Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Trost
Wie ich Theodor Rosenhauer nicht begegnete
Wasch dir die Hände
Wenn der Eismann zweimal bimmelt
Wohlgemerkt: Wasserstangeneis
Fettbemmen
Physikprüfung in Klasse 10
Mein erstes Fahrrad
Tanzstunde
Mein Sehnsuchtsort in Sachsen: Maxen
Joseph Freiherr von Eichendorff, Mondnacht
Vom Rahmen
Lisa
Mein Vati
Zockeruli
Mein Traum
Als ich Kurt Böwe kennenlernte
Wir sind nicht mehr Papst
Der neue Papst ist Argentinier
Tschechenkaugummi auf dem Polenmarkt
Schon vergessen
Auf der Mangel – In die Mangel – Durch die Mangel
Elbe an die Börse
Die Görlitzer Jesusbäckerei
Die altersmilde Ackermilbe
Meine Heimat BRD
Urlaub an der Ostsee
Träumerei
Curt Querner: Heimatbilder
Biografie
Kinderporträt
Die Gasse
Im französischen Gefangenenlager 1946
Bunte Sommerkipse
Weibsaltar
Kinderfasching 1939
Hören Sie es riechen?
Ein Original Dresdner Stollenrezept
Annäherung ans Nachwort
Nachwort
Bildnachweis
Copyright

Annäherung ans Nachwort

Es soll auf Sizilien 27.000 Förster geben. Auf Sizilien gibt es aber keinen Wald.

Bei einem Förster könnten wir sagen: Gut, lassen wir den einen leben, vielleicht findet er mal einen Baum.

Über 100 Förster würden wir zahlenden Europäer murren, von wegen clever und ganz schön gerissen. Aber 27.000 Staatsbedienstete? Irgendwer sieht da den Wald vor lauter Förstern nicht. Völlig unbegreiflich und irrsinnig aber ist, dass das über Jahre hinweg keinem Verantwortlichen auffällt. Wie auch.

Haben Sie jemals auf Sizilien einen Förster bei der Arbeit beobachtet?

Nachwort

Was? Sie haben kein Beispiel für Globalisierung zur Hand? Auf Grönland verkaufen Philippinos Moschusochsenburger und Kartoffeln werden dort mittlerweile auch angebaut. Mein Vietnamese um die Ecke hat seit gestern »Deutsche Bananen« im Angebot und auf unserem traditionsreichen Schillerplatz, am Fuße des »Blauen Wunder«, erwartet uns neuerdings »Wildschweinschinken aus der Hirschkeule«. Guten Appetit!

Es gibt kein Heute ohne das Gestern, keine Zukunft ohne Vergangenheit. Dass die Welt jetzt so ist, wie sie ist, liegt an der Mittelmäßigkeit der Verhältnisse, also an der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Klimaerwärmung führt zur Energieeinsparung. Oder aber zur Flut. Natürlich, was dachten Sie denn … Wurscht. Alles ein- und dasselbe.

»Wo wird das enden?«, fragen wir uns.

Im Nichts. Was aber nicht heißt, dass Nichts ein Ende hat.

Sie merken, liebe Leserinnen, man schreibt neuerdings nur noch von »innen«, da sind aber auch die Männer eingeschlossen. Das ist Emanzipation für Fortgeschrittene.

Eingeschlossene Männer künden jetzt vom Nachwort. Was danach kommt, weiß ich nicht: ein Nachtwort, Machtwort. Keinesfalls endet dieses Buch ohne Danksagung.

Ich will ein besonderes Nachwort. Ich hasse Langeweile, weil ich sie liebe. Ohne Langeweile wäre dies Aufschreiben nie zustande gekommen, es war die Zeit, die mir gestattete, ein Jahr lang mich erinnern zu dürfen, um Sie alle mit auf die Reise nehmen zu können. Allein dafür, dass Sie im Buch blättern und stöbern, dass Sie innehalten oder verschlingen, dafür bedanke ich mich bei Ihnen. Tragen Sie die Fackel weiter.

Geben Sie niemandem das Stollenrezept, soll sich jeder sein Buch selbst kaufen. Sie haben auch den vollen Preis hingeblättert. Was nichts kostet, ist nichts wert. Stimmt nicht ganz, Licht, Luft und Liebe sind kostenlos, sollten es sein.

Ich verabschiede mich von Ihnen mit den besten Wünschen für Ihr Wohlbefinden. Bleiben Sie gesund, oder werden Sie es wieder. Kämpfen Sie, wo es sich zu kämpfen lohnt. Und gehen Sie bitte zur Darmvorsorge, Sie wissen: Alles hat ein Ende, nur die … Und das soll noch lange so bleiben.

Ich danke ausdrücklich für das Zustandekommen dieses Almanachs der Zeitgeschichte. An erster Stelle: Sylvia Meißner, danach Jürgen Sommerfeld, ich danke den Bäckersleuten, meinen Freunden Renate und Gerhard Wehner aus Oberpoyritz, Stanka und Walter Niklaus, Hans – Ludwig Böhme, der Galerie Fischer aus Berlin, meinen Töchtern Katja und Nina, Familie Teetz aus Börnchen, Jörg Mickan, Anita Schlosser und dem Maxener Gasthof sowie Thomas Schmitz.

Dank auch an: Vera und Klaus Küchenmeister, Puppe Sylvia und Heiner, Fuchs und Elster und meinem großen Vorbild seit sehr langer Zeit, an Stefan Zweig.

 

Dieses Buch entstand zu Ehren Curt Querners.

»SICH SELBST ANZUGEHÖREN IST DER EINZIG
ERSTREBENSWERTE LUXUS AUF DIESER WELT.«

 

 

Theodor Fontane

Bildnachweis

Bild 1 Bauernmädchen Herta Mickan, 1943; Aquarell über Graphit; 40,5 x 33,5 cm; signiert und datiert; WVZ: Dittrich B 173.

 

Bild 2 Gasse, 7.3.1963; Aquarell; 64,8 x 47,2 cm.

 

Bild 3 Selbstbildnis, 1946; Aquarell; 32,5 x 25,0 cm; signiert und datiert; WVZ: Dittrich B 243.

 

Bild 4 Karsdorf mit Kipse im Herbst, 1951; Aquarell; 45,5 x 50,5 cm; signiert und datiert; WVZ: Dittrich B 361.

 

Bild 5 Liegender Akt, 28.09.1968; Aquarell; 27,0 x 68,0 cm.

 

Bild 6 Kinderkarneval im Erzgebirge, 1939; Aquarell; 53,0 x 67,5 cm; signiert und datiert; WVZ: Dittrich B 128.

 

Bild 7 Graues Gehöft im Winter, 19.2.1963; Aquarell; 48,0 x 66,0 cm; signiert und datiert; WVZ: Dittrich B 1256.

 

Bild 8 Herbstlandschaft, 1959; Aquarell; 48,3 x 66,2 cm; signiert und datiert; rücks. »Dezemberabend in Karsdorf«.

 

 

Alle Bilder © VG Bild-Kunst, Bonn 2013.

Fotos: © Hans-Ludwig Böhme.

Trost

Und ist es nicht so, dass nur allein der Trost uns alle weiterleben lässt? Ohne Trost spürst du doch gar nicht: Du bist nicht allein. Sie melden Widerspruch an, wollen nörgeln, murren, zweifeln? Warten Sie, bitte nur einen kleinen »Momang«, wie der Sachse sagt. Gleich, jetzt und hier, sofort erkläre ich es Ihnen. Was ich meine mit: »Trost ist das Leben«.

Immer wenn das Thermometer unter 0 °C fällt, immer wenn winterliche Kälte, eisige Minusgrade nach dem Herzen greifen wollen, erinnere ich mich. Als ich ein kleiner Junge war – ja, ich war ja auch mal klein, lange im vorigen Jahrhundert, aber schon in den 70ern – da passierte es. Entweder wurde ich gleich krank, also kurz vor Weihnachten, spätestens aber in den Ferienspielen »erwischte« es mich. Ja ja, so war das in der Systemzeit. Fieber am hellerleuchteten Tag. »Uwe, es nützt nischd, wir müssen zum Dr. Hofmann. Beeil dich bitte, ich muss dann noch auf Arbeit – Weihnachten einarbeiten!« Weihnachten einarbeiten. Ist das ein Satz. Weihnachten konnte nur gefeiert werden, wenn vorher geschuftet wurde. Von wegen frei! Der Heiland erschien? Er schien aber nur zu kommen, wenn vorher was geleistet wurde. Tja, so war das in der Nichtleistungsgesellschaft. Ohne Fleiß kein Weihnachtspreis. Na und wenn dann noch Eins krank wurde, kurz vor Heiligabend, wenn man den halben Tag noch einarbeiten sollte, wollte, musste und Eins sich unterstand, krank zu werden in der eiligen Familie, war das – na was wohl? – Sabotage. Krank sein war Sabotage. Dazu noch der Vorwurf: »Uwe, hättest du deinen Anorak zugemacht, die Mütze aufgesetzt oder wenigstens den Schal richtig zugebunden, wärst du nicht krank geworden und ich könnte jetzt in Ruhe arbeiten gehen.« Ja, meine Mutti hatte nur auf Arbeit ihre Ruhe. Also ich war, wie gesagt, selbst Schuld und dazu noch krank. Mit Fieber beim Dr. Hofmann im Wartezimmer, das war alles andere als tröstlich – und dann noch kurz vor Weihnachten, wo Mutti doch gern einwecken, äh einarbeiten wollte. Also Beeilung.

Ich mach es jetzt kurz. Nach gefühlten drei Stunden im überfüllten Wartezimmer begrüßte mich Dr. Hofmann sehr freundlich mit einem kurzen »Mach mal A«. Mit einem riesigen Holzspatel, der so trocken war und auch holzig schmeckte, dass ich dachte, ein ganzer Wald nehme Platz im verharzten Mund, lachte mich der Doktor an und meinte nur noch trockener: »Tja, die Mandeln sind vereitert, die müssten raus.« »Ja, aber nicht heute, ich muss auf Arbeit«, bettelte meine Mutti. »Na dann, Uwe, gibt‘s eine Penizillinspritze und in zwei Tagen sehen wir uns hier wieder. Viel trinken, ja und schön schwitzen.« Schön schwitzen. Was war denn das? Gleich sollte ich es erfahren. Etwas humpelnd, die Penizillinspritze tat immer noch weh in der rechten Pobacke, humpelte ich gen Bett zum Schönschwitzen. Im Schlafzimmer meiner Eltern war der mir zugewiesene Teil hinter dem Schlafzimmerschrank, auf welchem sich 13 große Dresdner Stollen befanden und mich mit weihnachtlichem Duft trösteten. Wonach es vor allem roch? Nach Mandeln. Meine mussten ja bald raus … Ich höre heut noch, wie Dr. Hofmann im Beisein meiner Mutter und mir natürlich beschwörend flüsterte: »Ich knaps die Mandeln ab und veröde sie dann gleich. Heiß machen wir das, ganz heiß. So, dass es der Uwe gar nicht groß merkt. Stimmt’s?« Und dabei lachte er und freute sich diebisch. »Schau mal, Uwe, das ist eine Mandelzange. Und wenn die einmal raus sind, hast du nie wieder Ärger damit.« Horror und verblüffende Logik, und ich dachte nur: Ab jetzt setz ich immer meine Mütze richtig auf, zieh sie über beide Ohren, erwürge mich fast mit dem Schal. Denn wie sagte Mutti immer: »Obenrum muss alles zu sein. Und den Anorak lass ich auch nicht mehr auf.« Ha, ha – genau die drei Sachen waren keine Faulheit oder Nachlässigkeit. Sie waren Widerstand, Opposition. Ich wollte lieber krank sein, von mir aus halb tot, nur nicht wie meine Eltern. Meine Mutti trug unter ihrer gehäkelten Wollmütze noch eine Cellophantüte über, nein, unter dem Dutt. Dann lieber ganz tot mit unabgeknapsten Mandeln, heiß verödet. Höllen sind das, Kinderhöllen.

Hinter dem Schlafstubenschrank hustete ich mich schwach und schwächer. Dann kam die eigentliche Prozedur, weswegen ich meine Krankengeschichte überhaupt zu Papier bringe. Da ich nicht nur Schnupfen, dicke Mandeln und Fieber hatte, sondern es auch noch auf den Bronchien, rückte meine Mutti mit einer geheimnisvollen Truhe an, drehte den Schraubverschluss ab, und augenblicklich verzog sich der Mandelduft der Weihnachtsstollen und meine Brust ward eingerieben mit... Pulmotin… Pulmotin, eine Zauberformel für alle gelernten DDR-Bürger. Riechen Sie es? Auch Ihr Zimmer, Ihre Umgebung jetzt und in diesem Augenblick, ist geschwängert mit einer Wolke aus nach Kampfer riechendem Pulmotin. Das war die Zauberformel für: wieder gesund werden können.

Der Mandelduft verzog. Kampfer deckte ihn milde zu. Deshalb spreche ich von Trost. Trost durch Erinnerungsgeruchskultur. Pulmotin ward nun zentimeterdick aufgetragen, eingerieben. Ich schwamm regelrecht darin und aus meinen Augen liefen mir Tränen ins Gesicht. Mutti meinte nur: »Musst doch nicht weinen. Bald wirst du gesund.« Es war der Kampfer und das scharfe Eukalyptusöl, welches mir Tränen bescherte, und also gleich gelangte eine riesige Wattelage auf meine gar nicht stolz geschwellte Brust, und wieder tröstete Mutti: »Musst doch nicht weinen, Lommel. Bin doch da…« Nun ging es aber richtig los: »Uwe, wo ist dein Fieber – Nachthemd?« »Du meinst das angeraute?« »Aus Barchent. Genau das meine ich. Anziehen bitte.« Es war so schön warm geworden unterm Deckbett. Nun also nochmal raus. Wir bitten festzuhalten: Ich, seit eineinhalb Tagen fiebrig. Deshalb gab es auch ohne viel Federlesens eine Spritze Penizillin in die rechte Pobacke. Ich konnte kaum laufen. Übrigens, wenn nach kurzer Zeit der Impfstoff nicht anschlug: noch eine Penizillinspritze, diesmal links. Entweder du hast es überlebt und die Widerstandskraft wurde geschult, gestärkt für die große Hauptaufgabe oder aber…? Dann, wie gesagt, die große Abreibung – äh Einreibung. Noch heute scharre ich mich manchmal blutig im Traum. Warum? Warum?

Unter das Fieber – Nachthemd, welches ausschließlich und nur zu diesem Zweck anzuziehen war, dem Ausschwitzen – noch heute höre ich Mutti rufen aus der Küche: »Das muss alles raus!« Unter das Barchent – Fieberhemd gehörte noch der alte, eklige kamelhaarfarbene Schafwollkratzeschal. Ich bin gleich wieder krank! Und nix da mit Kaschmir…. Stellen Sie sich doch bitte vor, ich, Uwe Steimle hätte 1973 meiner Mutti zugerufen: »Mutti, du, dieser alte Kratzeschal, der ist eklig. So etwas sieht mein Lebensentwurf zurzeit nicht vor. Ich plädiere für Kaschmir…. « Spätestens da wäre ich tot. Da mir dieser Mut aber fehlte und ich bereitwillig den gekreuzten Schal auf die dicke Watteschicht legte, ich schwitze gleich, nur vom Erzählen, rückte Mutti mit einer Sicherheitsnadel an und fixierte den gekreuzten Schal. Und ich, der ich ja gesund werden sollte und völlig geschwächt mit dem Fieber kämpfend unter einer dicken Bettdecke dämmernd fror vor lauter Fieberhitze, dachte nur: Herr, hoffentlich schlafe ich nicht ein. Denn wenn ich mich zur Seite rolle und die Sicherheitsnadel springt auf und sticht mir ins Herz, dann bin ich tot, bevor ich gesund wär. Amen.

Wie ich Theodor Rosenhauer nicht begegnete

Ich kann Ihnen ganz genau sagen, wann ich Theodor Rosenhauer das erste Mal traf. Es war im Dresdner Brettl auf dem Theaterkahn während der Vorstellung von Hundeherz, einem Stück von Michail Bulgakow. Im Februar 1993. Nein, am 23. Januar 1993. Also heut vor 20 Jahren spielte ich wie ein Besessener halb Hund, halb Mensch. Im Zuschauerraum saß ein Maler, ein Meister. Ein Meistermaler, kein Malermeister  – und studierte offensichtlich etwas, was ihm sehr vertraut war. Sportlichkeit zum einen, als Hund musste man äußerst beweglich, schnell, wendig, kurz: tierisch sein, und die Schauspielerei kannte Theodor Rosenhauer aus Radebeuler Zeiten. Er war mit Gründgens bekannt und liebte das Schauspiel. Und nun sitzt da einer der größten, besten, aufrichtigsten und bescheidensten Dresdner Maler und guckt im Januar 1993 Steimle. Das alles wusste ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht… Wie auch? Ich kannte nicht einmal den Namen dieses Malers, den größten Sohn Trachaus. Nach der Vorstellung kam Friedrich Wilhelm Junge wie von der Tarantel gestochen in meine Garderobe geschossen und rief mit sich überschlagender Stimme: »Uwe! Uwe, weißt du, wer draußen auf dich wartet und unbedingt mit dir sprechen möchte?« »Nein, das weiß ich nicht«, antwortete ich, erschöpft von schöner Arbeit.

Fiete, einem Infarkt nahe: »Na Rosenhauer«.

»Wer?«

F.: »Rosenhauer.«

S.: »Kenn ich nicht. Rösenlöcher meinst du?«

F.: »Mensch, bist du so blöd oder tust du nur so? Rosenhauer ist einer, wenn nicht überhaupt der beste Maler Dresdens.«

S.: »Ich … Aha. Und der will mit mir reden? Fiete, das ist ja alles prima und ich freue mich auch, wenn er mich sprechen will. Nein ehrlich, ich freu mich. Aber ich muss heim. Erstens bin ich erschöpft. Zweitens muss ich zu meiner Familie. Und wie du weißt, bin ich mit dem Fahrrad.«

Fiete ließ nicht locker.

F.: »Wieso muss ich als Schweriner dir einen bedeutenden Maler nahe bringen? Spinnst du? Dieser Rosenhauer ist scheu, fast schüchtern. Geht kaum aus dem Haus, ist über 90, kommt her, kämpft sich durch, auch gegen alle Widerstände, will mit dir sprechen und du sagst… ›Ich muss heim. Danke.‹ Uwe, du bist – verzeih mir – ein Idiot.«

Nun fühlte ich mich doch angegriffen, gekränkt und antwortete, ich weiß es wie heute:

»Fiete, das kann alles sein. Ich weiß, es ist schlimm meinerseits. Aber sag ihm, dem Herrn Rosenhauer, herzliche Grüße. Ich danke für das Interesse. Komme auf ihn zu demnächst. Alles, alles Gute – aber ich bin müd.«

Meine persönliche Begegnung mit Trachaus Wundermaler  – ja, Wundermaler – fand nie statt. Bitter, furchtbar, aber und vor allem nicht wieder gutzumachen.

Ich könnte mich heut noch ob meiner Dämlichkeit, Faul – und Trägheit verdreschen. Wie kann man so empfindungslos, arrogant, halbherzig und floskelhaft sein?

Sie sehen – ich kann. Konnte.

Lieber Theodor Rosenhauer, es tut mir sehr, sehr leid. Ich bitte dich aufrichtig um Entschuldigung.

Ja, an solcherlei Geschichten denk ich, wenn ich Theodor Rosenhauers Brotbilder betrachte. Er wohnte auch in Alt – Trachau, war aber viel älter als ich. Er konnte Brote so auf die Leinwand zaubern, dass einem das Wasser im Munde zusammenlief nur beim Betrachten von Brot.

Sie kennen doch auch den sinnigen Spruch »Wurst geht nach Brot«. Hier war es der Künstler, der im wortwörtlichen Sinne dem Brote nachging. Für ein gutes Brot verfolgte er gar manche Spur, ums malen zu können.

Wasch dir die Hände

Wasch dir die Hände, mein Junge. »Wasch dir die Hände«, wie oft hören Kinder eigentlich den Satz? Ja, aber mit welchem Erfolg? EHEC lässt grüßen. Sie erinnern sich, liebe Leser? Ägyptische Bockshornkleesamen sorgten für den beinahen Rohkostsupergau in Deutschland. Nach Vogelgrippe, Rinderwahn und Schafskälte – äh Schweinepest – nun also Gurkenseuche? Blattsalat erwartet uns als nächstes in der Verbraucherkette? Ich sag’s Ihnen: Schuppenflechte, ja, Schuppenflechte bei Fisch … Lass ich mir gleich patentieren. Deswegen, und für den, der in Kindertagen nicht Hände wusch, oder nicht oft genug, oder bis heute nicht dazu kam  … für alle ungewaschenen Erdenkinderhände nun ein Lied:

»Wasch die Hände, mein Kind, zieh die Hausschuhe an, beim Essen Hand auf den Tisch und wasch die Hände nochmal. Und: Pack die Brotbüchse aus. Ach, wasch die Hände nochmal. Ich sag’s jetzt nicht noch einmal. Denn sonst, da setzt es jetzt was. Du schläfst jetzt schnell ein, mein Kind. Und zieh die Hausschuhe an – äh – aus. Ich wünsche dir gute Nacht und morgen früh: Da wasch die Hände erst mal.«

Dies kleine Lied erfand ich zusammen mit meiner Tochter Nina, als es grad mal wieder um »Erziehungsfragen« zum Thema Händewaschen ging. Sie hatte seitdem nie wieder was in »Sachen« Hände.

 

Als ich unlängst den Fernseher anschaltete, empfing mich ein ARD – Händewaschexperte mit folgendem Ruf: »Experten warnen: Man soll blutigen Stuhl nicht auf die leichte Schulter nehmen.« Verzeihung? Ich nehm nicht mal harten Stuhl auf die leichte Schulter, geschweige denn weichen. Schluss jetzt. Das ist ja kein Buch mit Banalverkehr, also trivial literativ oder so… Auf jeden Fall und unbedingt aber: medial. Medial aufbereitet wird gerade das Ende des Gaddafi-Regimes und die 60 Watt-Glühlampe. Sie fragen, was das eine mit dem anderen zu tun hat? Eine ganze Menge. Denn mit der Einführung der neuen Sparlampen werden diese teurer. Ja, Sparen kostet, was glauben Sie denn? »Seltene Erden« heißt der Zauber und da hat vor allem China die Hände drauf. Um das Kräftegleichgewicht wiederherzustellen, musste Libyen unter Kontrolle gebracht werden. Außenminister Westerwelle musste sogar die Vertrauensfrage stellen. Ja, weil er gegen den Krieg war und damit wahrscheinlich auch indirekt gegen die Abschaffung der alten Glühbirne. Und sonst so? Heute ist Weltfriedenstag… In nicht einer deutschen Zeitung ein kleiner medialer Hinweis auf dieses wichtige Ereignis. Sie finden das merkwürdig? Aber nein, nicht doch. Es herrscht doch Krieg. Da muss man an den 1. September 1939 nicht erinnern. Womöglich zieht man noch Vergleiche. Damals musste der Überfall auf den Sender Gleiwitz herhalten, um den 2. Weltkrieg auszulösen. Und heute, am 1. September 2011? Werden Energiesparlampen teurer … Haltet den Dieb! Er hat mein Messer im Rücken! Bevor Ihnen hier ein Licht aufgeht, wollte ich nur noch am Rande bemerken: Die neue Brücke in Dresden wird mal wieder teurer. Ja, 156 Millionen für 10 Brücken – äh, eine Brücke – reichen nicht aus. Nochmal 25 Millionen drauf, wenn sie fristlos, fristgerecht fertig werden soll. Die Baufirma könnte den geplanten Termin Mai 2012 schaffen, müsste dazu aber mehr Arbeitskräfte einstellen, die dann auch sonnabends arbeiten. Na, ein Glück, dass wenigstens Energiesparlampen weniger Strom verbrauchen. So gleicht sich alles aus am End… Ursprünglich sollte die neue Brücke am 11. September 2013 fertig sein … Nein ernsthaft. Das war mal avisiert – vor einem Jahr. Und schon wieder haben wir Glück, nicht mehr in der Planwirtschaft zu leben. Sonst hätten vielleicht afghanische Übergangsaufständische, also Terroristen, das Monstrum an eben diesem 11. September … Ich wage gar nicht weiterzudenken. Befinden sich Waffen in den Händen von Menschen, die die Werte der westlichen Demokratie verteidigen, sind diese Waffenträger. Kämpfer. Rebellen. Aufständische, da sie ja unser Öl verteidigen. Kämpften sie jetzt auf der Seite von China, Russland, Indien, wären dieselben Menschen Terroristen. Wir befinden uns schon auf seltenen Erden. Eine Frage noch zum Schluss dieser meiner Gedanken am Weltfriedenstag des Jahres 2013: Wie kommt überhaupt unser Öl nach Libyen?

 

Würde jeder Millionär 5 Prozent seines Geldes abgeben, wäre Deutschland schuldenfrei … Das Schlimme an diesem Zustand ist doch, dass wir all das wissen, die meisten jedenfalls, und trotzdem ohnmächtig, verlassen, handlungsunfähig ob dieser Ungerechtigkeit zu Gott aufblicken und schreien möchten: »Herr, tu etwas!« Warum nutzen, benutzen viele geistig Überlegene ihren Verstand nur, ihren materiellen Wohlstand, ihren Reichtum zu mehren? Ich denke: Geben ist seliger denn Nehmen? Dass die Klugen, Intelligenten die Armen, Schwachen so vorführen, ausnutzen und im Endeffekt betrügen, ist der eigentliche Skandal, der auch noch durch die parlamentarische Demokratie gedeckt wird. Ich bitte Sie, wie viele Rechtsanwälte sitzen im deutschen Bundestag? Über 150. Und wie viele Arbeiter? Einer, das ist Roland Pofalla. Der ist Tischler. Dieser Mann wird einem ja fast wieder sympathisch. Nein, nein: Ich bleibe dabei. Die DDR war ein Unrechtsstaat, in dem es aber auch Gerechtigkeit gab. Und wir hier? Leben in einem Rechtsstaat mit viel Ungerechtigkeit. Amen. Was denkt ein Ossi, wenn er 100 Euro in der Jacke findet? Das ist nicht meine Jacke. Dass die Volksstimme, der Volksmund solche Sätze ausspuckt, gibt Anlass zu Sorge … Nein, zur Hoffnung. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber sie stirbt.