Cover

Ergänzende Materialien zum Buch

Begleitend zum Buch stelle ich dir ergänzende Materialien zur Verfügung: Zum einen das »Eisbergset nach Katia Saalfrank« zum Download, zum anderen verschiedene Hördateien zum Streamen. Nähere Hinweise findest du im ersten Kapitel des Buches und im Anhang.

Inhalt


Willkommen auf deiner Reise

Ein Wort zu dir als Mutter

Ein Wort zu dir als Vater

Ein Wort zu euch als Elternpaar

Innere Bewegung auf allen Ebenen: Was dir dieses Buch noch bietet


Etappe 1: Alles eine Frage der Perspektive

Von der herkömmlichen Erziehung und ihren Mechanismen

Die neue Perspektive: Bindungs- und beziehungsorientiert

Das Eisbergmodell: Jedes Verhalten hat einen Sinn

Die Basis im Leben: Emotionale Grundbedürfnisse

Kinder sind Teamworker

Von der Erziehung zur Beziehung


Etappe 2: Deine Sprache, Erwartungen und Gedanken – der wertschätzende Blick auf dich und dein Kind

Wo stehst du gerade?

Es lohnt sich, Perspektiven zu wechseln

Vom gefühlten Mangel in die eigene Fülle kommen

Dankbarkeit und ihre Bedeutung


Etappe 3: Unsere emotionale Landkarte – Gefühle fühlen

Die Grundemotionen

Unsere eigene, elterliche Wut

Verbindung zu deinen Gefühlen

Der Umgang mit eigener Wut – deine Wege


Etappe 4: Die emotionale Landkarte von Kindern – wenn Gefühle erwachen

Die emotionale Entwicklung

Die Folge von Wut – kindliche Aggressionen

Was bedeutet Co-Regulation und wie funktioniert sie?

Emotionale Vitaminpillen mit Depotwirkung


Etappe 5: Wo komme ich her? Eigene Muster besser verstehen

Kinder haben, Eltern werden – eine Reise zu dir selbst

Aus der Vergangenheit die Zukunft neu gestalten

Die Bedeutung deines Selbstbildes

Verbindung zu dir selbst – die eigenen inneren Anteile

Versöhnung mit sich selbst

Anderen vergeben – ein Neubeginn


Etappe 6: Den Alltag mit Freude, Gelassenheit und im Miteinander gestalten

Die Rückbindung an deinen Körper

Planung und Fokus im Alltag

Was ist nur mit Emil los? Wenn Orientierung verloren geht

Übergänge – das A und O im Alltag mit Kindern

Konflikte gehören dazu – Verbindung im Alltag

Gelingende Kommunikation mit Kindern


Impulse für deinen Alltag

Wenn mein Kind mich beschimpft und haut

Mein Kind will spielen und respektiert meine Ruhezeit nicht

Kann ich auch loslassen, ohne zu vergeben?

Rückschläge im Alltag – warum? Und wie gehe ich mit meinen Schuldgefühlen um?


Epilog: Liebe statt Angst

Danksagung


Anhang

Hinweise zum Download und Streamen

Begleitende Hördateien für deine Reise

Das Eisbergmodell – Dein Set für die Reise

Positive Adjektive

Körperempfindungen

Affirmationen für deinen Familienalltag

Meine Angebote an dich

Hilfreiche Blogs und Webadressen

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Willkommen auf deiner Reise

Wie schön, dass du dieses Buch in den Händen hältst. Ich freue mich, dass du losgehst und offen bist für neue Perspektiven und damit für diese ganz besondere ganzheitliche Reise. Auf dieser Reise lade ich dich dazu ein, viele verschiedene Perspektiven einzunehmen und dadurch dein Kind und dich selbst besser verstehen und kennenzulernen.

Bei der Erziehung – oder besser: in der Beziehung zu unseren Kindern – laufen viele unbewusste Prozesse ab, und wir hinterfragen den Blickwinkel, den wir einnehmen und unser Handeln als Eltern oft nicht, weil wir es nicht anders kennen und im Alltag einfach Erziehung »betreiben«. Wir haben es selbst so erfahren und übernehmen dadurch vieles unbewusst, auch ganze Denkweisen und grundsätzliche Einstellungen. Und oft sind wir im Alltag dann doch unschlüssig und unsicher. Die Fragen, die viele Eltern bewegen und die dich vielleicht auch beschäftigen, sind meiner Erfahrung nach folgende: Woher weiß ich, ob ich auf einem »guten Weg« bin? Wie kommt es dazu, dass Situationen in unserer Familie von jetzt auf gleich eskalieren? Wie kann ich mein Kind besser verstehen, wenn es sich nicht so verhält, wie ich es erwarte, und warum kann ich im oft stressigen Alltag die Liebe zu meinem Kind dann häufig nicht (mehr) in liebevolles Handeln umsetzen?

So stellen wir uns hier ganz wesentliche Fragen und eine der wichtigsten, vielleicht sogar die Frage überhaupt: Wie möchte ich leben und wer will ich sein? Dazu gehören auch Fragen wie: Wie möchte ich das Leben mit meiner Familie gestalten? Was ist mir wichtig? Wie will ich als Vater, als Mutter sein? Entspricht das, was ich im Alltag lebe und tue, eigentlich meinen Werten und Vorstellungen? Mag ich mich selbst mit dem, was ich mache? Und wenn nicht, was kann ich wie anders machen?

Dabei ist es hilfreich, auch einen Blick in die Vergangenheit zu werfen – nicht, um darin zu versinken und ewig im Vergangenen »zu wühlen«. Sondern um besser zu verstehen, wie du der wurdest, der du heute bist. Um Vergangenes abzuschließen und im Heute bewusst zu leben und es vielleicht anders zu machen als bisher. Unsere Vergangenheit bestimmt oft (unbewusst) unser Handeln in der Gegenwart. Wenn wir da bewusst hinschauen und Bisheriges hinterfragen, können wir alte Muster unterbrechen. Wenn du bereit bist, das Gestern loszulassen, kannst du neue Perspektiven finden und das Heute mit deinen Kindern anders leben. Du kannst liebevoll im Alltag dein Kind begleiten, frei von dem, was dir selbst widerfahren ist, und in Liebe handeln. So kann Beziehung ganz neu gelingen, Freude erlebbar im Miteinander entstehen und gemeinsames Glück spürbar werden. In diesem Sinne darfst du dich an dieser Stelle fragen, was du hier und jetzt ganz konkret tun kannst, um deine Liebe zu deinem Kind mehr und öfter in liebevolles, zugewandtes Handeln zu übersetzen.

Eine spannende Frage, wie ich finde. Denn sie eröffnet ganz neue Möglichkeiten und Blickwinkel. Und darum geht es. Es geht um neue Perspektiven. So möchte ich mit dir deinen Fokus ab jetzt auf andere Dinge richten, als du das sonst in deinem Alltag vermutlich tust. Eben nicht auf das, was nicht funktioniert und nicht gut läuft, sondern auf das, was gut läuft und was vorhanden ist. Auf das, was lohnt, Beachtung und Zuwendung zu bekommen, um dann intensiver ausgebaut zu werden. Es wird bei dieser Reise darum gehen, wie du dein Kind besser verstehen kannst, wie du dich selbst siehst und wie du neue Handlungsmuster etablieren kannst.

In den letzten Jahren habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Frage »Wie verstehe ich mein Kind besser, und wie genau mache ich es anders?« oft sehr intensiv und vor allem im Kopf beantwortet wird. Dabei ist Beziehung vielschichtig und lebendig, und wir benötigen viel mehr Elemente, nämlich unseren gesamten Körper, um wirklich in eine dynamische Beziehung kommen zu können. Um in Bewegung zu kommen und Veränderung herbeizuführen, werden wir also verschiedene Ebenen nutzen: die Kognition (deine Gedanken), die Emotion (deine Gefühle) und deinen Körper (deine körperlichen Empfindungen).

Diese Triade beziehungsweise das wundervolle und einzigartige Zusammenspiel zwischen Denken, Fühlen, miteinander Schwingen und den vielfältigen Reaktionen im Körper macht uns Menschen und die Beziehungen untereinander grundsätzlich aus. Diese Ebenen in ihrer Verbindung miteinander zu verstehen und dann auch bewusst wahrzunehmen, einzusetzen und im Alltag in der Umsetzung aktiv und konstruktiv zu nutzen ist aus meiner Erfahrung wesentlich, um neue Blickwinkel einnehmen und anders handeln zu können und dabei intuitiv in Verbindung zu bleiben. So sind diese drei Bereiche eng miteinander verwoben: Nichts, was wir erleben, bleibt ohne Wirkung auf diesen Ebenen. Jede Erfahrung, die wir machen, alles, was wir lernen, wird im Gehirn mit einem entsprechenden Gedanken verankert, dem entsprechenden Gefühl verknüpft, das wir in dieser Situation fühlen, und mittels der entsprechenden Reaktion im System unseres Körpers als Wahrnehmungsmarker eingespeist. Durch bestimmte Bindungs- und Beziehungserfahrungen in der frühen Kindheit jedoch können wir Erwachsenen diese Ebenen oft gar nicht (mehr) bewusst wahrnehmen und entsprechend verknüpfen. Es braucht daher vor allem wieder Verbindung zwischen diesen Ebenen und das Bewusstsein für die Bedeutung des Zusammenspiels dieser Triade.

Meine Aufgabe sehe ich darin, dich auf deiner Reise dahingehend zu begleiten, zwischen diesen drei Ebenen (wieder mehr) Verknüpfung herzustellen und damit wieder Offenheit, Leichtigkeit und Verbindung zu dir selbst zu ermöglichen. So wirst du (wieder) mehr Kontakt zu deiner »emotionalen Landkarte«, also zu deinen eigenen Gefühlen bekommen und so in eine ganz neue Resonanz und eine tiefere Beziehung mit deinem Kind kommen können. Dabei spielen Kategorien der Bewertung, wie »richtig« oder »falsch«, »gut« oder »schlecht« keine Rolle. Denn Beziehung ist eine Art von wundervollem Tanz, bei dem es auch dazu kommen kann, dass man sich »auf den Fuß tritt« und den Tanzbereich des anderen übertritt. Ich schreibe das deshalb so konkret, weil ich in meiner Arbeit Eltern erlebe, die alles »gut« und »richtig« machen wollen, sich vermeintliche »Fehler« kaum zugestehen und »perfekt« sein wollen. Elternschaft ist jedoch so nicht zu begreifen, sondern sie ist ein Weg und ein Prozess, bei dem es immer wieder zu Erkenntnissen kommt, an die wir unser Handeln anpassen dürfen.

Meine Vorgehensweise und mein Blick auf Kinder unterscheiden sich deutlich von den verhaltensorientierten Ansätzen, wie sie häufig in unserer Gesellschaft angewendet werden. Ziel bei diesen Ansätzen ist es, das Verhalten von Kindern an ein von Erwachsenen gewünschtes Verhalten anzupassen. Dabei ist das Verhalten von Kindern (und auch Erwachsenen) lediglich Ausdruck von tiefer liegenden emotional-seelischen Bewegungen und damit vor allem eine Folge von Prozessen, also die Spitze des Eisbergs. Wenn wir Verhalten nachhaltig verändern wollen, dann lohnt es sich sehr, sich mit den tiefer liegenden Ursachen des Verhaltens von Kindern auseinanderzusetzen. So gehe ich davon aus, dass das Verhalten von Kindern immer einen Sinn hat und das menschliche Handeln und Verhalten grundsätzlich vor allem von Gefühlen (Freude, Wut, Ärger, Scham, Schmerz, Angst) motiviert werden und diese Gefühlsebene von emotionalen Basis-Grundbedürfnissen (z. B. Sehnsucht nach Verbindung und Sicherheit, Autonomiebestreben, Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit, etc.) gespeist wird.

Die Interpretation dieser Reaktionskette wird das Hauptwerkzeug in diesem Buch und auf unserer Reise sein. Ich möchte mir diese Kette deshalb mit dir gemeinsam genau anschauen, präzise und detailliert lesen und effektiv nutzen lernen, um dann über meine selbstentwickelte Bindungs- und Beziehungsorientierte Pädagogik das Verhalten deines Kindes eben nicht als störend einzuordnen und nach Maßnahmen für oberflächliche Verhaltensanpassung zu suchen. Sondern wir werden das Verhalten deines Kindes als ein wertvolles Signal für tiefer liegende seelisch-emotionale innere Vorgänge verstehen und dich so an deine Befähigung erinnern, anders zu reagieren und neue, wertschätzende und entwicklungsfördernde Antworten für dich und dein Kind zu finden.

Damit du den Sinn hinter einem Verhalten, also unter der Eisbergspitze erkennen, nachvollziehen und verstehen kannst, werden wir uns auf der ersten Etappe damit beschäftigen, welche Gefühle ein Verhalten auslösen und welche emotionalen Grundbedürfnisse wiederum Gefühle entstehen lassen. Wir gehen sozusagen gemeinsam »tiefseetauchen«, um den gewaltigen Teil des Eisbergs zu ergründen, der verdeckt unter der Wasseroberfläche liegt.

Um mit dem daraus folgenden Wissen und Verständnis unsere Reise fortsetzen zu können, werden wir uns auch mental für die weitere Reise rüsten. Du erfährst, wie wichtig die Perspektive ist, die wir einnehmen, welche Rolle Affirmationen für unsere Gedanken spielen können und welchen Einfluss unsere Atmung auf unseren gesamten Körper hat. Wir beschäftigen uns mit grundsätzlichen Einstellungen und erfahren, wie kraftvoll Dankbarkeit sein kann. Um diesen spannenden Perspektivwechsel und um deine ganz persönlichen Ziele der Reise wird es auf der zweiten Etappe gehen.

Gut gerüstet werden wir uns auf der dritten und vierten Etappe mit Gefühlen und Emotionen, also deiner emotionalen Landkarte und auch mit der emotionalen Entwicklung deines Kindes beschäftigen. Deine emotionale Landkarte ist vielleicht an einigen Stellen unbekannt oder nicht gut für dich zu lesen. Wir werden sie quasi neu entdecken und vielleicht auch vervollständigen, indem wir die einzelnen (Gefühls-)Gebiete durchwandern. Von dort aus werden wir in der fünften Etappe eine Reise zu uns selbst machen und in unser Inneres vordringen. Du wirst dein eigenes Selbstbild betrachten und auf dein inneres Kind treffen. Du wirst erleben, wie es ist, bestimmte Dinge in einem anderen Licht zu sehen und sie so auch hinter dir zu lassen. Wenn du bereit bist, die Vergangenheit anzuerkennen und die Gegenwart zu leben, kann die Zukunft gelingen.

Zwischendrin und insbesondere auf der letzten Etappe erfährst du anhand typischer Alltagssituationen, wie du all die wertvollen Erfahrungen deiner Reise konstruktiv in deinem Familienalltag umsetzen kannst. Denn du hast nun wirkungsvolles Werkzeug im Gepäck, um dich und dein Kind besser zu verstehen und dadurch eine warme, konstruktive und erfüllende Beziehung zu führen.

Um diesen Weg sicher und gut beschreiten zu können und um dich bei deinem persönlichen Wachstum zu begleiten, habe ich praktisches Material aus meiner Beratungspraxis zusammengestellt und stehe dir mit meinen Gedanken, Übungen, Wissenspaketen und Reflexionsfragen quasi als mentaler Coach und »Reisebegleiterin« zur Seite. Das ist auch einer der Gründe, warum ich mich bewusst dazu entschlossen habe, dich als Leserin oder Leser des Buches mit »du« und ganz persönlich anzusprechen. Ich möchte dir auf deiner Reise Halt bieten und Orientierung auf dem Weg geben, dir Landkarten und einen Kompass zur Verfügung stellen. Du kannst das Tempo selbst bestimmen und alle Wege für dich so beschreiten, wie es für dich passend ist.

Sollten die Inhalte dich an deine Grenzen bringen und starke Gefühle dich so sehr überwältigen, dass du das Gefühl hast, nicht weitergehen zu können, kann es notwendig werden, dir professionelle Unterstützung begleitend zu einzelnen Themen zu suchen. Die von mir ins Leben gerufene »Sommerakademie Kinder Besser Verstehen« mit dem Kurs und der dazugehörigen Gruppe könnte eine gute Möglichkeit sein, dich noch intensiver begleiten zu lassen. Dort kannst du dich mit anderen Eltern austauschen, die auf dem Weg sind, und es gibt eine Rückbindung an mich. Damit du als Lesender direkt eine Möglichkeit zum Austausch hast, gibt es zum Buch meine Gruppe auf Facebook ›Dein Kind und dich besser verstehen‹. Ich würde mich freuen, wenn du dazukommst, mir von deiner Reise berichtest und in Austausch mit anderen zu deinen Entwicklungen und Erfahrungen gehst.

Mein Anliegen ist nicht, dir oberflächliche Tipps für konkrete Situationen zu geben – das wird der Komplexität des Familienlebens nicht gerecht. Es geht vielmehr darum, bewusster auf sich selbst zu hören, mit sich selbst wieder in eine gute Verbindung zu kommen. Die Inhalte, die ich für diese Reise ausgewählt und in diesem Buch zusammengestellt habe, können für dich wirken wie der helle Strahl einer Taschenlampe, die ihren Fokus in Winkel, Ecken und Bereiche in deiner inneren Welt richtet, um auch dorthin Licht und Glanz zu bringen, wo es vielleicht bisher dunkel und die Sicht schlechter war. Bereiche in dir und in deinem Leben, denen du vielleicht bisher weniger Beachtung geschenkt hast, die aber jetzt angeschaut werden können und dürfen. Anteile, die auch zu dir gehören, die hilfreich sein und die dir Hinweise geben und neue Perspektiven eröffnen können für das, was in der Beziehung zu deinem Kind wichtig ist.

In meiner Praxis habe ich mit vielfältigen Konstellationen von Familie zu tun. Von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern über Singles mit Kinderwunsch bis hin zu Eltern, die Kinder in Pflege oder auch adoptiert haben. Das Familienleben ist so unglaublich bunt, facettenreich und vielfältig, und es ist eine Freude, dies zu sehen. Alle Eltern, ob Vater oder Mutter, haben das gleiche Ziel, nämlich, dass es ihren Kindern in der Beziehung zu ihnen als Eltern so gut wie möglich geht. So möchte ich gern alle Eltern mit diesem Buch ansprechen, mit einbeziehen und einschließen, wenn ich mich nun auf die Reise begebe. Jeder darf seine Entwicklung für sich selbst machen und sollte sich nicht gedrängt, sondern eingeladen fühlen. Weiterhin ist mir wichtig, dass sich keiner ausgeschlossen fühlt, wenn ich dich im Folgenden konkret als Mutter oder Vater anspreche – ich meine auch, aber nicht ausschließlich, Eltern im konventionellen Familienmodell, sondern spreche immer dich in deiner jeweiligen Rolle als Elternteil an, unabhängig davon, für welches Familienmodell du dich und ihr euch entschieden habt.

Ein Wort zu dir als Mutter

Danke, dass du dich auf die Reise machst. Vielleicht hast du schon ganz viel gelesen, vielleicht auch Podcasts gehört. Meine Erfahrung ist, dass wir Mütter häufig sehr aktiv sind, lesen, hören und im Austausch mit anderen Eltern sind, wenn es darum geht, unsere Kinder besser zu verstehen. Das ist wunderbar. Du wirst also schon einiges wissen und bist trotzdem hier. Darüber freue ich mich. Ich weiß aber auch, dass wir Mütter oft einen sehr hohen inneren Druck empfinden. Wir wollen alles, wirklich alles gut und richtig machen. Und alles gleichzeitig. Und natürlich wissen wir, dass es »das Perfekte« nicht gibt. Die Psychologin und Therapeutin Stefanie Stahl bringt es auf den Punkt: »Eltern müssen nicht perfekt sein. Es reicht, wenn sie hinreichend gut sind.« Nur was ist hinreichend? So viele Mütter stellen sich die Frage: Bin ich genug? Deshalb möchte ich dir gerne schon an dieser Stelle etwas dazu sagen: Du leistest so viel. Jeden Tag. Du bist bereits losgegangen (spätestens jetzt, denn du hältst das Buch in deinen Händen), du bist offen für Reflexion in Bezug auf dein Kind, beschäftigst dich mit dir selbst. Du stemmst diese oft langen anstrengenden Tage, teilweise mit mehreren Kindern, teilweise alleine, teilweise in den Zeiten von Corona mit Homeoffice und Home Schooling permanent an einem Ort und auf engem Raum. Du begleitest Streit, du tröstest Tränen, du räumst auf, du kochst, du gehst einkaufen, du spiegelst starke Gefühle, du spielst mit deinem Kind und du gestaltest Abendrunden und und und... Kannst du sehen, wie viel das ist (und das ist ja nur ein Teil des Ganzen)? Mein Impuls an dich zu Beginn deiner Reise auf dem Weg zu dir selbst: Bitte, bitte sei liebevoll und weich mit dir. Wer nimmt dich in den Arm für all das, was du tust und bist? Lass dich ab und zu halten. Und: Das Wichtigste ist, dass du dich selbst innerlich in den Arm nehmen kannst. Du bist genug! Mit allem, was du mitbringst. Und es geht nicht darum, dass immer alles glatt läuft, sondern darum, dass wir auf dem Weg innehalten können, wenn es stockt, uns orientieren und dann nochmal neu und anders weitergehen können. Wie schön, dass du da bist.

Ein Wort zu dir als Vater

Danke, dass du dich auf die Reise machst. Aus meinen Beratungen und Erfahrungen in der Praxis weiß ich, dass Väter nicht nur zunehmend interessiert sind, sondern auch viel mehr aktiv in den Alltag mit ihren Kindern eingebunden sein wollen und sind – und dafür auch einiges bewegen und in Kauf nehmen. Viele Paare möchten eine gleichberechtigte Elternschaft leben. Das ist wunderbar. Als ich selbst Mutter wurde, war das anders. Dennoch haben mein Mann und ich die Elternschaft und alles, was damit zusammenhängt, gleichberechtigt geteilt. Denn beide Elternteile sind gleichermaßen wichtig und daher ist dieses Buch für Väter und Mütter gleichermaßen geschrieben. Ich freue mich deshalb umso mehr, dass diese Botschaft bereits bei dir angekommen ist und du da bist. Danke für dein Vertrauen. Ich möchte dich an dieser Stelle explizit ermutigen, die Reise zu dir selbst für dich so zu gestalten, wie es für dich passend ist. Wenn dir Elemente in diesem Buch begegnen, die dir fremd vorkommen – probiere sie einfach aus und wenn sie sich nicht für dich bewähren, dann lass sie erstmal am Wegesrand liegen. Vielleicht passen sie zu einem anderen Zeitpunkt besser. Wenn dir mal etwas zu viel wird und du eine Pause brauchst, dann nimm sie dir. Wichtig ist nur, dass du danach weitergehst, denn es lohnt sich so sehr, dich selbst besser kennenzulernen. Und noch etwas: Bitte sei dabei geduldig mit dir selbst. Ich weiß, dass es verführerisch ist, schnell nach Handlungsalternativen zu greifen, weil du vielleicht schnell zu einer Lösung kommen möchtest. Das verstehe ich. Lösungen wird es auf dem Weg auch geben für dich und euch. Und doch ist es so: Der Weg ist das Ziel. Und: es ist ein Prozess, der etwas Zeit nehmen darf. Dazu gehört auch, von der Kognition in die Emotion, also vom Denken ins Fühlen zu kommen. Wirklich etwas zu fühlen braucht Zeit. Deshalb bitte ich dich um Geduld mit dir selbst und um Vertrauen, dass sich Lösungen zur passenden Zeit ergeben werden. Je besser du dich und dein Kind fühlen und damit emotional verstehen kannst, desto leichter wird sich für dich die Lösungsfindung gestalten, auch, wenn es manchmal unterwegs auf deiner Reise holprig erscheint. Und vergiss nicht: Alles darf, nichts muss. Du bist ok, so wie du bist. Mit allem, was du mitbringst als Mensch, Elternteil, Vater und wichtige Bindungsperson für dein Kind. Wie schön, dass du da bist.

Ein Wort zu euch als Elternpaar

Nun ist es mir noch ein Anliegen, euch auch gemeinsam anzusprechen. Wenn ihr euch jetzt auf den Weg macht und die Reise beginnt, möchte ich euch gerne noch Folgendes mitgeben:

Tauscht euch aus: Es wäre schön, wenn ihr euch regelmäßig als Eltern Zeit miteinander nehmt, über eure Gedanken und Erfahrungen in Bezug auf das, was ihr während eurer Reise zu euch selbst hier in dem Buch erfahrt. Wenn ihr mögt, dann verabredet euch doch jetzt schon immer mal wieder und wenn es nur auf einen Kaffee in der Küche ist.Es ist eine solche Errungenschaft, als Familie heute so bunt und vielfältig zu sein und dass Mütter und Väter auf Augenhöhe zusammenleben können und Elternschaft gleichberechtigt leben. Nicht nur für euch als Eltern- und Liebespaar, sondern auch für eurer Kind. Das braucht euch beide, so wie ihr seid, an seiner Seite als orientierungsgebender Leuchtturm, präsent, authentisch, liebevoll und haltend mit eurem jeweiligen Sosein. Gerade die Unterschiede zwischen euch sind bedeutend, denn davon profitiert auch euer Kind. Und diese Unterschiedlichkeiten haben mich inspiriert, in diesem Buch auch vereinzelt Hinweise explizit für den einen oder anderen in der Elternkonstellation einzuweben. Dies ist nur als ein Angebot zu sehen. Schön, dass ihr euch gemeinsam aufmacht!