Nachgereichte Vorrede zu einer bereits erschienenen Würdigung der Prinzipe der Wärmelehre
Eine kleine Einführung zu
ISBN 978-3-8391-6620-8
Books on Demand
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Sappho (allein) … Ach die Gewohnheit ist
Ein lästig Ding, selbst an Verhasstes fesselt sie!
– Franz Grillparzer, Sappho (1818) –
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Version 1 / Nov 10
ISBN 978-3-7322-1102-9
Dieses Büchlein ist dem
Andenken meines Freundes
Hans-Ulrich Niemitz
gewidmet
Eigentlich sollte es nur ein Artikel angemessenen Umfangs über Entstehen und vor allem Vergehen des „Zweiten Hauptsatzes“ für die Zeitschrift „Zeitensprünge“ werden [Blöss 2010a]. Binnen kurzem entwickelte sich dieser Text jedoch zu einer Kurzfassung des Buches, von dem er abstammt: „Entropie. Universelle Aspekte einer physikalischen Mengengröße“ [Blöss 2010].
Dieses Büchlein erscheint gut ein viertel Jahr nach dem Hauptwerk. Es zeichnet dessen Argumente, warum die Grundlagen unserer Wärmelehre nicht von universeller Gültigkeit sein können, kurz und bündig nach:
Ein Blick in die Geschichte der Physik zeigt, dass die plancksche Quantenhypothese zwar die Quantenrevolution der Physik auslöste, in ihrer ursprünglichen Stoßrichtung jedoch unverstanden blieb.
Deshalb blieb unberücksichtigt, dass Licht – welches selbst im einfachsten System der Wärmelehre anwesend ist (also auch in einem gasgefüllten Zylinder mit Arbeitskolben) – energetisch genauso berücksichtigt werden muss wie alle anderen physikalischen Mengen. Die Vermutung, sich dieser Aufgabe mit Einführung der Entropie schon längst entledigt zu haben, wäre schon damals nicht von der Hand zu weisen gewesen.
Angenommen, die Quanten des Lichts sind auch die der Entropie. Dann wird diese zentrale Größe der Physik nach einer Ära chimärenhaften Daseins endlich direkt messbar, nämlich aus der Photonendichte eines Systems und der Elementarmenge der Entropie, die auf ihre Entdeckung gewartet hat, seit Ludwig Boltzmann die Entropie der Hohlraumstrahlung ableitete.
Damit würde der „Zweite Hauptsatz“ – dessen Rückendeckung als unverzichtbar gilt, solange man wegen der Unmessbarkeit der Entropie mit dem Rücken zur Wand steht – überflüssig werden. Überrascht es noch, dass die aktuelle Entropie-Definition mit Zusatzannahmen erschlichen wird, die nur deswegen unangreifbar erscheinen, weil die Entropie keiner direkten Messung zugänglich ist?
Eine Würdigung der Wärmelehre, die diese Erkenntnisse miteinbezieht, erlaubt es schließlich auch, einige für unüberwindlich gehaltene Restriktionen in der Energietechnik neu zu bewerten – eine interessante Ausgangssituation, um dringend benötigte Konzepte zur Energieversorgung zukunftssicherer gestalten zu können.
Berlin, 12. November 2010
Literaturhinweise des Formats [E 123] verweisen auf das Buch „Entropie“ des Autors [Blöss 2010, 123].
Es ist mittlerweile 145 Jahre her, dass Rudolf Clausius die Erkenntnisse der damals noch jungen mechanischen Wärmetheorie in zwei „Grundgesetzen des Weltalls“ zusammenfasste [Clausius 1865, 400]:
Diese Sätze stammen aus einer Zeit, in der wissenschaftliche und gesellschaftliche Elite gleichermaßen von unbegrenztem technischem und damit ökonomischem Fortschritt in einer restlos entzifferbaren Natur ausging [Neswald 2006] – hüben (libertär) wie drüben (sozialitär).
Der paradigmatische Charakter dieses epochalen Modells ist schon längst Geschichte. Die beiden „Hauptsätze“ dagegen haben von ihrer Legitimität nichts eingebüßt. Was Wunder, könnte man meinen, wo sie doch tiefer gehen als alles, was Zeitgeist aus ihnen herauszulesen vermag.
Was aber, wenn die Bedingtheit der mit ihnen verbundenen Konzepte nur deswegen verborgen geblieben ist, weil man sich von ihrem Zauber (bzw. vom Zauber der mit ihnen verbundenen Interpretationen) nicht lösen konnte?
Das Entropie-Konzept, das sich aus dem „Zweiten Hauptsatz“ ableiten lassen soll, wird für genauso bedingungslos wahr gehalten wie dieser selbst. Doch wenn ein Konzept nicht mit falsifizierbaren Annahmen und Schlussfolgerungen verbunden ist, wie kann es sich dann um ein naturwissenschaftliches Konzept handeln?
Bei der immensen Bedeutung, die den beiden „Hauptsätzen“ für die Energietechnik und damit für den Wohlstand der Nationen zuwächst, muss es deshalb als ein gefährliches Missverständnis bezeichnet werden, wenn die Stimmigkeit eines Konzeptes für selbstverständlich gehalten wird, nur weil die verbale Aussage, der es entstammt, selbstverständlich zu sein scheint.
Dieses Missverständnis steht im Schutze eines höfischen Zeremoniells, auf dessen Einhaltung im Umgang mit den beiden „Hauptsätzen“ strengstens geachtet wird. Und zwar nicht nur im inneren Zirkel der Physik, sondern – strenger noch! – in ihrer Peripherie, der „Populärwissenschaft“. Dieses Zeremoniell verlangt, dass jegliche Kritik der Elementarannahmen der Wärmelehre – auch wenn sie tatsächlich einem falsifizierbaren naturwissenschaftlichen Konzept gilt – als Symptom mangelnden Fachwissens bloßgestellt1 und so im Keim erstickt wird.
Aus dieser (Selbst)Blockade der kreativen Energie zahlreicher Wissenschaftlergenerationen hat sich ein massiver „Kritikstau“ ergeben, dessen Auflösung einige Überraschungen mit sich bringen wird.
Eine Kritik2 des Energie-Konzeptes, welches mit dem „Ersten Hauptsatz“ verbunden ist, mündet in der Aufforderung, zugunsten neuer Energietechniken nach bisher unbekannten Quanten zu suchen, die sich mit gewissen bereits bekannten Quanten quantitativ umwandeln können. Dieser Ansatz soll allerdings nur soweit gestreift werden, wie es für die Kritik des Entropie-Konzeptes erforderlich ist. Diese wiederum mündet in der Aufforderung, die Eigenschaften der längst bekannten Quanten der Entropie besser zugunsten bestehender Energietechniken auszunutzen.
Alle Aufmerksamkeit wird sich hier auf die Frage richten, ob zu Recht oder zu Unrecht davon ausgegangen wird, dass das aktuelle Entropie-Konzept universell gültig ist.
Ursprünglich brach sich der „Zweite Hauptsatz“ als ein memento mori der Menschheit Bahn, da am Ende aller Zeiten offenbar jeglicher Spielraum für Vielfalt und Leben verschwunden sein würde.
Diese Interpretation ist mittlerweile in den Hintergrund getreten. Einmal, weil selbst die Vergangenheit des Kosmos nicht hinreichend sicher aufgeklärt werden konnte. Und dann auch, weil die Dynamik von Zerfall und Nivellierung in einer modernen Physik offener Systeme nur einen vergleichsweise uninteressanten Grenzfall darstellt.
Nichtsdestotrotz ist der Satz, dass die Entropie (und nach statistischer Lesart damit auch die Unordnung) eines abgeschlossenen Systems nur zunehmen könne, zur stehenden Redensart geworden und hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingegraben. Ihn umgibt eine Aura der Evidenz, von der sowohl der „Zweite Hauptsatz“ der Wärmelehre als auch das mit ihm verbundene Entropie-Konzept umfänglich profitieren. Dieser Umstand ist bemerkenswert und bedauerlich zugleich.
Bemerkenswert ist er, weil sich der Satz von der zunehmenden Entropie im Kontext der Wärmelehre gar nicht herleiten lässt (Kapitel 8.3) und dem „Zweiten Hauptsatz“ deshalb weder zugeschrieben noch angelastet werden kann. Bedauerlich ist er, weil so die eigentliche Herausforderung an den „Zweiten Hauptsatz“, nämlich eine Definition der Entropie zu ermöglichen, völlig in den Hintergrund gedrängt wird.
Die tatsächliche Reichweite des aktuellen Entropie-Konzeptes zu ergründen, ist schon deswegen alle Anstrengung wert, weil es mit Folgerungen verbunden ist, die schon immer niederschmetternd gewesen sind und die die Bewältigung der heraufziehenden energiepolitischen Herausforderungen keineswegs leichter machen. Diese Folgerungen betreffen insbesondere den thermischen Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen, der in einer Weise temperaturabhängig sein soll, dass sich vertretbare Werte erst durch die Verbrennung bzw. Spaltung fossiler Rohstoffe erzielen ließen [E 16].
Dies gilt als so selbstverständlich, dass sich keines der Konzepte zur Sicherstellung der zukünftigen Energieversorgung [EWI et al. 2010; FVEE 2010], die jüngst von der Bundesregierung in Auftrag gegeben worden sind, mit folgender Frage aufhält:
Woraus könnte ein solches tieferes Verständnis der Entropie erwachsen, das mit der Erkenntnis, sie sei ein Maß für die Unordnung eines Systems, seinen Gipfel doch bereits erreicht haben soll?
Das tiefere Verständnis von Entropie könnte aus einer Verwunderung erwachsen, die sich bei unbeirrter Bemühung um eine saubere Begründung der Grundlagen der Wärmelehre früher oder später einstellen muss:
Diese Verwunderung wurzelt in der Tatsache, dass der „Zweite Hauptsatz“ mit der Entropie eine physikalische Größe hervorgebracht hat, die prädestiniert gewesen wäre, „im selben Abwasch“ wie Stoff, Ladung und Drehimpuls in den Kanon quantisierter Mengengrößen aufgenommen zu werden. Dass sich die Entropie am Ende sogar als dienstälteste quantisierte Mengengröße der Physik herausstellen wird, unterstreicht nur die Legitimität der Forderung, ihre aktuelle Definition unter allgemeineren Gesichtspunkten auf den Prüfstand zu stellen.
Eine Quantisierung hätte der Entropie auch gut zu Gesicht gestanden, wäre sie dadurch doch endlich direkt messbar geworden. Doch ein solches Revirement hat an der Basis der Wärmelehre nie stattgefunden. Offenbar fühlte man sich mit dem „Zweiten Hauptsatz“ stets so sicher aufgehoben, dass die Tatsache, mit ihm nur mittelbar auf die Entropie eines Systems schließen zu können, nicht als Nachteil empfunden wurde.