Simone Paganini




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Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rosenheim

Umschlagmotiv: © Simone Paganini, © aqua_marinka / iStock / GettyImages
unter Verwendung einer Zeichnung von Esther Lanfermann, Aachen

Die Übersetzungen der Bibelzitate sind vom Autor eigenhändig angefertigt.

Zeichnungen: Esther Lanfermann, Aachen

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern


ISBN E-Book 978-3-451-81804-2

ISBN Print 978-3-451-38493-6


Für Laila

Inhalt

Fake oder nicht Fake? – Erfundene und unwahre Aussagen in der Bibel

1. Das Nichts, aus dem Gott das Universum schuf

2. Die Rippe des Adam

3. Eva und der Apfel

4. Die Keule, mit der Kain seinen Bruder Abel tötete

5. Die Stechmücken auf der Arche Noah

6. Der Regenbogen nach der Sintflut

7. Moses und das Binsenkörbchen

8. Die Katzen im Haus des Pharaos

9. Moses und das Rote Meer

10. Die Hörner des Moses

11. Die Wanne, in der Batseba badete

12. Der Prophet, der die Zukunft vorhersagt

13. Die Jungfrau, die ein Kind gebar

14. Der Komet bei Jesu Geburt

15. Josef, der Zimmermann

16. Mit 33 Jahren …

17. Die Hure Maria Magdalena

18. Der Baum, an dem sich Judas erhängte

19. Der Teufel mit Hörnern und Dreizack

20. Das ewige Höllenfeuer

21. Petrus, der erste Papst

22. Petrus und die Himmelsschlüssel

Literaturhinweise

Der Autor

Die Zeichnerin

Fake oder nicht Fake? – Erfundene und unwahre Aussagen in der Bibel

Die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Bibel beschäftigt schon seit Jahrhunderten Theolog*innen, Kirchenmänner (und auch Kirchenfrauen), Exeget*innen, und viele gläubige Frauen und Männer. Identitätsstiftende Erzählungen wie die Schöpfung der Welt durch einen sprechenden Gott, der Auszug aus Ägypten durch das Rote Meer oder die zahlreichen Wunder Jesu waren bis vor wenigen Jahrzehnten nicht nur Inhalte des christlichen Glaubens, sondern auch Grundlage für die Beantwortung naturwissenschaftlicher und historischer Fragen. Heutzutage gehen Bibelwissenschaftler*innen davon aus, dass die meisten biblischen Texte weder historisch zu verstehen sind noch naturwissenschaftliches Wissen vermitteln wollen. Außerhalb der Bibelwissenschaft wird dies aber leider nur sehr zögerlich wahrgenommen.

Anstatt die aktuelle Forschung wahrzunehmen und sich auf diese Weise ein differenziertes Bild zu verschaffen, gibt es auch heute noch viele Menschen, die auf der »absoluten« Wahrheit der Bibel beharren; sie also fundamentalistisch deuten. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch eine ganze Reihe von Menschen, die der Bibel jeglichen Wahrheitsgehalt absprechen. Beide Gruppen haben in gewisser Weise recht und unrecht zugleich.

Gläubige Menschen, die nach Wahrheit und Sicherheit suchen, vertrauen oftmals so sehr auf die Autorität der biblischen Texte, dass sie meinen, in ihnen Antworten auf all ihre Fragen zu finden. Eine solche Erwartungshaltung ist problematisch. Äußerst schwierig wird es vor allem dann, wenn man vergisst, dass die biblischen Texte nicht nur aus einer anderen Zeit, sondern auch aus einem ganz anderen kulturellen Umfeld stammen.

Aber auch Menschen, die sich auf die Suche nach Erfundenem oder Falschem in der Bibel machen, die sich also – um eine modische Begrifflichkeit zu verwenden – auf die Suche von Fake News konzentrieren, sollten aufmerksam sein, denn die Situation ist auch in diesem Fall alles andere als trivial. Im Alten wie im Neuen Testament gibt es nämlich ganz unterschiedliche Sorten von »Fake News«, die es gut auseinanderzuhalten gilt. Insgesamt unterscheide ich drei Arten: die unechten, die echten und die irrealen Fake News.

  1. Die Kategorie der unechten Fake News erkennen wir heute meistens sofort. Zu dieser Gruppe gehören fast alle naturwissenschaftlichen Aussagen, die man in der Bibel findet. So ist wissenschaftlich längst widerlegt, dass die Erde eine Scheibe ist, um die sich die Sonne dreht, und dass das Universum in sieben Tagen entstanden ist. Auch ist es uns im Jahr 2019 völlig klar, dass es keine zwei Himmel gibt, dass die Fledermaus kein Vogel und der Hase kein Wiederkäuer ist. Und ganz gleich, wie schön das Bild vom Senfkorn auch ist, das Jesus in einem berühmten Gleichnis verwendet, es ändert doch nichts daran, dass das Senf­korn nicht der kleinste aller Samen ist und dass daraus auch keine Bäume wachsen, in denen Vögel ihre Nester bauen können. Solche Aussagen sind nach den heutigen wissenschaftlichen Kenntnissen schlicht und einfach falsch. Zur Entstehungszeit der Bibel entsprachen sie aber dem damaligen Wissensstand. So handelt es sich hierbei streng genommen nicht um Fakes im heutigen Sinne, also um absichtlich vorgetäuschte Informationen, denn die Autor*innen haben diese Falschaussagen nicht beabsichtigt; sie konnten nicht wissen, dass sie faktisch nicht richtig waren.
  2. Die zweite Kategorie ist die der echten Fake News. Darunter fallen alle Texte, die offensichtlich auch für die antiken Autor*innen falsche Aussagen enthalten. Diese zweite Gruppe lässt sich noch einmal in drei Untergruppen unterteilen.

    2.1 Die erste Unterkategorie ist die der echten, legitimen Fake News. Es handelt sich um falsche Aussagen, die absichtlich niedergeschrieben wurden. Hierzu gehören die meisten Angaben über die Autor*innen der biblischen Bücher sowie Beschreibungen von »historischen« Ereignissen. Fälschungen und Plagiate gelten in der Wissenschaft nämlich noch gar nicht so lange als unseriös. In der Antike war ein freier Umgang mit Quellen unproblematisch. So war bspw. das Phänomen der Pseudepigraphie weit verbreitet. Es war quasi gängige Praxis, dass ein unbekannter Autor (es waren in der Tat nur Männer) einen Text verfasste und dann behauptete, die Schrift sei von einer berühmten Persönlichkeit geschrieben worden. So finden wir in der Bibel echte Paulusbriefe und andere Briefe, die Paulus nur zugeschrieben werden, aber mit Sicherheit nicht von ihm stammen. Zudem gibt es Texte, wie das Buch des Propheten Jesaja, die in einem Zeitraum von mehreren Jahrhunderten entstanden sind, also definitiv nicht von ein und derselben Person geschrieben worden sein können. Doch alle Autor*innen dieser großen Gemeinschaftswerke identifizierten sich auch Jahrhunderte nach dem Tod des Propheten noch mit ihm. Die Person, von der das Buch handelt, in diesem Fall der Prophet Jesaja, hat möglicherweise gar nichts Schriftliches hinterlassen. Oder es hat die Person historisch nie gegeben, wie bspw. die Gestalt Moses, der gleich fünf Bücher geschrieben haben soll.
    Ähnliches gilt auch z. B. für die Wiedergabe von historischen Reden. All diese Fakes sind den antiken Autor*innen bewusst gewesen. Ihr Anliegen war es meist nicht, etwas genau so festzuhalten, wie es tatsächlich gesagt worden ist, sondern aufzuschreiben, was diese oder jene Person hätte sagen oder tun können. Wir begegnen also meistens fiktiven Reden oder auch Handlungen, die sich aber durchaus so hätten zutragen können. Vieles von dem, was Jesus in den Evangelien in den Mund gelegt wird, ist der schriftstellerischen Tätigkeit der Evangelisten zu verdanken. Aber nicht nur die biblischen Autor*innen arbeiteten auf diese Weise, auch griechische, römische und jüdische Historiker*innen gingen damals so vor. Diese Fakes scheinen heute problematisch zu sein, für die antiken Autor*innen hingegen waren sie absolut legitim.

    2.2 Des Weiteren gibt es Meldungen, von denen die Autor*innen wussten, dass sie unwahr sind und sie trotzdem verbreiteten. Ich bezeichne sie als echte, absichtliche Fake News. Sie kommen immer dann vor, wenn historische Gegebenheiten, die an sich gut bekannt waren, mit einer bestimmten Intention beschrieben und verfälscht wurden. So wissen wir zum Beispiel aus assyrischen Quellen, dass Omri, ein König Israels aus dem 9. Jh. v. Chr., ein sehr guter König war. Er pflegte Handelsbeziehungen mit vielen Nachbarvölkern und regierte mehr als ein Jahrzehnt in Frieden und Wohlstand. Im biblischen Text finden wir über ihn aber lediglich eine kurze, noch dazu negative Notiz (1 Kön 16,22–28). Der Grund dafür ist, dass Omri offensichtlich andere Gottheiten als den einen Gott Israels anbetete. Die Autor*innen der Bibel verbreiteten daher eine falsche Information über ihn, obwohl sie genau wussten, dass er eigentlich ein kluger und guter König war.
    Auch die biblische Darstellung des Monotheismus – also des Ein-Gott-Glaubens – ist ein solcher absichtlicher Fake. Die biblische Auffassung, der Monotheismus sei seit der Erschaffung der Welt vorgegeben gewesen, ist historisch nicht korrekt. Man weiß heute, dass der Glaube an einen Gott eine relativ späte religiöse Entwicklung ist, die frühestens im 6. Jh. v. Chr. anzusetzen ist. Das muss selbstverständlich auch den biblischen Autor*innen bewusst gewesen sein. Allerdings taten sie so, als ob der Polytheismus, der Mehr-Götter-Glaube, eine spätere Verzerrung des Monotheismus gewesen wäre.
    In diese Kategorie gehört auch der Großteil der Naturwundererzählungen, wie bspw. von Moses, der Plagen über Ägypten kommen lässt, oder von Jesus, der über das Wasser geht und der Brot und Fische vermehrt. Es handelt sich um echte Fakes, denn die Autor*innen wussten sehr wohl, dass Naturwunder nicht ohne Weiteres möglich sind. Außerdem interessierte sie historische Präzision nicht wirklich. Wichtiger war ihnen vielmehr die theologische Botschaft ihrer Texte. Derartige Fake News kommen in der Bibel recht häufig vor.

    2.3 Echte, unbeabsichtigte Fake News sind nicht minder verbreitet. In diese Unterkategorie gehören viele Erzählungen, die erst lange Zeit nach den betreffenden historischen Ereignissen niedergeschrieben wurden. So bspw. wird im Buch Genesis berichtet, dass Abraham viele Kamele besaß. Abraham dürfte nach der biblischen Chronologie um das Jahr 1800 v. Chr. gelebt haben. Die ersten Versuche, Kamele zu domestizieren, sind jedoch erst um das Jahr 1000 v. Chr. belegt. Abraham konnte also noch keine Kamele als Nutztiere gehalten haben. Da die Geschichte Abrahams aber erst im 5. oder 6. Jh. v. Chr. niedergeschrieben wurde, war man sich dessen nicht mehr bewusst, sondern übertrug die eigene Situation auf die Welt von damals. Die Autor*innen gehen hier also ein wenig zu »naiv« mit einem Wissen um, das sie sehr wohl hätten besitzen können. Sie verbreiten Meldungen, die sie nicht eingehender geprüft haben.
  3. Schließlich gibt es noch eine dritte Hauptkategorie, nämlich die der irrealen Fake News. Sie sind die skurrilsten und gleichzeitig bekanntesten Falschmeldungen unserer Traditionsgeschichte biblischer Texte. Es sind sozusagen Fakes von Fake News. In diesen Fällen ist nicht nur die Aussage falsch, nein, sie kommt nicht einmal in der Bibel vor. Diese Fakes sind also nicht direkt in den biblischen Texten zu finden, sondern entspringen der Vorstellung der Menschen, die diese Texte nicht immer aufmerksam genug gelesen, sie an manchen Stellen missverständlich kopiert oder übersetzt haben und so über die Jahrhunderte hinweg zu einer anderen Tradierung beigetragen haben. In vielen biblischen Geschichten vermischen sich aber auch die verschiedenen Arten von Fake News.
    Nehmen wir zum Beispiel die Geschichte von Adam und Eva. Sie kann offensichtlich nicht ganz stimmen, denn die Wissenschaft belegt heute ganz eindeutig, dass die Menschheit nicht aus einem einzigen Paar entstanden ist, sondern sich im Laufe von Jahrtausenden entwickelt hat. Das Urpaar Adam und Eva ist zunächst einmal ein unechter Fake, denn die altorientalischen Autor*innen waren der festen Überzeugung, dass sich die Erschaffung der Menschheit wie beschrieben zugetragen hat. Aber es geht noch weiter: Auch die sprechende Schlange muss ein Fake sein, denn solche Schlangen gibt es nicht. Das ist ein echter absichtlicher Fake. Und dann kommt sozusagen der Fake-Höhepunkt, ein irrealer Fake: Eva beißt in einen Apfel. Dieser berühmte Apfel kommt in der Bibel aber gar nicht vor, sondern wurde viele Jahrhunderte später in die Geschichte hineininterpretiert. Wie genau es zu dieser Falsch­meldung kommt, können Sie in Kapitel 3 nachlesen.
    Im Neuen Testament wird die Lage nicht wesentlich besser, Fake reiht sich an Fake. So bekommt Petrus bspw. den Schlüssel des Himmelreichs nur in einer fiktiven Rede von Jesus übertragen, die erst im Nachhinein Jesus zugesprochen wurde (ein legitimer Fake). Die eigentliche »Schlüsselübergabe« jedoch hat sich faktisch in den Evangelien nie zugetragen (vgl. Kapitel 21). Wenn man bedenkt, dass die Vollmacht der Päpste darauf beruht, wird einem schnell bewusst, welch weitreichende Konsequenzen diese Fakes hatten.

Sie merken, die Beispiele sind so zahlreich, dass man glatt ein Buch darüber schreiben könnte. Genau das ist passiert und Sie halten dieses Buch gerade in den Händen.

Mir geht es hier besonders um die letzte Gruppe von Falsch­meldungen, also um die krasseste Form der Fake News. Es geht um absolut irreale, erfundene Gegenstände, Orte, Tiere, Handlungen und Personen, von denen wir bis heute meinen, sie kämen in der Bibel vor. Mit ein bisschen Einblick in die Sprach- und Literaturwissenschaft, in Archäologie und Geschichtswissenschaft sowie in die Bibelwissenschaft kann man diese Fakes nicht nur beschreiben, sondern meist auch erklären. Diese Fakes machen die biblischen Texte aber nicht zu schlechteren Texten. Wenn man sie identifiziert und einordnen kann, zeigt sich auch heutigen Leser*innen die Vielfalt dieser alten Texte, aus denen wir eine Menge schöpfen können. Dabei kommen auch ihr Reichtum und ihre Schönheit zum Vorschein, was wohl der Hauptgrund dafür sein dürfte, dass diese Texte – Fakes hin oder her – auch heute noch gelesen und als Inspiration wahrgenommen werden.

Mein Zugang zu den Texten ist stets ein wissenschaftlicher, denn ein methodisch sauberer Umgang mit den antiken Schriften ist die einzige Möglichkeit, ihrer Aussageabsicht näher zu kommen. Für Fachleute sind die in diesem Buch vorgestellten Thesen und Theorien weder neu noch überraschend, denn sie sind inzwischen seit Langem allgemein anerkannt. Alle anderen Leser*innen hingegen werden hoffentlich neue oder ungewohnte Sichtweisen entdecken, mit denen sich die Bibel neu lesen und verstehen lässt.

1. Das Nichts, aus dem Gott das Universum schuf

Gott und der Urknall

»Am Anfang erschuf Gott die (zwei)
Himmel und die Erde.
Und die Erde war wüst und leer.«

Gen 1,1–2

Schlagen wir die Bibel auf, so lesen wir als Erstes die Erzählung von der Erschaffung der Welt. Das Erste, was Gott erschuf, ist aber, streng genommen, nicht die Erde, sondern der Himmel. Dies war für die altorientalische Welt der Autoren*innen der Bibel selbstverständlich. Gott schafft also zuerst den Ort, an dem die Götter wohnen. Weil man damals allerdings dachte, die Erde sei eine Scheibe, die vom Himmel ummantelt ist, bildet der biblische Gott zwei Himmel: einen Himmel oberhalb und einen unterhalb der Erde. Das Ganze soll Gott aus dem Nichts getan haben. Bis dahin gab es nur Gott und sonst nichts – so zumindest stellt man es sich meistens vor.

Diese Erzählung, die jahrtausendelang unangefochten als Erklärung für die Entstehung des Universums galt, wurde in modernen Zeiten immer wieder infrage gestellt. So auch von den Naturwissenschaften des 20. Jh., die schließlich die Theo­rien vom Urknall und der Evolution entwickelt haben.

Bereits im Jahr 1950 hatte Papst Pius XII. die Evolutionstheorie als eine ernst zu nehmende Hypothese bewertet. Doch erst Anfang der 1990er-Jahre akzeptierte Papst Johannes Paul II. die wissenschaftliche These des »Urknalls« endgültig. Somit machte er die Evolutionstheorie als möglichen Anknüpfungspunkt für die Existenz Gottes, der aus dem Nichts den Urknall und somit die Entstehung des gesamten Universums bzw. den Anfang der Evolution anstupste, auch in kirchlichen Kreisen gesellschaftsfähig.

Es ist eigenartig, dass dieser Prozess so lange gedauert hat. Bereits im Jahr 1931 hatte ein katholischer Priester und Astrophysiker aus Belgien die These vertreten, dass sich aus einem einzigen Uratom, dem »kosmischen Ei«, das gesamte Universum entwickelt habe. Es war Georges Lemaître, der seine Theorie erstmals auf einer Tagung zu Naturwissenschaft und Spiritualität vorstellte. Übrigens, auch Albert Einstein ließ sich damals trotz anfänglicher Skepsis vom redegewandten Lemaître überzeugen.

Seine Gegner, die die damals gerade entstandene Theorie lächerlich machen wollten, sprachen vom »Urknall«. Dieser Begriff hat sich durchgesetzt. Das Phänomen, das sich dahinter verbirgt, lässt sich nach heutigem Wissensstand relativ gut datieren: Es passierte vor ungefähr vierzehn Milliarden Jahren. Davor gab es nichts, keine Zeit, keine Materie, keine Energie und keinen Raum. Daher lässt sich dieser Zustand nicht wirklich wissenschaftlich untersuchen, was ihn für Naturwissenschaftler*innen physikalisch uninteressant macht.

Möglicherweise war er aber auch für die ersten Theolog*­innen, die über Gott als Schöpfer nachgedacht haben, völlig irrelevant. Irenäus von Lyon, später Augustinus und vor allem Luther wollten keine Aussagen über die Entstehung des Kosmos machen, sondern allein die Eigenschaften Gottes beschreiben. Luther sah dabei die Fähigkeit, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, als ein wesentliches Merkmal der Natur Gottes an und hat sich sehr dafür stark gemacht. Der Glaube an das »Nichts« blieb somit bestehen. Seit dem 2. Jh. n. Chr. war die Vorstellung von der Erschaffung der Welt aus dem Nichts eine selbstverständliche Voraussetzung und bestimmte die christliche Rede von der Schöpfungstätigkeit Gottes.