
„Schätzelchen, gute Nachricht!! Ich bin nun genauso arbeitslos wie duhu!!“ flöte ich…
Stille in der Leitung…
„Na sag mal freust du dich denn gar nicht? Nun können wir den ganzen Tag im Bett liegen, schmutzige Sachen anstellen, kuscheln und keiner von uns muss mehr raus in das Sauwetter!!“
Immer noch Stille…
„Bist du noch dran? Alex?“
„Äh, ja, klar…“
„Und? Was sagst du dazu?“
„Süße, eigentlich wollte ich es dir auf die Mailbox sprechen, wir werden keine Tage mehr zusammen im Bett verbringen… Und auch keine Nächte – eigentlich werden wir uns wohl überhaupt nicht mehr so nahe kommen. Wenigstens in der nächsten Zeit.“
HÄ?!?
War Alex besoffen? Von was redet der da eigentlich? „Um es kurz zu machen, ich kann dich nicht mehr sehen, ich brauche eine Auszeit, verstehst du? Es steckt keine andere Frau dahinter, ich brauche bloß ein bisschen mehr Zeit für mich selber.“
Nix verstehe ich!! Garnix!! Was soll denn dieser Blödsinn?
„Sag mal, wie war das grade? Erklär mir das nochmal…“ Seine Stimme voller Ungeduld: „Schnecke, ich leg jetzt auf, ok?“
Momentchen mal!!
„Nee, nee so schnell kommst du mir nicht davon! Sag mal du Feigling, wolltest du eventuell per Anrufbeantworter mit mir Schluss machen? Nachdem ich dich die letzten 6 Monate durchgefüttert habe!? Dir Unterschlupf gewährt habe nachdem dich dein Vermieter vor die Tür gesetzt hat!? Dir all die neuen Klamotten gekauft habe!? Du erbärmlicher….“
TUUUUUUUT…
Er hatte längst aufgelegt, der kurzschwänzige Lurch!! Na, Freundchen, das klären wir zu einem späteren Zeitpunkt!! GRRRR!!!
Bibbernd stand ich in einer Pfütze kalten Badewassers… zuerst einmal zurück in die Wanne – aber schnell!! Danach ausgiebigst meiner Schönheit gewidmet – faltenfrei forever!! ;-)
Gut duftend und mit frisch geföhnten Haaren erst einmal in die Küche getappert und noch ein Schlückchen Halbprozentiges eingeschenkt…. lecker, das Zeugs!!
HICKS!! (Tschuldigung!!)
Was klapperte denn da so spät vor meiner Wohnungstüre? Kam Alex etwa doch noch vorbei um sich zu entschuldigen?
HA!!
Dachte ich es mir doch, er sieht es ein dass ich die Beste war die ihm passieren konnte!! Ich könnte ja gleich einmal – so wie Gott mich schuf – die Tür aufreißen, mal sehen ob er mich dann immer noch loswerden will!! ;-)
TARAAA….
Oh, Gott!! Es war mein Vermieter mit weit aufgerissenen Augen… Ich stand da wie das Kaninchen vor der Schlange… Fiel mir verdammt noch mal kein cooler Spruch ein!?!? Wortlos drückte er mir einen Kuvert in die Hand und verschwand einfach kopfschüttelnd den Flur hinunter….
So eine Frechheit!! Mit einem lauten Knall flog meine Wohnungstür zu… Also so was!! Bestimmt war in dem Umschlag die längst fällige Nebenkostenabrechnung – mit einer satten Gutschrift für mich…. ;-)
Tja, das war der Anfang vom Ende…. Was dann folgte wurde ja schon gelesen…..
Hübsch gemacht und aufgerüscht tippele ich auf den unglaublichen 12cm Absätzen meiner neuen Lack-Winterstiefelchen vormittags mitten unter der Woche durch die Fußgängerzone, was für ein Gefühl der Freiheit!! Kein Arbeitszwang, kein meckernder Freund der mir meinen Shopping-Spaß vermiesen will – einfach Megaklasse!!
Bin voll zufrieden mit mir….
Soll sich doch Angie mit meinem Abgelegten rumärgern… Nur noch schnell zum Bankomaten um Geld für die Kaution meiner neuen Bleibe und ein paar neue Wohnaccessoires zu ziehen.
Gott sei Dank hat eine Freundin – na ja, eher eine entfernte Bekannte – eine kleine Einliegerwohnung in ihrem Haus zu vermieten. Und ich bin der Glückspilz der - zwar im Souterrain, aber mit Gartenbenutzung -dort einziehen wird!!
HURRA!!
Vor ein paar Tagen sah die Welt noch nicht ganz so rosig aus…. Aber nun, alles wird gut – sagt meine Omi immer!!
Ganz in Gedanken versunken wie ich im nächsten Sommer, so wie Gott mich schuf, allein im Garten liegen werde, anstatt mich im überfüllten Freibad mit all den Anderen zu fläzen…. stecke ich meine Karte in den Automaten, gebe meinen PIN ein und den Betrag Ach was, Betrag ändern, ein paar Euros mehr können ja nicht schaden bei all meinen Vorhaben, oder?
RATTERRATTER…. NICHTS!!!
Wie?? Wo steckt denn meine Kreditkarte? Gib sie wieder her du vertrottelter Kasten!! SOFORT!!
Ich will an mein Geld!! Hektisch und fluchend drücke ich nochmals meinen PIN ein, vielleicht war er ja falsch? Was schreibt dieser doofe Bankomat denn da?
„KARTE UNGÜLTIG, BITTE BESUCHEN SIE UNSEREN BANKSCHALTER“
HÄ!?!?
Das kann doch gar nicht sein, war dies auch wirklich meine Bank? YES!! Na, denen da drinnen werde ich jetzt gleich mal meine Meinung geigen… Aufgepasst, mit einer Tilly von Schrubbstein ist nicht zu spaßen wenn’s um’s Geld geht!! Nach unsäglichen 15 demütigenden Minuten stehe ich wieder auf der Straße. Irgendwie kann ich mich mit dem Gedanken nicht wirklich anfreunden dass ich ab sofort keine Kreditkarte und auch kein Bargeld mehr erhalten soll…
Was nun?
Mit eingezogenem Kopf – natürlich nur wegen der Kälte!! – trappele ich wieder heimwärts… Meine Gedanken kreisen….
Kein Geld = keine neue Wohnung!! Keine neuen Möbel!! Keine neuen Klamotten mehr!! Nichts Hochprozentiges mehr, also auch keinen Spaß mehr im Leben!!
SCHNIEF!!
Wie konnten die in der Bank nur so grausam sein!?! Vielleicht sollte ich meine Mutter um Geld bitten? Nie im Leben, nur über meine Leiche!! Wie kam ich denn nur auf diesen Gedanken!?! Kopfschüttelnd schloss ich meine Wohnungstür auf… Guter Rat war gefragt….
OMI!!
Genau, sie würde bestimmt wissen was zu tun war….
Schnell ihre Nummer gewählt…
TUUT…TUUT…TUUT…
„SCHRUBBSTEIN!!“
Wieso hört sie sich am Telefon nur immer an wie ein Bundeswehr-General? Meine Süße!!
„Hallo Omi!! Ich bin’s Tillylein!! Geht’s dir gut? Du sag mal, wenn du einen finanziellen Engpass hättest, was würdest du tun?“
Am Besten gleich mal mit der Tür ins Haus fallen. ;-)
„Ach nein, Kindchen, nicht schon wieder!!“ seufzte sie nur…
Was soll DAS denn nun wieder heißen?
„Was ist denn passiert?“
Na ja, die ganze Wahrheit kann ich ihr wohl in ihrem Alter nicht mehr zumuten….
„Ach Omi, es ist nur…. Ich hab zu viele Weihnachtsgeschenke gekauft und nun wollen sie mir in der Bank kein Geld mehr geben…“
Um gute Ausreden war ich noch nie verlegen!! ;-)
„Ja sag mal, wie viel Geld brauchst du denn? Und wieso stürzt du dich denn so in Unkosten? Das muss doch nicht sein, oder? Wir brauchen doch keine so kostspieligen Geschenke, lass dich doch lieber mal wieder bei uns blicken!“
Ja, wie denn?? Und von welchem Geld??
„Omi, könntest du mir nicht ein klein wenig aushelfen? Wirklich nur vorübergehend!! Ich komm euch dann auch an Weihnachten besuchen, ich versprech’s!!“
Lange Pause….
„Na, also ich weiß nicht, Kindchen, wie viel soll’s denn sein? Wenn das deine Mutter erfährt!“
Na, von mir wohl bestimmt nicht!!
„Mensch Omi, du bist ne Wucht!! Für den Anfang würden mir so um die 5… ÄHM… Viertausend Euro wohl reichen…“
Stille in der Leitung….
„Omi?? Hallo!!“
Ist sie vielleicht umgekippt?
„Also Tilly, wenn mein Gehirn noch funktioniert, dann bist du in großen… sehr großen Schwierigkeiten, oder?“ Klingt sie auf einmal irgendwie bedrückt!?
„Ach nein, es ist nur ein sehr kleiner Engpass, wirklich!! Du weißt doch wie teuer es hier in der Großstadt ist!!“ „Also gut, aber dies ist endgültig das letzte Mal dass ich dir aus der Patsche helfe!“
Aufatmen meinerseits!! PUH!! Noch mal gut gegangen!! „Omi, du bist einfach die Beste!! Du bekommst auch jeden Cent zurück so schnell es geht, versprochen!!“ „Da bin ich ja mal gespannt wann das sein wird!? Ich kann mich da an diverse Sümmchen erinnern die noch immer offen stehen, trotz Altersdemenz!!“
Höre ich da vielleicht einen klitzekleinen, versteckten Vorwurf?
„Du wirst schon sehen Omi, alles wird gut, oder?“ säusele ich in den Hörer.
Das war eigentlich ihr Spruch – aber was soll’s…. „Kind, machst du dich etwa über mich lustig?“
„Nee, Omi, das würde ich mich doch niiieee trauen!! ;-)
Bis wann kann ich denn mit dem Geld rechnen?“
„Soll ich dir einen Scheck schicken oder reicht dir eine Überweisung?“
Was geht denn schneller? Lieber überweisen, wer weiß ob die Post nicht meinen Scheck verschlampert?
„Eine Überweisung würde genügen, glaub ich.“ antworte ich so cool wie es nur ging….
HURRA!! Geschafft!!
„Aber gib das Geld wirklich nur für wichtige Sachen aus, hörst du!? Keinerlei Kinkerlitzchen mehr einkaufen!! Adios, Tilly!“
Damit war ich entlassen….
Früh am nächsten Morgen tippele ich hoch erhobenen Hauptes in meine Bankfiliale… Na, denen werde ich es jetzt mal zeigen!! 10 Minuten später stehe ich allerdings wieder auf der Straße, leider war die Überweisung noch nicht auf meinem Konto eingegangen…
Lahme Ärsche!! Wie lange dauert denn so was? GRRR!!! Zwei Tage später das gleiche Spiel noch einmal….
Diesmal verlasse ich mit einem Siegerlächeln den Glasvorbau der Bank!! Geschafft!! Zwar steht mein Konto immer noch tief im Minus, aber wenigstens konnte ich den Schaltermenschen davon überzeugen dass ich einen unglaublichen Notfall und somit einige Kosten abzudecken habe….
Gute Überzeugungsarbeit geleistet!! Braves Mädchen!!
PUH!! Endlich alles in Kisten eingepackt und in dem angemieteten Kleintransporter verstaut. Ich weiß auch nicht wie sich in einem 32 qm kleinen Appartement Gerümpel für ein Einfamilienhaus ansammelt!?
Was dann aber nur heißen kann, dass ich Ordnung schaffe auch auf kleinstem Raum!! ;-)
Los geht’s zu meiner neuen Behausung in einem ruhigeren Stadtteil, sehr vornehme Gegend! Lauter alte Villen mit Stuck. Gefällt mir sehr gut!! Standesgemäß sozusagen!!
UIIIEH!! Das Klingelschild mit meinem Namen ist auch schon angebracht!! Und meine Bekannte Ulli erwartet mich auch schon an der Haustür mit einem Sektkelch für mich in der linken und meinem Wohnungsschlüssel in der rechten Hand!! Wundervoll!! Nach all der Schufterei in der alten Bude genau das Richtige!! Mein Vor-Vermieter wollte doch tatsächlich dass ich die Wände weiß streichen soll, den Teppich shampoonieren und auch noch den Keller fegen!! Als wenn mich das noch interessieren würde, wo ich doch nun in ein neues Leben ziehe!!
PAH!! Soll er doch mit meiner Kaution machen was er will…. Kleinkarierter Kerl!!
Ich habe meinen Beitrag zum Renovieren geleistet… Habe alle Löcher von Bildern und Regalen mit weißer Zahnpasta zugeschmiert, das muss doch wohl reichen, oder etwa nicht!? Sah sehr ordentlich aus – meiner Meinung nach…
Nun habe ich sogar 2 Zimmerchen, eins zum wohnen und eins zum schlafen!! Dazu eine kleine amerikanische Küche – andere würden Kochnische dazu sagen - und ein Bad, zwar nur mit Dusche und ohne Fenster, aber die Miete ist billiger als in dem Appartement-Plattenbau!! Bin ich ein Glückspilz?
Nachdem ich mich häuslich eingerichtet habe – was mehr Zeit in Anspruch nahm als ich dachte, nämlich schlappe 3 Tage!
Muss ich mich wohl auch einmal bei den anderen Mietern hier im Haus blicken lassen… Mit einem Fläschchen Promillehaltigem läute ich über mir im Erdgeschoss bei der Familie mit den beiden Kindern und dem süßen Hundchen. Leider Keiner daheim, was soll’s, dann eben ein Stockwerk höher zu dem 35-jährigen, schweizer Junggesellen, von dem Ulli behauptet er wäre ein bisschen altbacken und verschroben…. Sie muss es ja wissen, sie wohnt doch gegenüber von ihm und kann genau auf seinen Balkon gucken… ;-)
DINGDONG….
Das kann doch wohl nicht wahr sein, sind denn in diesem Haus alle ausgeflogen? Arbeiten die hier etwa alle tagsüber? Keiner bereit eine kleine Einzugs-Party mit mir zu veranstalten?
Ulli hat wie meistens ihr Schild an der Tür „KLOPFEN VERBOTEN, ICH ARBEITE“ und es war mir beim Unterschreiben des Mietvertrages sehr deutlich klar gemacht worden dass dieses Schild nicht zu missachten sei, außer man wolle eine fristlose Kündigung…
Sie ist Schriftstellerin, mehr erfolglos, aber durch die Mieteinnahmen abgesichert. Bei dem Gedanken schlich sich bei mir sofort das schlechte Gewissen vom Kleinhirn an die Oberfläche…. ARBEIT!!
Darum würde ich mich morgen sofort kümmern!! Eins nach dem anderen….
Leider war ich bei der Arbeitssuche bis jetzt nicht halb so erfolgreich wie bei der Suche nach einer neuen Bleibe…
SEUFZ!!
Nun ist es schon kurz vor Weihnachten und ich habe weder Arbeit noch Geschenke für meine Liebsten und auch Omi’s Geld neigte sich schon wieder dem Ende zu…. Mist!!
Es ist aber auch verdammt teuer hier in der Hauptstadt!! Bussi-Bussi hin, Schickeria her, es leben hier auch Normalo’s die nicht verhungern wollen… Dazu zähle ich mich allerdings noch nicht!!
Habe schließlich adeligen Hintergrund und die halten immer – na ja, fast immer – zusammen.
So überlege ich gerade bei einem Glas winterlichen Rotwein auf meinem neuen türkisblauen Sofa ob ich für Weihnachten Geschenke kaufen und zu meinen Verwandten aufs Land fahren soll oder doch lieber meine letzten Kröten zusammenkratzen und in den nächstbesten Flieger Richtung Südamerika steigen…!?!? Venezuela ist grade mächtig hip…
Ein lautes Scheppern lässt mich von meiner Couch hochfahren!! Wer macht denn so einen Krach im Treppenhaus? Neugierig geworden, schaue ich durch den Türspion: Es war die Rumpelbande von über mir, sie reisen ab in die Weihnachtsferien zum Rest der Großfamilie.
Gott sei’s gedankt!!
Seit 2 Wochen trampeln sie über mir mit ihren Holzschuhen auf dem Parkett nun schon meine Nerven platt!! Saubande, holländische!! Und das kleine Hundchen entpuppt sich als kläffende, mit Vorliebe ins Treppenhaus pinkelnde, Sabbermaschine!! IGITT!!! Ulli hat mir gesteckt dass die „liebenswerte“ Familie für 3 Wochen Richtung Norden an die See düsen werden – himmlische Ruhe erwartet mich also über die Feiertage… Meine Vermieterin hat sich mit ihrem Freund zum Skifahren verabschiedet und von dem altbackenen Eremiten ist auch nichts zu hören und zu sehen… Lebt der eigentlich noch?
Schnell zurück auf mein Sofa mit dem Rest der Flasche Wein, der aktuellen Tageszeitung wegen der Stellenanzeigen und der neuen, kuscheligen Decke. Eingemummelt, noch ein Schlückchen und weiter geht es mit der Arbeitssuche…
Ich muss wohl ein wenig eingenickt sein…
PAFF!!!!… Stille… PLONK… PLONK… PLONK…
Und schon bin ich an der Tür!!
„Was ist denn das für ein Lärm hier!?“ brülle ich ins Treppenhaus…
Ein vermummter Kerl, riesigen Ausmaßes, zwei Holzprügel in Händen steht vor mir!!
HILFE!!!
„Hilfe!!“ kreische ich…. Na, es war eher wohl ein Krächzen das aus meinem plötzlich staubtrockenen Mund kam….
Verteidigen!! Sofort schnappe ich mir den Regenschirm hinter der Eingangstür und dresche auf den Einbrecher ein!! Der hatte wohl überhaupt nicht damit gerechnet das über die bevorstehenden Feiertage noch jemand im Haus ist…
Falsch gedacht!!
Ich bin’s, Tilly, Schwester von Lara Croft!!
POFF! POFF!! POFF!!!
Nachdem ich mit dem Schirm dreimal kräftig zugeschlagen habe, registrierten meine Augen das sich der Kerl überhaupt nicht wehrt…!?!?
HÄ!?
Schnell auf den Lichtschalter im Treppenhaus gedrückt…
Vor mir stand eine Mumie!!
Eine Mumie mit blauem Anorak, einer bis zum Knie aufgeschnittenen Skihose mit weißem Gips darunter und zwei Krücken in der Hand – daneben ein altmodischer, karierter Koffer…
Endpeinlich!! In welches Loch kann ich mich verkriechen? Der Vermummte war mein angestaubter, schweizer Nachbar!! Großer Gott, hat der mir einen Schreck eingejagt!!
Wie wild Entschuldigungen ausstoßend schäle ich den Kerl erst einmal aus seinem Parka… Darunter kommt ein Brustpanzer zum Vorschein – na sag mal, den hat’s ja wohl voll erwischt auf der Piste…
Nachdem ich ihn in mein Wohnzimmer verfrachtet habe und ihm einen kräftigen Schluck Rotwein einflöße, bekommt er wieder Farbe rund um die Augen – denn mehr sehe ich nicht von ihm…
Was tu ich denn bloß mit dem eingewickelten Hünen in meiner kleinen Wohnung!?
„Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Rollinger.
Erich Rollinger,“ tönt es auf einmal hinter dem Verband hervor.
Ich war erstaunt, der konnte ja sprechen!! ES lebt!! ;-) „Soviel ist mir inzwischen auch klar, dass SIE der Schweizer von oben sind! Aber warum schleichen Sie abends in der Dämmerung hier ohne Licht im Treppenhaus herum? Und warum geben Sie sich nicht gleich zu erkennen? Das hätte böse enden können!“
Das schien ihn zu verwirren oder zumindest amüsierte ihn mein Redeschwall… Die Mullbinde vor seinem Gesicht zuckte…
„Schlimmer war das auf der Skipiste auch nicht.“ Der Kerl hatte ja einen staubtrockenen Humor!
„Ich sollte Sie jetzt mal in ihre Wohnung hoch schaffen, oder wollen Sie hier übernachten?“ denke ich laut…
Auf einmal kommt Bewegung in meinen stattlichen Eidgenossen, er wuchtete sich mit Hilfe seiner Krücken von meinem Sofa hoch - das erleichtert aufseufzt – und versucht sich an mir und dem Wohnzimmertisch vorbei zu schieben…
Was misslang!! Er verliert das Gleichgewicht, ich sofort danach und so plumpsten wir ziemlich unsanft auf dem Dielenboden…
Dank dem Himmel dass wir nicht auf meinem nagelneuen, sündhaft teurem Glastisch gelandet sind!! Beim Aufrappeln kann ich seinen gut trainierten Körper spüren – fühlt sich nicht einmal so schlecht an! ;-)
Schäm dich deiner Gedanken, Tilly!! Der arme Kerl ist verletzt und du hast ihm den Rest gegeben!!
„So, dann wollen wir mal, ich nehme Ihren Anorak und den Koffer. Sie werden sich alleine hochwuchten müssen,“ versuche ich die Situation zu klären…
Zuckte da der Verband schon wieder?
Witzbold!!
Der Rest des Abends verlief ziemlich ruhig, nur ab und an konnte ich ein leises PLOPP, PLOPP seiner Krücken zwei Stockwerke über mir hören.
Aufgrund meiner miserablen finanziellen Situation und der fehlenden Weihnachtsgeschenke für meine Familie habe ich mich entschlossen eine mittelschwere Krankheit vorzuschieben und die Feiertage alleine – mit vielen leisen PLOPP’s vom oberen Stock – hier auf meinem Sofa zu verbringen.
ALLEINE!!
Meine Gedanken kreisen inzwischen ununterbrochen um die bevorstehende Mietzahlung und die nicht vorhandene Wunsch-Arbeitsstelle….
Über die Festtage habe ich mich mit viel Rotwein und Prosecco gerettet, um nicht in Depressionen zu verfallen – eher im Delirium!
Mein Weihnachtsessen bestand aus den Lebensmittel-Vorräten der hundeliebenden Holländerfamilie, die haben nämlich einen Gefrierschrank im nicht abgesperrten Keller!! ;-) Sobald ich wieder zu Geld komme, werde ich ihn selbstverständlich sofort wieder auffüllen! Am ersten Werktag nach den Festlichkeiten hole ich mir erst einmal die Zeitung aus dem Briefkasten meiner Vermieterin, die ist bis auf weiteres beim Skiing mit ihrem Lover – was sie mir per SMS brühwarm mitteilte!! GRRR!!
Kalter Schnee hin oder her, aber mit einem Lover Aprés Ski und noch viel mehr zu genießen wäre jetzt auch nicht verkehrt.
Aus meinem Briefkasten fische ich ein paar kleine, nichtssagende Umschläge, wahrscheinlich Werbung oder Rechnungen…
Soll ich vielleicht meinem lieben Herrn Rollinger auch die Post nach oben tragen? Sein Postkasten quillt schon über!! Na gut, jeden Tag eine gute Tat…
FLUTSCH… Alles liegt am Boden… So ein Mist!! Nur mal kurz ein Auge auf seine Post werfen, sooo neugierig bin ich dann doch nicht dass ich sie gleich öffnen würde…. ;-)
Langweilige Prospekte, Kataloge über irgendwelche technischen Gerätschaften und ein Brief aus der Schweiz…
Viele Bekannte kann dieser Mensch ja nicht haben… Also alles zusammenraffen und ab nach oben.
DINGDONG… PLOPP, PLOPP… Ah, er ist daheim!! ;-) Als die Tür aufgeht bin ich zuerst einmal ziemlich sprachlos.
Habe ich mich im Stockwerk geirrt? Wer ist der gutaussehende, durchtrainierte Typ mit den dicken, schwarzen Locken da in der Tür?
Ist mein Rolli – so hatte ich die schweizer Mumie heimlich für mich getauft – vielleicht schwul?
„Wollen Sie mir die Post bringen? Das ist aber sehr nett von Ihnen!“
Ein angenehmer Wortschwall, der mir bekannt vorkam. Das ist doch wohl nicht…??
„Wollen Sie die Post auch loslassen oder muss ich Sie Ihnen mit Gewalt entreißen?“
Ja, kein Zweifel, es ist Rollinger!! Unglaublich!! Hatte er sich über die Feiertage pimpen lassen? Muss wohl so eine Art „Pimp your Handy“ gewesen sein wie es im TV immer wieder gezeigt wird!?!
WOW!!
Wortlos und widerstandslos reiche ich ihm die Post. Total verwirrt ist wohl der richtige Ausdruck für mich….
„Sind Sie erkältet?“ Seine Worte reißen mich aus meinen schmutzigen Träumen…
HÄ!?
„Wieso denn das? Nee!“
Ich hatte meine Sprache wiedergefunden!! HURRA!! “Fühlen Sie sich nicht gut?“
Oh Gott, er sorgt sich um mich!! Ein mitfühlender, warmherziger, gutaussehender Mann im heiratsfähigen Alter!!
„Oh, doch, ich fühl mich gerade besonders gut! Danke der Nachfrage!“ strahle ich ihn an.
„Wollen Sie vielleicht kurz hereinkommen? Ich möchte mich noch bei ihnen bedanken für den freundlichen Empfang letzte Woche als ich vom Skifahren heimkam.“ PAFF!!
Die verbale Ohrfeige hat gesessen!! Oder war das wieder seine eigenartige Art von schweizer Humor? Jedenfalls betrete ich sofort sein aufgeräumtes Reich…. Meine Beine gehorchen mir besser als meine Stimme!! JUCHHU!!
Hat einen guten Geschmack der Bursche!! Wohnzimmer – genau mein Stil… Modern, aber nicht kalt, bunte Farben und alles harmonisch…
Ah, die Schlafzimmertür steht einen Spalt weit offen… Ein kleiner Schups mit der Fußspitze und schon kann ich auf das frisch gemachte Bett blicken… Blütenweiß mit goldenen Krönchen drauf!!
Tilly, lass die Finger von dem Kerl, der ist garantiert vom anderen Ufer!!
Schade…
In der Küche angekommen – die ist ja doppelt so groß wie mein Wohnzimmer unten!! – erwartet er mich schon mit zwei Gläsern Blubberwasser…
Teuerster Champagner!! Der schwule Rolli hat Geschmack…
Mit einem tiefen Blick aus seinen rehbraunen Augen nehmen wir einen Schluck…
Es könnte sooo schön werden mit uns Zwei wenn du auf Frauen stehen würdest, glaub mir mal…
SEUFZ!! SCHMACHT…
Tja, dann werde ich mich mal wieder verabschieden, bin ja schließlich eine vielbeschäftigte Frau. Auf dem Weg nach unten kann ich mich beim besten Willen nicht daran erinnern wann ich das letzte Mal so verdattert war.
Ulli ist mit ihrem Lover noch immer in der weißen Kälte der Berge und somit wird ihr bestimmt erst auffallen wenn sie wieder heimkommt das meine Miete überfällig ist. Auch die niederländischen Holzschuh-Liebhaber sind noch verreist und ich habe genügend zu Essen. Was die so alles in ihrem Gefrierschrank haben!! Vorräte für die nächsten 6 Monate, da wird bestimmt nicht auffallen wenn ein bisschen was fehlt, oder? ;-)
Und nachdem ich am Silvesterabend eine Kiste mit feinstem Champagner und einem Kärtchen mit „Danke für Ihre nette, nachbarschaftliche Hilfe, Ihr Erich Rollinger“ vor meiner Tür gefunden hatte, ging es mir im neuen Jahr auch nicht schlechter als im vergangenen…
Als ich unter der Kiste dann auch noch meine Briefe – die ich versehentlich Rolli mit den seinen in die Hand gedrückt hatte – entdeckte, war die Freude bei mir groß! Komischerweise hatte ich sie gar nicht vermisst!? Angie hat auch ein paar Mal versucht mich per SMS zu erreichen, aber das ist mir völlig schnuppe… Hat wohl die Nase voll vom gar nicht so potenten Alex!? ;-)
GRINS!! Geschieht ihr ganz Recht!!
Na, dann gleich mal ein Schlückchen von dem feinen Schampus probiert, die Füße hochgelegt und meine Post geöffnet… Weihnachtspost von meiner Familie!! Ach, die Süßen!! Meine Omi schreibt das sie mir noch einen weiteren klitzekleinen Betrag aufs Konto überwiesen hat!!
JUCHHU!!
Und sogar von meiner Mutter war ein Scheck in der festlichen und natürlich selbstgebastelten Karte!! Somit habe ich auf einen Schlag keine Geldsorgen mehr – zumindest nicht diesen Monat… Jetzt könnte ich mir sogar einen kleinen Urlaub leisten, vielleicht doch nach Venezuela?
2 Wochen Sonne würden mir jetzt gut tun… Das Haus verlassen kam für mich eh nicht in Frage bei diesen Minusgraden draußen… Muss ich ja auch nicht, ist alles da was ich zum Leben brauche.
Das gewohnte PLOPP, PLOPP von oben hat auch aufgehört, wahrscheinlich ist er auch verreist? Na, dann werde ich mich jetzt mal ohne Ablenkung ganz auf die Stellenanzeigen konzentrieren. Irgendwann muss ich ja wieder anfangen zu arbeiten, hilft alles nix…
SEUFZ!! Obwohl ich mir so ein Leben ohne Arbeit auch ganz gut vorstellen könnte…
DINGDONG…
Jesses!! Habe ich mich erschrocken! Es gibt also doch noch Leben da draußen!! Erst einmal vorsichtig aus dem Fenster geguckt, frau muss ja heutzutage sehr aufpassen wenn sie allein daheim ist! Könnte ja schließlich der Postbote mit einem unerfreulichen Einschreiben sein, oder gar der Gerichtsvollzieher!?
DINGDONG… Entwarnung!!
GRINS!! Es ist nur meine Freundin Mary…
„Na sag mal, du meldest dich ja gar nicht mehr bei mir!! Lässt dich nicht einmal mehr bei mir im Café sehen! Untreue Tomate! Und eine Housewarming-Party hast du auch noch nicht gemacht!“
Bussi links und Bussi rechts zwischen dem Redeschwall…
„Ach Süße, wie schaust du denn überhaupt aus? Hast du zugenommen? Schlecht scheint es dir ja nicht zu gehen wenn ich die leeren Champagnerflaschen zähle… Und deine Haare!? Himmel!! Hast du denn keinen Spiegel hier? Wann warst du denn das letzte Mal beim Friseur?“
WAS war mit meinen Haaren? Zugenommen? Kann doch gar nicht sein!!
Mit einem neugierigen Rundblick durch alle Räume: „Aber nett eingerichtet hast du dich! Ich hab von Ulli Ende November erfahren das du zu ihr gezogen bist.“ Na dann mal vielen Dank für den schnellen Besuch, inzwischen hätte ich als schrumpelige Leiche hier im Keller liegen können, wenn sich alle so gut um mich kümmern würden wie du!!
„Du sagst ja gar keinen Ton, Mensch, was ist denn bloß los? Die Sache mit Angie!! Das ist dir sicher ganz schön in die Knochen gefahren, oder? So schmählich verlassen zu werden!! Und der Verrat von Angie!“
Aha, das wusste sie also auch schon - Radio Coconut funktioniert hervorragend!!
„Wenn du deine Klappe halten würdest dann könnte ich auch mal was sagen.“
Mit großen Augen sieht sie mich an…
„Ok, ok, ich bin ja schon still.“
Und danach erzähle ich ihr haarklein und bis ins Detail was so alles in meinem Leben passiert war die letzten Wochen… Manches ein wenig übertrieben, bei vielem ein bisschen weggelassen und schon ist einem das Mitleid seiner Mitmenschen sicher… ;-)
„Und was ist mit einem neuen Job?“ fragt sie mich mitfühlend nach meiner Erzählung…
Tja… Wenn es denn einen geben würde für mich dann hätte ich ihn schon lange, darauf kannst du einen lassen!! Dumme Amsel!!
„Ich werde ab jetzt nur noch tun was mir wirklich Spaß macht!“ gebe ich hochnäsig zurück. BASTA!!
Der Gedanke an meine rosige Zukunft als selbständige Spaßnudel der Nation lässt mir keine Ruhe mehr….
Heutzutage konnte doch wirklich jeder mit jedem Schmarrn erfolgreich werden, oder etwa nicht? Da brauche ich bloß meinen kleinen Fernseher einzuschalten und schon habe ich all die Showgrößen vor Augen, die Deutschland nicht braucht…
Also warum dann nicht auch ich!?
„THE SHOW MUST GO ON…” Die altbekannte Melodie von Queen reißt mich aus meinen Gedanken…
Mein Ex-Chef ist am anderen Ende der Leitung!! Was will denn dieser Vollidiot noch von mir?
„Ja hallo, Herr Dallimann, welche Überraschung! Schön Sie zu hören!“
KOTZ!! Schleimschleim… Mal hören was dieser Leuteschinder von mir will?
„Grüß Sie Gott, Frau von Schrubbstein. Hätten Sie Interesse an einem kleinen Mittagessen mit mir? Vielleicht können wir da unsere kleinen Unstimmigkeiten beilegen?“
Wieso keimt in mir nur der Verdacht auf, dass er etwas von mir haben will?
„Aber gerne, Herr Dallimann. Wann wäre es Ihnen denn genehm?“ erwiderte ich mit leicht ironischem Tonfall. „Würde Ihnen Morgen um 12 Uhr bei dem netten Italiener neben dem Büro passen?“
Das wurde ja immer interessanter! Morgen schon? Das kleine italienische Restaurant war bei meinem Ex-Chef eigentlich nur für zahlungskräftige Kundschaft reserviert, da sehr überteuert. „Aber gerne doch, ich werde pünktlich sein.“
Prustend lege ich auf… Ein wenig Abwechslung würde mir gut tun!
Der Blick in den inzwischen per Internet ersteigerten, riesengroßen Spiegel dämpft meine gute Laune doch erheblich!
SCHRECK!!
SO kann ich auf gar keinen Fall unter die Leute gehen… Ein Voll-Lifting muss her – SOFORT!!
Haare tönen, Gesichtsmaske, Augenbrauen zupfen und Wimpern färben, Beine enthaaren, Maniküre, Pediküre, neues Kostümchen… Das ist das Mindeste!
Schnell einen Termin mit meiner Freundin Biggi ausgemacht, Gott sei Dank habe ich bei ihr noch was gut weil ich ihr ein paar neue, solvente Kundinnen beschafft habe und ich bekomme den „Feierabend-Termin für spezielle Notfälle“.
Auf die Sekunde um 18 Uhr steht sie dann auch bei mir vor der Tür. Ihre Augen werden immer größer als sie mich von oben bis unten mustert…
???
„Sag mal, wie lange warst du denn schon nicht mehr auf der Straße?“
Jaja, ich weiß… Blablabla… Mach hinne und schwall mich nicht voll!
Nach 3 Stunden endloser Qualen und 2 Flaschen von Rolli’s teuerstem Champagner ist es vollbracht! Ich bin wieder alltagstauglich!!
Meine Mähne glänzt in einem goldblonden Ton, kein Fältchen ist mehr zu sehen, mein Augenbrauen-Urwald ist gebändigt und Ton in Ton mit meinen Wimpern. Auch meine Beine sind kinderpopoglatt!! Wir haben sogar in meinem Kleiderschrank eine ungetragene Kombination mit passenden Spitzenpumps gefunden die zu diesem Anlass perfekt passt….
THE SHOW CAN GO ON…
Perfekt gestylt, mit meinem strahlendsten Lächeln auf den Lippen, gut duftend nach dem neuesten Parfum eines hippen Designers – Dank der Duftprobe einer Parfümerie um die Ecke – und in einem – zugegeben, etwas zu engen – aber dennoch mit meinen Reizen spielenden Kostüm, betrete ich hoch erhobenen Hauptes das Lokal.
Natürlich um 10 Minuten zu spät, eine Diva braucht ihren Auftritt! ;-)
Mein kleiner, dicklicher Ex-Boss erwartet mich auch schon an der Theke…
Dem fallen jetzt gleich seine Augen in meinen Ausschnitt!!
KICHER!! Männer sind ja sooo leicht zu manipulieren…. Gerne lasse ich mich von ihm an einen bereits gedeckten Tisch in der hintersten Ecke des Restaurants geleiten…
Ganz schön schummrig hier! Der Aperitif und das hervorragende Essen sowie auch der exzellente Wein und mein charmant plaudernder Chef lassen mich ein klein wenig unvorsichtig werden…
SCHWUPPS!
Und schon habe ich die speckigen Finger meines Gegenübers auf meinem Knie!
IGITT!! Aber Hallo!!
Sofort runter mit den grabbeligen Flutschfingern!!
Momentchen mal!! Erst einmal will ich wissen für was ich mich letzten Abend der schmerzhaften Tortur unterzogen habe!!
Das war ja klar… Er findet keine Doofe mehr, die für einen Hungerlohn 5 Tage die Woche mindestens 10 Stunden am Tag für ihn den Kopf bei unzufriedenen Kunden hinhält, und bittet mich zurück zu kommen… Nee, nee du, ich habe inzwischen andere Pläne in meinem hübschen Köpfchen!
„Ich könnte es mir ja vielleicht noch einmal überlegen, wenn das Gehalt stimmt.“ höre ich mich sagen – bin ich denn vollkommen verrückt geworden??
HALT, STOPP!! Alles nochmal auf Anfang!!
In was habe ich mich da wieder hineinmanövriert!? Himmel, dass ich aber auch nie meine Klappe halten kann!
Zu meiner vollsten Zufriedenheit hatte ich die Situation mit meinem Chef sofort wieder unter Kontrolle letzte Woche!
PUH! Gerade nochmal gut gegangen…
Nach seinem missglückten Annäherungsversuch hatte ich sogar noch eine dreimonatige Nachzahlung meines Gehaltes ab letztem Oktober – trotz Freistellung ;-) - bis Ende Januar herausgeschlagen! Ich bin sooo genial!! Was allerdings danach passieren soll weiß ich auch nicht so genau… Nochmal will ich eigentlich in diese Tretmühle nicht mehr…
Na, das entscheide ich wenn die Zeit reif dafür ist… Meine Miete ist bereits überwiesen, mein Kühlschrank gut gefüllt und vor meinem Küchenfenster stehen im Schnee eine stattliche Anzahl leckerer Fläschchen…
Was will frau mehr!?
Die Wohnwagen-Urlauber von oben sind inzwischen wieder in unsere ruhige Straße eingefallen, haben aber anscheinend noch nicht bemerkt das ihre Kellervorräte geschrumpft sind…
Ulli hat wohl Gefallen daran gefunden sich auf Bärenfellen vor Kaminen diverser Hotels zu wälzen und kommt erst Ende Februar wieder heim.
Na, DIE kann sich das mit MEINER Miete ja auch leisten!! GRRR!! Jedenfalls bekomme ich in regelmäßigen Abständen eindeutige SMS’n von ihr…
„LONLEY, I’M SO LONLEY…” schallt Akon aus meinem Handy…
Mein neuer Klingelton als ungewollt alleinstehende Frau
„Hallo Mary! Welch Überraschung! Wie geht’s denn so? Was macht Dein kleines Café?“
Mit den lauten Hintergrundgeräuschen ist sie kaum zu verstehen… Anscheinend geht ihr Laden ziemlich gut!? „Hi Süße! Mir geht es prächtig, aber ich mache mir grade Gedanken über dich!“
Mich? Wieso denn das?
„Hast du deine Geschäftsidee denn schon weiter verfolgt?“
Von was zur Hölle redet die denn? Weiß sie vielleicht schon Bescheid über den Deal mit meinem Ex-Boss?
„Äh, ja… Soweit alles im grünen Bereich…“
Zeit schaffen und nachdenken Tilly!!
„Jetzt sag schon, hast du mit deinem Spaßvorhaben schon angefangen?“
Ach so, das meint sie… Fast hätte ich das schon wieder vergessen, wo es doch nun auch ohne viel zu arbeiten geht…
„Na, dann komm doch vorbei und wir machen einen handfesten Plan aus deiner ungewöhnlich lustigen Geschäftsidee…“
Will die mich etwa festnageln?
„Also, dann sehen wir uns Morgen bei mir im Café und machen Nägel mit Köpfen, ok? Tschüssi!“
UPS!!
Na, da werde ich ganz schön viel Überzeugungsarbeit leisten müssen um sie von diesem fixen Gedanken wieder abzubringen…
Schön gemacht und in legeren Klamotten, mit den neuen, angesagten Winterstiefeln – Farbe berry mit weißem Pelz – mache ich mich auf den Weg zu Marys Café.
HUI!!
Was ist denn hier los? Elternbeirat der Schule?
Treffen arbeitsloser Mütter? Der Laden brummt, herzlichen Glückwunsch!! Seit einem Jahr malocht Mary nun schon in ihrem eigenen Cafe und sie scheint erfolgreich zu sein… Wild winkend steht sie hinter der Theke und deutet mir den Weg zu sich.
„Hi Schätzchen! Ist grade die Hölle los, aber gleich wird es wieder ein bisschen ruhiger für mich, meine Hilfe kommt in 5 Minuten, magst derweilen einen Kaffee trinken?“
Weiß sie denn immer noch nicht das ich Kaffee nur gerne rieche aber nicht trinke? Und was für eine Hilfe? „Ach, Mary, hast du denn nichts mit Umdrehungen hier?“ versuche ich sie aus der Reserve zu locken… Sofort habe ich ein perlendes Gläschen in der Hand – italienisches Blubberwasser!!
JUCHHU!!
Ein hübsches, braunhaariges Mädchen schiebt sich durch die Menge auf uns zu…
„Darf ich vorstellen, Geli, meine Aushilfe, seit 2 Wochen bei mir!“ strahlt Mary.
WOW!! Ihr scheint es ja wirklich sehr gut zu gehen! Aber ich gönne es ihr, auch sie ist eine Leidensgenossin was das verlassen werden anbelangt…
Sie weist Geli schnell in das aktuelle Geschehen ein und wir beide verschwinden in der kleinen Küche – nicht ohne die restliche Flasche Prosecco mitzunehmen… ;-) Geheimer Rat in den hinteren Geschäftsräumen – fast wie bei der Mafia!! KICHER!!
Meine Gedanken kreisen wieder einmal… Diesmal ist echt ein Geistesblitz gefragt! Mary hat mir das Versprechen abgerungen binnen 2 Wochen ein Geschäftskonzept bei ihr abzuliefern!! Ich weiß nicht einmal genau was sie damit meint!
???
Will mir denn überhaupt nichts dazu einfallen?