Swami Vivekananda
Karma-Yoga und Bhakti-Yoga
SWAMI VIVEKANANDA
KARMA-YOGA
UND
BHAKTI-YOGA
Aquamarin Verlag
ISBN 978-3-96861-233-1
1. Auflage 2021
© Aquamarin Verlag GmbH
Voglherd 1 • D-85567 Grafing
www.aquamarin-verlag.de
Aus dem Englischen übersetzt von
Ilse Krämer und Frank Dispeker
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Annette Wagner
unter Verwendung von © ivivankeulen #32442993 – Fotolia.com
INHALT
Vorwort
KARMA-YOGA • DER PFAD DER ARBEIT
I Karma und seine Einwirkung auf den Charakter
II »Jeder ist groß an seinem eigenen Platz«
III Das Geheimnis der Arbeit
IV Was ist Pflicht?
V Wir helfen uns, nicht der Welt
VI Nicht-Gebundensein ist vollkommene Selbstverleugnung
VII Das Ideal des Karma-Yoga
VIII Freiheit
BHAKTI-YOGA • DER PFAD DER LIEBE
I Definition des Begriffes Bhakti
II Der philosophische Begriff von Ishvara
III Die Schau Gottes – das Ziel von Bhakti-Yoga
IV Über die Notwendigkeit eines Guru
V Wer sich zum Schüler, wer zum Meister eignet
VI Inkarnationen Gottes als Lehrer
VII Das Mantra OM – Wort und Weisheit
VIII Über die Anbetung Gottes in Symbolen und Bildnissen
IX Das erwählte Ideal
X Über die Methode und die Mittel
PARA-BHAKTI ODER HÖCHSTE GOTTESLIEBE
I Die vorbereitende Entsagung
II Der Bhakta entsagt aus Liebe
III Der Bhakta richtet alle Gefühle auf Gott und erklimmt Stufe um Stufe der Gottesliebe
IV Über die allumfassende Liebe und wie sie zur Selbsthingabe führt
V Höchste Erkenntnis und höchste Liebe sind eines
VI Das Dreieck der Liebe
VII Der Gott der Liebe ist Beweis seiner selbst
VIII Menschliche Darstellungen des göttlichen Liebesideals
IX Schlussworte
VORWORT
Vor etwa fünfzig Jahren sind die kleinen Werke Vivekanandas zum ersten Mal in deutscher Sprache erschienen. (Einige Vorlesungen wurden schon im Jahre 1921 in Deutschland gedruckt.) Seitdem ist der Name Vivekananda vielen Menschen im deutschsprachigen Raum ein Begriff geworden. In Amerika und England war er schon seit längerem wohlbekannt, da er dort persönlich gelehrt hat.
Wer ist Vivekananda?
Ein Heiliger, ein Weiser, ein Gottliebender, einer der ganz Großen, die über die Erde gegangen sind.
Von Kindheit an auf der Suche nach Gott, und trotzdem seiner Natur nach ein Skeptiker, glaubte er nur, was er aus eigener Erfahrung kennengelernt hatte. Als Achtzehnjähriger trat er vor Sri Ramakrishna und fragte ihn, statt einer Begrüßung:
»Habt Ihr Gott gesehen?«
»Ja, deutlicher als ich dich vor mir sehe.«
»Könnt Ihr Ihn mir zeigen?«
»Ja, das kann ich.«
Und durch Handauflegen versetzte der große Meister den jungen Schüler in einen transzendenten Zustand. Trotz aller Erschütterung behauptete Vivekananda, er sei von diesem Vorgang unangenehm berührt gewesen, und mied Sri Ramakrishna längere Zeit danach als einen alten, etwas verschrobenen Ekstatiker. Selbst viel später noch, als Ramakrishna, dessen Lieblingsjünger und tief ergebener, erklärter Anhänger er nun schon seit langem war, äußerte, es gebe nichts außer Brahman, alles sei Gott, fragte er ihn voller Ironie:
»Auch das Glas, auch der Tisch, auch der Stuhl?«
Seine Zweifel fielen erst dann von ihm ab, als der Meister ihn in einen Zustand des Gottesbewusstseins versetzte, in dem er drei Tage lang nichts anderes wahrnahm als Brahman, auch im Glas, auch im Tisch, auch im Stuhl.
Sein Meister kannte ihn besser, als er sich selbst kannte. Er prophezeite ihm, er werde in der ganzen Welt seine (Ramakrishnas) Botschaft von der Wahrheit aller Religionen und der ihnen zugrunde liegenden Einheit verkünden. Nach Erfüllung dieser ihm von der Göttlichen Mutter zugedachten Aufgabe erfahre er, wer er in Wirklichkeit sei, und sobald er es erfahren habe, werde er seinen Körper aufgeben. Diese Voraussage ist bis in alle Einzelheiten eingetroffen. Vivekananda hat in Indien, in Amerika und in England Sri Ramakrishnas Lehren verbreitet und ist, noch nicht vierzig Jahre alt, vorsätzlich und nach allen nötigen Vorbereitungen in der Meditation gestorben. Er hat, wie er es selbst nannte, »seinen Körper ausgespuckt«.
Wie alle großen Meister, hat auch er (außer Briefen) nichts Schriftliches hinterlassen. Die acht unter seinem Namen erschienenen Bücher entstammen, mit Ausnahme von Raja-Yoga, das er selbst für den Druck vorbereitete, nicht seiner Feder, sondern sind Aufzeichnungen seiner Hörer und Schüler nach Vorträgen und Diskussionen, die Vivekananda öffentlich oder im kleinen Kreise gehalten hat. Der unermüdlich Arbeitende, der sich aber um die Früchte seiner Arbeit nicht kümmerte, war nicht dazu zu bewegen, zurückzuschauen und auch nur einen prüfenden Blick über diese Aufzeichnungen zu werfen. Daher erklärt sich die Existenz vieler schwer verständlicher, manchmal sogar widersinniger Stellen, die von Hörfehlern oder Gedächtnisirrtümern herrühren.
Diese Bücher enthalten aber neben manchem, das nur für die Archive der Ramakrishna-Mission von Wichtigkeit ist, köstliche Edelsteine indischer Weisheit und Erkenntnis.
Es war den Übersetzern ein großes Anliegen, diese Lehren neu zu übertragen. Obwohl es nun manche gibt, die mit aller Strenge dagegen sind, dass auch nur ein Wort in diesen Büchern abgeändert werde, was sicher nicht in Vivekanandas Sinn ist (sein Name bedeutet: »Einer, der Urteilskraft besitzt«), haben die Übersetzer versucht, durch Umstellen, Verdeutlichen, Weglassen mancher Wiederholung und möglichstes Vermeiden von Sanskrit-Begriffen dem europäischen Leser das Verständnis zu erleichtern. Dabei waren sie aber sorgfältig darauf bedacht, dem Geist Vivekanandas stets treu zu bleiben.
Alle Änderungen, Umstellungen und Kürzungen wurden von Swami Prabhavananda von der Ramakrishna-Mission geprüft und ausdrücklich gutgeheißen. Swami Prabhavananda ist der langjährige Leiter der Vedanta-Gesellschaft in Hollywood und Schüler Swami Brahmanandas, den Sri Ramakrishna seinen »geistigen Sohn« zu nennen pflegte.
Die Übersetzer
KARMA-YOGA
DER PFAD DER ARBEIT
I
KARMA UND SEINE EINWIRKUNG AUF DEN CHARAKTER
Der Ausdruck Karma stammt von der Sanskritwurzel kṛ, tun. Alles Tun ist Karma. Es bedeutet auch die Wirkung alles Tuns. In Verbindung mit Metaphysik meint es manchmal die Wirkungen, deren Ursachen in unseren vergangenen Handlungen zu suchen sind. Doch in Bezug auf Karma-Yoga wird das Wort Karma nur im Sinne von Werk, von Arbeit, angewendet. Das Ziel der Menschheit ist Erkenntnis; dies ist das eine Ideal, das uns die östliche Philosophie weist. Nicht Lustgewinn ist das Ziel des Menschen, sondern Erkenntnisgewinn. Lust und Glück haben ein Ende. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, das Ziel des Menschen sei Lust oder Vergnügen. Die Ursache allen Kummers, den wir im Leben erleiden, ist die törichte Annahme, Lust sei das Ideal, nach dem wir zu streben hätten. Im Laufe der Zeit entdeckt der Mensch, dass es nicht Vergnügen, sondern Erkenntnis ist, auf die er zugeht, dass sowohl Lust wie Leid seine großen Lehrmeister sind, und er vom Bösen ebenso viel lernen kann wie vom Guten. Lust und Leid, die an seiner Seele vorüberziehen, hinterlassen dort ihre unterschiedlichen Bilder, und das Gesamtergebnis dieser Eindrücke ist es, was man Charakter nennt. Betrachtet man den Charakter eines Menschen, so erkennt man, dass er nichts anderes ist als das Aggregat von Tendenzen, die Gesamtsumme seiner inneren Neigungen, und gewahrt gleichzeitig, dass bei der Formung eines Charakters Not und Glück zwei ebenbürtige Faktoren sind; oft sogar ist die Not die größere Lehrmeisterin als das Glück. Nach gründlichem Erforschen der großen Charaktere, die unsere Welt hervorgebracht hat, darf man wohl bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle sagen: Not lehrte eindringlicher als Glück, Armut unterwies nachdrücklicher als Reichtum, Tadel schürte das innere Feuer mehr als Lob.
Erkenntnis wiederum ist dem Menschen von Natur aus eingeboren; kein Wissen kommt von außen, alles liegt schon im Inneren bereit. Sagt man, der Mensch »weiß«, so sollte das, genauer ausgedrückt, heißen, er »entdeckt« oder »enthüllt«. Was ein Mensch »lernt«, ist in Wirklichkeit das, was er »entdeckt«, indem er von der eigenen Seele, dieser unendlichen Fundgrube an Wissen, die Decke wegzieht. Wir sagen, Newton entdeckte die Schwerkraft. Hat sie vorher in einer Ecke gesessen und auf ihn gewartet? Sie lag bereits in seiner eigenen Seele, und als es an der Zeit war, fand er sie dort. Alles Wissen, das je in die Welt gekommen ist, stammt aus dem Inneren, dem Geist. Die gigantische Bibliothek des Universums liegt in uns verborgen. Die Außenwelt ist nichts anderes als der Hinweis, die Gelegenheit, die zum Studium des eigenen Inneren anregt, aber das Objekt des Studiums bleibt immer das eigene Innere. Das Herunterfallen eines Apfels war für Newton der Wink, und er studierte darüber in seinem Geist. Er ordnete alle schon vorher überprüften Gedankenglieder und entdeckte unter ihnen ein neues, und zwar das, was wir das »Gesetz der Schwerkraft« nennen. Dieses lag weder im herabfallenden Apfel noch im Mittelpunkt der Erde. Daraus erkennen wir, dass alles Wissen, das weltliche wie das geistliche, bereits im Inneren des Menschen ruht. Vielfach wird es nicht entdeckt, sondern bleibt verhüllt. Wenn sich jedoch langsam die Decke hebt, können wir sagen: »Wir lernen.« Aller Fortschritt der Wissenschaft ist der fortschreitende Prozess dieses Aufdeckens. Wer dabei ist, die Hülle zu heben, gewinnt an Wissen; wen sie noch dicht bedeckt, der ist unwissend; und wer sie gänzlich abgestreift hat, der ist weise, ja allwissend. Es hat jederzeit allwissende Menschen gegeben, und es wird, dessen dürfen wir sicher sein, immer wieder solche geben; und in künftigen Zeiten werden es ihrer ungezählte Mengen sein. Wie der Funke im Feuerstein vorhanden ist, so ruht Wissen im Inneren des Menschen. Der Hinweis, die Gelegenheit, ist die Reibung, die es hervorbringt. Deshalb können wir feststellen, wenn wir uns ruhig in uns versenken, dass alle unsere Gefühle und Taten – unsere Tränen wie unser Lächeln, unsere Freuden wie unsere Kümmernisse, Lachen und Weinen, Verdammung und Gnade, Lob und Tadel –, alle diese Regungen durch verschiedenartige Anstöße von außen in uns wachgerufen wurden. Was sich daraus ergibt, das sind wir. Alle diese Anstöße zusammengenommen nennen wir Karma – Wirken, Tun. Jeder geistige oder physische Schlag, den wir empfangen, durch den sozusagen der Funke in uns geweckt wird und bei dem man die eigene Macht, das eigene Wissen entdeckt, ist Karma – hier in seinem weitesten Sinne gemeint. So schaffen wir unser Leben lang Karma. Ich spreche zu jemandem – das ist Karma. Der andere lauscht – das ist Karma. Wir atmen – es ist Karma. Wir gehen – Karma. Alles, was wir im Körper oder im Geist tun, ist Karma und hinterlässt seine Spuren in uns.
Es gibt gewisse Taten, die gleichsam die Gesamtsumme einer großen Anzahl kleinerer Taten sind. Wenn wir an der Küste des Meeres stehen und die Wogen gegen das Gestein schlagen hören, so empfinden wir das als ein großes Geräusch. Doch wissen wir, dass eine Woge aus einer Unzahl winziger Wellen besteht, von denen jede einzelne ein Geräusch hervorruft, das wir aber nicht aufnehmen. Erst wenn sie sich zu einer großen Einheit zusammentun, können wir sie hören. So ist auch jeder Pulsschlag des Herzens eine Tat. Gewisse Arten von Taten empfinden wir und können sie erfassen, doch sind sie immer schon ein Aggregat, die Anhäufung einer Menge von kleinen Taten. Will man den wahren Charakter eines Menschen wirklich erkennen und beurteilen, dann darf man nicht nur auf seine großen Taten schauen. Jeder Narr kann in gewissen Zeiten zum Helden werden. Große Begebenheiten wecken selbst im niedrigsten aller menschlichen Wesen eine Art von Größe; doch nur derjenige besitzt wahrhaft diese Größe, der stets gleich groß ist, wo immer er sich auch befinden mag.
Karma und seine Auswirkung auf den Charakter ist die bedeutendste Macht, mit welcher der Mensch sich zu befassen hat. Der Mensch ist gleichsam ein Zentrum, das alle Kräfte des Universums an sich zieht, sie alle miteinander in sich verschmilzt und sie in einem großen Strom wieder aussendet. Dieses Zentrum ist der wahre Mensch, der allmächtige, der allwissende. Das gesamte Universum kehrt sich ihm zu Gutem und Bösem, Glück und Unglück, alles rinnt zu ihm hin und hängt sich ihm an. Aus diesem gewaltigen Ganzen formt er dann den mächtigen Strom seiner Neigungen, den man Charakter nennt, und er sendet ihn nach außen. Wie er die Kraft hat, alles an sich zu ziehen, so ist es ihm auch gegeben, alles auszuströmen.
Das gesamte Wirken in der Welt, das wir wahrnehmen, alle Regungen des menschlichen Lebens, alles, was rings um uns geschieht, ist nichts anderes als die Entfaltung der menschlichen Gedanken, die Manifestierung des menschlichen Willens. Maschinen, Instrumente, Städte, Boote oder Kriegsschiffe – all das ist eine Kundgebung des menschlichen Willens. Dieser Wille wird durch den Charakter hervorgerufen, und der Charakter seinerseits wurde geformt vom Karma. Wie das Karma ist, so fällt die Kundgebung des Willens aus. Menschen mit einem machtvollen Willen, die in diese Welt geboren wurden, waren und sind immer kraftvolle Arbeiter. Sie sind große Seelen, die über einen so mächtigen Willen verfügen, dass sie Welten bewegen können, einen Willen, den sie sich in unablässiger, jahrtausendelanger Arbeit erworben haben. Ein derart überragender Wille, wie der eines Buddha oder eines Jesus, konnte nicht in einem einzigen Leben erlangt werden, denn wir kennen die Beschaffenheit ihrer Väter. Soweit wir wissen, haben diese ihre Väter nicht ein einziges Wort gesprochen, das die Menschheit vorwärts gebracht hätte. Ungezählte Zimmerleute, wie Joseph einer war, sind dahingegangen, ungezählte leben noch. Viele unbedeutende Könige, wie Buddhas Vater einer war, hat es auf dieser Welt gegeben. Wenn es sich nur um einen Fall von Vererbung gehandelt hätte, wie käme dann ein so bedeutungsloser Fürst, dem wahrscheinlich nicht einmal die eigenen Diener gehorcht haben, dazu, einen Sohn hervorzubringen, den die Hälfte der ganzen Erde anbetet? Wie könnte man sich die Kluft zwischen dem einfachen Zimmermann und seinem Sohn erklären, den Millionen von Menschen als Gott verehren? Die Vererbungstheorie ist keine auch nur annähernd erschöpfende Antwort auf diese Fragen. Dieser gigantische Wille, den Buddha und Jesus über die Erde ausströmen, woher stammt er? Woher kommt diese überwältigende Ansammlung von Macht? Seit Menschengedenken muss sie dagewesen und allmählich angewachsen sein, bis sie sich von einem Buddha, einem Jesus aus über die Menschheit ergießen und ihre Wellen bis auf den heutigen Tag versenden konnte.
Anlass zu alledem ist das Karma, das Tun. Nur das, was wir erworben haben, besitzen wir; das ist ein ewiges Gesetz. Manchmal werden wir wohl versucht sein zu denken, dem sei nicht so; doch mit der Zeit anerkennen wir die Wahrheit dieses Satzes. Mag ein Mensch auch sein Leben lang um Reichtum kämpfen und Tausende dabei betrügen; schließlich muss er doch einsehen, dass er es nicht verdient hat, reich zu werden, und sein Leben als sinnlos empfinden. Wir können Dinge anhäufen zu unserem physischen Genuss; aber nur das, was wir verdienen, ist wirklich unser. Mag ein Narr alle Bücher der Welt aufkaufen und in seine Bibliothek stellen, wirklich lesen kann er doch nur diejenigen, die ihm zukommen; und was ihm zukommt, wird vom Karma bestimmt. Unser Karma entscheidet, was wir verdienen und was wir uns zu eigen machen können. Wir sind verantwortlich für das, was wir sind; denn wir haben die Macht, das zu sein, was wir zu sein wünschen. Ist das, was wir jetzt sind, das Ergebnis unserer einstigen Taten, so können wir daraus schließen, dass wir das, was wir in Zukunft sein werden, durch unser heutiges Wirken hervorrufen können. Deshalb müssen wir wissen, wie wir zu handeln haben. Man kann hier einwenden und sagen: »Was hat es für einen Sinn, das Wirken zu erlernen? Jeder wirkt doch ohnehin auf seine Weise in der Welt.« Wohl wahr, aber es gibt auch so etwas wie Kraftvergeudung. Karma-Yoga, so sagt die Gita, ist Handeln mit Überlegung, ist Wirken als Wissenschaft. Durch bewusstes und geschultes Handeln erzielt man die besten Ergebnisse. Stets muss man dessen eingedenk sein, dass alles Wirken dazu beiträgt, der Macht im Inneren, die bereits vorhanden ist, zum Ausdruck, der Seele zum Erwachen zu verhelfen. Diese Macht und ebenso das Wissen sind in jedem Menschen vorhanden. Die verschiedenen Handlungen des Menschen sind wie Anrufe, die diesen in ihm schlummernden Riesen veranlassen, sich zu regen und zu erwachen.
Der Mensch handelt aus verschiedenen Beweggründen. Es gibt keine Tat ohne Motiv. Mancher will Ruhm erwerben – deshalb arbeitet er um des Ruhmes willen. Ein anderer wünscht sich, Geld zu haben – deshalb arbeitet er für Geld. Manche streben nach Macht – deshalb arbeiten sie darauf hin, Macht zu erlangen. Wiederum andere wünschen sich, in den Himmel zu kommen, und wirken in diesem Sinne. Viele wollen einen Namen hinterlassen, wenn sie sterben, wie das zum Beispiel in China üblich ist, wo niemand vor seinem Ende einen Titel bekommt, eine Sitte, die wahrscheinlich vernünftiger ist als die Titelverleihung bei uns. Wenn jemand etwas Außergewöhnliches vollbringt, so wird seinem verstorbenen Vater oder seinem Großvater ein Adelstitel verliehen. Manche arbeiten hierfür. Mitglieder gewisser mohammedanischer Sekten streben ihr Lebtag lang danach, sich ein riesiges Grabmal errichten lassen zu können. Bei anderen Sekten ist es Sitte, bereits für das soeben zur Welt gekommene Kind ein Grab zu bereiten. Dies gilt ihnen als die wichtigste Pflicht, die der Mensch zu erfüllen hat. Je größer und prunkvoller dieses Grab ist, desto höher wird dieser Mensch eingeschätzt. Andere vollbringen eine Handlung aus dem Motiv der Sühne. Nachdem sie unausgesetzt Böses begangen haben, errichten sie einen Tempel oder machen Priestern eine Schenkung, um sich loszukaufen und einen Freipass für den Himmel zu erlangen. Sie glauben, dass solche Wohltaten sie reinwaschen und ihnen helfen werden, trotz ihrer Verbrechen straffrei davonzukommen. Dieses sind einige der unendlich vielen Beweggründe, die Anlass geben, zu arbeiten und zu wirken.
Arbeitet um der Arbeit willen! Einige wenige gibt es – und sie sind das Salz der Erde in jedem Land –, die um der Arbeit willen wirken, die es nicht gelüstet nach Titeln und Ruhm, nicht einmal nach dem Himmel. Sie arbeiten einzig und allein deswegen, weil daraus Gutes hervorgeht. Andere gibt es, die den Armen Wohltaten erweisen und der Menschheit aus noch edleren Motiven helfen, denn sie glauben an die gute Tat und lieben das Gute. Der Beweggrund, Namen oder Ruhm zu erwerben, zeitigt nur selten unmittelbaren Erfolg. Diese Dinge erlangen wir, wenn wir bereits alt sind und schon fast mit dem Leben abgeschlossen haben. Der Mensch aber, der, ohne ein selbstsüchtiges Ziel vor Augen zu haben, arbeitet, erreicht er denn gar nichts? Doch, ihm wird das Höchste zuteil. Selbstlosigkeit lohnt immer mehr als Eigennutz, nur haben die meisten nicht genügend Geduld, sie zu üben. Auch vom Standpunkt des persönlichen Wohlergehens aus ist sie lohnender. Liebe, Wahrheit und Selbstlosigkeit sind nicht nur leere Worte, sie sind vielmehr die höchsten Ideale, denn in ihnen tut sich eine große Macht kund. Vor allem hat der Mensch, der imstande ist, einige Tage oder auch nur einige Minuten lang ohne den geringsten selbstsüchtigen Beweggrund zu wirken, ohne den Gedanken an die Zukunft, den Himmel, an Strafe oder irgendetwas dieser Art, in sich die Fähigkeit, ein machtvoller Gigant auf dem Gebiet der Ethik zu werden. Solch ein selbstloses Handeln ist nicht leicht, doch im tiefsten Inneren unseres Herzens kennen wir seinen Wert und das Gute, das es hervorbringt. Dieser Zwang, diese Selbstüberwindung, ist der größte Kraftbeweis des Menschen. Selbstbeherrschung zeugt von weit größerer Macht als alle äußerlich sichtbare Tat. Der Lenker eines mit vier Pferden bespannten Wagens kann sein Gefährt ungehemmt über einen Hügel hinunterrasen lassen, oder aber er kann die Pferde zügeln. Was ist die größere Kundgebung von Macht, sie frei laufen zu lassen oder sie zu bändigen? Jede von uns ausgehende Energie, die einem selbstsüchtigen Zweck nachjagt, ist vergeudet; denn sie ruft keine Kraft hervor, die zu uns zurückkehrt. Wird sie jedoch beherrscht und gezügelt und ist frei von Eigennutz, dann trägt sie zur Förderung der eigenen Macht bei. Selbstbemeisterung, so heißt der Weg, der zu machtvollem Willen, zum großen Charakter führt, wie er einem Buddha oder einem Jesus eigen war. Narren kennen dieses Geheimnis nicht, wünschen aber, dessen ungeachtet, über die Menschheit zu herrschen. Aber selbst ein Tor kann Kräfte entwickeln, die genügten, die ganze Welt zu regieren, wenn er arbeitet und sich Zeit lässt. Möge er ein paar Jahre verstreichen lassen, in denen er sich bemüht, dem törichten Wunsch nach Herrschaft Einhalt zu gebieten. Wenn dieser Gedanke in ihm völlig geschwunden ist, wird er eine Macht sein in der Welt. Die meisten von uns haben nicht die Gabe vorauszuschauen. Wir sind wie Tiere, die kaum ein paar Schritte weit sehen. Nur ein kleiner, enger Kreis – das ist unsere Welt. Es mangelt uns an Geduld, weiter zu schauen, über diese enge Grenze hinaus, und deshalb handeln wir unsittlich und böse. Alle unsere irrigen, üblen Taten sind nichts anderes als unsere Schwäche, unsere Machtlosigkeit.
Auch die niedrigste Form der Arbeit darf nicht verachtet werden. Möge derjenige, der es nicht besser weiß, aus selbstsüchtigen Gründen, des Namens oder des Ruhmes wegen, arbeiten. Doch sollte jeder danach streben, die Beweggründe zu seinen Handlungen immer mehr zu veredeln und sie zu verstehen: »Auf Arbeit haben wir ein Recht, doch nicht auf deren Früchte.«1 Kümmert euch nicht um die Früchte! Warum sorgt ihr euch um die Ergebnisse? Wollt ihr einem Menschen helfen, so tut es, ohne daran zu denken, wie dieser Mensch sich zu euch verhalten sollte. Will man ein großes und gutes Werk vollbringen, so darf man sich mit dem Gedanken an die günstigen Folgen dieser Tat nicht aufhalten.
Intensivste Arbeit ist notwendig. Wir müssen immer erschaffen. Nicht für den Bruchteil einer Sekunde können wir leben, ohne zu wirken. Arbeit, in deren rasendem Wirbel wir stehen – das ist die eine Seite des Lebens. Doch gibt es noch eine andere, die ruhige, verzichtende Zurückgezogenheit. Alles ringsum ist friedvoll, kaum ein Geräusch erhebt sich, nichts anderes gibt es als die Natur mit ihren Tieren, Blumen und Bergen. Doch täuschen wir uns nicht – keines dieser beiden Bilder ist vollkommen. Gerät ein Mensch, der an Einsamkeit gewöhnt ist, in Kontakt mit jenem ungestümen Strudel der Arbeit, so wird er davon zermalmt, so wie der in den Tiefen des Meeres beheimatete Fisch zerfallen müsste, käme er in die oberen Gewässer, weil er da des Wasserdrucks beraubt wäre, der ihn zusammengehalten hat. Wer aber in der Unruhe und dem ständigen Ansturm des Lebens zu Hause ist, könnte der sich an einem unbelebten, stillen Ort wirklich wohlfühlen? Die Stille würde ihm zur Qual werden, die Ereignislosigkeit wäre eine Last für sein Gemüt. Jeder dieser beiden Menschentypen ist einseitig. Der wahre, der ideale Mensch entwickelt, umgeben von größter Stille und Einsamkeit, intensivste Aktivität und findet inmitten intensivster Aktivität die Stille und Einsamkeit der Wüste. Das Tor der Selbstbemeisterung hat er durchschritten und ist Herr über sich. Er kann durch die verwirrenden Straßen einer Stadt mit ihrem Menschen- und Wagenverkehr gehen und ruhigen Gemütes bleiben, als befände er sich in einer Höhle, und ebenso gut in einer Höhle leben, wohin nicht das leiseste Geräusch zu dringen vermag, und doch in ständiger Aktivität bleiben. Das ist das Ziel von Karma-Yoga. Ist man dort angelangt, so hat man das Geheimnis der Arbeit entschleiert.
Doch stehen wir noch am Anfang. Wir müssen die Aufgaben hinnehmen, wie sie uns entgegenkommen, und darauf achten, dass wir uns mit jedem Tage immer selbstloser machen. Wir müssen unsere Arbeit tun und die bewegende Kraft zu erkennen suchen, die uns antreibt. Fast ausnahmslos werden wir dabei in der ersten Zeit entdecken, dass unsere sämtlichen Motive selbstsüchtig sind. Doch allmählich wird diese Selbstsucht an der Glut unserer Beharrlichkeit schmelzen, und wir werden fähig sein, wirklich uneigennützige Werke zu verrichten. Wir dürfen, wenn wir uns auf den verschlungenen Pfaden des Lebens vorwärtskämpfen, mit Recht hoffen, dass, eines fernen oder nahen Tages vielleicht, auch für uns die Zeit der völligen Selbstlosigkeit kommen wird. Im gleichen Augenblick, da wir solches erreicht haben, vereinen sich alle Kraftströme in uns, und die Erkenntnis, die unser Eigen geworden ist, wird sich offenbaren.
II
»JEDER IST GROSS AN SEINEM EIGENEN PLATZ«
Nach der Samkhya-Philosophie besteht die Natur aus drei Kräften, die auf Sanskrit sattva, rajas und tamas heißen. In der physischen Welt manifestiert, sind diese drei das, was wir Gleichgewicht, Aktivität und Trägheit nennen. Tamas ist Dunkelheit und Tatenlosigkeit; Rajas ist Aktivität, die sich in Anziehung und Abstoßung ausdrückt; und Sattva ist das Gleichgewicht, der Ausgleich zwischen den beiden anderen.
In jedem Menschen sind diese drei Kräfte vorhanden. Manchmal überwiegt Tamas, die Trägheit. Wir werden faul, wollen uns nicht bewegen, sind untätig, irgendwelchen Gedanken oder gar völliger Gedankenlosigkeit verfallen. Zu anderen Zeiten herrscht die Tatkraft vor und wiederum zu anderen der ruhige Ausgleich zwischen diesen beiden. Nun hat bei den verschiedenen Menschen gewöhnlich eine dieser Kräfte ständig die Oberhand. Für den einen ist Untätigkeit, Unlust und Trägheit kennzeichnend, für einen anderen Tatendrang, Macht und Energieäußerung; und bei einem dritten finden wir Milde, Ruhe und Sanftmut, dank des Gleichgewichtes zwischen Tätigkeit und Untätigkeit. In allen Geschöpfen dieser Erde – sowohl in Tieren und Pflanzen als auch im Menschen – erkennen wir die mehr oder weniger typischen Manifestationen dieser drei so verschiedenen Kräfte.
Karma-Yoga befasst sich ganz besonders mit diesen drei Faktoren. Indem es uns lehrt, was sie sind und wie wir sie anzuwenden haben, wird uns geholfen, unsere Arbeit besser zu verrichten. Die Stufen der menschlichen Gesellschaft sind verschieden. Wir alle kennen unsere Sittengesetze, wir alle wissen von Pflichten, doch müssen wir gleichzeitig erfahren, dass in den verschiedenen Ländern die Vorstellungen von dem, was anständig ist, stark voneinander abweichen. Was in dem einen Land als sittlich gilt, kann in dem anderen als völlig anstößig betrachtet werden. Zum Beispiel dürfen in manchen Ländern Verwandte untereinander heiraten. In anderen ist dies streng verpönt. In dem einen Land darf ein Mann sich ohne weiteres mit seiner Schwägerin vermählen; im nächsten verstößt das gegen strengste Gesetze. In einem Land darf man nur einmal heiraten, in einem anderen so oft man will. Auch auf allen anderen Sittengebieten kommen wir immer wieder zu der Feststellung, dass sich die Regeln je nach Land stark voneinander unterscheiden. Dennoch haben wir das Empfinden, es müsse eine universell gültige Norm geben.
Ebenso steht es mit der Pflicht. Der Begriff von Pflicht wandelt sich gewaltig innerhalb der verschiedenen Nationen. In diesem Land wird man, wenn ein Mensch gewisse Dinge zu tun unterlässt, behaupten, er handele falsch, während man in jenem, wo er diese Dinge tut, sagen wird, er verstoße gegen seine Pflicht. Auch die einzelnen Gesellschaftsklassen haben ihre voneinander abweichenden Begriffe von Pflicht. Trotzdem wissen wir, dass es einen überall gültigen Begriff von Pflicht geben muss. Zwei Meinungen stehen nun einander gegenüber: Die des Unwissenden, der glaubt, es gäbe nur eine einzige Art der Wahrheit und alles andere sei falsch, und die des Weisen, der zugibt, dass Pflichten und Sitten der geistigen Stufe, auf der wir stehen, und den verschiedenen Gesellschaftsschichten, in denen wir leben, angepasst sein und sich deshalb weitgehend voneinander unterscheiden müssen. Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, wie wichtig die Erkenntnis ist, dass Pflicht und Sitte je nach Land und Lebensstatus verschiedene Formen annehmen. Die Pflicht des einen braucht nicht unbedingt die Pflicht des anderen zu sein.
Alle großen Meister haben gelehrt: »Widersetze dich nicht dem Übel«, und stimmten überein, dass Nicht-Widerstreben das höchste Ideal sei. Doch ist uns allen sehr wohl bewusst, wie rasch das ganze soziale Gefüge zerfallen müsste, käme heute eine gewisse Anzahl von uns auf den Gedanken, diesen Lehrsatz in die Praxis umzusetzen. Verbrecher würden unseren Besitz und unser Leben in ihre Gewalt bringen und mit uns tun, was ihnen gefällt. Räumte man auch nur einen einzigen Tag diesem Prinzip des Nichtwiderstrebens ein, es müsste zu Unheil und Chaos führen. Dennoch empfinden wir in den Tiefen unseres Herzens instinktiv die Wahrheit des Lehrsatzes: »Widersetze dich nicht dem Übel.« Die inneren Vorbedingungen zu seiner Ausführung zu erlangen, scheint uns das höchste Ideal zu sein. Aber ausschließlich diese Doktrin zu lehren, hieße, einen großen Teil der Menschheit zum Untergang zu verurteilen. Überdies würde diese Lehre dem Menschen das lähmende Gefühl einflößen, alles, was er tue, sei falsch, und ihn bei seinen sämtlichen Handlungen in Gewissenszweifel stürzen sowie seine Tatkraft schwächen. Solche Selbstmissachtung hätte mehr Übel zur Folge, als irgendeine andere Schwäche verursachen könnte. Dem Menschen, der beginnt, sich selbst zu verachten, hat sich das Tor zum Niedergang bereits aufgetan. Das Gleiche gilt auch für ganze Nationen.
Eine unserer erhabensten Pflichten besteht darin, uns selbst zu achten. Wollen wir vorwärtskommen, so müssen wir vor allem an uns selbst glauben und somit an Gott; denn wer nicht an sich selbst glaubt, kann auch niemals an Gott glauben.
Die einzige Alternative, die uns verbleibt, ist: Anzuerkennen, dass Pflicht und Sitte unter verschiedenen Lebensbedingungen verschieden gewandet sein müssen. Es ist nicht so, dass derjenige, der dem Übel widerstrebt, etwas tut, das an sich immer und überall falsch ist, sondern dass es, je nach den Umständen, denen er unterworfen ist, sogar seine heilige Pflicht sein kann, sich mit aller Kraft gegen das Übel zu wehren.
Beim Lesen der Bhagavad-Gita mögen wohl viele in den westlichen Ländern mit höchstem Staunen dem zweiten Kapitel gefolgt sein, worin Sri Krishna den jungen Arjuna einen Heuchler und Feigling nennt, weil er sich weigert, zu kämpfen oder auch nur Widerstand zu leisten, sondern einwendet, unter seinen Gegnern befänden sich Freunde und Verwandte, und zur Rechtfertigung seines Verhaltens den Satz einwirft, Nichtwiderstreben sei das höchste Ideal der Liebe.
Hier ist der Augenblick, einen wichtigen Satz auszusprechen, den man sich nicht tief genug einprägen kann: Stets und überall berühren sich die Extreme, in ihrer Wirkung unterscheiden sie sich nicht voneinander. Sind die Lichtwellen zu lang für unser Auge, so sehen wir sie nicht; sind sie zu kurz, nehmen wir sie auch nicht auf. Ist ein Ton zu tief für unser Ohr, so hören wir ihn nicht; ist er zu hoch, bleibt er uns gleicherweise unvernehmbar. Ebenso wenig können wir unterscheiden, ob eine Tat aus Stärke oder aus Schwäche geschieht. Der eine leistet keinen Widerstand, weil er schwach, träge und unfähig dazu ist; ein anderer hätte wohl Mut und Kraft, den drohenden Schlag abzuwehren, doch überwindet er sich, tut es nicht und segnet noch dazu seine Feinde. Wer sich aus Schwäche nicht widersetzt, begeht eine Sünde und kann aus seinem Nichtwiderstreben keinen Nutzen ziehen; des anderen Sünde wäre es gewesen, hätte er Widerstand geleistet. Buddha gab seinen Thron auf und verzichtete auf weltliche Würden – das war Entsagung. Aber bei der Armut des Bettlers kann man nicht von Entsagung sprechen, da er nichts aufzugeben hatte. Deshalb müssen wir uns stets genau erforschen, ehe wir von Nichtwiderstreben und höchster Liebe sprechen. Seien wir wach, seien wir ehrlich und fragen wir uns, ob wir über die Kraft verfügen, die der Widerstand erfordert. Dann erst, wenn wir sie haben und auf sie verzichten und nicht widerstreben, vollziehen wir die große Liebestat. Sind wir aber unfähig zur Abwehr und versuchen trotzdem, uns in den Irrglauben zu hüllen, wir handelten aus Motiven höchster Liebe, dann begehen wir im Gegensatz dazu die große Sünde der Unehrlichkeit. Arjuna wurde zum Feigling angesichts des mächtigen gegnerischen Heeres. Seine sich selbst täuschende Liebe verführte ihn, seiner Pflicht gegen König und Land nicht nachzukommen. Das war der Grund, warum Sri Krishna ihn einen Heuchler nannte. »Du sprichst wie ein Weiser, aber deine Taten verraten dich und zeigen dich als Feigling. Deshalb stehe auf und kämpfe!«