Fragen an die Autorin
In Ihren Kolumnen schreiben Sie über Ihre Familie und das Leben im Allgemeinen und Besonderen. Wie finden Sie die Themen?
Das funktioniert meist nicht bewusst und vorsätzlich, sondern beiläufig – so ähnlich wie beim Glattwal, der seine Nahrung in Form von Plankton aus dem Meerwasser filtert, während er mit geöffnetem Maul darin herumschwimmt. Ich schwimme wie alle anderen Menschen durchs Leben, allerdings habe ich mir angewöhnt, dabei Augen, Ohren, Herz und Hirn besonders weit aufzureißen: Was hängen bleibt, wird geschluckt und verdaut.
Ihr Mann ist der heimliche Held vieler Geschichten. Hat er sich noch nie beschwert, dass Sie so viel über ihn erzählen?
Doch, er beschwert sich ungefähr alle 14 Tage. Dann sage ich: »Okay, ich verstehe, du hast natürlich ein Recht auf Privatsphäre, ich höre auf mit der Kolumne. Aber dir ist schon klar, dass dieser Schritt einen erheblichen Verdienstausfall bedeutet, oder?« Mehr muss ich nicht sagen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Die Gleichberechtigung ist eine schöne Sache, auch finanziell – fordert aber nun einmal auch von beiden Seiten Opfer.
Sie mögen keine halben Sachen und müssen doch sehr oft Kompromisse eingehen. Schon mal vor Wut fast geplatzt?
Als ich jünger war, bin ich öfter nicht nur fast geplatzt. Inzwischen bin ich charakterlich etwas gereift und versuche, Kritik erst dann zu äußern, wenn mein Zorn eine Temperatur deutlich unterhalb des Siedepunktes erreicht hat und ich das Gefühl habe, mich halbwegs sachlich äußern zu können. Die meisten Menschen hören nämlich nur ungern zu, wenn man sie anschreit. Abgesehen davon habe ich zumindest theoretisch erkannt: Dass ich mordsmäßig stinksauer bin, ist leider noch kein tragfähiger Beleg dafür, dass ich recht habe. Darum ist es gut, wenn man sich die Zeit nimmt, über die eigenen Emotionen und ihre Ursachen noch einmal nachzudenken, bevor man den anderen damit konfrontiert. Meine Faustregel im Privatleben: Nur Wut, die länger als einen Arbeitstag anhält, ist eine ernsthafte Auseinandersetzung wert. Alle anderen Ärgernisse kann man mit sich selbst abmachen oder im Rahmen routinierter kleiner Reibereien abarbeiten, für die fast jedes Langzeitpaar ein erprobtes Instrumentarium an bissigen Sprüchen und kleinen Sticheleien bereit hält – oder in einer Kolumne zu etwas Lustigem verwursten.
Julia Karnick, Jahrgang 1970, absolvierte die Evangelische Journalistenschule Berlin und ist seit 2004 BRIGITTE -Kolumnistin. Sie lebt mit zwei Kindern, einem Mann und einem Hund in Hamburg.