Irène Némirovsky

Leidenschaft

(Chaleur du sang)

Roman

Aus dem Französischen

von Eva Moldenhauer

Knaus

Ich danke dem Verleger Olivier Rubinstein sowie den beiden Herausgebern Olivier Philipponnat und Patrick Lienhardt, die diesen Roman im Nachlaß meiner Mutter entdeckt haben. Außerdem allen, die bei der Arbeit an Chaleur du sang mitgewirkt haben.

Denise Epstein

Wir tranken einen leichten Punsch, wie er in meiner Jugend in Mode war. Wir saßen vor dem Feuer, meine Cousins Érard, die Kinder und ich. Es war ein Herbstabend, hochrot über den vom Regen durchweichten Sturzäckern; der flammende Sonnenuntergang verhieß für den nächsten Tag starken Wind; die Raben krächzten. In diesem großen eiskalten Haus drang überall Luft herein mitsamt dem herben, fruchtigen Geruch, den sie in dieser Jahreszeit hat. Meine Cousine Hélène und ihre Tochter, Colette, bibberten unter den Kaschmirschals meiner Mutter, die ich ihnen geliehen hatte. Wie immer, wenn sie mich besuchen, fragten sie, wie ich es bloß anstellte, in diesem Rattenloch zu leben, und Colette, die kurz vor ihrer Hochzeit stand, rühmte mir die Reize von Moulin-Neuf, wo sie demnächst wohnen wird und «wo ich Sie oft zu sehen hoffe, Vetter Silvio», sagte sie. Mitleidig sah sie mich an. Ich bin alt, arm, Junggeselle; ich vergrabe mich in einer Bruchbude tief im Wald. Alle wissen, daß ich viel gereist bin und mein Erbe verpraßt habe; als ich, der verlorene Sohn, in meine Heimat zurückgekehrt bin, war sogar das Mastkalb an Altersschwäche gestorben, nachdem es lange vergeblich auf mich gewartet hatte. Meine Cousins Érard, die in Gedanken ihr Los mit dem meinen verglichen, verziehen mir vermutlich das viele Geld, das ich mir von ihnen geliehen hatte, ohne es zurückzugeben, und wiederholten mit Colette:

«Sie leben hier wie ein Wilder, armer Freund. Sie sollten zu der Kleinen kommen, wenn sie sich eingerichtet hat, und die schöne Jahreszeit bei ihr verbringen.»

Dabei erlebe ich recht angenehme Momente, auch wenn sie nichts davon ahnen. Heute bin ich allein; der erste Schnee ist gefallen. Dieses Land, im Herzen Frankreichs, ist wild und reich zugleich. Jeder lebt für sich, auf seinem Gut, mißtraut dem Nachbarn, bringt seinen Weizen ein, zählt sein Geld und kümmert sich nicht um den Rest. Keine Schlösser, keine Besichtigungen. Hier herrscht eine Bourgeoisie, die dem Volk noch sehr nahe ist, gerade erst aus ihm hervorgegangen, mit feurigem Blut und allen Gütern der Welt zugetan. Meine Familie überzieht die Provinz mit einem ausgedehnten Netz an Érards, Chapelains, Benoîts, Montrifauts; es sind Großbauern, Notare, Beamte, Grundbesitzer. Ihre stattlichen Häuser liegen isoliert, weit vom Weiler entfernt, und werden von großen abweisenden, dreifach verriegelten Türen geschützt wie von Gefängnistüren, und davor von nüchternen Gärten, in denen fast keine Blumen wachsen: nur Gemüse und Spalierobstbäume, da diese mehr Früchte tragen. Die Wohnstuben sind mit Möbeln vollgestopft und immer geschlossen; man lebt in der Küche, um Brennholz zu sparen. Ich spreche natürlich nicht von François und Hélène Érard; ich kenne keine angenehmere, keine einladendere Wohnung, kein intimeres, fröhlicheres und wärmeres Heim. Trotzdem, für mich kommt nichts einem Abend wie diesem gleich: Es herrscht völlige Einsamkeit; meine Magd, die im Weiler schläft, hat gerade die Hühner eingesperrt und geht nach Hause. Ich höre das Klappern ihrer Holzschuhe auf dem Weg. Mir bleiben meine Pfeife, mein Hund zwischen den Beinen, das Rascheln der Mäuse auf dem Dachboden, das zischende Feuer, keine Zeitungen, keine Bücher, eine Flasche Juliénas, die sich am Kamin sanft erwärmt.

«Warum nennt man Sie Silvio, Vetter?» fragt Colette.

Ich antworte:

«Weil eine schöne Dame, die in mich verliebt war und die fand, daß ich einem Gondoliere ähnelte – denn damals, vor dreißig Jahren, hatte ich einen gezwirbelten Schnurrbart und schwarzes Haar –, meinen Vornamen Sylvester auf diese Art abgeändert hat.»

«Aber Sie ähneln doch eher einem Faun», sagte Colette, «mit Ihrer großen Stirn, Ihrer Himmelfahrtsnase, Ihren spitzen Ohren und Ihren lachenden Augen. Sylvester, der Waldmensch. Das paßt sehr gut zu Ihnen.»

Von Hélènes Kindern ist mir Colette die liebste. Sie ist nicht schön, hat aber etwas, was ich in meiner Jugend bei Frauen überaus schätzte: Feuer. Ihre Augen lachen, ebenso ihr großer Mund; ihr schwarzes Haar ist duftig und schlüpft in kleinen Locken unter ihrem Schal hervor, mit dem sie ihren Kopf bedeckt hat, da sie behauptet, Zugluft auf ihrem Nacken zu spüren. Man sagt, sie ähnele Hélène, als diese jung war. Aber ich erinnere mich nicht. Seit der Geburt ihres dritten Sohnes, des kleinen Loulou, der jetzt neun Jahre alt ist, hat Hélène stark zugenommen, und die achtundvierzigjährige Frau mit der weichen, welken Haut überdeckt in meiner Erinnerung die zwanzigjährige Hélène, die ich gekannt habe. Jetzt strahlt sie eine glückliche Gelassenheit aus, die beruhigt. Dieser Abend bei mir war ein offizieller Vorstellungsbesuch: Man machte mich mit Colettes Verlobtem bekannt. Es ist Jean Dorin, aus der Familie Dorin von Moulin-Neuf, Mühlenbesitzer vom Vater auf den Sohn. Ein schöner Fluß, grün und schaumbedeckt, fließt zu Füßen dieser Mühle. Als Dorins Vater noch lebte, ging ich dorthin, um Forellen zu angeln.

«Du wirst uns guten Fisch vorsetzen, Colette», sagte ich.

François lehnt meinen Punsch ab: er trinkt nur Wasser. Er hat einen dünnen grauen Spitzbart, den er sanft mit der Hand streichelt. Ich sagte:

«Sie werden die Gesellschaft nicht vermissen, wenn Sie sie verlassen haben, oder vielmehr wenn Sie von ihr verlassen worden sind, wie es bei mir der Fall war …»

Denn manchmal habe ich das Gefühl, als wäre ich vom Leben zurückgeworfen worden wie von einer zu hohen See. Ich bin an einem traurigen Ufer gestrandet, auf einem zwar noch soliden Boot, dessen Farben das Wasser jedoch ausgebleicht und das Salz zerfressen hat.

«… Sie werden nichts vermissen, da Sie ja weder den Wein noch die Jagd, noch die Frauen lieben.»

«Ich werde meine Frau vermissen», sagte er lächelnd.

Da setzte sich Colette neben ihre Mutter und fragte:

«Mama, erzähle mir von deiner Verlobung mit Papa. Nie hast du von deiner Hochzeit gesprochen. Warum? Ich weiß nur, daß es eine romantische Geschichte war, daß ihr euch seit langem geliebt habt … Davon hast du mir nie erzählt. Warum?»

«Weil du mich nie darum gebeten hast.»

«Aber jetzt bitte ich dich darum.»

Hélène wehrte lachend ab:

«Das geht dich nichts an», sagte sie.

«Du willst es nicht sagen, weil du dich genierst. An Vetter Silvio kann es doch nicht liegen: Bestimmt weiß er alles. Ist es wegen Jean? Aber morgen wird er dein Sohn sein, Mama, und er muß dich kennen, wie ich dich kenne. Ich möchte so gerne, daß wir so zusammenleben wie du mit Papa! Ich bin sicher, daß ihr euch nie gestritten habt.»

«Ich geniere mich nicht wegen Jean», sagte Hélène, «sondern wegen dieser großen Bengel», und sie deutete lächelnd auf ihre Söhne.

Sie saßen auf den Fliesen und warfen Tannenzapfen ins Feuer, von denen sie einen ganzen Vorrat in ihren Taschen hatten; mit einem lebhaften, hellen Knacken platzten sie in den Flammen. Georges und Henri, fünfzehn und dreizehn Jahre alt, antworteten:

«Wenn es unseretwegen ist, dann nur zu, genier dich nicht. Eure Liebesgeschichten interessieren uns nicht», sagte Georges, der im Stimmbruch war, verächtlich.

Und der kleine Loulou war eingeschlafen.

Aber Hélène schüttelte den Kopf und wollte nicht sprechen. Schüchtern schaltete Colettes Verlobter sich ein:

«Sie sind ein vorbildliches Ehepaar. Aber ich hoffe, daß auch wir eines Tages …»

Er stammelte. Er scheint ein braver Junge zu sein; er hat ein mageres, sanftes Gesicht, schöne, ängstliche Hasenaugen. Seltsam, daß sich Hélène und Colette, Mutter und Tochter, dieselbe Art von Ehemann ausgesucht haben: sensibel, zart, fast weiblich, leicht zu beherrschen, und gleichzeitig zurückhaltend, scheu, fast schamhaft. Großer Gott! Ich war nicht so! Ich betrachtete sie alle sieben. Ich saß ein wenig abseits. Wir hatten unsere Mahlzeit in der Stube eingenommen, neben der Küche dem einzigen bewohnbaren Raum meiner Behausung; ich schlief in einer Art Mansarde auf dem Dachboden. Diese Stube hier unten ist immer ein wenig dunkel, und am heutigen Novemberabend war sie so düster, daß man, sobald das Feuer abnahm, nur die an der Wand hängenden großen Kessel und alten Bettpfannen sah, deren Kupfer noch den geringsten Lichtschimmer auffängt. Wenn die Flammen wieder aufloderten, erhellten sie sanftmütige Gesichter, wohlwollendes Lächeln, Hélènes Hand mit ihrem goldenen Ring, die die Locken des kleinen Loulou streichelten. Hélène trug ein weißgepunktetes blaues Seidenkleid. Der gemusterte Kaschmirschal meiner Mutter bedeckte ihre Schultern. Neben ihr saß François, und beide betrachteten die Kinder zu ihren Füßen. Ich wollte meine Pfeife wieder anzünden und hob ein brennendes Holzstück hoch, das seinen Lichtschein auf mein Gesicht warf. Wahrscheinlich war ich nicht der einzige, der meine Umgebung beobachtete, und vermutlich hatte auch Colette gute Augen, denn mit einem Mal rief sie aus:

«Wie sarkastisch Sie doch aussehen, Vetter Silvio, das ist mir schon oft aufgefallen.»

Dann, sich an ihren Vater wendend:

«Ich warte noch immer auf die Erzählung eurer Liebe, Papa.»

«Dann will ich euch», sagte François, «meine erste Begegnung mit eurer Mama erzählen. Damals wohnte euer Großvater im Weiler. Wie ihr wißt, war er zweimal verheiratet. Eure Mutter war ein Kind aus seiner ersten Ehe, und auch ihre Stiefmutter hatte eine Tochter, ebenfalls aus einer ersten Ehe. Was ihr nicht wißt, ist, daß man mir dieses junge Mädchen (also die Halbschwester eurer Mutter) als Ehefrau zugedacht hatte.»

«Wie komisch», sagte Colette.

«Ja, ihr seht, wie der Zufall so spielt. Ich betrat dieses Haus zum ersten Mal im Schlepptau meiner Eltern. Ich ging wie ein geprügelter Hund in die Ehe. Aber meine Mutter legte großen Wert darauf, mich unterzubringen, die arme Frau, und ihre inständigen Bitten hatten mich schließlich bewogen, in diese Begegnung einzuwilligen, die mich, wie sie mir versichert hatte, zu nichts verpflichtete. Wir betraten den Salon. Stellt euch den strengsten, kältesten aller Provinzsalons vor. Auf dem Kamin standen zwei bronzene Leuchter, die die Fackeln der Liebe darstellten und die ich noch heute mit Grauen vor mir sehe.»

«Und ich erst!» sagte Hélène lachend. «Diese eiskalten, reglosen Flammen in dem Salon, der nie geheizt wurde, hatten symbolischen Wert.»

«Die zweite Frau eures Großvaters hatte – das will ich euch nicht verhehlen – einen Charakter …»

«Sei still», sagte Hélène, «sie ist tot.»

«Glücklicherweise … Aber eure Mutter hat recht: Friede den Toten. Es war eine sehr kräftige, rothaarige Dame mit einem dicken roten Haarknoten und sehr weißer Haut. Ihre Tochter ähnelte einer Kohlrübe. Während der ganzen Zeit meines Besuchs hörte sie nicht auf, ihre von Frostbeulen geschwollenen Hände auf ihren Knien aufeinanderzulegen und wieder zu trennen, und sagte kein einziges Wort. Es war Winter. Wir bekamen sechs Kekse in einer Obstschale und altersgrauen Kakao vorgesetzt. Meine Mutter, die kälteempfindlich war, mußte ständig niesen. Ich verkürzte den Besuch, so gut es ging. Und als wir das Haus endlich verließen, hatte es zu schneien angefangen, ich sah die Kinder, die aus der benachbarten Schule nach Hause gingen, und unter ihnen, rennend und im Schnee schlitternd, mit dicken Holzpantinen an den Füßen und einem roten Umhang, mit völlig aufgelöstem schwarzem Haar, hochroten Wangen, Schnee auf der Nasenspitze und auf den Lidern, befand sich ein kleines Mädchen, das damals etwa dreizehn Jahre alt war. Es war eure Mama: Sie wurde von ein paar Jungen verfolgt, die ihr Schneebälle in den Kragen warfen. Sie stand zwei Schritte von mir entfernt. Sie drehte sich um, packte mit beiden Händen Schnee und warf ihn lachend geradeaus, zog dann ihren Holzschuh aus, da er voller Schnee war, und blieb auf einem Fuß hüpfend an der Türschwelle stehen, das schwarze Haar im Gesicht. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie lebendig und bezaubernd dieses Kind mir vorkam, nachdem ich diesen eisigen Salon, diese steifen Leute hinter mir gelassen hatte … Meine Mutter sagte mir, wer die Kleine war. Genau in diesem Augenblick beschloß ich, sie zu heiraten. Lacht nur, Kinder. Es war weniger ein Verlangen, ein Wunsch in mir als eine Art Vision. Im Geiste sah ich sie ein paar Jahre später an meiner Seite aus der Kirche kommen, als meine Frau. Sie war nicht glücklich. Ihr Vater war alt und krank; ihre Stiefmutter kümmerte sich nicht um sie. Ich sorgte dafür, daß sie bei meinen Eltern eingeladen wurde. Ich half ihr bei ihren Schulaufgaben; ich borgte ihr Bücher; ich organisierte Picknicks, kleine Tanzveranstaltungen für sie, für sie allein. Sie ahnte nichts davon …

«O doch», sagte Hélène, und unter ihrem grauen Haar blitzten schelmisch ihre Augen, und auf ihrem Mund erschien ein sehr junges Lächeln.

«Ich ging fort, um in Paris mein Studium zu beenden; man hält nicht um die Hand eines dreizehnjährigen Mädchens an. Ich reiste also ab, wobei ich mir sagte, daß ich in fünf Jahren wiederkäme und ihre Hand gewänne. Aber sie hat mit siebzehn Jahren geheiratet, einen rechtschaffenen Mann, der sehr viel älter war als sie. Sie hätte jeden geheiratet, nur um ihrer Stiefmutter zu entfliehen.»

«In der letzten Zeit», sagte Hélène, «war sie so geizig, daß meine Halbschwester und ich nur ein einziges Paar Handschuhe hatten. Im Prinzip sollten wir sie abwechselnd anziehen, wenn wir jemanden besuchten. Tatsächlich aber richtete meine Stiefmutter es so ein, daß sie mich jedesmal bestrafte, wenn wir ausgehen sollten, so daß immer ihre eigene Tochter diese Handschuhe anzog, wunderschöne Glacéhandschuhe. Sie verlockten mich so sehr, daß die Aussicht, ebensolche ganz für mich allein zu haben, wenn ich verheiratet wäre, mich bewog, dem ersten Mann, der mich darum bat und der mich nicht liebte, mein Jawort zu geben. Man ist sehr dumm, wenn man jung ist …»

«Ich hatte großen Kummer», sagte François, «und als ich bei meiner Rückkehr die entzückende, ein wenig traurige junge Frau sah, zu der meine kleine Freundin geworden war, verliebte ich mich leidenschaftlich in sie … Und sie, ihrerseits …»

Er verstummte.

«Oh, wie rot sie werden», rief Colette aus und klatschte in die Hände, abwechselnd auf ihren Vater und ihre Mutter deutend. «Nur zu, erzählt uns alles! In jener Zeit beginnt der Roman, nicht wahr? Ihr habt miteinander gesprochen, ihr habt euch verstanden. Er ist wieder fortgegangen, zu Tode betrübt, weil du nicht frei warst. Er hat getreulich gewartet, und als du Witwe geworden bist, ist er zurückgekommen und hat dich geheiratet. Ihr habt glücklich gelebt und viele Kinder bekommen.»

«Ja, so war es», sagte Hélène, «aber vorher, mein Gott, wie viele Sorgen, wie viele Tränen! Wie schwer schien alles zu sein, unversöhnlich! Wie fern das alles ist … Als mein erster Mann starb, war euer Vater auf Reisen. Ich glaubte, er habe mich vergessen, er käme nicht wieder. Wenn man jung ist, ist man voller Ungeduld. Jeder Tag, der vergeht und der für einen verloren ist, zerreißt einem das Herz. Endlich ist er zurückgekommen.»

Draußen war es jetzt völlig dunkel. Ich stand auf und schloß die großen Fensterläden aus Holz, die in der Stille einen so schauerlichen, stöhnenden Ton von sich geben. Dieses Geräusch ließ sie zusammenzucken, und Hélène sagte, es sei Zeit für den Heimweg. Jean Dorin stand gehorsam auf, um die Mäntel der Damen in meinem Zimmer zu holen. Ich hörte Colette fragen:

«Mama, und was ist aus deiner Halbschwester geworden?»

«Sie ist tot, mein Liebes. Erinnerst du dich, vor sieben Jahren sind dein Vater und ich zu einer Beerdigung nach Coudray in der Nièvre gegangen. Es war die arme Cécile.»

«War sie genauso böse wie ihre Mutter?»

«Sie? O nein, das arme Wesen! Es gab keine sanftmütigere, entgegenkommendere Frau. Sie liebte mich zärtlich, und ich sie ebenso. Sie ist wie eine wirkliche Schwester für mich gewesen.»

«Komisch, daß sie uns nie besucht hat …»

Hélène antwortete nicht. Colette stellte ihr eine weitere Frage; auch diesmal antwortete die Mutter nicht. Schließlich, als Colette insistierte, sagte die Mutter:

«Ach, das alles ist so lange her», und ihre Stimme klang plötzlich ganz seltsam verändert, abwesend, als spräche sie im Traum.