Luise Büchner

Frauenherz

Gedichte

 

 

 

Luise Büchner: Frauenherz. Gedichte

 

Neuausgabe mit einer Biographie der Autorin.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Fotografie, um 1870

 

ISBN 978-3-8430-8524-3

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-7976-1 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-7977-8 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Berlin (Max Hirsch) 1862.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Luise Büchner: Frauenherz. Gedichte, Berlin: Max Hirsch, 1862.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Jugendklänge

Guter Rath

Still mußt du werden, pochend Herz,

Still wie der Stern am Himmelszelt,

Wie er, mußt unberührt du steh'n

Vom nicht'gen Treiben dieser Welt.

 

Still mußt du werden wie der Fels,

An dem sich wild die Brandung bricht;

Ob auch ein Schifflein jach zerschellt

An seinem Fuß, er fühlt es nicht.

 

Still mußt du werden wie der Schwan,

Der lautlos schwimmt den See dahin,

Wie einsam er die Fluth zertheilt,

Mußt du des Lebens Kreise zieh'n.

 

So stolz mußt steh'n du, so allein,

Dann wirst du froh und glücklich sein.[3]

Doch ach! du seufzest leise: nein,

Nicht froh, nicht glücklich werd' ich sein!

 

O, ich versteh' dich, glühend Herz,

Zu heiß liebst du das Leben noch,

Trotz seinen Schmerzen, seiner Qual,

Trotz seiner Noth liebst du es doch.

 

So schlag' in Menschenleid und Lust,

So dulde denn und klage nicht,

Sei einsam eher nicht und kalt,

Nicht still, als bis der Tod dich bricht![4]

 

Erinnerung

Hier will ich sitzen und ruhen

An diesem lieblichen Ort,

Will schweifen lassen das Auge

In's Weite von Ort zu Ort.

 

Will stille sitzen und denken

An Alles was ich geliebt,

Will Alles, Alles vergessen,

Was mich verletzt und betrübt.

 

Und kann ich es denn verbannen,

Woran ich nicht denken will?

Wie bleibt es beim frohen Erinnern

Im Herzen so öd' und so still!

 

Es sind so innig verbunden

In mir die Freuden und Weh'n,

Daß nur vereint sie entschlummern,

Vereinigt nur aufersteh'n!

 

Ein Traum

Wenn oft ich einsam saß und allein,

Dann wiegte der lieblichste Traum mich ein,

Sein weicher Arm mich liebend umschlang,

Sein Mund die süßesten Lieder sang.

 

Er legt' auf's Herz sich erfrischend und mild,

Wie Thau auf dürstende Blumen quillt,

Er säuselt' um mich wie im Schilfe der Wind

Und kühlte die brennende Stirne lind.

 

Er war so heiter, so golden schön,

Wie die Sonne strahlt um der Berge Höh'n,

Wenn sie noch einmal aus Wolken bricht,

Eh' in Nacht versinket ihr glänzend Licht.

 

Umwoben von seinem Zauberband

Vergaß ich des Lebens Schmerz und Tand,

War reich von seliger Ahnung erfüllt,

Wie einst sich des Herzens Räthsel enthüllt.

 

Und wenn ich traurig und müde war,

Dann schloß ich zum Traume mein Augenpaar,

Und träumte Frieden mir in die Brust,

Bis nicht mehr des Schmerzes ich war bewußt,[6]

 

Bis Himmelswonne die Seele durchzog –

Ach! daß der grausame Traum nur log;

Er ist dahin, das Erwachen war schwer,

Herz, mein Herz, o, träume nicht mehr![7]

 

Frühlingsgruß

Nur düstre Wolken seh' ich geh'n und kommen,

Und ewig droht der Winter fortzuwähren –

Die Seele war so trüb mir und beklommen,

Ich rief den Frühling, ach! er will nicht kommen,

Sie und des Himmels Stirne aufzuklären.

 

Und durch des Gartens Gänge dichtverschlungen

Ging ich – doch sieh, was hat sich dort begeben!

Schneeglöcklein sind der kalten Erd' entsprungen,

Sie haben siegend sich hervorgerungen,

Erweckt von eines Sonnenkusses Leben.

 

Nun stillt ihr, Frühlingsboten, mein Verlangen!

Ihr woll't in's Herz mir neues Leben senken!

Wie gläubig euer Kelch ist aufgegangen,

Weil er der Sonne einz'gen Kuß empfangen,

So soll mir Frühling euer Anblick schenken!

 

Frühling

Du schöner Frühling, o, wie lieb' ich dich!

Mehr als der Bräutigam die holde Braut;

Er weiß, sie wird ihm einstens angetraut,

Doch ich muß lieben dich mit Furcht und Beben,

Kaum da, fliehst du mit Windesschnelle mich

Und nimmst mir mit, das kaum erweckte Leben –

 

Du schöner Frühling, o, wie lieb' ich dich!

 

Du schöner Frühling, sei, o sei mir hold!

Spiel' um die Stirne mir mit süßem Hauch,

Und küsse mir den Thau vom müden Aug'!

Im Winter wächst die Qual bedrängter Herzen,

Des Lebens Schatten steh'n in seinem Sold;

Du kommst, ein Lächeln – es entflieh'n die Schmerzen,

 

Du schöner Frühling, sei, o sei mir hold!

 

Du schöner Frühling, meiner Seele Lust!

Mein schauernd Herz will ewig dir sich weih'n,

Es blieb dies Herz stets einsam und allein.

Nie mocht' ein Menschenauge mich beglücken

So tief in Lieb' und seligem Entzücken,

 

Als ich in deines Himmels Bläue seh'![8]

 

O, nimmer täuschest du! du kehrest wieder

Und neue Schönheit, neu erwachte Lieder

Verscheuchen jedes Leid und jedes Weh!

Zum Himmel wirst du immer neu mich heben,

In ew'ger Jugend werd' ich mit dir leben,

Verblich der Locke Braun auch längst in Schnee!

 

Du schöner Frühling, ewig lieb' ich dich![9]

 

Am Baume

Am Baum' hab' ich gestanden,

Der war so hoffnungsgrün,

Nicht lange mehr kann's dauern

Und freudig wird er blüh'n.

 

Ein Zweiglein nur streckt trauernd

Die Arme nach mir aus,

Es ist so kahl und dürre,

Schlägt nirgends knospend aus.

 

O, Zweiglein! was erwachest

Du nicht im Frühlingshauch?

Die Sonne küßt die Fluren,

Sie küsset dich ja auch!

 

Lockt nicht des Himmels Bläue,

Der lauen Lüfte Weh'n,

Dich, wie die Nachbarzweige

Im Blüthenschmuck zu steh'n?

 

Laß deine Rinde schwellen

Von frischem Lebenssaft –

Doch, Zweiglein, ach! ich sehe

Dir fehlt die inn're Kraft![10]

 

Dein Mark, ach! ist erstorben,

Vom Winterfrost verzehrt,

Dein zartes Leben haben

Die Stürme rauh zerstört.

 

Für dich scheint keine Sonne,

Weht keine Frühlingsluft,

Dir sind die Lenzgefilde

Nur eine Todtengruft. –

 

Ich gehe still von dannen,

Und denk' an dich zurück,

Und an so mancher Herzen

Dahin gewelktes Glück.

 

In deren zarte Blüthe

Auch drang so eisig Weh'n,

Daß unter den Lebend'gen

Sie wie Gestorb'ne steh'n![11]

 

»Die Glockenstimmen erschallen«

Die Glockenstimmen erschallen,

Mild leuchtet der Abendstern,

Und feierlich kündet ihr Hallen

Die Auferstehung des Herrn.

 

Ihr hellen Osterglocken,

Ich hört' euch schon manches Jahr,

Bald unter Scherz und Frohlocken,

Bald wenn ich in Thränen war.

 

Heut' tönt mir euer Läuten

So trüb' und so ahnungsvoll,

Nicht weiß ich, was mir bedeuten

Das ernste Hallen soll.

 

Wie mög't ihr mir wohl erklingen,

Wenn wieder ein Jahr hinab?

Wie Weinen, wie fröhlich Singen,

Oder auf meinem Grab?

 

An Marie

Ob ich dich liebe, wolltest du mich fragen –

Und was ich liebe, will ich treu dir sagen:

 

Das Blümchen lieb' ich, das die würz'gen Düfte

Ausstreuet in die lauen Frühlingslüfte,

Und doch sich tief verbirgt im dunklen Moos –

Kein Auge sieht der Heimath stillen Schooß.

 

Den See auch lieb' ich, deß krystallner Quell

Dem Blick sich öffnet bis zum Grunde hell,

Auf dessen Spiegel sich in sanftem Licht

Getreu des Himmels milder Abglanz bricht.

 

So lieb' ich auch der Jungfrau still Gemüth,

Das nur für Schönes, Heiliges erglüht.

Das fromme Herz, das muschelfest umschließt

Den reinen Kern, dem Reines nur entsprießt. –

 

Nun weißt du was ich liebe, denke nach,

Ob ich, Marie, dich wohl lieben mag.

 

Sanfter Trost

Einer Freundin.

 

Geschieden ist die Sonne,

Kein Blümlein mehr mag blüh'n,

Und nur des Epheus Blätter

Schmückt noch ein sanftes Grün.

 

Und freudig uns're Seele

Darauf die Hoffnung baut,

Daß es nach ödem Winter

Den Frühling wieder schaut. –

 

So wird der bangen Seele

Die tiefer Schmerz erfüllt,

Im Lebensgrün der Hoffnung

Ein neuer Trost enthüllt.

 

Ein Frühling lacht ihr wieder,

Und Blumen pflückt die Hand,

Fällt manche Wehmuthsthräne

Auch auf des Kelches Rand.

 

Und wie der Epheu innig

Sich Rank' an Ranke schmiegt,

So wird die Seele stiller

An Freundes Herz gewiegt.

 

Jugendträume

Kalt ist, wer nicht Liebe suchet,

Spricht der Menschen große Zahl,

Elend ist, wer nie empfunden

Ihre Lust und ihre Qual!

 

Und das Letzte was sie sagen,

O, ich glaub' es ihnen wohl,

Aber niemals kann ich fassen,

Daß man Liebe suchen soll.

 

Liebe muß sich auf uns senken

Wie ein schöner, gold'ner Traum,

Ahnungslos muß sie durchdringen

Unsres Herzens tiefsten Raum.

 

Und wenn dann wir leis' erwachen,

Steht sie da als Königin,

Und vor ihrem Strahlenblicke

Sinken machtlos wir dahin.

 

So muß uns die Liebe nahen,

Soll sie heil'ge Liebe sein,

Denn der Schlaf schützt reine Herzen,

Himmlisches nur läßt er ein.[15]

 

Wollte Gott mir leuchten lassen

Solcher Liebe Himmelslicht,

Knieend wollt' ich sie empfangen,

Doch sie suchen kann ich nicht![16]

 

Stille Frage

Es quillt des Abendsterns

Geheimnißvoller Schein,

So nah' und auch so fern,

Mir in das Herz hinein.

 

Drin glüht ein and'res Licht,

So nah' und auch so fern,

Das Herz umschließt es dicht –

Doch weit ist's wie der Stern.

 

Du gold'ner Liebesstrahl,

Geh', frage deinen Stern,

Bleibt er zu deiner Qual,

Dir ewig, ewig fern?

 

Vergebens

Du weißt es wohl, ich bin kein starker Geist,

Der frei für sich erschafft ein eig'nes Leben,

Kein mächt'ger Baum, sich selbst genug, der wagt

Sein stolzes Haupt hoch in die Luft zu heben.

Ich kann nicht geh'n in selbstgezognen Gleisen,

Und brauche Sterne, die den Pfad mir weisen.

 

Du weißt es wohl, ich bin kein starkes Herz,

Das einsam kann durch's dunkle Leben ziehen,

Zu Etwas muß es gläubig aufwärts schau'n,

Für Etwas schlagen, zittern und erglühen.

Der Rebe gleicht's, die nur im Aufwärtsringen

Empor sich kann zu Licht und Leben schwingen.

 

Doch weißt du wohl, wie sehr dies Herz auch braucht

Der starken Hand – sie wird ihm ewig fehlen,

Und wie der Geist auch noch so heiß sich sehnt

Nach seinem Stern – er muß umsonst sich quälen,

Bis gleich der müden Flamme letztem Blinken

Sie todesmatt in sich zusammensinken!

 

»Hoffe doch nicht«

Hoffe doch nicht – du mußt es bezahlen

Mit der Enttäuschung bittersten Qualen,

 

Wiege dich Hoffnung auch noch so schön,

Tückisch wird sie doch untergeh'n!

 

Wünsche auch nicht – dir ist niemals gewähret,

Was deine brennende Sehnsucht begehret:

 

Ob auch aus weinender Seele er quillt,

Nie sich der rettende Wunsch erfüllt. –

 

Weine auch nicht – es stillen die Thränen

Nimmer dein heißes Bangen und Sehnen,

 

Wehr' ihres Strom's unbänd'ger Gewalt,

Geh' deines Weges ruhig und kalt.

 

Trotze auch nicht – dein Herz ist kein Felsen,

D'rauf du voll Groll dein Leid kannst wälzen,

 

Vor seiner Schwere dein Stolz sinkt hin,

Brich' du ihn selbst mit duldendem Sinn!

 

Dulden und Schweigen nur – ist uns beschieden,