Mathias Jeschke, geboren 1963 in Lüneburg, lebt in Stuttgart und arbeitet dort als Verlagslektor. Er veröffentlicht Gedichte (zuletzt Der Fisch ist mein Messer, edition AZUR, Dresden 2014) und Bilderbuchgeschichten (zuletzt Was meine Eltern von mir lernen können, Hinstorff Verlag, Rostock 2015) und ist Herausgeber der LYRIKPAPYRI im Horlemann Verlag, Angermünde.
Du hörst Schritte und keiner kommt auf dich zu.
Es sind die inneren Bilder in deiner Hand.
Ein Lied weht plappernd dich an, salzig und blau.
Ein Mädchen ruft: Warte!
Das Kind hockt an der schweren Orgel, nachtlang.
Es sitzt an einem Honigfass, deinem erdtiefen Nabel.
Ein Tagpfauenauge kam übers Meer getaumelt.
Der Himmel rührt die trockenen Pauken.
Was mach ich aus diesem angefangenen Dasein?
Zeilen faseln, zu verwinden die irre Distanz.
Beliebig inzwischen, woran ich verglühe.
Eine Frau in Uniform lächelt.
Feuriges Mantra, die Sonne kühlt ihren Mut in der See.
Was ich schrieb, ist meine Gegenwart gewesen.
Ich spüre den körperlichen Kuss noch immer.
Aus meiner Bluejeans rieselt feinster Sand.
Die spielenden Kinder, sie rufen: Ich bin versteinert.
In der Diele zieht ein Gewitter vorüber.
Das andere Leben schürzt den lüsternen Blick.
Sie träumt am Ruder der Karavelle.
Pappel und Starenschwarm, wilde Interferenz.
Gentrifizierung im Kuhstall, den wir bewohnen.
Der blaue Tintenerguss auf dem Steinfußboden.
Und eine wilde, verwurmte Katze.
Die Sirene entblößt, das Schiff havariert.
Piratenherzen reiben sich aneinander.
Sie liest die Tätowierung auf dünner Haut.
Geknusper an meinem Ohr.
Die Krängung des Schiffs leert noch die Neige.
In welcher Koje wird sie sich finden?
Galionsfigur einer Portugiesischen Galeere.
Lass fallen das Fall.
Grüne Augen, Sommersprossen verschwimmen.
Wir bahnen uns einen Weg durch Quallenbrüste.
Während der Pottwal einen Kalmar verspeist,
umfasst die Hand das singende Tau.
Breitbeinig auf dem Poopdeck, Sunset Boulevard.
Musik das Knarren der Wanten und Masten.
Im altvertrauten, irren Seegang-Paternoster.
Die aufgesprungenen Lippen benetzt.
Lass dich nicht foppen beim Spleißen der Zeilen.
Dein Spiegelbild, ein kleiner turnender Affe.
Komm, wir schießen über die Planken.
Reich mir die subversive Seife.
Klüver und Fock sehr üppig wie ein Bikini.
Du zeichnest dir sorgsam die eigenen Karten.
Sie stehen und winken unter Palmen am Strand.
Also immer dem Bugspriet nach!
Halle aus Licht am Rand des Geländes,
mein fahriger Blick streift Ungefähres.
Ich führe den Stutzen behutsam ein.
In der Rechten flexibel den Schlauch,
in der Linken den dinglichen Stutzen.
Halle aus Licht am Rand des Geländes.
Der scharfe Geruch ein sinkender See,
an der Säule salutieren die Zahlen.
Ich führe den Stutzen behutsam ein.
Es klirren die Sporen an meinen Stiefeln,
im Radio die Beichte einer Gitarre.
Halle aus Licht am Rand des Geländes.
Was hinter mir liegt, schafft eine Leere,
die will ich befüllen mit all meiner Kraft.
Ich führe den Stutzen behutsam ein.
Es liegt ein duftendes Sehnen im Abend,
dies sei der Moment, in dem es geschieht.
Halle aus Licht am Rand des Geländes.
Ich führe den Stutzen behutsam ein.
Stille lockt im glucksenden Leuchten.
Über das Becken ragt der Turm.
Ich springe und lass mich verschlucken.
Seht, in der Sonne der brennende Dorn!
Hinunter, um mich in Blau zu kleiden.
Stille lockt im glucksenden Leuchten.
Zu Spott nicht zu werden, zu knicksen,
mich heftig verstiegen zu haben:
Ich springe und lass mich verschlucken.
Was mich erwartet im Feuchten?
Kann ich mich hinter mir lassen?
Stille lockt im glucksenden Leuchten.
Furcht in den Sprung hineingenommen,
mit dem Scheitern gemeinsam gestürzt.
Ich springe und lass mich verschlucken.
Ein Taucher, beherzt. Zu den Korallen!
Hinunter, um lustig hinaufzugischten.
Stille lockt im glucksenden Leuchten.
Ich springe und lass mich verschlucken.
Ich stecke die Karte in einen Schlitz,
nachdem das Dunkle kühl hinterblieb.
Das Blätterlichtspiel nimmt mich auf.
Wenn nicht mehr Kurven, Serpentinen
meinen Weg hinauf, hinab beschreiben.
Ich stecke die Karte in einen Schlitz.
So hin und her warf es mich selten,
selten bannte es mich so an die Wand.
Das Blätterlichtspiel nimmt mich auf.
Als ich die Hand mir befiederte,
flog ein Schatten hinauf ins Schwarze.
Ich stecke die Karte in einen Schlitz.
Wie Traum und Wehmut schäumen,
bleibt ein Schmierfilm mir im Blick.
Das Blätterlichtspiel nimmt mich auf.
Ein Nachgeschmack auf meiner Zunge,
als hätt ich die räudige Katze verspeist.
Ich stecke die Karte in einen Schlitz.
Das Blätterlichtspiel nimmt mich auf.
Die Einkaufswagen, zusammengedrängt.
Eine Herde frierender, klappernder Ziegen.
Ich habe sie wieder, die kleine Münze.
Schließe sie ein in den faustigen Stein,
wende mich um mit leuchtendem Rücken.
Die Einkaufswagen, zusammengedrängt.
In der Nacht, nach Tiefkühlkost und Wein,
finde ich mich an ein Geländer gekettet.
Ich habe sie wieder, die kleine Münze.
Im Dunkel klirren die Wagengitter.
Dann recke auch ich meine Zunge.
Die Einkaufswagen, zusammengedrängt.
Klebe am eisigen Handlauf der Brücke,
überm Wasser ein heiliger Hauch.
Ich habe sie wieder, die kleine Münze.
Lasse den Atem durch mich fahren,
bis sie klingend aufs Pflaster hinabfällt.
Die Einkaufswagen, zusammengedrängt.
Ich habe sie wieder, die kleine Münze.