Der deutsche Philosoph Eduard Zeller ist er einer der bedeutendsten Philosophiehistoriker der antiken griechischen Philosophie. In der systematischen Philosophie umriss er in seiner Schrift Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntnistheorie als erster die genauen Gegenstände und das Konzept einer Erkenntnistheorie.
Wenn wir in einer Computersimulation leben würden, dann simuliert der Computer eine Virtuelle Realität, einschließlich passender Antworten auf den Output des Gehirns. Die Person mit dem körperlosen Gehirn hat völlig normale Erlebnisse in ihrem Bewusstsein, ohne dass diese mit Gegenständen oder Ereignissen einer realen Welt zu tun hätten.
So oder so ähnlich lautet das Konzept vieler Science-Fiction-Filme aber auch die Überlegung mancher Wissenschaftler. Doch die Frage, ob unsere Außenwelt real ist, ist nicht neu. Bereits der Philosoph Eduard Zeller hat sich damit beschäftigt, interessante Antworten gefunden und in diesem Buch niedergeschrieben, das sich zu lesen lohnt.
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Klaus-Dieter Sedlacek
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Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7543-6277-8
Nichts liegt dem Menschen von Hause aus ferner als der Zweifel an der Wirklichkeit der Dinge, die seine Sinne ihm zeigen. Wer die Welt so ansieht, wie sie jeder von seiner Kindheit her anzusehen gewohnt ist, der hat vielleicht keine Vorstellung von andern als körperlichen Wesen, er leugnet vielleicht auch ausdrücklich, dass es solche Wesen gehen könne; der Gedanke dagegen, dass die Körperwelt, die er wahrnimmt, nicht wirklich außer ihm existiere, kommt ihm nicht in den Sinn, derselbe scheint ihm vielmehr so ungereimt, dass er nicht begreift, wie irgend jemand im Ernste auf' diesen Einfall sollte geraten können. Auch die Sinnestäuschungen machen ihn an dieser Überzeugung nicht irre: sie beweisen allerdings, dass die Dinge nicht immer so beschaffen sind, wie sie sich uns beim ersten Anblick zeigen, dass wir sie daher genau und sorgfältig beobachten, unsere Wahrnehmungen durch einander kontrollieren müssen; allein er schließt daraus nicht, dass den Dingen die sinnlichen Eigenschaften, die wir an ihnen wahrnehmen, Farbe, Geschmack, Temperatur u.s.w. vielleicht gar nicht zukommen, und noch viel weniger, dass selbst sein Glaube an das Dasein jener Dinge möglicherweise auf einer bloßen Täuschung beruhen könnte. Ebenso wenig zieht er diesen Schluss aus der Tatsache, die sich ihm bald genug aufdringt, dass wir im Traume zahllose Dinge zu sehen und zu berühren, mit Menschen zu sprechen und ihre Rede zu vernehmen glauben, die beim Erwachen unserem Bewusstsein sofort entschwinden. Er erkennt daraus den Unterschied zwischen Wachen und Träumen; aber weil ihm dieser vollkommen klar zu sein scheint, hat er keine Veranlassung zu der Frage, ob nicht das, was wir im wachen Zustand wahrzunehmen glauben, am Ende gleichfalls ein bloßes Fantasiebild sei.
Auch das wissenschaftliche Denken fand sich indessen erst spät zu dieser Frage hingedrängt. Von den alten und den mittelalterlichen Philosophen wird sie noch nicht aufgeworfen. Die Zuverlässigkeit unserer Wahrnehmungen haben allerdings bereits unter den ältesten griechischen Denkern viele bestritten. Schon bald nach dem Anfang des fünften Jahrhunderts v. Chr. erklärten Parmenides und Heraklit, dass uns nur die Vernunft, nicht die Sinne, von der wirklichen Beschaffenheit der Welt ein Bild gebe: jener, weil er die Vielheit und Veränderung der Dinge, das Entstehen und Vergehen, mit seinem Begriff des Seienden nicht zu vereinigen wusste; dieser umgekehrt, weil er ihnen bei der unablässigen Umwandlung aller Stoffe und Formen die Beharrlichkeit des Seins nicht zugestehen, wollte, welche unsere Sinne uns vorspiegeln. Das gleiche Urteil haben dann ihre Nachfolger, ein Empedokles, Anaxagoras, Demokrit, aus ähnlichen Gründen, wie Parmenides, wiederholt: sie alle nahmen Anstoß daran, dass uns die Wahrnehmung ein Entstehen und Vergehen der Dinge zu zeigen scheine, während sie doch ihrer Substanz nach weder entstehen noch vergehen, und dass sie uns andererseits die letzten Bestandteile derselben nicht zeige. Aber dass eine Körperwelt außer uns existiere, hat keiner von diesen Philosophen bezweifelt1). Ebenso wenig bezweifelt es Plato und seine späteren Anhänger, die Neuplatoniker. Sie leugnen allerdings, dass der Erscheinungswelt ein ebenso vollkommenes, unveränderliches Sein, ein Sein derselben Art zukomme, wie der der Ideen; und die allgemeine Grundlage derselben, die Materie, nennen sie geradezu das Nichtseiende. Aber ihre Meinung ist nicht die, dass dieses „Nichtseiende“ nur in unserer Vorstellung existiré, sondern es ist ihnen ein objektiver Bestandteil der Körperwelt; und weit entfernt, diese für ein Erzeugnis des vorstellenden Geistes zu halten, glauben sie vielmehr, dass der menschliche Geist erst durch seinen Eintritt in einen Körper mit der Sinnlichkeit behaftet, der sinnlichen Vorstellung fähig geworden sei. Selbst von den alten Skeptikern ging keiner so weit, dass er die Realität der Außenwelt ernstlich infrage gestellt hätte. Ein Protagoras behauptete wohl, die Dinge seien für uns unerkennbar, denn das Bild derselben, das die Sinne uns liefern, sei das zusammengesetzte Erzeugnis aus zwei Bewegungen, von welchen nur die eine von den Dingen, die andere dagegen von unsern Sinneswerkzeugen ausgehe, es sei daher immer nur für den Wahrnehmenden und für die Dauer seiner Wahrnehmung gültig; allein die Wirklichkeit der Dinge setzte er dabei voraus. Spätere Skeptiker suchen im Begriff des Körpers Widersprüche aller Art nachzuweisen2); aber was sie damit beweisen wollen, ist nicht, dass es keine Körper gebe, sondern nur, dass wir nichts von ihnen wissen können. Am nächsten scheint denjenigen unter den neueren Theorien, welche die Existenz der Körperwelt bestritten haben, der Sophist Gorgias zu kommen, wenn er im ersten Teil seiner bekannten skeptischen Schrift zu zeigen versuchte, „dass nichts existiere“, und dieses Paradoxon auf Gründe stützte, die von der Voraussetzung ausgehen, dass alles Reale etwas Körperliches sein müsste8). In Wahrheit handelte es sich aber für ihn hiebei nicht um eine bestimmte Ansicht über die Wirklichkeit oder Unwirklichkeit der Körperwelt, sondern lediglich um ein dialektisches Kunststück. Der Satz, dass überhaupt nichts existiere, ist viel zu widersinnig, um von irgendjemand bei gesundem Verstand im Ernste behauptet, die Tatsache, dass mindestens er selbst existiert, für jeden zu einleuchtend, um im Ernste bezweifelt werden zu können. Ob das, was uns als ein körperliches erscheint, auch wirklich ein solches, ob es nicht vielleicht gar am Ende eine bloß subjektive Erscheinung sei, kann man fragen; mit der Frage dagegen, ob überhaupt etwas existiere, und vollends mit der Verneinung dieser Frage, kann es niemand Ernst sein. Gerade die Allgemeinheit, in der Gorgias das Sein leugnet, beweist, dass er mit seinem Satz und der Begründung desselben nicht seine eigene Überzeugung ausspricht, sondern nur gegen die aller andern Einwürfe erheben will, deren Unlösbarkeit die Unmöglichkeit eines wissenschaftlichen Erkennens dartun soll. Dass er den Raum und die Materie für etwas hielt, das bloß unserer Vorstellung angehöre, kann man daraus eben so wenig schließen, als dass er seine eigene Existenz infrage stellte. Auch das Beispiel des Gorgias widerlegt daher den Satz nicht, dass die Realität der Körperwelt von keinem unter den alten Philosophen im Ernste bezweifelt worden sei.
Erst bei einem von den Vätern der neueren Philosophie begegnen wir diesem Zweifel. Nachdem Descartes in der ersten von seinen sechs berühmten Meditationen die Notwendigkeit dargetan hat, einmal im Leben alle überlieferten und gewohnheitsmäßigen Annahmen beiseitezulegen und die Wahrheit vollkommen voraussetzungslos, ohne jede vorgefasste Meinung, zu suchen, zeigt er weiter4), zu den unbewiesenen Voraussetzungen, deren Wahrheit erst untersucht werden müsse, gehöre auch die einer Körperwelt. Denn wir kennen dieselbe, fürs Erste, nur durch unsere Sinne; aber zahllose Sinnestäuschungen überzeugen uns, wie wenig wir uns auf diese verlassen können. Wollte man ferner sagen, wenigstens über das Dasein der Körper können wir uns nicht täuschen, wenn dies auch hinsichtlich ihrer näheren Beschaffenheit nicht selten vorkommen möge, so wäre daran zu erinnern, dass wir im Traume unendlich oft Dinge, die gar nicht vorhanden sind, nicht minder lebhaft und deutlich wahrzunehmen glauben, als diejenigen, die uns im Wachen begegnen; warum könnte es sich nicht mit den Letzteren, unseren eigenen Leib und seine Teile nicht ausgenommen, ebenso verhalten? warum könnten sie nicht gleichfalls ein bloßes Erzeugnis unserer Einbildungskraft sein? Und nicht einmal das könne man behaupten, dass uns doch die Stoffe, aus denen die Fantasie jene Bilder zusammensetzt, von außen gegeben sein müssen. Denn wer weiß, meint Descartes, ob unsere Natur nicht, von wem immer, so eingerichtet ist, dass wir uns der Täuschung selbst da nicht erwehren können, wo uns etwas so augenscheinlich zu sein scheint, wie das Dasein der Außenwelt und unseres eigenen Leibes? Meinen wir ja doch auch, die Dinge außer uns mit unsern Sinnen wahrzunehmen, während es in der Wirklichkeit nicht unsere Wahrnehmung, sondern unser Urteil, unser Denken ist, das uns veranlasst, sie im Innern der von uns wahrgenommenen Formen und Gestalten ebenso vorauszusetzen, wie wir voraussetzen, in den Kleidern, die sich über die Straße bewegen, stecken nicht Automaten, sondern Menschen.
Wenn man erwägt, was dazu gehört, um eine Überzeugung in Frage zu stellen, die so allgemein und für den Menschen so unvermeidlich ist, wie der Glaube an die Realität der Körperwelt, und wenn man andererseits die Schwierigkeiten kennt, welche diese Frage der Forschung noch bereiten sollte, so wird man darin, dass Descartes sie aufzuwerfen gewagt hat, keinen geringen Beweis für die Unabhängigkeit seines Denkens sehen müssen. Mit ihrer Lösung hat er es aber allerdings zu leicht genommen. Den geraden Weg zu derselben, welcher darin besteht, dass in der Außenwelt eine Bedingung des Bewusstseins nachgewiesen wird, hatte er sich durch seinen anthropologischen und metaphysischen Dualismus verschlossen; und der Umweg, den er einschlägt, konnte nicht zum Ziel fühlen. Nachdem er zuerst mit zwei Beweisen, von denen der eine nicht bündiger ist als der andere, das Dasein Gottes dargetan hat, schließt er weiter: Wir finden in uns Vorstellungen von sinnlichen Gegenständen. Diese können nicht von uns selbst hervorgebracht sein, denn sie entstehen uns ganz unwillkürlich, drängen sich selbst gegen unseren Willen uns auf, und bedürfen zu ihrer Entstehung des Denkens nicht, aus dem doch alles von uns selbst hervorgebrachte entspringt. Ebenso wenig können sie aber von der Gottheit mittelbar oder unmittelbar in uns hervorgebracht werden; denn da sie uns doch als die Wirkung körperlicher Objekte erscheinen, würde die Gottheit in diesem Fall uns mit einer falschen Vorspiegelung täuschen, was undenkbar ist. Es bleibt somit nur übrig, dass unsere Wahrnehmungen körperlicher Dinge wirklich von solchen Dingen herrühren6). Man braucht sich jedoch nur dessen zu erinnern, was Descartes selbst kaum erst gesagt hat. um die Schwäche dieser Beweisführung sofort zu erkennen. Wenn diese Folgerungen zulässig wären, könnte man ganz mit dem gleichen Recht schließen: da uns die Traumbilder ohne unser Zutun entstehen und mit dem vollen Schein der Wirklichkeit sich uns aufdringen, so müssen ihnen reale Objekte entsprechen; denn Gott könne unsere Natur unmöglich so eingerichtet haben, dass sie uns das Dasein solcher Objekte fälschlich vorspiegle. Wäre andererseits auf diesen Schluss in Descartes’ Sinn zu antworten: „dass uns Traumbilder entstehen, sei allerdings in der Einrichtung unserer Natur begründet, wenn wir dagegen diese Bilder mit Wirklichkeiten verwechseln, so sei daran weder unsere Natur noch die Gottheit, sondern nur wir selbst schuld, denn jene haben uns durch unsere Vernunft in den Stand gesetzt, beide zu unterscheiden, unsere Sache sei es, sie dazu zu gebrauchen“ — nun dann gilt ganz das gleiche gegen Descartes. Es mag sein, — könnte man ihm erwidern — dass die Bilder körperlicher Gegenstände uns unwillkürlich und unwiderstehlich entstehen; aber wer zwingt uns denn, diese Bilder für Dinge zu halten? Du räumst ja selbst ein6), dass es nicht unsere Sinne seien, die uns jene Dinge zeigen, dass nur unser Verstand ihr Dasein aufgrund der Sinnesempfindungen annehme. Dann ist aber auch für die Richtigkeit oder Falschheit dieser Annahme lediglich unser Verstand verantwortlich: gesetzt, sie sei falsch, so wäre es nicht Gott, der uns täuschte oder täuschen ließe, sondern nur wir selbst hätten uns getäuscht, weil wir aus den Tatsachen der Wahrnehmung unberechtigte Folgerungen ableiteten.
Aber Descartes hat den von ihm selbst aufgeworfenen Zweifel an der Realität der sinnlichen Objekte nicht bloß nicht widerlegt, sondern er hat ihm auch durch Bestimmungen, welche in sein ganzes System tief eingreifen, Anhaltspunkte gegeben, die in der Folge ausgiebig benützt wurden. Wenn das Wesen des Geistes, wie Descartes behauptet, im Denken besteht und nur im Denken, das Wesen der körperlichen Dinge in der Ausdehnung und nur in ihr, und wenn deshalb alle Vorgänge in der Körperwelt, wie dies der Philosoph aufs nachdrücklichste hervorhebt, ausschließlich in mechanischen Bewegungen bestehen: 7