DER BRAND
EINE NIEDERLAUSITZER LANDSCHAFT MIT TRADITION UND ZUKUNFT
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Inhalt
1. Eine Landschaft stellt sich vor
Südlich von Berlin liegt zwischen dem Unterspreewald und der kleinen märkischen Stadt Golßen der Brand. Die Vielfalt der Landschaft ist beeindruckend. Neben dem Wald, hauptsächlich Kiefern, prägen die eiszeitlich entstandenen kleinen Heideseen, der Luchsee und der Wehla-Berg dieses Stück brandenburgischer Erde. Wanderungen und Radtouren bieten sich auf einem gut ausgebauten Wegenetz an. Dazu gesellen sich mehrere interessante Orte mit ihren Sehenswürdigkeiten und einer bodenständigen Gastronomie rund um den Brand. Groß Wasserburg, Köthen, Briesen und Krausnick sind schon lange beliebte Urlaubsorte und Ausgangspunkt für Aktivitäten naturverbundener Zeitgenossen. Mit Tropical Islands kam in den letzten Jahren ein bedeutendes touristisches Reiseziel auf den Brand.
Bereits aus der Bronzezeit sind Siedlungsnachweise vorhanden. Ein Urnengrab mit seiner reichhaltigen Ausstattung in der Nähe von Krausnick belegt die Anwesenheit der sogenannten Lausitzer Kultur über einen längeren Zeitraum.
Der Brand, keiner kann so richtig sagen wann und warum diese Landschaftsbezeichnung entstanden ist. Wie immer in derartigen Fällen gibt es unterschiedliche Interpretationen: Waren es Brandrodungen der Siedler, gaben Schäfer diesem Fleckchen Erde seinen Namen, oder bezeichneten die adeligen Standesherren aus Krausnick, Waldow und Oderin diesen Landstrich so? Soviel ist jedenfalls klar, das ehemalige Grenzland zwischen Sachsen und Preußen wird seit mehreren Jahrhunderten der Brand genannt. Heute kennen wir ihn nur großflächig bewaldet. In früheren Zeiten herrschte dagegen eine karge Heideland-schaft vor. Bereits weit vor dem 17. Jahrhundert bestanden keine groß-flächigen Waldungen mehr zwischen Unterspreewald und Fläming. Die intensiv betriebene Weidewirtschaft, Rodungen zur Gewinnung von Ackerland, die extensive Holznutzung schufen im Mittelalter riesige waldfreie Gebiete in ganz Deutschland. Einer derartig umfassenden Nutzung sind auch die ehemaligen Kiefern-, Stieleichen-, Birken- und Hainbuchenbestände auf dem Brand zum Opfer gefallen. Waldweide verstärkte diesen Prozess noch zusätzlich. Solche Eingriffe in die Natur hinterließen eine Heidelandschaft mit vereinzelten lichten Baum- und Strauchgruppen von Ginster, Wacholder, Birken, Eichen und Kiefern. Die Karten der Landvermesser ÖDER und ZIMMERMANN 1 von 1586 bis 1614 im Auftrage des sächsischen Kurfürsten und der Besitzer der Herrschaft Baruth erstellt, bestätigen den geschilderten damaligen Zustand. Im Mittelalter war der Wald Rohstofflieferant Nummer eins. Deshalb war die Erfassung des Waldbestandes für die Besitzer der Ländereien so bedeutsam und im Ergebnis auch gewinnbringend gewesen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die von RUDOLF LEHMANN in seinem Beitrag „Brandenburg-Preußen und die Niederlausitz“ wiedergegebene Karte des „Krumspreeischen Kreises oder Lübbenische“.2 Auf dieser Karte des 17. Jahrhunderts ist von den Dörfern Köthen, Krausnick, bis hin nach Teupitz kein Wald einge-zeichnet. Nur die Krausnicker Berge waren mit einem lichten Baumbestand ausgewiesen. Erst mit der Separation, der Ablösung der Hutungsrechte, erfolgte eine verstärkte forstwirtschaftliche Nutzung. Aufforstung war ab ca. 1840 das Gebot der Zeit.
Gleich hinter den zur Gemarkung von Groß Wasserburg gehörenden Heideseen, mit dem etwas abseits gelegenen Luchsee nahe bei Krausnick und den beiden Seen vor Oderin und Briesen liegt der Brand, wie von ihnen umrahmt. An seinen Rändern finden wir die Dörfer Schönwalde, Krausnick, Groß Wasserburg, Köthen, Oderin, Briesen, Staakow, Rietzneuendorf und Waldow bei Brand. Fast könnte man annehmen, dass das Synonym von der „Brandenburgischen Streusandbüchse“ hier geprägt wurde. Ein Stück Endmoräne, die Krausnicker Berge und dem westlich vorgelagerten Sander, auf dem sich der eigentliche Brand befindet, sind Überbleibsel der vor 20.000 Jahren endenden letzten Eiszeit. Ein 500 bis 1.000 Meter dicker Eispanzer bedeckte ca. 500.000 Jahre diesen Landstrich. Das Baruther Urstromtal schließt im Westen an. Nach heutigem Erkenntnisstand wurden die Krausnicker Berge und der Sander durch mehrmalige Gletschervorstöße gebildet. Nur dadurch konnten sich die kleinen Seen mit dem größeren Köthener See bilden. Der letzte Gletschervorstoß schuf dann das heute erkennbare Landschaftsbild. Aus zwei Gletschertoren ergossen sich gewaltige Schmelzwasserflüsse. Ein Tor lag in Höhe des heutigen Luchsee und das Zweite in der Nähe des späteren Bunten Stieles. Damit wird auch erkennbar, diese Sedimentablagerungen, die heutigen Krausnicker Berge, haben bei dem letzten Gletschervorstoß bereits bestanden. Wer dem alten Fahrweg von Krausnick nach Märkisch Buchholz folgt, bemerkt zwischen Luchsee und Bunten Stiel einen sehr kräftigen Landschaftsanstieg. Sandablagerungen trennte somit die Abflussrichtung der Schmelzwasser. Einmal floss das Schmelzwasser in Richtung des Baruther Urstromtales und der zweite Schmelzwasserstrom ergoss sich in Richtung des heutigen Köthener Sees. Übrig geblieben sind die heutigen Heideseen und das Kesselmoor mit seinem Luchsee. Immer wieder begegnet uns Sand auf dem Brand. Woraus besteht er eigentlich und woher stammt er? Feldspat, Quarz und Glimmer das vergess ich nimmer, so lernten Generationen von Schülern die Bestandteile des Sandes in den Schulen der Branddörfer. Je mehr Quarz in den Sedimenten enthalten ist, um so heller werden sie. Deshalb auch die häufig sehr helle Farbe des feinen Sandes. Aus dem Norden Europas brachten die Gletscher Felsgestein mit, zermahlten es unterwegs und lagerten das dabei entstandene Ergebnis, den Sand, auch hier ab. Eiszeitliche Sedimentablagerungen bilden somit den Brand. Unübersehbar erheben sich diese Sedimente in Form der Krausnicker Berge über den angrenzenden Unterspreewald. Aus allen Richtungen fällt der Blick auf den 144 m hohen Wehla-Berg mit seinem neuen Funk- und Brandbeobachtungsturm, einem 2003 übergebenen Aussichtsturm und dem alten Feuerwachturm aus DDR-Zeiten. Wer den Aussichtsturm ersteigt, was für ein Rundblick bietet sich ihm dann: Vom Neuendorfer See über Märkisch Buchholz, den Brand bis Oderin und Briesen schweift das Auge und endet schließlich bei der Tropical Islands Halle.
Abb. 1 - Kiefern, Kiefern, Kiefern, soweit das Auge blickt
Heute begrenzt die in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Eisenbahnstrecke Berlin – Cottbus – Görlitz und eine in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entstandene Autobahn dieses Gebiet am deutlichsten in westlicher Richtung. Die Bahnstation bei Briesen und Staakow erhielt den Namen Brand verliehen. Sie war für die umliegenden Dörfer von großer Bedeutung und auch ein Impuls für deren wirtschaftliche Entwicklung. Mit der Bahn erreichten die Bauern ihre traditionellen Märkte in Berlin noch schneller. Damals war der Bahnhof Brand ein bedeutender Umschlagplatz für alle möglichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse. 1958 lebten in dem Flecken Brand 52 Einwohner.3 Die Angaben betrafen die paar Häuser rund um den Bahnhof. Ursprünglich wurde der rasche Bau der Berlin - Görlitzer - Eisenbahn auch unter militärischen Prämissen gefördert und letztendlich gebaut. Schließlich stand eine militärische Auseinandersetzung zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland auf der Tagesordnung. Schlesien und Böhmen konnten so schneller erreicht werden. Später erfolgte ein gezielter Ausbau der Gleisanlagen gemeinsam mit der Einrichtung des deutschen Flughorstes 1936/38. Die alten Gleisanlagen zeugen von einem regen Güter- und Personenzugverkehr. Erst mit der 2011 beendeten Modernisierung der Bahnstrecke erfolgte der Rückbau der Gleisanlagen.
Abb. 2 - Die ursprünglichen Gleise des Bahnhofs Brand
Abb. 3 - Die Gleise im Bahnhof Brand für 160 km/h zugelassen
Die Region rund um den Brand wurde und wird hauptsächlich durch Landwirtschaft geprägt. Großflächige Weidewirtschaft um die Dörfer Krausnick, Groß Wasserburg, Köthen oder Briesen, Ackerbau zwischen Rietzneuendorf, Waldow und bis hin nach Schönwalde zeugen vom Bauernfleiß. In den Jahren nach 1989 entwickelt sich der Tourismus immer stärker zu einem wichtigen ständig wachsenden Wirtschaftszweig Tropical Islands und der Unterspreewald sind heute bekannte und anerkannte Urlaubs- und Erholungsziele Deutschlands. Erwähnt werden muss dass bereits vor über 100 Jahren die ersten “Sommerfrischler”, so bezeichnete man die Urlauber und Wanderer, Entspannung und Erholung in den Dörfern am Rand des Brand suchten. Das Angeln und Wandern war hauptsächlich angesagt. Diese Entwicklung hielt bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges an.
Auch darauf soll hingewiesen werden, erst in Folge der einsetzenden massiven militärischen Nutzung begann eine verwaltungsmäßige, wirtschaftliche und demografische Umprofilierung der angrenzenden Orte. Eine solche Entwicklung, mit den dadurch entstandenen unter-schiedlichen Interessen, führte letztendlich auch zu einem Auseinanderleben der Bevölkerung rund um den Brand. Hinzu kam, dass mit dem Bau der Autobahn eine direkte Zufahrt von den Dörfern Waldow bei Brand, Rietzneuendorf und Friedrichshof stark behindert war. Vor allem nach dem II. Weltkrieges entwickelte sich dieses Gebiet, fast könnte man sagen, wieder zum Grenzland. Jetzt allerdings zwischen den DDR-Bezirken Potsdam und Cottbus. Drei Kreise, Königs Wusterhausen, Luckau und Lübben teilten sich damals die Region verwaltungsmäßig unter sich auf. Wobei der Kreis Lübben den größten und bedeutendsten Teil innehatte. Schließlich lag ja der sowjetischen Flugplatzes mit seiner bereits vorhandenen und sich ständig verstärkenden militärischen Präsenz auf seinem Territorium. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD und der Neubildung des Landes Brandenburg haben sich die Kreisstrukturen wieder geändert. Der aus den Kreisen Lübben, Luckau und Königs Wusterhausen entstandene Landkreis Dahme-Spreewald ist nun für den gesamten Brand zuständig. Den Ämtern Unterspreewald und Schenkenländchen sind jetzt die Dörfer rund um den Brand zugeordnet. Administrative Entscheidungen und Angleichungen an Verwaltungsstrukturen, wie sie in den alten bundes-deutschen Partnerländern bereits vorhanden waren, prägte die damals gängige Vorgehensweise. Petitionen und persönliche Vorsprachen einiger Gemeinden beim damaligen brandenburgischen Innenminister zur Schaffung von traditionellen preußischen Verwaltungsstrukturen blieb somit ein Erfolg versagt. Viele Menschen fühlten sich daher von diesen Verwaltungsakten regelrecht ausgegrenzt und übergangen. Die militärische Nutzung des Brand war spätestens 1992 mit dem Abzug der GUS-Streitkräfte beendet. Konversion war angesagt. Mit CargoLifter sollte einen wirtschaftlichen Neubeginn in der Region gestartet werden. Leider blieb der erwünschte Erfolg aus. Was blieb, eine riesige Halle, die täglich Unsummen an öffentlichen Geldern zur Bestandssicherung schluckte. Erst als Tropical Islands, der nachfolgende und heutige Investor, sein Tropen-Paradies in der verwaisten riesigen Halle einrichtete, begann eine sich immer weiter intensivierende Neunutzung und Fortführung der begonnenen Konversion auf dem ehemaligen Militärstandort. Heute wird der Brand mit dem an ihn grenzenden Unterspreewald als eine touristische Einheit gesehen. Abschließend noch ein kleines Zitat von AUGUST TRINIUS aus dem Jahre 1887 über den Brand: „Vor uns die fette Fruchtbarkeit der Wiesen und da oben die dürre, unwirthbare Wüstenei: jene trostlose Einöde des Brand, dessen meilenweite Sandwellen nur sommerlang, wenn das Heidekraut in Blüthe steht, von Schaaren fleißiger Bienen belebt sind. Der Brand hat keine Geschichte. Der Feind ging unten vorbei. Doch in dem Namen seiner Ansiedlungen und Haideschenken: ‚Der hungrige Wolf‘ und ‚der Todtemann‘ liegen genug Romantik und Gruselnovelistik.“4 Zumindest bezeugt diese Schilderung eine gewisse Ortskenntnis und die Beschreibung des Brand mag ja noch angehen. In einem irrte der alte TRINIUS dann aber doch: Der Brand ist bestimmt kein geschichtsloser Landstrich gewesen und wird es künftig auch nicht sein.
2. Blick in längst vergangene Zeiten
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