Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Epilog
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1969
Grausame Götter
Er ist ein Glaubenskrieger – die Religion ist seine Waffe
von Ernst Vlcek
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Als Mhogena, der Fünfte Bote von Thoregon, über die Brücke in die Unendlichkeit ins Solsystem zu den Terranern kam, hoffte er auf die Hilfe der Menschheit. Sein Volk, die wasserstoffatmenden Gharrer, ist nämlich von einer ungeheuren Gefahr bedroht: Invasoren haben die Galaxis Chearth angegriffen und das Verderben über zahlreiche bewohnte Planeten gebracht.
Die Invasoren beabsichtigen zudem, den geheimnisvollen Sonnentresor zu öffnen. Wenn sie dies tun, werden die Guan a Var ausbrechen, die Sonnenwürmer – und das würde über kurz oder lang den Tod aller Wesen in der Galaxis bedeuten.
Hinter der Attacke steckt offensichtlich Shabazza, der Gegenspieler der Koalition Thoregon. Seine Machenschaften sorgten bereits in der Milchstraße und anderen Galaxien für Tod und Vernichtung.
Mhogena errang bei seinem Besuch auf der Erde nur einen kleinen Erfolg. Aus der Milchstraße brach eine winzige Hilfsflotte auf: die GILGAMESCH unter Befehl des Arkoniden Atlan und zehn Kampfschiffe der Maahks.
Mit dieser bescheidenen Streitmacht nimmt Atlan den Kampf gegen die Invasoren auf. Immerhin konnten erste Erfolge verzeichnet werden. Einer davon betrifft die Gefangennahme des Anführers der Algiotischen Wanderer.
Vil an Desch entwickelt sich zu einer wichtigen Person im Kampf um Chearth, und er liefert zudem wichtige geschichtliche Informationen. Hintergrund des tazolischen Glaubens sind nämlich GRAUSAME GÖTTER ...
Vil an Desch – Der Tazole berichtet aus seinem Leben und aus der Geschichte seines Volkes.
Vincent Garron – Der Mutant hat Kontakt zu einem merkwürdigen Wesen.
Mhogena – Der Gharrer verhandelt mit dem ranghohen Gefangenen.
Myles Kantor – Der Multiwissenschaftler verfolgt mit Sorge die Aktivitäten der Algioten.
Tuyula Azyk – Das Bluesmädchen wird zum Rettungsanker Garrons.
Montag, 24. Januar 1291 NGZ
Er hatte einfach wegmüssen. Fort von diesem harten Schwarzweiß. Fort von der kalten Farblosigkeit, die wie ein Vibratormesser in seinen Geist schnitt und ihn wie ein Moloch aufzufressen drohte.
Hier bist du verloren, Vince, hatte ihn eine innere Stimme eindringlich gewarnt. Es war nicht die von Quotor, dem überwundenen Dämon, sondern die von jemand anders in ihm. Nichts wie weg von hier! Los, lass uns fliehen.
Auf einmal war ihm alles so fremd und bedrohlich geworden. Selbst vertraute Dinge und Personen. Vor allem Personen. Sie hatten sich auf beängstigende Weise verändert, waren nicht mehr sie selbst. Auch Tuyula Azyk, vor allem sie. Und alles war von diesem Julio Mangana ausgegangen.
Er hatte Angst gehabt, von seinen Feinden festgenagelt zu werden. Und er war in Panik geflohen.
Soviel Kraft hatte er gerade noch, um irgendwohin teleportieren zu können. Nein, nicht irgendwohin, sondern dorthin, wo seine Farbenblindheit teilweise aufgehoben wurde. Das war sein Bezugspunkt. Darauf war er fixiert. Er hatte zu diesem Ort der Farben eine starke Affinität. Stärker als zu allen früheren Verbindungen.
Obwohl es wunderlich genug war: Früher hatte er Farben gehasst, hatte sie in einem Fall sogar versucht auszumerzen. Mirkandol, tauchte ein Gedanke in seinem Bewusstsein auf. Die Solmothen. Doch der Gedanke verschwand rasch.
Tuyula war so anders geworden, Mhogena zu einem dominanten Schreckgespenst. Nur hier war er zu Hause, hier fühlte er sich geborgen.
Aber als er den angestrebten Fluchtpunkt erreichte, konnte er keine Farben entdecken. Er sah überhaupt nichts. Er wartete darauf, dass die Farben wie früher auf ihn zukämen, aber nichts passierte.
Er rief seinen unbekannten Begleiter an, den er in sich trug. »Ausdruck einer schizophrenen Persönlichkeit« hätte es Mangana genannt. Aber was wusste der Mediker schon!
Doch auch der unbekannte Begleiter meldete sich nicht. In erneut aufkommender Panik wollte er zurück an Bord der MERLIN fliehen. Doch dafür reichten seine Kräfte nicht mehr. Er konnte nirgendwohin mehr springen, er war verloren, saß hilflos irgendwo zwischen den Dimensionen fest.
Weine, Vincent, weine Tränen des Regenbogens!
Und es half. Auf einmal lichtete sich das Nichts, und ein schwacher Farbtupfer materialisierte. Er flackerte, erlosch, glomm an anderer Stelle wieder auf, wurde intensiver, auch größer – und erlosch wieder.
Vincent wusste nicht, was er tun konnte, um die Farbquelle zu halten. Er zwinkerte, obwohl er gar nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob er überhaupt einen Körper besaß. Aber er konnte denken, dass er zwinkerte. Und mit den gedachten Augenlidbewegungen erschien der Farbtupfer erneut und tanzte im Rhythmus des imaginären Liderklimperns.
Die Farbquelle wurde stärker, war zwar verschwommen, aber: Was soll's? Hauptsache, da sind Licht und Farben – und ich kann sie sehen. Also bin ich nicht ganz verloren.
Es war zuerst nur eine einzelne Farbquelle. Dann kamen weitere hinzu. Vince hatte das alles schon so ähnlich erlebt. Die Sache war also nicht neu für ihn, aber immer wieder faszinierend und berührend. Ergriffen sah er dem Spiel der Farben zu, fühlte sich dabei wohlig müde werden.
Er wusste, woher die Müdigkeit kam. Er hatte es schon lange gewusst. Schon seit er beim Sonnentresor angekommen war. Es war der Sonnentresor, der ihm seine Kräfte entzog. Oder irgend etwas, das mit dem Sonnentresor zu tun hatte.
Er wusste, dass dieses Etwas ihn aussaugte – und dennoch konnte er seiner Faszination nicht widerstehen. Es übte, vermutlich durch seine Lockfarben, eine magische Anziehungskraft auf ihn aus.
Vincent Garron war diesem Etwas schon sehr nahe gewesen, näher als jetzt, in diesem Moment. Und doch hatte er keine Ahnung, worum es sich dabei handelte. Aber er würde es erfahren. Und wenn es ihn den Rest seiner Lebenskraft kostete.
Plötzlich waren die Farben wieder weg.
Gleichzeitig machte sich der andere in ihm bemerkbar. Für Vincent war auf einmal klar, dass der andere es war, der die Farben vertrieben hatte.
Wer bist du?, wollte er von der fremden Persönlichkeit wissen. Er dachte an Quotor. Dr. Mangana hatte erklärt, es sei nicht ganz auszuschließen, dass die Quotor-Persönlichkeit noch immer in ihm schlummere.
Aber der andere sagte: Ich bin Soboth. Dein Retter. Du darfst dich von diesen gierigen Farben nicht aufsaugen lassen.
Aber genau das wollte Vincent: in die Welt der Farben eingehen. Nur gab es für ihn ein Problem. Solange Soboth wach war, traten die Farben nicht in Erscheinung.
Sein Körper wurde immer schwerer. Ein ungeheures Gewicht lastete auf seinem Brustkorb. Er fühlte sich, als würde es ihm das Gehirn im Unterleib zusammenpressen. Sein Gesicht schien wie Brei nach unten zu fließen. Es quetschte ihm die Augen förmlich in die Höhlen, wie weit er sie auch aufzureißen versuchte.
Sein Kopf war an die Rückenlehne geschnallt, sonst würde der Andruck ihn nach unten drücken und ihm womöglich das Genick brechen. Die Anzeigen der Instrumente vollführten vor seinen Augen einen verrückten Tanz, zuckten auf und ab, sprangen so rasend hin und her, dass er sie mehrfach sah. Und das alles wurde untermalt vom Brüllen der Triebwerke.
Die gesamte Rakete war von einem gnadenlosen Rütteln erfasst, während sie gegen die Barriere ankämpfte, die die Götter um den Planeten gespannt hatten. Als wollten sie die Sterblichen ermahnen: Bis hierher und nicht weiter!
Würden die Götter das zerbrechliche Werk ihrer Untertanen zermalmen? Nymene, lass es nicht geschehen! Lass uns diesen Schritt tun und gewähre uns einen Blick in die Welt der Sterne.
Und die Rakete hielt, kämpfte weiter tapfer gegen die unsichtbare Mauer der Gravitation an.
Der Schmerz in seinem gequälten Körper war übermächtig geworden. Er fürchtete, das Bewusstsein zu verlieren. Darum schrie er mit aufgesperrtem Mund, es war so laut, dass er sogar die Triebwerke übertönte und die Taubheit seiner Ohren durchbrach.
Er klammerte sich seit dem Start an sein Liandos. Hielt es mit jeder Hand an einem der drei Enden fest, um Kraft aus seiner Gebetsschnur zu schöpfen. Er hätte es gar nicht loslassen können, denn die auf die Armlehnen gepressten Hände hatten sich im Krampf darum geschlossen.
Sie hatten ihn vor dem Start ausgiebig in Elcoxol gebadet. Das hatte ihm die Kraft gegeben, diese unglaublichen Belastungen zu überleben. Gleichzeitig hatte ihn das Elcoxol sensibel für Botschaften der Götter gemacht. Doch diese zeigten sich nicht. Der Schmerz hatte alle Empfänglichkeit in ihm abgetötet.
Und dann war es vorbei. Die Triebwerke verstummten, sein Schrei verklang. Die Last seines mehrfachen Körpergewichts verpuffte. Er fühlte sich auf einmal so leicht, dass er meinte, schweben zu können.
Er hatte die Anziehungskraft seines Heimatplaneten überwunden. Er hatte sich erfolgreich gegen die Kraft der Götter gestemmt, mit der sie ihn auf Tazolar festzuhalten versuchten. Aber tazolischer Erfindergeist hatte gesiegt, und nun war er in das Reich der Götter vorgedrungen.
Und dann, o Wunder, schwebten die edlen Steine des Liandos in sein Blickfeld. Sie hatten sich von der Gebetsschnur befreit und glitten majestätisch an ihm vorbei. Er blickte auf die Armlehne hinab, auf der seine Hände immer noch in Verkrampfung ruhten, die Enden des zerrissenen Liandos umspannt. Die 123 schwebenden Steine des Liandos vollführten einen faszinierenden Reigen – wie ein Tanz der Götterwelten in einem Planetarium.
Und nun, entspannt und erleichtert, da alles überstanden war, hatte er ein Gesicht. Bei der Betrachtung eines jeden Steines sah er die Erscheinung des dazugehörigen Gottes. Er erblickte Vaari auf seiner Jagd durch das Sternenmeer; Nachto, wie er seine Blitze schleuderte und so die Sterne funkeln ließ; er begegnete dem Götterboten Jedodehu, der seine Botschaften mit lichtschnell geschleuderten Speeren oder Pfeilen verschoss – und Nymene, wie er wohlwollend seinen Schild schützend um ihn hielt, auf dass die zerstörerischen Kräfte fast wirkungslos an ihm abprallten.
Für einen Moment glaubte Tarimgor wahrhaftig, einen der Speere Jedodehus hinter dem Bullauge durchs All flitzen zu sehen ...
Er dankte Nymene inbrünstig, dem Gott, unter dessen Schutz er geboren worden war, dass er ihm den Zutritt ins tazolische Pantheon nicht verweigert hatte.
Im Angesicht der Ewigkeit, den Göttern so nahe, stellte sich ihm die ewige Frage: Warum nur hatte Gaintanu sein Volk verlassen?
»Hier Bodenstation Arvangon. Bodenstation Arvangon ruft VANGIS-8. VANGIS-8, bitte melden!«
Die Stimme aus dem Sprechfunkgerät traf ihn wie ein Schlag mit der Silengis. Als würde die Zuchtpeitsche durch die Kabine knallen und seine schöne Vision zerstören. Ernüchtert fand er in die Wirklichkeit zurück.
»Hier VANGIS-8«, sprach er ins Mikrofon. »An Bord alles in Ordnung. Ich schwebe wie körperlos im Reich der Götter.«
»Gratulation zu diesem Erfolg, Tarimgor«, sagte der Funker der Bodenstation. »Du bist der erste Tazole, der die Schwerkraft überwunden hat. Nun musst du den Tatsachen ins Auge blicken. Wenn du nicht die nötigen Kurskorrekturen vornimmst, findest du dich schnell auf der Oberfläche von Tazolar wieder. Aber so platt, dass dich die Götter nicht wiedererkennen werden.«
»Verstanden«, sagte Tarimgor eilfertig. »Ich bin bereit. Sagt mir, was ich zu tun habe!«
Tarimgor befolgte die Anweisungen der Bodenstation gewissenhaft. Aber es dauerte schier eine Ewigkeit, in der er an die hundertmal die Steuerdüsen betätigen musste, bis er die Raumkapsel auf Kurs hatte.
»Das hast du gut gemacht, Tarimgor«, kam schließlich die erlösende Meldung, »und dir dreiundvierzig Planetenumkreisungen verschafft. Das ist das Maximum. Genieße es!«
Aber daran war natürlich nicht zu denken. Die Wissenschaftler hatten nämlich eine Fülle von Testserien entwickelt, die Tarimgor in der Folge absolvieren musste und die ihn in Atem hielten. Um alle seine Aufgaben ausführen zu können, hätte er vermutlich tausend Umkreisungen benötigt.
Aber um wenigstens die wichtigsten erledigen zu können, trieben ihn die Wissenschaftler zu höchster Eile an. Tarimgor kam so in Stress, dass er sogar vergaß, wo er sich befand.
Erst als die Wissenschaftler ihre Befehlsfolgen abrupt unterbrachen und Tarimgor angekündigt wurde, dass der oberste Scoctore Aliv an Gome ihn kontaktieren wolle, entsann er sich wieder, dass er sich im Schoß der Götter befand.
»Die Welt ist stolz auf dich, Tarimgor«, erklang die vibrierende Stimme des Scoctoren. »Nur jemand, der rein an Geist und Körper ist, konnte ihre Gunst erringen und Einlass in ihr Reich erlangen. Sag uns, was du in diesem einmaligen Moment empfindest, die Welt hört dir zu.«
Tarimgor sah aus dem Bullauge, um Eindrücke zu sammeln und diese in entsprechende Worte kleiden zu können. Was er sah, überwältigte ihn förmlich. Die Myriaden Lichter und Lichterketten der Sterne, die ihn förmlich ansprangen und blendeten – und doch so unerreichbar waren. Die leicht gebogene Scheibe von Tazolar; und der Mond Ramsoh, der sich hinter Tazolar hervorgeschoben hatte und voll im Sonnenlicht stand, unglaublich gewaltiger als durch die trübende Planetenatmosphäre gesehen, mächtig wie die Göttin selbst, die ihn zu ihrem Sitz erwählt hatte.
Doch er konnte er diese Eindrücke nicht in Worte umsetzen, es hatte ihm schier die Sprache verschlagen.
»Es ist überwältigend«, stammelte er. »Ich spüre den Hauch der Ewigkeit ... Ich war den Göttern noch nie so nahe ... Nymene hat mich getragen ... Ich sah Vaari auf der Jagd durch den Sternendschungel ... und Ramsoh voller gebärenden Lebens wie gerade ...«
Tarimgor war sich während des Sprechens bewusst, dass er lediglich Plattheiten von sich gab, anstatt vor göttlichen Lebensweisheiten überzuquellen, wie es von ihm erwartet wurde. Und dieses Wissen um sein Unvermögen trieb ihn in einen Teufelskreis ewiger Wiederholungen. Tarimgor wünschte sich, dass die Götter ihn für sein klägliches Versagen auf der Stelle bestrafen sollten.
»Du hast dein Leben gelebt, Tarimgor«, erklang da die Stimme des obersten Scoctoren Aliv an Gome. »Und du hast, was noch keinem Tazolen zuvor gegönnt war, den Göttern ins Antlitz geblickt. Nun darfst du für immer zu ihnen heimkehren. Geh auf deiner letzten Planetenumkreisung in dich, Tarimgor, und bereite dich auf deine letzte Reise vor! Sei stark, Tarimgor, die Götter sind bei dir.«
Tarimgor war nicht bewusst gewesen, dass bereits so viel Zeit vergangen war. Aber obwohl sich sein Leben mit seiner Flugbahn dem Ende zuneigte, fühlte er sich fast erleichtert. Es war überstanden. Er hatte schon beim Start gewusst, dass er nicht lebend zur Oberfläche des Planeten zurückkehren würde. Er sollte den Göttern geopfert werden, und er wollte dieses Opfer mit Freude darbringen.
Die kleine Kapsel konnte sich der göttlichen Kraft der Gravitation nicht länger mehr widersetzen. Sie wurde von ihr unerbittlich hinabgezogen zur Oberfläche des Planeten. Als sie in die oberen Atmosphäreschichten von Tazolar eintauchte, war es für Tarimgor längst vorbei mit der Schwerelosigkeit.
Die kleine Raumkapsel glühte auf wie ein Feuerball. Die Luft erhitzte sich unglaublich schnell auf Temperaturen, die ihn zu verbrennen schienen. Er schloss mit dem Leben ab. Mit seinen letzten Gedanken bat er die Götter um Verzeihung für seine Sünden, und er fand Trost darin, dass er im Tode am Himmel von Tazolar heller als jeder Stern strahlen würde.
Doch es kam anders. Tarimgor stellte verblüfft fest, dass seine Fallgeschwindigkeit gebremst wurde und die Schwerelosigkeit zurückkam. Gleichzeitig verschwand das Glühen vor dem Bullauge, und die Temperatur normalisierte sich. Als er auf der Suche nach der Ursache für dieses Phänomen durch das Bullauge blickte, entdeckte er ein fremdes Objekt. Es war geformt wie ein mächtiger Speer. Während er mit der Raumkapsel darauf zuglitt, versuchte er verzweifelt, Kontakt mit der Bodenstation zu bekommen. Aber die Leitung war tot.
War das speerförmige Gebilde vor ihm, das immer größer wurde und mit seinen gigantischen Maßen das Bullauge längst sprengte, die Fähre der Götter, mit der sie ihn zu sich holen wollten?
Es knackte im Lautsprecher, und eine Stimme mit seltsamem Akzent ertönte: »Hab keine Angst, Tazole! Wir kommen von fernen Sternen und sind deinem Volk wohlgesinnt.«
*
Sie nannten sich Urungaber und besaßen bereits seit Jahrhunderten die überlichtschnelle Raumfahrt. Irgendwann vor Jahrzehnten waren sie auf einem ihrer Forschungsflüge auf eine paradiesische Welt gestoßen, ein wahres Juwel unter den bewohnbaren Planeten der Galaxis Algion. Doch zu ihrem größten Bedauern war er von Intelligenzwesen bewohnt, die in ihrer Entwicklung knapp vor dem Sprung ins All standen.
Bei dieser Welt handelte es sich um Tazolar, die Heimat der Tazolen.
Die Urungaber griffen nicht in die Evolution der Tazolen ein, sondern übernahmen die Rolle von unbeteiligten Beobachtern. Erst als die Tazolen ihren ersten Astronauten in den Orbit ihrer Welt schossen, griffen die Urungaber ein und retteten ihn beim Rücksturz in die Atmosphäre vor dem sicheren Tod.
Darin sahen tazolische Theologen den ersten frevlerischen Eingriff der Ungläubigen in eine religiöse Handlung der Tazolen. Und dieser Akt wurde später gewissermaßen zur Ursünde der Urungaber. Sie hatten kein Recht, Tarimgor vor dem rituellen Tod zu bewahren und sich auf diese spektakuläre Weise in Szene zu setzen.
Die Urungaber sahen das freilich anders.
Sie waren plumpe Wesen mit tropfenförmigen Körpern, mit zwei kurzen Beinen am unteren verdickten Körperende, einem fast runden Kopf an der Tropfenspitze des Körpers, aus dem eine Art Rüssel ragte, ihr Sprech- und Geruchsorgan, mit dem sie auch Nahrung aufnahmen. Um diesen Kopf waren sie im Durchschnitt größer als die Tazolen. Unterhalb des Kopfes ragten zwei vergleichsweise lange, schlanke Arme aus ihrem verjüngten Oberkörper, die in prankenartigen Händen mit drei dicken Fingern endeten. Verblüffenderweise waren diese wulstigen Finger überaus geschickt.
Das mächtige, achthundert Meter lange Speerraumschiff blieb im Orbit des Planeten zurück, während eine Delegation von zwanzig urungabischen Würdenträgern mit einem Beiboot landete und den Tazolen voller Stolz den geretteten Tarimgor übergab.
Die Urungaber verstanden nicht, warum kein Tazole über diese Rettung glücklich war und am allerwenigsten Tarimgor selbst. Dabei hätten sie es eigentlich besser wissen müssen, denn sie hatten die Tazolen und ihre Religion seit Jahrzehnten erforscht und kannten die Regeln. Sie wollten sie jedoch mit Absicht nicht akzeptieren, denn sie sahen sich als Aufklärer, als Missionare ihrer eigenen Weltanschauung.
»Nach langer Beobachtungszeit und reiflichen Überlegungen sind wir zu der Ansicht gekommen«, verkündete ihr Anführer Vegh Ishtangosson, »dass die Tazolen würdig sind, in das Sternenreich der raumfahrenden Völker von Algion aufgenommen zu werden. Die oberste Bedingung, die Raumfahrt aus eigener Kraft zu entwickeln, habt ihr erfüllt. Wir dürfen uns nun gestatten, die Tazolen in die Geheimnisse der überlichtschnellen Raumfahrt einzuweihen.«
Was Vegh Ishtangosson den Tazolen als großzügige Geste der selbstlosen Entwicklungshilfe darstellte, geschah in Wirklichkeit nicht aus Uneigennützigkeit, wie sich später herausstellen sollte. Denn die Vereinigung der raumfahrenden Völker Algions war keineswegs zu einer Einheit verschmolzen, sondern ein ungeordneter Haufen von Völkern, von denen jedes seine eigenen Interessen verfolgte.
Vegh Ishtangosson fuhr fort: »Wenn man den Tazolen auch großzügig zugestehen mag, dass sie die technischen Bedingungen erfüllt haben, kann man nicht umhin festzustellen, dass es ihnen an kosmischer Reife mangelt. Doch ist dies ein vergleichsweise geringfügiges Problem, das sich durch entsprechende Aufklärungsarbeit ausräumen lässt. Dafür werden wir Urungaber bürgen.«