Cover

John Grisham

Die Schuld

Roman

Aus dem Amerikanischen von Dr. Bernhard Liesen,
Bea Reiter, Kristiana Ruhl und Imke Walsh-Araya

Inhaltsverzeichnis

Das Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
ANMERKUNG DES AUTORS
Werkverzeichnis der im Heyne Verlag erschienenen Titel von John Grisham
Der Autor
Die Romane
Copyright

Der Autor

John Grisham wurde am 8. Februar 1955 in Jonesboro/ Arkansas, geboren. Als junger Mann träumte er von einer Karriere als Profi-Baseballspieler, doch als sich diese Pläne zerschlugen, studierte er in Mississippi Rechnungswesen und Jura. 1981 schloss er sein Studium erfolgreich ab und heiratete im selben Jahr Renee Jones.

Er ließ sich in Southaven/Mississippi als Anwalt für Strafrecht nieder und engagierte sich außerdem in der Politik. 1983 und 1987 wurde er in das Abgeordnetenhaus von Mississippi gewählt.

Der schreckliche Fall einer vergewaltigten Minderjährigen brachte ihn zum Schreiben. In Früh- und Nachtschichten entstand sein erster Thriller, Die Jury, der 1988 in einem kleinen, unabhängigen Verlag erschien.

Sofort nach Fertigstellung von Die Jury begann John Grisham mit seinem nächsten Buch, Die Firma. Noch vor Erscheinen des Buches erwarb Paramount Pictures die Filmrechte, wodurch die großen Verlage aufmerksam wurden. Schließlich kaufte Doubleday die Buchrechte, und Die Firma wurde der Bestseller des Jahres 1991 und stand 47 Wochen in Folge auf der NewYork Times-Bestsellerliste.

Seither hat John Grisham jedes Jahr ein neues Buch veröffentlicht. Alle seine Bücher kamen auf die internationalen Bestsellerlisten; sie wurden in 38 Sprachen übersetzt. Weltweit sind über 275 Millionen Exemplare verkauft worden. Die meisten seiner Romane wurden auch verfilmt.

Heute lebt John Grisham mit seiner Frau Renee zurückgezogen in Charlottesville/Virginia und auf einer Farm in Oxford/Mississippi. Neben dem Schreiben fördert er die Baseball-Jugend und engagiert sich in karitativen Projekten. Er versucht dem Medienrummel zu entgehen und ein möglichst normales Familienleben zu führen.

 

»Grisham bürgt für Hochspannung und Qualität, er ist die oberste Instanz des Thrillers.« Neue Zürcher Zeitung

 

»Mit John Grishams Tempo kann keiner mithalten.«

The New York Times

 

»John Grisham ist so viel besser als alle anderen.«

Süddeutsche Zeitung

ANMERKUNG DES AUTORS

An dieser Stelle finden sich oft umfassende Ausschlussklauseln des Autors, der sich damit schützen und eine eventuelle Haftung möglichst vermeiden will. Es besteht immer die Versuchung, lieber Orte, Unternehmen und Organisationen zu erfinden, als bei realen zu recherchieren, und ich muss zugeben, dass ich fast alles lieber tue, als Details zu überprüfen. Erfindungen sind ein wunderbarer Schutzschild, hinter dem man sich leicht verstecken kann. Kommt man aber der Wahrheit nahe, muss man genau arbeiten. Andernfalls sind an dieser Stelle einige Zeilen des Autors erforderlich.

Der Public Defender Service (Behörde der Pflichtverteidiger) in Washington, D.C., ist eine stolze, dynamische Organisation, die seit vielen Jahren für die Rechte der Mittellosen kämpft. Die Anwälte dort sind intelligent, engagiert und sehr verschwiegen. Geradezu geheimniskrämerisch. Ihre interne Arbeitsweise bleibt ein Rätsel, deswegen habe ich mein eigenes Office of the Public Defender geschaffen. Jede Ähnlichkeit zwischen beiden wäre rein zufällig.

Mark Twain sagte, er habe häufig Städte, Länder und sogar ganze Staaten verlegt, wenn dies für die Geschichte erforderlich gewesen sei. Ich kenne da ebenfalls keine Skrupel. Wenn ich ein Gebäude nicht finden kann, baue ich mir im Handumdrehen selbst eins. Wenn eine Straße nicht auf meine Karte passt, verschiebe ich sie, ohne zu zögern, oder zeichne eine neue Karte. Ich gehe davon aus, dass etwa die Hälfte der Orte in diesem Buch mehr oder weniger korrekt beschrieben ist. Die andere Hälfte existiert entweder nicht, oder ich habe sie so verändert oder verlegt, dass niemand sie mehr wiedererkennen wird. Wer hier nach Genauigkeit sucht, verschwendet seine Zeit.

Das soll nicht heißen, dass ich mir keine Mühe gebe. Recherche bedeutet für mich, hektische Telefonate zu führen, wenn der Abgabetermin näher rückt. Ich verlasse mich auf folgende Personen, wenn ich Rat brauche, und bei ihnen möchte ich mich an dieser Stelle bedanken: Fritz Chockley, Bruce Brown, Gaines Talbott, Bobby Moak, Penny Pynkala und Jerome Davis.

Renee hat den Rohentwurf gelesen und ihn mir nicht gleich um die Ohren gehauen – immer ein gutes Zeichen. David Gernert hat ihn komplett zerlegt und mir dann geholfen, ihn wieder zusammenzusetzen. Will Denton und Pamela Creel Jenner haben ihn gelesen und mir ausgezeichnete Ratschläge gegeben. Als ich ihn zum vierten Mal geschrieben hatte und alles richtig war, las ihn Estelle Laurence und fand hunderte Fehler.

Alle, die ich hier genannt habe, wollten mir nur helfen. Die Fehler lagen wie immer bei mir.

Werkverzeichnis der im Heyne Verlag erschienenen Titel von John Grisham

Die Romane

Die Jury

A Time to Kill

 

Ein zehnjähriges schwarzes Mädchen wird brutal misshandelt und vergewaltigt. Ihr Vater, Carl Lee Hailey, übt Selbstjustiz und tötet die geständigen Täter. Mord oder Hinrichtung? Gerechtigkeit oder Rache? Jetzt geht es um viel mehr: den Rassenkonflikt, die Machenschaften der Presse und nicht zuletzt die persönlichen Interessen von Staatsanwalt, Richter und Verteidiger.

 

 

 

Die Firma

The Firm

 

Etwas ist faul an der exklusiven Kanzlei, der Mitch McDeere sich verschrieben hat. Der hochbegabte junge Anwalt wird auf Schritt und Tritt beschattet, er ist umgeben von tödlichen Geheimnissen. Als er dann noch vom FBI unter Druck gesetzt wird, erweist sich der Traumjob endgültig als Albtraum.

 

 

Die Akte

The Pelican Brief

 

In einer Oktobernacht werden zwei Richter des obersten Bundesgerichts der USA ermordet. Die Jurastudentin Darby Shaw legt eine Akte über den schlimmsten politischen Skandal seit Watergate an – ein tödliches Dokument für alle, die sie kennen. Eine erbarmungslose Jagd beginnt.

 

 

Der Klient

The Client

 

Der elfjährige Mark beobachtet den Selbstmordversuch eines Mannes. Er will eingreifen, aber es ist zu spät. Der Mann, ein New Yorker Mafia-Anwalt, stirbt, nachdem er ein Geheimnis preisgegeben hat: Er nennt den Ort, an dem der ermordete Senator begraben liegt, dessen mutmaßlicher Mörder vor Gericht steht. Mark gerät in die Zwickmühle: FBI und Staatsanwaltschaft setzen ihn unter Druck, damit er auspackt. Die Mafia ihrerseits versucht mit allen Mitteln das zu verhindern.

 

 

 

Die Kammer

The Chamber

 

Im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses von Mississippi wartet Sam Cayhall auf die Hinrichtung. Er ist wegen eines tödlichen Bombenanschlags verurteilt. Seine Lage ist hoffnungslos. Nur der Anwalt Adam Hall kann ihm noch eine Chance bieten. Es geht um Tage, Stunden, Minuten.

 

 

 

Der Regenmacher

The Rainmaker

 

Rudy Baylor, ein Jurastudent im letzten Semester, gewinnt seine ersten »Mandanten«, ein Ehepaar, dessen Sohn an Leukämie erkrankt ist. Die Krankenversicherung weigert sich, für die wahrscheinlich lebensrettende Therapie zu zahlen. Rudy erkennt bald, dass er es mit einem riesigen Versicherungsskandal zu tun hat. Er nimmt den Kampf gegen eines der mächtigsten, korruptesten und skrupellosesten Unternehmen Amerikas auf.

 

 

Das Urteil

The Runaway Jury

 

In Biloxi, einer verschlafenen Kleinstadt in Mississippi, findet ein Prozess statt, der weltweit Aufsehen erregt. Der Richter lässt die Geschworenen von der Außenwelt abschotten, weil er fürchtet, dass die Jury von außen kontrolliert wird. Für einen mächtigen Konzern geht es um Milliardengeschäfte.

 

 

 

Der Partner

The Partner

 

Bevor sie die Falle zuschnappen ließen, hatten sie Danilo Silva rund um die Uhr bewacht. Er führte ein ruhiges Leben in einem heruntergekommenen Viertel einer kleinen Stadt in Brasilien. Nichts deutete darauf hin, dass er neunzig Millionen Dollar beiseite geschafft hatte.

 

 

Der Verrat

The Street Lawyer

 

Michael Brock ist der aufsteigende Stern bei einer einflussreichen Anwaltskanzlei in Washington D. C. Er führt ein Leben auf der Überholspur, bis eine Geiselnahme alles verändert. Der Geiselnehmer, ein heruntergekommener Obdachloser, wird erschossen. Michael forscht nach den Hintergründen dieser Tat und spürt ein schmutziges Geheimnis auf.

 

 

 

Das Testament

The Testament

 

Ein milliardenschwerer, lebensmüder Geschäftsmann, eine gierig lauernde Erbengemeinschaft, die im brasilianischen Regenwald arbeitende Missionarin Rachel und ein ehemaliger Staranwalt, der es noch einmal wissen will – das sind die Akteure in diesem Drama. Es geht um Geld, Macht und Ehre, und es geht um Leben und Tod.

 

 

Die Bruderschaft

The Brethren

 

Drei verurteilte Richter brüten im Gefängnis über einem genialen Coup. Wenn alles klappt, haben sie für die Zeit nach dem Knast ausgesorgt. Sie sind gerissen und haben die richtigen Kontakte, aber ist ihre Strategie wirklich wasserdicht? Meisterhaft entwirft John Grisham ein raffiniertes Szenario, bei dem keiner seiner Helden ungeschoren davonkommt.

 

 

 

Die Farm

A Painted House

 

In der staubigen Hitze von Arkansas wird ein neugieriger Siebenjähriger plötzlich mit den harten Realitäten des Lebens konfrontiert. Während Luke noch von Baseball träumt und heimlich die Erwachsenen belauscht, gerät er unvermutet in ein Drama um Liebe und Tod, in dem er selbst eine entscheidende Rolle spielt.

 

 

Das Fest

Skipping Christmas

 

Als Luther und Nora zum ersten Mal seit zwanzig Jahren ein kinderloses Weihnachtsfest auf sich zukommen sehen, beschließen sie, mit den gesellschaftlichen Konventionen zu brechen und das Fest erstmals ausfallen zu lassen. Obwohl deshalb allerorts geächtet, halten sie eisern durch, bis am Morgen des 24. Dezember ein Anruf aus der Ferne alle Pläne durchkreuzt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. – Mit seiner urkomischen Weihnachtskomödie beweist John Grisham, dass er auch als Humorist unschlagbar ist.

 

 

Der Richter

The Summons

 

In diesem Bestseller kehrt John Grisham zurück nach Clanton, Mississippi, einer fiktiven Kleinstadt in einem Bezirk, wo der Autor einst selbst als Anwalt tätig war. Dort, im tiefen Süden der USA, muss Ray Atlee das finstere Erbe seines patriarchalischen Vaters, des alten Richters Atlee, antreten. Und schon bald merkt Ray, dass er nicht der Einzige ist, der dessen schreckliches Geheimnis kennt.

 

 

 

Die Schuld

The King of Torts

 

Clay Carter muss sich schon viel zu lange und mühsam seine Sporen im Büro des Pflichtverteidigers verdienen. Nur zögernd nimmt er einen Fall an, der für ihn schlicht ein weiterer Akt sinnloser Gewalt in Washington D.C. ist: Ein junger Mann hat mitten auf der Straße scheinbar wahllos einen Mord begangen. Clay stößt aber auf eine Verschwörung, die seine schlimmsten Befürchtungen weit übertrifft.

 

 

 

Der Coach

Bleachers

 

Grishams wohl persönlichstes Buch – ein bewegender Roman um eine väterliche Freundschaft, um Rückkehr und Abschied und um das Spiel des Lebens, das ganz eigenen Regeln gehorcht. Fünfzehn Jahre nach dem tragischen Ende seiner kurzen, glorreichen Profi-Karriere kehrt Neely heim, um sich von seinem damaligen Coach zu verabschieden, der im Sterben liegt.

 

 

Die Liste

The Last Juror

 

Ein junger Zeitungsreporter trägt mit exklusivem Material zur Aufklärung eines grausamen Mordes bei, woraufhin die Begeisterung groß ist. Doch als der mächtige Verurteilte in aller Öffentlichkeit das Leben der Geschworenen bedroht und Rache schwört, verstummen die Jubelrufe. Neun Jahre später kommt der Mörder frei und macht sich daran, seine Drohung in die Tat umzusetzen.

 

 

Die Begnadigung

The Broker

 

Die letzte Amtshandlung des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist die Begnadigung eines berüchtigten Wirtschaftskriminellen. Joel Backman war bis zu seiner Verurteilung einer der skrupellosesten Lobbyisten in Washington. Niemand weiß, dass die umstrittene Entscheidung des Präsidenten erst auf großen Druck des CIA zustande kam. Eine brisante Geschichte aus dem Zentrum der Macht, die nicht vom Weißen Haus, sondern von einem unkontrollierbaren Staat im Staate ausgeht.

 

 

 

Der Gefangene

The Innocent Man

 

Debbie Carter arbeitet als Bardame im Coachlight Club in Ada, Oklahoma. Eines Morgens wird die junge Frau vergewaltigt und erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden. Sechs Jahre später werden Ron Williamson, ein Stammgast von Debbie, und sein Freund Dennis Fritz aufgrund einer Falschaussage der Tat bezichtigt. Williamson wird zum Tode, Fritz zu lebenslanger Haft verurteilt. Beide beteuern ihre Unschuld.

 

 

 

Touchdown

Playing for Pizza

 

Als einst umjubelter Football-Star steht Rick Dockery plötzlich vor dem Aus. Ein Angebot aus dem fernen Italien kommt ihm da sehr gelegen: Die Parma Panthers suchen einen neuen Spielmacher. Rick zögert nicht, und aus der Reise ins Ungewisse wird der Aufbruch in ein neues Leben.

 

 

Berufung

The Appeal

 

Sie verlor ihre ganze Familie. Um ihren Tod zu sühnen, zieht Jeannette Baker gegen einen der größten Chemiekonzerne der USA vor Gericht. Als ihrer Klage stattgegeben und das Unternehmen zu 41 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt wird, ist die Sensation perfekt. Doch dann geht Krane Chemical Inc. in Berufung, und eine Intrige unglaublichen Ausmaßes nimmt ihren Lauf.

 

 

 

Der Anwalt

The Associate

 

Kyle Mc Avoy steht eine glänzende Karriere als Jurist bevor. Bis ihn die Vergangenheit einholt. Eine junge Frau behauptet, Jahre zuvor auf einer Party in Kyles Appartement vergewaltigt worden zu sein. Kyle weiß, dass diese Anklage seine Zukunft zerstören kann. Und er trifft eine Entscheidung, für die er mit allem brechen muss, was bisher sein Leben bestimmt hat.

 

 

Das Gesetz

Ford County

 

Inez Graney scheut keine Mühe, um ihren Sohn zu besuchen. Seit elf Jahren sitzt Raymond im Todestrakt. Seine Brüder, die ihre Mutter stets begleiten, halten Raymond für einen schrägen Vogel. Oft muss Inez zwischen ihren Söhnen vermitteln. So auch diesmal, an diesem besonderen Besuchstag, an dem Raymond Graney hingerichtet wird. John Grisham erzählt Stories, die den Leser ins Herz treffen, und schafft Figuren, die man nie mehr vergisst. Ein Meisterwerk!

 

 

 

Das Geständnis

The Confession

 

Ein Geständnis in letzter Sekunde steht am Anfang von John Grishams neuem großem Roman. Travis Boyette, ein rechtskräftig verurteilter Sexualstraftäter, der mehr als sein halbes Leben hinter Gittern verbracht hat, gesteht einen Mord, für den ein anderer verurteilt wurde: Donté Drumm. Dieser sitzt seit acht Jahren in der Todeszelle und soll in genau vier Tagen hingerichtet werden. Ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

 

 

Verteidigung

The Litigators

 

Als Harvard-Absolvent David Zinc Partner bei einer der angesehensten Großkanzleien Chicagos wird, scheint seiner Karriere nichts mehr im Weg zu stehen. Doch der Job erweist sich als die Hölle. Fünf Jahre später zieht David die Reißleine und kündigt. Stattdessen heuert er bei Finley & Figg an, einer auf Verkehrsunfälle spezialisierten Vorstadt-Kanzlei, deren chaotische Partner zunächst nicht wissen, was sie mit ihm anfangen sollen. Bis die Kanzlei ihren ersten großen Fall an Land zieht. Der Prozess könnte Millionen einspielen – die Feuertaufe für David.

 

 

Home Run

Calico Joe

 

Joe Castle ist ein Ausnahmetalent. Bereits in seinen ersten Spielen für die Chicago Cubs schlägt er einen Home Run nach dem anderen. Die Fans sind begeistert, und es dauert nicht lange, bis das ganze Land den jungen Spieler frenetisch feiert. Joes Weg an die Spitze scheint vorgezeichnet zu sein, bis er eines Tages auf dem Spielfeld Warren Tracey gegenübersteht, einem mittelmäßigen Werfer der New Yorker Mets, der Joes Erfolg nicht vertragen kann.

1

Als die Kugeln Pumpkins Kopf durchschlugen, hörten nicht weniger als acht Leute die Schüsse. Drei schlossen instinktiv die Fenster, überprüften die Türschlösser und verharrten in ihren kleinen Wohnungen, wo sie sich halbwegs in Sicherheit wähnten. Zwei andere, denen derartige Vorfälle vertraut waren, suchten schneller das Weite als der Mörder. Ein weiterer, der Mülltrennungsfanatiker des Viertels, hörte die kurzen, scharfen Explosionen aus nächster Nähe, als er gerade auf der Suche nach Getränkedosen den Abfall durchwühlte. Da solche Scharmützel hier an der Tagesordnung waren, sprang er hinter einen Berg aufeinander getürmter Kartons und wartete dort, bis der letzte Schuss verhallt war. Dann trat er vorsichtig wieder auf die kleine Straße. Dort fiel sein Blick auf das, was von Pumpkin noch übrig war.

Die restlichen zwei Personen sahen fast alles. Sie saßen an der Ecke Georgia Avenue und Lamont Street direkt vor einem Spirituosenladen auf Plastikkästen für Milchkartons. Bevor der Mörder Pumpkin in die Seitengasse folgte, blickte er sich flüchtig um, aber er bemerkte die beiden nicht, weil sie teilweise durch einen geparkten Wagen verdeckt wurden. Gegenüber der Polizei gaben sie später übereinstimmend zu Protokoll, sie hätten gesehen, dass der Mann eine Waffe aus der Tasche gezogen habe – eine kleine schwarze Pistole. Eine Sekunde später seien die Schüsse gefallen. Allerdings hätten sie nicht gesehen, wie die Kugeln in Pumpkins Schädel einschlugen. Einen Augenblick darauf tauchte der junge Mann mit der Pistole aus der Seitenstraße auf und flüchtete aus unerfindlichen Gründen ausgerechnet in Richtung der beiden Augenzeugen. Er rannte wie ein verängstigter Hund, hatte den Oberkörper gebeugt, als lastete schwere Schuld auf ihm. Seine rot und gelb gemusterten Basketballschuhe wirkten fünf Nummern zu groß und verursachten bei jedem Schritt ein klatschendes Geräusch auf dem Asphalt.

Als er an den beiden Zeugen vorbeilief, hielt er die Waffe, wahrscheinlich eine Achtunddreißiger, noch in der Hand. Er bemerkte sie und zuckte zusammen, da ihm schlagartig bewusst wurde, dass sie zu viel gesehen hatten. Einen quälenden Moment lang kam es ihnen so vor, als würde er die Waffe auf sie richten, um sie zu töten. Geistesgegenwärtig ließen sie sich von den Getränkekästen nach hinten fallen und robbten in einem wilden Durcheinander aus Armen und Beinen in Deckung. Währenddessen verschwand der Mann mit der Pistole.

Einer der beiden stieß die Tür des Spirituosenladens auf und schrie, jemand solle die Polizei benachrichtigen, es habe eine Schießerei gegeben.

Eine halbe Stunde später erhielt die Polizei die Nachricht, dass ein junger Mann, auf den die Beschreibung von Pumpkins Mörder passte, zweimal in der Ninth Street gesehen worden sei. Er halte die Pistole noch in der Hand und habe sich einigermaßen auffällig verhalten. Zumindest eine Person habe er auf ein unbebautes Grundstück zu locken versucht, doch dem Betreffenden sei es gelungen zu fliehen. Anschließend informierte er die Polizei.

Eine Stunde später wurde der Mann verhaftet. Er hieß Tequila Watson, war zwanzig Jahre alt, schwarz und hatte das übliche Vorstrafenregister eines Drogenabhängigen. Keine Familie, die diese Bezeichnung verdient hätte, kein fester Wohnsitz. Zuletzt hatte er in einer Drogenentziehungseinrichtung in der W Street gewohnt. Die Pistole hatte er unterwegs verschwinden lassen. Falls er Pumpkin Drogen oder sonst etwas geraubt hatte, musste er auch das weggeworfen haben, denn in seinen Taschen war nichts zu finden. Sein Blick wirkte klar, und die Polizeibeamten waren sicher, dass er bei der Festnahme weder unter Drogen- noch unter Alkoholeinfluss stand. Nach einem kurzen und ruppigen Verhör, das an Ort und Stelle stattfand, legte man ihm Handschellen an, um ihn dann unsanft auf die Rückbank eines Streifenwagens der Washingtoner Polizei zu verfrachten.

Die Beamten brachten den Verdächtigen zur Lamont Street zurück, wo eine Art Gegenüberstellung mit den beiden Zeugen stattfinden sollte. Sie führten Tequila in die Seitengasse, in der Pumpkins Leiche gelegen hatte. »Schon mal hier gewesen?« , fragte einer der Polizeibeamten.

Statt zu antworten, starrte Tequila nur auf die Blutlache auf dem schmutzigen Asphalt. Mittlerweile wurden die beiden Zeugen unauffällig geholt.

»Das ist er«, sagten beide wie aus einem Mund.

»Dieselben Klamotten, dieselben Schuhe. Nur die Pistole fehlt.«

»Ja, das ist er.«

»Da gibt’s keinen Zweifel.«

Nachdem Tequila wieder in den Streifenwagen geschoben worden war, brachte man ihn ins Gefängnis. Da er wegen Mordverdachts eingesperrt wurde, hatte er keine Chance, gegen Kaution sofort wieder auf freien Fuß gesetzt zu werden. Ob aus Erfahrung oder aus Angst – Tequila sagte kein Wort, als die Polizeibeamten ihn befragten, bedrängten und schließlich bedrohten. Nichts Belastendes, nichts Klärendes. Es gab keinerlei Hinweise auf ein mögliches Motiv für den Mord an Pumpkin oder darauf, ob zwischen ihnen eine Verbindung bestand. Ein erfahrener Detective hielt in einer kurzen Aktennotiz fest, dieser Mord komme ihm willkürlicher vor als bei ähnlichen Fällen.

Tequila bat nicht darum, telefonieren zu dürfen, und fragte weder nach einem Anwalt noch nach einem Kautionsbürgen. Er wirkte benommen und schien damit zufrieden zu sein, in einer überfüllten Zelle zu sitzen und auf den Boden zu starren.

 

Pumpkins Vater war spurlos verschwunden. Seine Mutter arbeitete als Sicherheitsbeamtin im Erdgeschoss eines großen Bürogebäudes in der New York Avenue. Die Polizei hatte drei Stunden benötigt, um den richtigen Namen – Ramón Pumphrey – und die Adresse ihres Sohnes herauszubekommen und einen Nachbarn zu finden, der bereit war, den Beamten zu sagen, dass Ramón Pumphrey noch eine Mutter hatte.

Als die Polizisten an ihrem Arbeitsplatz eintrafen, saß Adelfa Pumphrey hinter einem Tisch und starrte unbeteiligt auf mehrere Monitore. Sie war groß, dick und trug eine eng sitzende Khakiuniform, an deren Gürtel eine Pistole baumelte. Ihre Miene wirkte völlig desinteressiert. Die Beamten hatten sich schon hunderte Male in einer solchen Situation befunden. Nachdem sie die schlechte Nachricht überbracht hatten, fragten sie nach ihrem Chef.

In einer Stadt, in der sich tagtäglich junge Menschen gegenseitig umbrachten, wurden die Menschen dickfellig und hartherzig. Jede Mutter kannte etliche andere Mütter, deren Kinder durch Gewaltverbrechen ums Leben gekommen waren, und jeder Verlust eines Menschenlebens ließ den Tod auch in der eigenen Familie einen Schritt näher rücken. Alle Mütter wussten, dass jeder Tag der letzte sein konnte. Aber sie hatten auch gesehen, wie andere Mütter die Tragödie überlebt hatten. Während Adelfa Pumphrey dasaß, das Gesicht in die Hände gebettet, dachte sie an ihren Sohn, an seinen leblosen Körper, der jetzt irgendwo in dieser Stadt lag und von Fremden untersucht wurde.

Sie schwor demjenigen Rache, der Ramón getötet hatte, wer immer es auch sein mochte.

Sie verfluchte seinen Vater, der das eigene Kind im Stich gelassen hatte.

Sie weinte.

Aber Adelfa Pumphrey wusste, dass sie überleben würde. Irgendwie würde sie es schaffen.

 

Als die Vernehmung zur Anklage stattfand, war auch Adelfa Pumphrey anwesend. Die Polizisten hatten ihr erzählt, dies sei der erste Auftritt des Mörders ihres Sohnes vor dem Richter – eine reine Routineangelegenheit, die schnell über die Bühne gehen werde. Der Häftling werde sich nicht schuldig bekennen und einen Anwalt verlangen. Eingerahmt von ihrem Bruder und einem Nachbarn, saß Adelfa weinend in der letzten Reihe des Gerichtssaals und tupfte sich mit einem durchnässten Taschentuch die Tränen ab. Sie wollte den Jungen endlich sehen. Sie wollte ihn fragen, warum er ihren Sohn umgebracht hatte. Aber sie machte sich keine Illusionen – diese Chance würde man ihr nicht geben.

Nacheinander wurden die Kriminellen durch den Raum getrieben wie Rinder bei einer Viehauktion. Es waren ausnahmslos junge Schwarze, alle in orangefarbenen Overalls und mit Handschellen. Und mit einem vergeudeten Leben.

Bei Tequila hatte man sich nicht mit Handschellen begnügt, sondern seine Handgelenke und Fußknöchel zusätzlich aneinander gekettet. Obwohl er ein besonders gewalttätiges Verbrechen begangen hatte, machte er einen ziemlich harmlosen Eindruck, als er mit der nächsten Gruppe von Gesetzesbrechern in den Gerichtssaal gebracht wurde. Mit einem raschen Blick über die Anwesenden suchte er nach irgendeinem bekannten Gesicht. Vielleicht hatte sich ja jemand seinetwegen in den Gerichtssaal bemüht. Als man ihn auf einen der Stühle drückte, ließ es sich einer der bewaffneten Gerichtsdiener nicht nehmen, Tequila auf Adelfa Pumphrey aufmerksam zu machen: »Da hinten sitzt die Mutter von dem Jungen, den du umgebracht hast. Die Frau in dem blauen Kleid.«

Mit gesenktem Kopf wandte sich Tequila langsam um. Er blickte Pumpkins Mutter in die verheulten, geröteten Augen, aber nur für einen winzigen Moment. Während Adelfa den dürren Jungen in dem viel zu großen Overall anstarrte, fragte sie sich, wo seine Mutter sein mochte, wie sie ihn großgezogen hatte, ob auch er ohne Vater aufgewachsen war und – am wichtigsten – wie und warum sich die Wege dieses Jungen und ihres Sohnes gekreuzt hatten. Die beiden waren im selben Alter wie die anderen Delinquenten hier – um die zwanzig. Die Polizeibeamten hatten ihr berichtet, bislang deute bei diesem Mord nichts darauf hin, dass Drogen im Spiel gewesen seien. Aber sie wusste es besser. Bei dem, was auf den Straßen passierte, waren auf die eine oder andere Weise immer Drogen im Spiel. Adelfa kannte sich aus. Auch Pumphrey hatte Marihuana und Crack konsumiert. Er war sogar einmal festgenommen worden, aber nur wegen Drogenbesitz. Gewalttätig war er nie gewesen. Die Polizisten sahen kein Motiv; ihrer Meinung nach hatte bei diesem Mord der Zufall Regie geführt. Adelfas Bruder dagegen hatte gesagt, alle Straßenmorde wirkten zwar zufällig, aber es gebe immer einen Grund.

An einem Tisch auf der einen Seite des Gerichtssaals saßen die Vertreter des Staates. Die Polizisten flüsterten mit den Anklägern, während diese Akten und Berichte durchblätterten und sich tapfer bemühten, mit ihrem Papierkram nicht hinter den vorgeführten Kriminellen zurückzubleiben. Auf der anderen Seite stand ein Tisch für die Rechtsanwälte, die kamen und gingen, während die Verdächtigen an dem Richter vorbeidefilierten. Der Richter seinerseits rasselte die Anklagen herunter – Drogendelikte, dazwischen ein bewaffneter Raubüberfall, ein etwas unklares Sexualdelikt, erneut Drogengeschichten und immer wieder Verletzung der Bewährungsauflagen. Wenn die Namen der Angeklagten aufgerufen wurden, brachte man sie vor den Richter, wo sie wortlos warteten. Nachdem Papierkram und Formalitäten erledigt waren, wurden sie unsanft weggezerrt und wieder in ihre Zellen gebracht.

»Tequila Watson«, rief schließlich einer der Gerichtsdiener.

Ein Kollege half Tequila aufzustehen. Während er mit kleinen Trippelschritten auf den Richter zustolperte, hallte das Klirren der Ketten durch den Raum.

»Sie sind des Mordes angeklagt, Mr Watson«, sagte der Richter laut. »Wie alt sind Sie?«

»Zwanzig«, antwortete Tequila mit gesenktem Blick.

Die laut vorgebrachte Mordanklage war niemandem im Gerichtssaal entgangen. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Die Mienen der anderen Kriminellen verrieten Bewunderung, die der Rechtsanwälte und der Polizisten Neugier.

»Können Sie sich einen Anwalt leisten?«

»Nein.«

»Hätte mich auch gewundert«, murmelte der Richter, während sein Blick bereits zum Tisch der Anwälte schweifte. Beim Obersten Gericht des Distrikts Columbia, Abteilung Kapitalverbrechen, gab es fruchtbare Felder zu beackern, um die sich Tag für Tag die Anwälte des Büros der Pflichtverteidiger, des OPD, bemühten. Das OPD war die letzte Hoffnung aller mittellosen Angeklagten. Siebzig Prozent der Prozesse wurden von vom Gericht bestellten Anwälten übernommen, von denen in der Regel immer ein halbes Dutzend anwesend war. Pflichtverteidiger erkannte man an ihren billigen Anzügen, dem ramponierten Schuhwerk und den vor Unterlagen berstenden Aktentaschen. Doch ausgerechnet in diesem Augenblick war nur ein einziger anwesend, nämlich der ehrenwerte Clay Carter II., der kurz vorbeigeschaut hatte, um sich um zwei Verbrecher deutlich weniger schweren Kalibers zu kümmern. Jetzt fand er sich allein auf weiter Flur und hatte nur einen Wunsch – diesen Gerichtssaal so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Er blickte nach links und nach rechts und begriff dann, dass der Richter tatsächlich ihn ins Visier genommen hatte. Wo waren die anderen Pflichtverteidiger abgeblieben?

Vor einer Woche hatte Mr Carter einen Mordfall abgeschlossen, der ihn fast drei Jahre lang beschäftigt hatte. Als das Urteil gefällt war, wurde sein Mandant in ein Gefängnis verfrachtet, das er sein Leben lang nicht mehr verlassen würde  – zumindest nicht auf dem offiziellen Weg. Clay Carter war ziemlich glücklich darüber, dass dieser Mandant jetzt hinter Gittern saß, und erleichtert, weil im Augenblick keine Akten auf seinem Schreibtisch herumlagen, die irgendetwas mit Mord zu tun hatten.

Doch das sollte sich jetzt offensichtlich ändern.

»Mr Carter?«, fragte der Richter. Das war kein Befehl, sondern eine Einladung, die ihm zugedachte Rolle zu spielen. Man erwartete von ihm, dass er vortrat und sich wie ein Pflichtverteidiger verhielt, dessen Aufgabe eben darin bestand, die Mittellosen zu vertreten, egal, worum es ging. In Anwesenheit der Staatsanwälte und der Polizisten durfte er sich keine Verunsicherung anmerken lassen. Carter musste schlucken, aber er zuckte nicht zusammen. Möglichst beherzt trat er vor den Richter, als wollte er sofort ein Schwurgerichtsverfahren beantragen. Der Richter reichte ihm die eher dünne Akte, und Carter blätterte sie flüchtig durch, ohne Tequila Watsons flehendem Blick Aufmerksamkeit zu schenken. »Wir werden auf nicht schuldig plädieren, Euer Ehren«, sagte er dann.

»Danke, Mr Carter. Heißt das, dass Sie die Verteidigung übernehmen?«

»Zumindest fürs Erste.« Carter tüftelte bereits aus, unter welchem Vorwand er diesen Fall einem seiner Kollegen aufhalsen konnte.

»Gut, vielen Dank«, sagte der Richter und griff nach den Unterlagen zum nächsten Fall.

Für ein paar Minuten nahm Carter mit seinem neuen Mandanten am Tisch der Verteidigung Platz. Tequila Watson rückte allerdings nur ein paar äußerst dürftige Informationen heraus. Abschließend versprach Carter, am nächsten Tag im Gefängnis vorbeizuschauen, damit sie ein längeres Gespräch führen konnten. Während die beiden sich leise unterhielten, tauchten plötzlich wie aus dem Nichts Carters Kollegen aus dem OPD auf.

War das ein abgekartetes Spiel?, fragte er sich. Waren die anderen Pflichtverteidiger klammheimlich verschwunden, weil sie wussten, dass dem Richter ein Mordverdächtiger vorgeführt werden sollte? Während der vergangenen fünf Jahre hatte sich auch Carter mehrfach auf diese Weise aus der Affäre gezogen. In seinen Kreisen hatte es sich fast zu einer Kunst entwickelt, sich vor den unangenehmen Fällen zu drücken.

Er klemmte sich seine Aktentasche unter den Arm und stürmte durch den Mittelgang, ohne von den besorgten Verwandten der Angeklagten oder von Adelfa Pumphrey und ihren beiden Begleitern Notiz zu nehmen. Im Flur befanden sich etliche weitere Kriminelle, auch sie in Begleitung ihrer Mütter, Freundinnen und Anwälte. Unter den anderen Pflichtverteidigern gab es einige, die schworen, ohne das Chaos im H. Carl Moultrie Courthouse nicht leben zu können. Angeblich liebten sie den Druck, unter dem die Verfahren stattfanden, die Atmosphäre latenter Gefahr, die die vielen, in einem Raum zusammengepferchten Gewaltverbrecher verströmten, die schmerzlichen Konflikte zwischen Opfern und Tätern und die endlos langen Prozesslisten mit den dicht gedrängten Terminen. Wollte man ihren Worten Glauben schenken, dann hielten sie es für ihre Mission, die Unterprivilegierten zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie von der Polizei und der Justiz fair behandelt wurden.

Sollte Clay Carter jemals den Wunsch empfunden haben, als Pflichtverteidiger im OPD Karriere zu machen, so war ihm der Grund dafür mittlerweile entfallen. In einer Woche stand sein fünfjähriges Dienstjubiläum an, doch zum Feiern gab es keinen Anlass. Er hoffte, dass sich niemand daran erinnern würde. Mit seinen einunddreißig Jahren war Clay bereits ausgebrannt, gefangen in einem Büro, das er seinen Freunden allenfalls beschämt präsentieren konnte, und auf der Suche nach einem Ausweg aus seiner Misere. Doch er fand keinen. Und jetzt hatte er auch noch diesen sinnlosen Mordfall am Hals, der von einer Minute zur anderen zu einer immer schwereren Last wurde.

Im Aufzug verfluchte er sich, weil er so blöde gewesen war, sich den Mord aufbürden zu lassen. Er hatte einen echten Anfängerfehler gemacht und war doch eigentlich schon viel zu lange in diesem Geschäft, um noch in eine solche Falle zu tappen. Eine Falle, die ihm zudem auf bestens vertrautem Terrain gestellt worden war. Ich schmeiß den ganzen Kram hin, versprach er sich, doch diesen Schwur hatte er während des vergangenen Jahres fast jeden Tag vor sich hin gemurmelt.

Außer ihm waren noch zwei andere Personen im Lift – eine Gerichtsschreiberin mit einem Haufen Akten unter dem Arm und ein etwa vierzigjähriger Mann in schwarzer Designerkleidung: Jeans, T-Shirt, Jackett, Krokodillederstiefel. Er hielt eine Zeitung in den Händen und schien zu lesen. Seine kleine Lesebrille hatte er bis auf die Spitze der ziemlich langen, markanten Nase hinabgeschoben. Tatsächlich beobachtete er Clay, der aber nichts bemerkte, weil er in Gedanken versunken war. Warum sollte man auch einem anderen Menschen im Aufzug dieses Gebäudes Beachtung schenken?

Hätte Carter seine Umgebung aufmerksam betrachtet, statt seinen Gedanken nachzuhängen, wäre ihm mit Sicherheit aufgefallen, dass dieser Mann für einen Angeklagten zu gut und für einen Anwalt nicht dezent genug gekleidet war. Außer der Zeitung hatte er nichts dabei, und schon das war merkwürdig. Dieses Gerichtsgebäude war nicht gerade dafür bekannt, dass man darin ein gemütliches Lektürestündchen abhalten konnte. Der Mann schien weder Richter noch Gerichtsschreiber, weder Verbrechensopfer noch Angeklagter zu sein. Aber Clay nahm ihn nicht zur Kenntnis.