Titel der englischen Originalausgabe:
THE INVISIBLE MAN
Mit einem Vorwort von Prof. Tom Shippey
und Illustrationen von Hauke Kock
1. Auflage
Veröffentlicht durch den
MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK
Frankfurt am Main 2018
www.mantikore-verlag.de
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe
MANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYK
Text © H.G. Wells 1897
Deutschsprachige Übersetzung: Jan Enseling
Lektorat & Korrektorat: Nora-Marie Borrusch
Satz: Karl-Heinz Zapf
Covergestaltung: Slobodan Cedić & Matthias Lück
VP: 193-129-01-04-0318
eISBN: 978-3-96188-004-1
Der Unsichtbare gehört zu einer Reihe von Werken, die H.G. Wells zwischen 1895 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs schrieb. Darin erhielt die moderne Science-Fiction ihre endgültige Form. Das erste Werk, Die Zeitmaschine (1895), führte die Vorstellung vom Zeitreisen ein. Im darauffolgenden Jahr sprach Die Insel des Dr. Moreau von der Möglichkeit der Biotechnologie. 1898 schuf Krieg der Welten das Subgenre der interplanetaren Invasion, gefolgt von Wenn der Schläfer erwacht (1899, Zukunftsdystopie) und Die ersten Menschen auf dem Mond (1901, nicht die erste »Reise zum Mond«, aber der erste halbwegs plausible Bericht über Weltraumreisen und Außerirdische). Mit »The Land Ironclads«1 (1903, eine prophetische Beschreibung eines Panzers) und The War in the Air2 (1908) widmete sich Wells alsbald der Technologie zukünftiger Kriege. Seitdem verfolgen und entwickeln Science-Fiction-Autoren Wells‘ Ideen weiter.
Auf den ersten Blick ist Der Unsichtbare (1896) nicht so einflussreich wie die gerade genannten Werke. Die Vorstellung von Unsichtbarkeit wurde wiederholt von Filmemachern aufgegriffen, denn sie ist (mitsamt dem offensichtlichen Paradoxon) an sich visuell. Für Autoren hat sie nicht so viel Potenzial geboten, auch wenn sie gelegentlich aufgegriffen wurde und mit sehr unterschiedlichen pseudowissenschaftlichen Erklärung, wie zum Beispiel von Larry Niven in seinem 1968 erschienenen Roman A Gift from Earth3. Eine Ausnahme stellen selbstverständlich J.R.R. Tolkiens Der Hobbit (1937) und Der Herr der Ringe (1954/55) dar, in denen sowohl Frodo als auch Bilbo Beutlin einen Ring tragen, der sich unsichtbar macht. Allerdings handelt es sich um einen Zauberring – eher märchenhaft denn wissenschaftlich. Im Großen und Ganzen scheint persönliche Unsichtbarkeit als Thema für die Science-Fiction-Autoren nicht wichtig zu sein.
Betrachtet man den Roman jedoch genauer, kann man Der Unsichtbare als Vorläufer eines äußerst wichtigen Subgenres der modernen Science-Fiction sehen, die man vielleicht »Geschichte über wundersame Erfindungen« nennen könnte. Mehr noch: Wells ist erneut zum Kern des Potenzials einer solchen Geschichte vorgestoßen. Ihm war klar, dass es nicht ausreicht, über eine wundersame Erfindung nachzudenken: eine neue Energiequelle, eine Wunderwaffe, ein Medikament, das Langlebigkeit verleiht. Eine Geschichte braucht Konflikte, und der Konflikt muss zwischen der wundersamen Erfindung und der Macht der gesellschaftlichen Selbstgefälligkeit liegen.
Jede neue Erfindung bringt Veränderung, jede Veränderung stört den Status quo, der Status quo findet immer Verteidiger, und der Konflikt zwischen Erfindern und Verteidigern mit seinen unerwarteten Wendungen macht eine Geschichte aus. Der Unsichtbare ist daher zur Vorlage für später erschienene Romane und Erzählungen geworden. Science-Fiction ist mit Sicherheit eine Literaturgattung über Veränderungen, aber auch über den Widerstand dagegen: Der Unsichtbare ist dementsprechend eine Tragikomödie der Innovation, der Trägheit und der letztendlichen Frustration.
Ein weiterer Aspekt von Well‘s erstaunlicher Arbeitsleistung während jener frühen Jahre seiner Karriere ist sein Bildersturm. Gegenüber vorherigen literarischen Traditionen galt er als Neinsager. In Die Zeitmaschine stößt der Zeitreisende weit in der Zukunft auf eine gigantische, aber verlassene Bibliothek, die bis zum Bersten mit der Weisheit der Jahrhunderte voll ist, und tut alles davon als nutzlos ab. In Die Insel des Dr. Moreau erwähnt Wells absichtlich Homers Erzählung von der Zauberin Kirke, die Männer durch Magie in Tiere verwandelt, bevor er seine Geschichte darüber erzählt, wie Moreau mithilfe von Wissenschaft Tiere in Menschen verwandelt – und sie als existientiell erschreckender darstellt. Man könnte sagen, nach Wells‘ Meinung enstammt die Weisheit der Jahrhunderte aus der vorwissenschaftlichen Zeit und ist daher nutzlos oder einfach falsch. In Der Unsichtbare ist sein unausgesprochenes Ziel der Philosoph Platon.
In Politeia4 lässt Platon seinen Bruder Glaukon die Geschichte vom »Ring des Gyges« erzählen, eines Ringes, der, wie Bilbo Beutlins Ring, seinen Träger unsichtbar macht. Glaukons Argument besagt jedoch, dass jeder, der einen solchen Ring trägt, alles tun könnte und auch tun würde, was er will: stehlen, vergewaltigen, töten. Einfach weil er es ungestraft tun könnte. Dies zeigt, argumentiert Glaukon, dass die Tugend am Boden des sozialen Konstrukts stehe und durch soziale Saktionen geahndet würde. Wells erwähnt Platon oder Glaukon nicht, doch machte der sich in Der Unsichtbare die Mühe, eine Figur zu erschaffen, die Glaukons Sichtweise wiederholt. Dies ist der »Seemann« in Kapitel XIV, der Berichte über den Unsichtbaren gelesen hat und sofort eine mögliche Gefahr in ihm erkennt:
»Nicht auszudenken, was er tun könnte! … Angenommen, er will jemanden berauben … Wer würde ihn daran hindern? Er kann sich versündigen, er kann einbrechen, er könnte so leicht durch eine Polizeikette laufen, wie Sie und ich einen Blinden abhängen könnten!«
Die Ironie liegt darin, dass der Seemann mit dem Landstreicher Thomas Marvel spricht, dem Komplizen des Unsichtbaren, und dass der Unsichtbare tatsächlich zugegen und kurz davor ist, Marvel am Ohr zu packen und wegzuziehen, bevor er noch mehr verraten kann. Eine noch tiefere Ironie liegt allerdings darin, dass Platon und Glaukon eigentlich falsch lagen. Platon mochte ein großer Philosoph gewesen sein, noch hatte er die Angelegenheit nicht durchdacht beziehungsweise nicht auf praktischem Wege. Wie der Unsichtbare bereits festgestellt hatte, geht Unsichtbarkeit nicht mit Allmacht einher. Sie bringt außerdem üble Nachteile mit sich, die sich am Ende als tödlich herausstellen. Ob nun Sittlichkeit durch die Gesellschaft definiert und durchgesetzt wird – diese Frage bleibt unbeantwortet.
Zu Beginn von Wells‘ Geschichte ist der Ton jedoch komisch. Im Widerstreit zwischen Erfinder und gesellschaftlicher Trägheit wird Letztere durch die sturen, einfallslosen Bewohner des Dorfes Iping dargestellt. Wells merkt an, dass »die Landleute aus Sussex […] die wohl bodenständigsten Menschen unter der Sonne« sind (Kapitel VII). Diese und ganz besonders Mrs. Hall, die herrische Wirtin des Gasthauses »Coach and Horses«, sind äußerst neugierig wegen des merkwürdigen Neuankömmlings, doch können sie sich – im Gegensatz zum Leser, der natürlich durch den Titel der Geschichte vorgewarnt ist – keinen Reim auf die Geschehnisse machen. Türen öffnen und schließen sich, ohne dass jemand da wäre. Mr. Hall wird unhöflich aus dem Zimmer des Fremden geschubst, ohne zu erkennen, wer es war. Der Dorfarzt Cuss wird sogar von unsichtbarer Hand in die Nase gekniffen, doch den besten Kommentar, den sogar der Vikar (der andere »Intellektuelle« im Dorf) von sich geben kann, lautet (in Kapitel IV): »Das ist eine höchst merkwürdige Geschichte.«
Ein englisches Sprichwort sagt: »Keiner ist blinder als der, der nicht sehen will.« Und genau das ist – selbstverständlich auf ironische Weise – der Fall bei den Bewohnern von Iping. Es ist bemerkenswert, dass der Unsichtbare drei Mal und ganz offen in den Kapiteln VII, VIII und XVII verkündet: »Ich bin unsichtbar«, aber nur beim dritten Mal zeigt es überhaupt Wirkung. Zunächst scheint die gesellschaftliche Trägheit undurchdringlich. Es ist schwer, nicht über die Dorfbewohner zu lachen, die nicht in der Lage sind, mit jemandem klarzukommen, der in jeglicher Hinsicht klüger ist als sie, und insbesondere nicht über den Landstreicher Marvel, der die Meinung und das Verständnis des einfachen Mannes darstellt. »Ich bin nicht blind«, sagt er trotzig in Kapitel IX. »Ich bin keiner von Ihren ungebildeten Landstreichern.« Aber nicht genug damit, dass er nichts sieht: Er versteht auch nicht, warum er nichts sieht.
Der komische Ton wird jedoch rasch düster. In den ersten sieben Kapiteln stellt Wells die Geschichte so dar, wie sie die Dorfbewohner erfahren, einschließlich ihrer lächerlich unpassenden Reaktionen und Kommentaren. Kapitel VIII trägt den Titel »Übergang«, und das Hauptaugenmerk richtet sich in den Kapiteln IX bis XVI auf den Landstreicher Marvel, auf Dr. Cuss, Reverend Bunting und den »Seemann«, die allesamt ihr unzulänglich Bestes tun, um die Ereignisse zu verstehen. Dann kehrt die Erzählung zurück zu dem Unsichtbaren, der versucht, wieder Herr der Lage zu werden, nachdem man ihn aus dem »Coach and Horses« vertrieben hat. Die Gewalt wird allerdings immer deutlicher: angefangen beim Einbruch ins Pfarrhaus (aufgrund der Unfähigkeit des Unsichtbaren, seine Rechnungen zu bezahlen), über das Schikanieren von Marvel bis hin zum raschsüchtigen Einschlagen von Fenstern und zu mehreren Diebstählen.
Ernst wird es mit dem Erscheinen des Amerikaners in Kapitel XVI, der auf die drohende Verfolgung von Marvel dadurch reagiert, dass er den Revolver zieht und fünf Mal schießt: »Vier Asse und ein Joker.« Obwohl der Amerikaner vorher sagte: »Ich weiß, in welchem Land ich bin« – denn das Viktorianische England war berüchtigt für seine Gesetzestreue –, schießt er schließlich doch, um zu töten, und sagt zu den Beistehenden: »[…] herkommen und nach der Leiche tasten.« Im Gegesatz zu den Dorfbewohnern hat er zumindest eine Vorstellung davon, wie er auf das Unverständliche und Bedrohliche reagieren soll.
Die folgenden, auf Dr. Kemp konzentrierten Kapitel wechseln den Blickpunkt erneut, diesmal auf den Unsichtbaren selbst, der erst hier Griffin genannt wird. Sie wechseln zudem vom Thema der ratlosen Straffreiheit zur Frustration des Wissenschaftlers und damit zur Verantwortungslosigkeit der Wissenschaft. Griffin erklärt Kemp – dem einzigen Menschen, der begreifen kann, was er sagt – in einer langen Rückblende, was er entdeckt hat und wie er nach Iping gelangt ist. Er stellt die Nachteile der Unsichtbarkeit heraus, die Platons Glaukon niemals bedacht hat (vielleicht weil er in einem wesentlich milderen Klima lebte). Die Wissenschaft vermag es zwar, einen Menschen unsichtbar zu machen, aber gilt dies auch für seine Kleidung? Wenn nicht, dann ist ein unsichtbarer gleichzeitig ein nackter Mensch – ein ernstzunehmender Nachteil inmitten eines englischen Winters: Griffin konnte bereits durch Husten und Niesen nachverfolgt werden. Und dann gibt es noch Hunde und Fußabdrücke und die Unfähigkeit, irgendetwas wegzutragen, ohne sich selbst zu verraten, Geld eingeschlossen. Man muss schon Mitgefühl haben mit der wachsenden Frustration, die Griffin beschreibt, doch genauso – und dies scheint mit Glaukons Annahme über Sittlichkeit einherzugehen – den Zusammenbruch von Griffins Moralempfinden, als er (am Ende von Kapitel XX) erkennt dass er »all diese wilden und wunderbaren Dinge […] ungestraft unternehmen konnte«.
Es gibt zweierlei, was Griffin entschuldigt. Erstens, dass er im Gegensatz zu Platons Gyges zunächst keine egoistischen Interessen hegt. Seine Verbrechen werden lediglich durch das Verlangen angetrieben, seine Forschung voranzutreiben. Und zweitens, dass ihn dieses Verlangen dazu getrieben hat, als Stimulanzmittel Strychnin einzunehmen. »Altsteinzeit in einer Flasche«, sagt Kemp (Kapitel XX). Ist die Verantwortungslosigkeit der Wissenschaft jedoch (wie die Geschichte des Zwanzigsten Jahrhundert bald zeigen würde) nicht potenziell gefährlicher als einfache persönliche Straffreiheit? Diese führt Griffin von einem Verbrechen zum nächsten und untergräbt jegliches menschliches Mitgefühl, das er vielleicht empfindet. In Kapitel XX beschreibt er das Experiment an einer Katze. Die Gefühle der älteren Besitzerin, »die sich auf der ganzen Welt nur um eine weiße Katze kümmerte«, ignoriert er. So geschieht es mit der Katze, die man zuletzt unter einem Gatter hört (aber natürlich nicht sieht) und keine Aussicht auf Rettung hat. Griffin verwischt daraufhin seine Spuren, indem er das Haus in Brand steckt, in dem er wohnt, nachdem er das Gas aufgedreht hat, um eine Explosion herbeizuführen. Die Folgen tut er ebenfalls beiläufig ab: »[…] es war zweifellos versichert«.
In Kapitel XXIII geht er noch weiter und wird, wie es aussieht, zum Mörder. Nach dem er unbemerkt in einen Laden gelangt ist, um Kleidung und Nahrung zu stehlen, betäubt er den Besitzer – in einer Art von Selbstverteidigung, da der Besitzer bewaffnet ist. Doch dann, um erneut seine Spuren zu verwischen, knebelt er den Mann und verschnürt ihn in einem Sack. Konnte der Ladenbesitzer jemals entkommen? Oder wurde er alleine zurückgelassen, sodass er verdurstet oder erstickt wie die glücklose unsichtbare Katze? Griffin sagt vage: »Ich nehme an, er hat sich selbst losgebunden oder freigetreten«, fügt aber hinzu: »Die Knoten waren recht fest.«
Kemp hinterfragt Griffin mehrere Male während ihrer Unterhaltung und erwähnt »die allgemeinen Gepflogenheiten der Menschlichkeit«. Es ist jedoch deutlich, dass Griffin diese hinter sich gelassen hat. Nicht nur hat ihm sein Hang zur Wissenschaft straffrei, sondern auch verantwortungslos gemacht, und schließlich ist er zu einer Gestalt der »reine[n] Selbstsucht« geworden. Dies ist das Urteil, das Kemp in Kapitel XXV über ihn fällt, und man kann anderer Meinung sein – denn wie oben erwähnt, scheint Griffin keinerlei selbstsüchtige Interessen zu hegen –, doch ist Griffin mit Sicherheit vollkommen selbstbezogen. Andere Menschen sind ihm inzwischen gleichgültig.
Damit wird die Bühne für den letzten Teil der Geschichte bereitet, worin Griffin versucht, eine »Herrschaft des Schreckens« zu errichten. Er scheitert dabei, weil er keine Verbündeten findet, nicht einmal seinen Wissenschaftskollegen Kemp. Es gibt hierin auch keinen Zweifel mehr, dass Griffin zum Mörder wird, denn in Kapitel XXVI wird uns von der blindwütigen Ermordung von Mr. Wicksteed erzählt. Sogar an dieser Stelle bietet der Wells‘sche Erzähler noch eine eingeschränkte Entschuldigung für sein Verhalten vor, die »den Mord […] aus dem Reich des absolut Mutwilligen« heraushebt. Es scheint, als habe der harmlose Mr. Wicksteed im Vorbeigehen etwas Seltsames bemerkt und es mit seinem Gehstock verfolgt – und hatte daraufhin das Pech, Griffin in eine Ecke zu treiben, wo der nackte Mann zwischen Brennnesseln festsaß. Griffins Wut mag durch das Strychnin hervorgerufen und durch die Leidenschaft für die Wissenschaft motiviert sein, doch ist einer der Hauptgründe seine beständige Frustration über die Ereignisse.
Am Ende kann er seinen Willen nicht durchsetzen oder die wichtigen Büchern mit seinen Nachforschungen nicht retten und wird, noch immer unsichtbar, zu Tode geprügelt. Der Unsichtbare stirbt daraufhin als Individuum, das von der Gesellschaft in ihrer grundlegendsten Gestalt einer aufgebrachten Menge besiegt wird. Die Geschichte endet mit einem Schlusssatz, der ein anderes, tragikomisches Bild der Frustration und des unerfüllten Potenzials zeigt: Marvel, der des Lesens kaum mächtige Landstreicher, brütet über den Forschungsbüchern »mit dem raffinierten Geheimnis der Unsichtbarkeit und einem weiteren Dutzend merkwürdiger Heimlichkeiten«, wobei keine Hoffnung besteht, dass er sie jemals begreifen, sie aber nichtsdestotrotz nicht weitergeben wird. Es handelt sich um die ultimative Sackgasse.
Man muss sich fragen, inwieweit Der Unsichtbare, wie viele von Wells‘ anderen Werken, prophetisch oder symbolisch war? Eine wiederkehrende Figur in Wells‘ frühen Werken ist der einzelgängerische Erfinder: der Zeitreisende, Dr. Moreau, Cavor in Die ersten Menschen auf dem Mond. Wells, der äußerst stolz auf seine recht eingeschränkte wissenschaftliche Bildung war – bis zum Ende seines Lebens prahlte er damit, unter Aldous Huxley, dem großen Verfechter des Darwinismus, studiert zu haben –, sympathisierte zumeist mit solchen Erfindern, zeigt jedoch in Der Unsichtbare, dass er sich ihrer Gefährlichkeit bewusst ist.
Blickt man mehr als einhundert Jahre zurück, ist diese Gefahr wesentlich offensichtlicher. Der Held in Wells‘ The War in the Air ist der symbolisch benannte Bert Smallways. Berts Schicksal und das der übrigen Welt wird durch Erfinder wie Mr. Butteridge bestimmt, dessen Pläne für eine Flugmaschine Bert in die Hände fallen und die er schließlich, im Gegensatz zu Marvel, irgendwann weitergibt. Die meisten Menschen im Zwanzigsten Jahrhundert waren und die im Einundzwanzigsten Jahrhundert sind nun in derselben Lage wie Bert. Die großen Kriege wurde sichtlich von Soldaten und Generälen ausgefochten, aber wohl von »Unsichtbaren« entschieden, die zwar nicht physisch unsichtbar sind wie Griffin, aber ungesehen und unbekannt blieben: die Wissenschaftler und Techniker, die Bombenflugzeuge, Radar, Magnetminen, zielsuchende Torpedos und alle unermesslichen Kriegsgeräte erfanden, bis hin zu ballistischen Flugkörpern und der Atombombe. Wells war nahe dran, Letztere in seinem 1909 erschienenen, sozialkritischen Roman Tono-Bungay vorauszusagen. Es hat einige Bedeutung, dass wir sogar einen Begriff erfinden mussten, um diese Leute zu beschreiben: »back-room boys«, die »boffins«5.
Wells irrte sich bei den Einzelheiten, sah aber die Auswirkungen durch die Wissenschaft voraus, die Gefahren dieser Auswirkungen, die Schwierigkeiten, sie zu beherrschen, die Bedrohung gegenüber der Gesellschaft durch wissenschaftliche Verantwortungslosigkeit. Am Ende von Der Unsichtbare könnte man sagen, dass der Geist der Forschung wieder erfolgreich in seiner Flasche verkorkt wurde, sicher in den verständnislosen Händen von Thomas Marvel. In Wirklichkeit und auch für gewöhnlich in der Science-Fiction ist das bisher nie der Fall gewesen. In einem weit größeren Maßstab und ohne unser Wissen wird unser Schicksal immer noch von »Unsichtbaren« in Forschungsinstituten und Laboratorien bestimmt. Zumindest in diesem Sinne zeigt uns Wells mit Der Unsichtbare sein bemerkenswertes prophetisches Talent.
Prof. Tom Shippey
1 Die Landschlachtschiffe, bisher nicht auf Deutsch erschienen (d. Übers.).
2 Der Krieg in der Luft, bisher nicht auf Deutsch erschienen (d. Übers.).
3 Ein Geschenk von der Erde, bisher nicht auf Deutsch erschienen (d. Übers.).
4 Auf Deutsch erschienen als Der Staat.
5 Etwa Leute, die im Hintergrund die Fäden ziehen bzw. geheime Missionen haben (d. Übers.).
IDie Ankunft des Fremden
IIMr. Teddy Henfreys erster Eindruck
IIIEintausend und eine Flasche
IVMr. Cuss befragt den Fremden
VDer Einbruch ins Pfarrhaus
VIDie verrückt gewordenen Möbel
VIIDie Enthüllung des Fremden
VIIIÜbergang
IXMr. Thomas Marvel
XMr. Marvel besucht Iping
XIIm Gasthaus »Coach and Horses«
XIIDer Unsichtbare wütet
XIIIMr. Marvel spricht über seine Kündigung
XIVBei Port Stowe
XVDer Mann, der rannte
XVIIm Gasthaus »Jolly Cricketers«
XVIIDr. Kemps Besucher
XVIIIDer Unsichtbare schläft
XIXBestimmte Grundprinzipien
XXDas Haus in der Great Portland Street
XXIOxford Street
XXIIIm Emporium
XXIIIDrury Lane
XXIVDer fehlgeschlagene Plan
XXVDie Jagd auf den Unsichtbaren
XXVIDer Mord an Wicksteed
XXVIIDie Belagerung von Kemps Haus
XXVIIIVom Jäger zum Gejagten
Epilog
Der Fremde kam Anfang Februar an einem frostigen Tag durch beißende Winde und Schneetreiben, dem letzten Schneefall des Jahres, über das Hügelland; er ging zu Fuß vom Bahnhof Bramblehurst und trug einen kleinen Koffer mit einer dick behandschuhten Hand. Er war von Kopf bis Fuß eingewickelt und die Krempe seines weichen Filzhutes verdeckte jeden Zoll seines Gesichtes, abgesehen von der glänzenden Spitze seiner Nase. Der Schnee drängte sich gegen seine Schultern und seine Brust und fügte der Bürde, die er trug, eine weiße Kuppe hinzu. Mehr tot als lebendig stolperte er ins »Coach and Horses“ und ließ seinen Handkoffer fallen. »Ein Feuer“, rief er, »im Namen menschlicher Güte! Ein Zimmer und ein Feuer!“ Er stampfte mit den Füßen und schüttelte im Schankraum den Schnee ab, dann folgte er Mrs. Hall ins Empfangszimmer, um seinen Handel zu schließen. Und nach kurzer Vorstellung, mit dieser und ein paar Souvereigns, die auf den Tisch geworfen wurden, bezog er im Gasthaus Quartier.
Mrs. Hall entzündete ein Feuer und ließ ihn dort, während sie hinging, um ihm eigenhändig ein Mahl vorzubereiten. Ein Gast, der zur Winterzeit in Iping Rast machte, war ein unerhörtes Glück, ganz zu schweigen von einem Gast, der kein »Schacherer« war, und sie war entschlossen, sich diesem Glück würdig zu erweisen. Sobald der Speck ordentlich brutzelte sie und Millie, ihr lymphatisches Hausmädchen, mit ein paar barsch ausgewählten Ausdrücken der Geringschätzung angefeuert hatte, trug sie Tischtuch, Teller und Gläser in die Stube und deckte mit höchstem éclat auf. Obgleich das Feuer hell brannte, war sie überrascht, als sie bemerkte, dass ihr Besucher noch immer Hut und Mantel trug, mit dem Rücken zu ihr stand und aus dem Fenster auf den fallenden Schnee im Hof starrte. Seine behandschuhten Hände waren hinter dem Rücken verschränkt und er schien gedankenverloren. Sie bemerkte, dass der schmelzende Schnee, der weiterhin seine Schultern bedeckte, auf ihren Teppich tropfte. »Darf ich Ihnen Hut und Mantel abnehmen, Sir?«, fragte sie. »Und sie in der Küche zum Trocknen aufhängen?«
»Nein«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
Sie war nicht sicher, ob sie ihn gehört hatte, und wollte schon ihre Frage wiederholen.
Er drehte den Kopf und blickte sie über die Schulter hinweg an. »Ich ziehe es vor, sie anzubehalten«, sagte er betont, und sie bemerkte, dass er große, blaue Augengläser mit Seitenblenden und über dem Mantelkragen einen Backenbart trug, der Wangen und Gesicht vollkommen verdeckte.
»Nun gut, Sir«, sagte sie. »Wie Sie wünschen. Das Zimmer wird gleich viel wärmer sein.«
Er gab keine Antwort und hatte den Kopf wieder von ihr abgewandt, und Mrs. Hall, die das Gefühl hatte, ihre Versuche eines Gesprächs kämen ungelegen, deckte den Rest des Tisches in einem raschen Stakkato und huschte aus dem Zimmer. Als sie zurückkehrte, stand er noch immer da wie ein Mann aus Stein, mit gebeugtem Rücken, hochgeschlagenem Kragen, hinuntergebogener tropfender Hutkrempe, wodurch Gesicht und Ohren vollkommen verdeckt waren. Sie stellte Eier und Speck mit erheblichem Nachdruck ab und rief ihm eher zu, als dass sie sprach: »Ihr Mittagessen ist serviert, Sir.«
»Danke«, sagte er gleichzeitig und rührte sich nicht, bis sie die Türe schloss. Dann wandte er sich um und näherte sich dem Tisch mit einer gewissen begierigen Schnelligkeit.
Als sie hinter dem Schankraum in die Küche ging, hörte sie ein Geräusch, das sich in regelmäßigen Abständen wiederholte. Er klang wie tschirk, tschirk, tschirk; das Geräusch eines Löffels, mit dem schnell in einem Kessel herumgerührt wird. »Dieses Mädchen«!, sagte sie. »Sowas! Habe ich es doch glatt vergessen. Sie braucht immer so lange!« Und während sie den Senf selbst zusammenmischte, versah sie Millie für ihre unmäßige Langsamkeit mit verbalen Messerstichen. Sie hatte Speck und Eier gekocht, den Tisch gedeckt und alles erledigt, während Millie (welch Hilfe!) es lediglich fertig gebracht hatte, den Senf zu verzögern. Und dabei war dies ein Gast, der bleiben wollte! Dann füllte sie den Senftopf und trug ihn, nachdem sie ihn mit einiger Vornehmheit auf ein gold-schwarzes Teetablett gestellt hatte, in die Stube.
Sie klopfte und trat sofort ein. Als sie dies tat, bewegte sich ihr Besucher rasch, sodass sie einen Blick auf einen weißen Gegenstand erhaschte, der hinter dem Tisch verschwand. Es wirkte, als würde er etwas vom Boden aufheben. Klappernd stellte sie den Senftopf auf dem Tisch ab und bemerkte dann, dass Mantel und Hut abgelegt worden waren und über einem Stuhl vor dem Feuer lagen, während ein Paar nasser Stiefel dem Kamingitter Rost androhte. Resolut ging sie zu diesen Dingen hinüber. »Ich nehme an, dass ich sie nun zum Trocknen mitnehmen darf«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
»Lassen Sie den Hut da«, sagte ihr Besucher mit gedämpfter Stimme, und als sie sich umwandte, sah sie, dass er den Kopf gehoben hatte, dort saß und sie anblickte.
Einen Augenblick lang stand sie mit offenem Munde da, zu überrascht, um zu sprechen.
Er hielt ein weißes Tuch – es war eine Serviette, die er mitgebracht hatte – vor seine untere Gesichtshälfte, sodass Mund und Kiefer gänzlich verdeckt waren, und das war der Grund für seine gedämpfte Stimme. Das jedoch war es nicht, was Mrs. Hall erschreckte. Es war die Tatsache, dass seine gesamte Stirn über seiner blauen Brille von einem weißen Verband bedeckt war und ein weiterer seine Ohren bedeckte, sodass kein Stück seines Gesichtes freilag, abgesehen von seiner rosigen, spitzen Nase. Sie war hell, rosa und glänzend wie auch zuvor. Er trug eine dunkelbraune Samtjacke mit einem hohen, schwarzen, leinengefütterten Kragen, der über seinem Hals hochgeschlagen war. Das dichte, schwarze Haar, das so weit unter und zwischen den überkreuzten Verbänden zu entkommen suchte, stand in seltsamen Locken und Hörnchen ab und verlieh ihm das merkwürdigste Aussehen, das vorstellbar war. Dieser verhüllte und verbundene Kopf war so ganz anders als das, was sie erwartet hatte, dass sie einen Moment lang stocksteif dastand.
Er nahm die Serviette nicht herunter, sondern hielt sie weiterhin, wie sie nun sah, mit einer braun behandschuhten Hand hoch, während er seine Wirtin durch seine undurchschaubare blaue Brille musterte. »Lassen Sie den Hut da«, sagte er, indem er sehr deutlich durch das weiße Tuch sprach.
Ihre Nerven erholten sich langsam vom Schock, den sie erlitten hatten. Sie legte den Hut wieder auf den Stuhl am Feuer. »Ich wusste nicht, Sir«, begann sie, »dass …«, und sie hielt betreten inne.
»Danke«, sagte er trocken und blickte von ihr zur Tür und wieder zu ihr.
»Ich werde alles schön zum Trocknen aufhängen, Sir, sofort«, sagte sie und trug seine Kleidung aus dem Zimmer. Als sie durch die Tür ging, schaute sie erneut auf sein weiß verbundenes Gesicht und seine blauen Augengläser; doch hielt er die Serviette weiterhin vor sein Gesicht. Sie erschauderte ein wenig, als sie die Tür hinter sich schloss, und ihr Gesicht sprach Bände über ihre Überraschung und Verwirrung. »Meine Güte«, hauchte sie. »Also!« Sie ging recht leise in die Küche und war zu zerstreut, um Millie zu fragen, was sie jetzt durcheinanderbrachte, als sie dort anlangte.
Der Besucher saß da und lauschte auf ihre sich zurückziehenden Schritte. Er blickte neugierig zum Fenster, bevor er die Serviette herunternahm und seine Mahlzeit fortsetzte. Er aß einen Mundvoll, blickte argwöhnisch zum Fenster, nahm einen weiteren Mundvoll, stand dann auf und ging, die Serviette in der Hand, durch das Zimmer und zog die Rollläden herunter bis zur Oberseite des weißen Musselins, der die unteren Scheiben verdeckte. Dadurch wurde die Stube in Halbdunkel getaucht. Da dies erledigt war, kehrte er mit Erleichterung zum Tisch und seiner Mahlzeit zurück.
»Die arme Seele hatte einen Unfall oder eine Operation oder dergleichen«, sagte Mrs. Hall. »Diese Verbände haben mir einen hübschen Schrecken versetzt, das muss man sagen!«
Sie legte mehr Kohlen auf, entfaltete den Wäscheständer und breitete den Mantel des Reisenden darauf aus. »Und die Brille! Sowas, er hat mehr wie ein Taucherhelm ausgesehen als ein Mann!« Seinen Schal hing sie über eine Ecke des Ständers. »Und wie er sich die ganze Zeit das Taschentuch vor den Mund gehalten hat. Hat hindurch geredet! … Vielleicht ist sein Mund auch verletzt – mag sein.«
Sie drehte sich um, wie jemand, der sich plötzlich an etwas erinnerte. „Ach du liebes bisschen!“, sagte sie und schweifte ab. »Bist du immer noch nicht mit den Kartoffeln fertig, Millie?«
Als Mrs. Hall das Mittagessen des Fremden abräumen wollte, wurde ihre Vorstellung, dass sein Mund bei dem Unfall, den er vermutlich erlitten hatte, ebenfalls zerschnitten oder entstellt worden war, bestätigt, denn er rauchte eine Pfeife und löste die ganze Zeit, während sie im Zimmer war, niemals den Seidenschal, den er um seine untere Gesichtshälfte geschlungen hatte, um sich das Mundstück an die Lippen zu halten. Es war jedoch keine Vergesslichkeit, denn sie sah, dass er darauf blickte, als die Pfeife nicht mehr schwelte. Er saß in der Ecke mit dem Rücken zur Fensterlade und sprach nun, da er gegessen und getrunken hatte und angenehm durchgewärmt war, mit weniger aggressiver Bündigkeit als zuvor. Die Reflexion des Feuers verlieh seinen großen Augengläsern eine Art rötlicher Belebtheit, die ihnen zuvor abgegangen war.
»Ich habe etwas Gepäck«, sagte er, »am Bahnhof Bramblehurst«, und er fragte sie, wie er es hergeschafft bekommen könnte. In Anerkennung ihrer Erklärung neigte er recht höflich seinen bandagierten Kopf. »Morgen?«, fragte er. »Gibt es keine schnellere Lieferung?«, und er wirkte recht enttäuscht, als sie antwortete: »Nein.« Ob sie sicher sei? Niemand mit einem Pferdewagen, der hinüberfahren könnte?
Mrs. Hall, keinesfalls abgeneigt, beantwortete seine Fragen und gestaltete ein Gespräch aus. »Die Straße am Hügel ist steil, Sir«, sagte sie als Antwort auf die Frage nach einem Pferdewagen; und dann, da sie eine Lücke sah, sagte sie: »Vor gut einem Jahr ist dort eine Kutsche umgestürzt. Ein Herr wurde getötet, ebenso sein Kutscher. Unfälle, Sir, geschehen ganz unerwartet, oder nicht?«
Doch der Besucher ließ sich nicht so leicht hineinziehen. »Richtig«, sagte er durch seinen Schal und musterte sie ruhig durch seine undurchdringliche Brille.
»Aber es dauert schon lange, bis man sich von ihnen erholt, nicht wahr? … Der Sohn meiner Schwester zu Beispiel, Tom, er hat sich kürzlich mit der Sense am Arm geschnitten, ist im Heufeld darauf gefallen und meine Güte! Drei Monate lang war er verschnürt, Sir. Man hätte es kaum geglaubt. Hat mir regelrecht Angst vor der Sense gemacht, Sir.«
»Das kann ich durchaus verstehen«, sagte der Besucher.
»Er hatte einmal Angst, man müsste ihn operieren … So schlimm war‘s, Sir.«
Der Besucher lachte plötzlich, ein bellendes Lachen, das er in seinem Munde zu beißen und zu töten schien. »Wurde er?«, fragte er.
»Ja, Sir. Und es war nicht zum Lachen für die, die seine Arbeit machen mussten, so wie ich – da meine Schwester mit ihren Kleinen alle Hände voll zu tun hatte. Man musste auch Verbände wickeln, Sir, und abnehmen. Wenn ich also so kühn sein darf, zu sagen, Sir …«
»Würden Sie mir Streichhölzer holen?«, fragte der Besucher recht abrupt. »Meine Pfeife ist ausgegangen.«
Mrs. Hall zuckte plötzlich zusammen. Mit Sicherheit war es unverschämt von ihm, nachdem sie ihm alles erzählt hatte, was sie getan hatte. Sie starrte ihn einen Augenblick lang an und erinnerte sich an die zwei Sovereigns. Sie ging die Streichhölzer holen.
»Danke«, sagte er knapp, als sie sie hinlegte, wandte ihr die Schulter zu und starrte erneut zum Fenster hinaus. Es war alles in allem zu entmutigend. Das Thema von Operationen und Bandagen machte ihm offenkundig zu schaffen. Sie war aber doch nicht »so kühn zu sagen«. Jedoch hatte seine abweisende Art sie irritiert, und Millie ertrug an diesem Nachmittag allerlei Vorhaltungen.
Der Besucher blieb bis vier Uhr in der Stube, ohne auch nur den Hauch eines Vorwandes für eine Störung zu bieten. Er war zumeist still während dieser Zeit: Es schien, als säße er in der herannahenden Dunkelheit und rauche seine Pfeife am Kamin – döste vielleicht.
Das eine oder andere Mal mochte ihn ein Lauscher bei den Kohlen gehört haben, und innerhalb eines Zeitraumes von fünf Minuten ging er im Zimmer auf und ab. Er schien Selbstgespräche zu führen. Dann knarzte der Sessel, als er sich wieder hineinsetzte.
Um vier Uhr, als es schon recht dunkel war und Mrs. Hall all ihren Mut zusammennahm, um hineinzugehen und ihren Besucher zu fragen, ob er Tee einnehmen wolle, trat Teddy Henfrey, der Uhrmacher, in den Schrankraum. »Meine Güte! Mrs. Hall«, sagte er, »dies ist wirklich schlechtes Wetter für dünne Stiefel!« Draußen fiel der Schnee schneller.
Mrs. Hall stimmte ihm zu und sah dann, dass er seine Tasche mitführte. »Da Sie nun hier sind, Mr. Teddy«, sagte sie, »wäre ich froh, wenn Sie einen Blick auf die alte Uhr in der Stube werfen könnten. Sie geht und schlägt die Stunde laut und tüchtig; aber der Stundenzeiger zeigt immer nur auf sechs.«
Und sie ging, den Weg zeigend, hinüber zur Stubentür und klopfte und trat ein.