Cover

LUCY FOLEY hat in der Verlagsbranche gearbeitet, bevor sie ihren großen Traum wahr machte und sich ganz dem Schreiben widmete. Ihr erster Thriller Neuschnee wurde ein internationaler Erfolg und stand wochenlang auch auf der deutschen Bestsellerliste. Wenn sie nicht gerade mörderisch spannende Plots entwickelt, reist Lucy leidenschaftlich gern – vor allem nach Irland, das Land, aus dem ihre Familie stammt. Die wilde und einsame Schönheit der Inseln vor der irischen Küste inspirierte sie zu Sommernacht. Lucy Foley lebt in London.

Sommernacht in der Presse:

»Foley ist brillant!«

The Times

»Fesselnd und unterhaltsam – das Ende ist grandios!«

The Independent

»Fantastisch!«

Stylist

»Dieser Thriller packt den Leser und lässt ihn nicht mehr los. Ein wahres Geschenk!«

Heat

»Garantiert wieder ein Bestseller!«

The Guardian

Außerdem von Lucy Foley lieferbar:

Neuschnee. Thriller

Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook.

Lucy Foley

SOMMERNACHT

Thriller

Aus dem Englischen
von Ivana Marinović

Die englische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel The Guest List bei HarperCollins, London.


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Copyright © 2020 by Lucy Foley

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2021 by Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlag und Umschlagmotiv: www.buerosued.de

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-25848-1
V001

www.penguin-verlag.de

Für Kate und Robbie,
die liebsten und hilfreichsten Geschwister,
die man sich nur wünschen kann –
und die glücklicherweise ganz anders sind
als die in diesem Buch!

Jetzt

Die Hochzeitsnacht

Die Lichter gehen aus.

Mit einem Mal liegt alles in Dunkelheit. Die Band hört auf zu spielen. Im Inneren des Partyzelts kreischen die Gäste auf und klammern sich aneinander. Die Flammen der Kerzen auf den Tischen werfen bizarre Schatten auf die Zeltplanen und tragen nur zur weiteren Verwirrung bei. Es ist unmöglich auszumachen, wo jemand ist oder was gesagt wird, denn die Stimmen der Gäste ertrinken im wütenden Tosen des Windes.

Draußen tobt ein Sturm, jagt pfeifend um sie herum, wirft sich gegen das Zelt. Unter dem lauten Ächzen von Metall scheint sich das gesamte Gebilde bei jedem Angriff zu verbiegen und zu erzittern. Die Gäste ducken sich verängstigt. Die Zelttüren haben sich aus ihren Befestigungen gelöst und flattern umher. Die Flammen der Paraffinfackeln, die den Eingang erleuchten, zucken wild.

Er scheint es persönlich zu meinen, dieser Sturm. Man könnte meinen, er hätte all seinen Zorn für sie aufgehoben.

Der Strom ist nicht zum ersten Mal heute ausgefallen. Doch beim letzten Mal gingen die Lichter nach wenigen Minuten wieder an. Die Gäste wandten sich erneut ihrem Tanzen zu, ihrer Trinkerei, dem Einwerfen von Pillen, dem Essen, Vögeln und Lachen … und vergaßen, dass es je passiert war.

Wie lange dauert der Stromausfall jetzt schon an? Schwer zu sagen im Dunkeln. Ein paar Minuten? Fünfzehn? Zwanzig?

Allmählich bekommen sie es mit der Angst zu tun. Die Dunkelheit fühlt sich irgendwie unheilvoll an. Als könne unter ihrem Deckmantel gerade alles Mögliche passieren.

Endlich gehen die Glühbirnen flackernd wieder an. Jubelrufe von den Gästen, denen sichtlich unangenehm ist, in welcher Stellung das elektrische Licht sie erwischt hat: zusammengekauert, wie um einen Angriff abzuwehren. Lachend tun sie es ab, und beinahe gelingt es ihnen, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie keine Angst hatten.

Die beleuchtete Szenerie in den drei zusammenhängenden Pavillons des Partyzelts sollte die einer Feier sein, doch es sieht vielmehr nach Verwüstung aus. Auf dem Laminatboden des Hauptzelts, in dem gegessen wurde, befinden sich Weinpfützen, ein dunkelroter Fleck breitet sich auf der weißen Tischwäsche aus. Überall leere Champagnerflaschen – Zeugen eines Abends der Trinksprüche und Festlichkeiten. Ein einsames Paar silberner Sandalen lugt unter einem Tischtuch hervor.

Im Tanzpavillon beginnt die irische Band erneut zu spielen – ein schwungvolles Stück, um die Feierlaune wieder aufleben zu lassen. Ein Großteil der Gäste kommt dazu, erpicht auf etwas Ablenkung. Würde man genauer hinschauen, wo sie entlanggehen, könnte man die Spuren sehen, wo ein barfüßiger Gast in eine Glasscherbe getreten und blutige Fußabdrücke auf dem Laminat hinterlassen hat, die allmählich zu rostroten Flecken eintrocknen. Niemandem fällt es auf.

Andere Gäste versammeln sich in den Ecken des Hauptzelts und lassen sich dort treiben, wie hängen gebliebene Zigarettenschwaden. Unwillig zu bleiben, aber genauso unwillig, aus der sicheren Zuflucht des Partyzelts hinauszutreten, solange der Sturm wütet. Keiner kann die Insel verlassen. Noch nicht. Die Boote können erst kommen, wenn der Wind abgeflaut ist.

Im Zentrum von alledem thront die riesige Torte. Den Großteil des Tages hat sie sich ihnen heil und perfekt präsentiert, mit ihrem kunstvollen Schweif aus Zuckerblüten und -blättern, die in der Festbeleuchtung glänzen. Kurz bevor die Lichter ausgingen, hatten die Gäste sich versammelt, um ihrer rituellen Ausweidung beizuwohnen. Nun klafft das rote Biskuit aus dem Inneren hervor.

Da dringt ein neuer Laut von draußen herein. Beinahe könnte man ihn mit dem Wind verwechseln. Doch er schwillt in seiner Tonhöhe und Lautstärke an, bis er nicht mehr zu verkennen ist.

Die Gäste erstarren. Sie blicken einander stumm an. Plötzlich haben sie wieder Angst. Mehr noch als vorhin, während die Lichter aus waren. Sie alle wissen, was sie da hören. Es ist ein Schrei des Grauens.

Am Vortag

AOIFE

Die Hochzeitsplanerin

Fast der gesamte innere Kreis der Hochzeitsgesellschaft ist inzwischen eingetroffen. Ab sofort werden wir einen Gang zulegen müssen: Das Probedinner mit den ausgewählten Gästen steht bevor, daher beginnen die Hochzeitsfeierlichkeiten im Grunde schon heute Abend.

Ich habe den Champagner, der vorab serviert wird, auf Eis legen lassen. Erlesener Bollinger, gleich acht Flaschen. Dazu kommen der Wein für das Abendessen und zwei Kisten Guinness. Es ist nicht meine Aufgabe, das zu kommentieren, aber es erscheint mir doch ganz schön viel. Andererseits sind es allesamt erwachsene Menschen. Ich bin mir sicher, sie wissen sich zurückzuhalten. Oder auch nicht. Der Trauzeuge kommt mir in dieser Hinsicht etwas problematisch vor – das gilt ehrlich gesagt für alle Freunde des Bräutigams. Und was die Brautjungfer betrifft, die Halbschwester der Braut … Ich habe sie bei ihren einsamen Streifzügen über die Insel gesehen, vornübergebeugt und mit schnellen Schritten, als versuche sie, vor etwas davonzulaufen.

Bei dieser Art von Arbeit erfährt man alle privaten Geheimnisse. Man sieht Dinge, die niemand sonst zu sehen bekommt. Man hört den ganzen Klatsch und Tratsch, den die Leute nur zu gern erfahren würden. Als Hochzeitplanerin kann man es sich nicht leisten, etwas nicht zu bemerken. Man muss wachsam bleiben für jedes Detail, für die kleinen Wirbel unter der Oberfläche. Würde ich nicht darauf achtgeben, könnte eine dieser unterschwelligen Strömungen zu einer riesigen, reißenden Flut anwachsen und meine gesamte umsichtige Planung zerstören. Und hier noch eine Sache, die ich gelernt habe: Manchmal sind die unscheinbarsten Strömungen die stärksten.

Ich gehe noch einmal durch die Erdgeschosszimmer des Folly, so nennen wir unser kleines Lustschlösschen, und entzünde die Torfblöcke in den Kaminen, damit sie bis heute Abend eine ordentliche Glut entwickeln. Freddy und ich sind dazu übergegangen, im Moor unseren eigenen Torf zu stechen und zu trocknen, so wie es hier jahrhundertelang praktiziert wurde. Der rauchige, erdige Geruch der Torffeuer wird zum besonderen regionalen Ambiente beitragen. Den Gästen dürfte das gefallen. Obwohl Sommer ist, wird es nachts auf der Insel recht kühl. Die alten Steinmauern des Folly, das nach dem Vorbild einer mittelalterlichen Burg erbaut wurde, halten zwar die Wärme ab, sind aber auch nicht sonderlich gut darin, sie zu speichern.

Heute war es unerwartet warm, zumindest für hiesige Verhältnisse, doch für morgen war in der Wettervorhersage die Rede von Windböen gewesen. Hier auf der Insel kriegen wir jedes Wetter mit voller Wucht ab. Oft wüten die Stürme hier viel schlimmer als später auf dem Festland, ganz so, als hätten sie sich bei uns ausgetobt. Draußen ist es zwar immer noch sonnig, doch heute Nachmittag ist die Nadel des alten Barometers im Flur von HEITER zu WECHSELHAFT gesprungen. Ich habe es abgenommen, damit die Braut es nicht sieht. Obwohl ich nicht glaube, dass sie eine von der panischen Sorte ist. Mehr die Sorte, die wütend wird und jemanden sucht, an dem sie es auslassen kann. Und ich weiß ganz genau, wer in der Schusslinie stünde.

»Freddy!«, rufe ich in die Küche. »Legst du bald mit dem Abendessen los?«

»Ja«, ruft er zurück, »hab alles im Griff!«

Heute Abend werden die Gäste einen herzhaften Fischeintopf nach Art eines traditionellen Connemara Fisherman’s Chowder serviert bekommen: mit geräuchertem Fisch und viel Sahne. Ich habe das Gericht kennengelernt, als ich zum ersten Mal diesen Ort besuchte, damals, als es hier noch Menschen gab. Heute Abend gibt es eine verfeinerte Variante des ursprünglichen Rezepts, da wir kultivierte Leute bewirten. Oder sie halten sich zumindest für kultiviert. Wir werden ja sehen, was passiert, wenn die Wirkung des Alkohols einsetzt.

»Gleich danach sollten wir mit den Vorbereitungen für die Kanapees beginnen!«, rufe ich, während ich die Liste in meinem Kopf durchgehe.

»Ich bin schon dran.«

»Und die Torte sollten wir auch rechtzeitig aufstellen.«

Die Hochzeitstorte ist ein echter Hingucker. Und das sollte sie auch sein, denn ich weiß, wie viel sie gekostet hat. Die Braut hat bei der Nennung des Preises nicht mal mit der Wimper gezuckt. Ich nehme an, sie ist es gewohnt, das Beste vom Besten zu bekommen. Vier Stockwerke aus Red-Velvet-Biskuitboden, von makellosem weißem Fondant umhüllt und mit zarten Zuckerblüten übersät, die zum Blumenschmuck in der Kapelle und im Partyzelt passen. Das Gebilde ist extrem zerbrechlich und wurde exakt nach den Vorgaben der Braut angefertigt. Es war eine kleine Herausforderung, sie unbeschadet von dem Dubliner Konditor bis hierher auf die Insel zu schaffen. Morgen wird sie natürlich trotzdem zerstört. Aber bei einer Hochzeit geht es eben einzig und allein um den Moment. Einzig und allein um den einen Tag. Es geht nicht wirklich um die Heirat, auch wenn das immer behauptet wird.

Mein Beruf besteht darin, Glück zu organisieren und zu inszenieren. Das ist der Grund, warum ich überhaupt Hochzeitsplanerin geworden bin. Das Leben ist ein einziges unschönes Chaos, das wissen wir alle. Es passieren schreckliche Dinge, das habe ich schon als Kind erfahren müssen. Was auch geschehen mag – das Leben ist nichts als eine Abfolge von Tagen, und nur auf die wenigsten davon hat man Einfluss. Doch auf diesen einen schon. Vierundzwanzig Stunden lassen sich durchplanen und organisieren. So ein Hochzeitstag ist ein kleiner, fest bemessener Zeitabschnitt, in dem ich etwas Vollkommenes, etwas Perfektes erschaffen kann, das ein Leben lang gewürdigt und in Ehren gehalten wird – wie die Perle einer gerissenen Halskette.

Freddy kommt in seiner fleckigen Metzgerschürze aus der Küche. »Wie fühlst du dich?«

Ich zucke die Achseln. »Etwas nervös, um ehrlich zu sein.«

»Du hast das im Griff, Liebling. Denk dran, wie oft du das schon gemacht hast.«

»Aber diesmal ist es etwas anderes. Schließlich sind es ganz besondere Gäste.«

Ich war schon ein bisschen stolz darauf, dass Will Slater und Julia Keegan ihre Hochzeit hier bei uns abhalten wollten. Früher habe ich als Eventplanerin in Dublin gearbeitet. Dass wir uns hier auf der Insel niedergelassen haben, war ganz allein meine Idee, genauso wie das Vorhaben, das marode, halb verfallene Lustschlösschen zu restaurieren und in eine elegante Unterkunft mit zehn Schlafzimmern, Salon, Speiseraum und Küche zu verwandeln. Freddy und ich wohnen ständig hier, benötigen jedoch, wenn wir zu zweit sind, lediglich einen Bruchteil des Platzes.

»Schhh.« Freddy schließt mich in seine Arme.

Sofort spüre ich, wie ich mich versteife. Ich bin so fokussiert auf meine To-do-Liste, dass seine Umarmung mir wie eine Ablenkung vorkommt, für die wir keine Zeit haben. Dann jedoch gestatte ich mir, mich in seiner Umarmung zu entspannen, seine tröstende, vertraute Wärme zu genießen. Freddy ist gut im Umarmen. Er ist das, was man »verschmust« nennen könnte. Seine große Leidenschaft gilt dem Essen, das er kocht – das ist sein Job. Bevor wir hierherkamen, führte er ein Restaurant in Dublin.

»Es wird alles gut gehen«, sagt er. »Versprochen. Es wird alles perfekt.« Er drückt mir einen Kuss auf den Scheitel.

Ich habe einiges an Erfahrung in diesem Geschäft, doch noch nie habe ich mich so in ein Event reingekniet. Zudem ist die Braut sehr speziell – was, das muss man fairerweise einräumen, wahrscheinlich mit ihrem Job als Herausgeberin eines Lifestyle-Magazins einhergeht. Jemand anderen hätten ihre Ansprüche und Forderungen womöglich ins Schwitzen gebracht, doch mir hat es Spaß gemacht. Ich mag Herausforderungen.

Allem Anschein nach sind Braut und Bräutigam noch nicht allzu lange zusammen. Da sich unser privates Schlafzimmer wie auch die Gästezimmer im Folly befinden, konnten wir sie gestern Nacht hören. »Meine Güte«, meinte Freddy, als wir im Bett lagen, »das kann ich mir echt nicht anhören.« Ich wusste, was er meinte. Schon seltsam, dass es sich nach Schmerzen anhören kann, wenn jemand von der Lust übermannt wird. Die beiden scheinen bis über beide Ohren verliebt zu sein. Jemand Spitzfindiges könnte jetzt sagen: Genau deshalb können sie ja die Finger nicht voneinander lassen. Doch »einander mit Haut und Haaren verfallen« wäre wohl die treffendere Umschreibung.

Freddy und ich sind mittlerweile seit beinahe zwei Jahrzehnten zusammen, doch bis heute gibt es Dinge, die ich vor ihm verheimliche, und ich bin mir sicher, das Gleiche gilt auch umgekehrt. Da fragt man sich schon, wie viel diese beiden übereinander wissen.

Und ob sie wirklich alle dunklen Geheimnisse des anderen kennen.

HANNAH

Die Begleitung

Vor uns erheben sich die Wellen mit ihren weißen Schaumkronen. An Land ist es ein wunderschöner Sommertag, doch hier draußen geht es ziemlich rau zu. Vor ein paar Minuten haben wir den Schutz des Hafens hinter uns gelassen, schon bald darauf schien die Farbe des Wassers sich zu verdunkeln, und die Wellen wuchsen merklich an.

Es ist der Tag vor der Hochzeit, und wir befinden uns auf dem Weg zur Insel. Als »besondere Gäste« haben wir das Privileg, heute schon dort zu übernachten. Ich freue mich darauf. Zumindest glaube ich, dass ich mich freue. In jedem Fall kann ich im Moment etwas Ablenkung gut gebrauchen.

»Achtung, festhalten!«, ruft der Kapitän aus der Steuerkabine hinter uns, der sich uns vorhin als Mattie vorgestellt hat. Bevor wir auch nur Zeit haben, einen Gedanken zu fassen, hebt das kleine Boot von einer Woge ab und rauscht in den Kamm der nächsten. Das Wasser spritzt in einem Riesenbogen über uns hinweg.

»Verdammt!«, schreit Charlie, und ich sehe, dass er auf einer Seite komplett durchnässt ist. Wunderbarerweise bin ich nur etwas feucht geworden.

»Na, sind Sie da vorn etwas nass geworden?«, ruft Mattie vergnügt.

Ich lache, muss mich allerdings dazu zwingen, da die Situation doch ziemlich beängstigend war. Die ständigen Bewegungen des Bootes – irgendwie vor und zurück und gleichzeitig von einer Seite zur anderen – machen meinem Magen zu schaffen.

»Puh«, stoße ich aus, als ich die Übelkeit in mir aufsteigen spüre. Bei der Erinnerung an den kleinen Nachmittagsimbiss aus Tee, Scones und Clotted Cream, den wir zu uns genommen haben, bevor wir an Bord gingen, möchte ich mich am liebsten übergeben.

Charlie sieht mich besorgt an, legt eine Hand auf mein Knie und drückt es sanft. »Oje. Geht’s schon los?«

Ich leide an furchtbarer Reiseübelkeit, und mir wird auch sonst schnell übel. Während der Schwangerschaft war es mit der Übelkeit am schlimmsten.

»Mmhmmm. Ich habe zwei Tabletten genommen, aber die haben kaum was gebracht.«

»Weißt du was? Ich werde dir was über die Insel vorlesen, das bringt dich auf andere Gedanken.« Mein Mann sucht in seinem Handy. Er hat sich einen Reiseführer runtergeladen – typisch Lehrer. Als das Boot wieder schlingert, entgleitet das iPhone ihm beinahe. Er flucht und packt es mit beiden Händen, wir können uns wirklich kein neues leisten.

»Hier steht nicht besonders viel«, sagt er etwas entschuldigend, als er es geschafft hat, die Seite zu laden. »Haufenweise Zeug über Connemara, aber die Insel selbst … Ich schätze, sie ist zu klein …« Er fixiert das Display, als wolle er es zwingen, mehr auszuspucken. »Moment, hier, ich hab was gefunden.« Er räuspert sich, dann fängt er an mit einer Stimme zu lesen, die er wahrscheinlich auch im Unterricht einsetzt. »›Die Insel Inis an Amplóra oder, in der englischen Übersetzung, Cormorant Island misst von einem Ende zum anderen zwei Meilen und ist dabei länger, als sie breit ist. Sie besteht aus einem gewaltigen Granitbrocken, der sich einige Meilen vor Connemaras Küste majestätisch aus dem Atlantik erhebt. Ein großes Torfmoor bedeckt den Großteil der Oberfläche. Die beste und zugleich einzige Art und Weise, die Insel zu betrachten, ist von einem Privatboot aus. Im Fahrwasser zwischen Festland und Insel kann die See allerdings besonders rau werden …‹«

»Da haben sie wohl recht«, murmle ich und klammere mich an die Reling, als wir schaukelnd über die nächste Welle hinwegsetzen und erneut hinabkrachen. Mein Magen dreht sich gleich noch mal um.

»Ich kann Ihnen mehr dazu erzählen!«, ruft Mattie aus seiner Kabine. Mir war nicht klar, dass er uns von da drüben hören kann. »Aus einem Reiseführer werden Sie nicht viel über Inis an Amplóra rausbekommen.«

Charlie und ich rutschen näher zur Steuerkabine rüber, damit wir besser hören können. Der Kapitän hat einen charmanten, breiten Akzent.

»Die ersten Menschen, die diesen Ort besiedelten«, erzählt er uns, »gehörten, soweit man weiß, zu einer religiösen Sekte, die von den Leuten auf dem Festland verfolgt wurde.«

»Oh ja«, sagt Charlie und blickt in seinen Reiseführer, »ich glaube, darüber habe ich etwas …«

»Sie können nicht alles aus dem Ding da rauskriegen«, sagt Mattie stirnrunzelnd und sichtlich ungehalten ob der Unterbrechung. »Wissen Sie, ich leb schon mein ganzes Leben in der Gegend … meine Leute sind schon seit Jahrhunderten hier. Ich kann Ihnen mehr erzählen als Ihr Kerl da im Internet.«

»Entschuldigung«, sagt Charlie errötend.

»Jedenfalls«, fährt Mattie fort, »haben die Archäologen sie vor zwanzig Jahren gefunden. Lagen allesamt im Moor, Seite an Seite, eng zusammengepackt.« Irgendwas sagt mir, dass er die Situation genießt. »Sehr gut erhalten, so hieß es, weil es da unten keine Luft gibt. Es war ein Massaker. Sie wurden allesamt niedergemetzelt.«

»Oh«, sagt Charlie mit einem besorgten Blick zu mir, »ich bin nicht sicher, ob …«

Es ist zu spät. Die Vorstellung ist schon in meinem Kopf: vor Urzeiten vergrabene Leichen, die aus dem schwarzen, nassen Moor emporsteigen. Ich versuche, nicht daran zu denken, aber das Bild bleibt beharrlich vor meinem inneren Auge stehen, wie bei einem stockenden Video. Der Schwall von Übelkeit, der mich überkommt, als wir über die nächste Welle hinwegreiten, ist beinahe eine Erleichterung, da er meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

»Und heute lebt da niemand mehr?«, erkundigt sich Charlie lächelnd in dem Versuch, die Gesprächsrichtung zu ändern. »Abgesehen von den Besitzern?«

»Nein«, sagt Mattie. »Nur Geister.«

Charlie tippt aufs Display. »Hier steht, dass die Insel bis in die Neunziger bewohnt war, als die letzten paar Leute beschlossen, zugunsten von fließend Wasser, Elektrizität und den Annehmlichkeiten eines modernen Lebensstils aufs Festland zurückzukehren.«

»Oh, das steht da also, ja?« Mattie klingt belustigt.

»Wieso?«, frage ich, als ich meine Stimme wiederfinde. »Gab es einen anderen Grund, warum sie fortgegangen sind?«

Mattie scheint etwas sagen zu wollen, doch da wechselt seine Miene schlagartig. »Aufgepasst!«, brüllt er. Charlie und ich schaffen es gerade noch, die Reling zu packen. Sekunden später scheint der Boden unter uns wegzubrechen, und wir fallen an einer Wellenwand hinab, nur um gleich wieder gegen eine andere zu krachen.

Man soll bei Seekrankheit einen festen Punkt fixieren. Ich richte meinen Blick auf die Insel. Sie war schon die ganze Fahrt über in Sicht, ein bläulicher Fleck am Horizont in der Form eines abgeflachten Ambosses. Natürlich würde Jules niemals einen Ort auswählen, der nicht atemberaubend schön ist, doch auf mich wirkt die dunkle Silhouette wie eine finstere Gestalt, die sich vor dem strahlend hellen Tag zusammenkauert.

»Ziemlich spektakulär, was?«, sagt Charlie.

»Mhm«, erwidere ich unverbindlich. »Hoffentlich gibt es inzwischen fließend Wasser und Elektrizität auf der Insel. Ich glaube, ich brauche nach der Reise ein heißes Bad.«

Charlie grinst. »So wie ich Jules kenne, haben sie mittlerweile ganz sicher Rohre und Leitungen verlegt, falls es noch keine gegeben haben sollte. Du weißt ja, wie sie ist. Immer total effizient.«

Ich bin sicher, dass Charlie es nicht so gemeint hat, aber für mich klingt es wie ein Vergleich. Ich bin nämlich ganz eindeutig nicht der effizienteste Mensch der Welt. Irgendwie kann ich keinen Raum betreten, ohne ein totales Durcheinander zu produzieren, und seitdem die Kinder da sind, ist unser Haus praktisch eine ständige Müllhalde. Wenn wir ganz selten mal Gäste zu Besuch haben, stopfe ich den ganzen Kram in sämtliche Schränke und Schubladen, bis es sich anfühlt, als würde die gesamte Wohnung den Atem anhalten, um nicht zu explodieren. Als wir das erste Mal zum Abendessen in Jules’ elegantem viktorianischen Haus in Islington eingeladen waren, fand ich, dass es aussah, als stammte es aus einer Zeitschrift – ihrem eigenen Online-Magazin mit dem Titel The Download. Ich hatte schon Angst, dass sie mich gleich verräumen würde, da mir bewusst war, dass ich mit meinem herausgewachsenen dunklen Haaransatz und den Klamotten von der Stange völlig aus dem Rahmen fiel. Ich ertappte mich dabei, wie ich versuchte, meinen Akzent zu glätten, meine plumpen Manchester-Vokale abzumildern.

Wir könnten unterschiedlicher nicht sein, Jules und ich. Die zwei wichtigsten Frauen im Leben meines Ehemanns. Ich beuge mich über die Reling, sauge tief die Meeresluft ein.

»Ich habe den Großteil von dem Artikel über die Insel gelesen«, sagt Charlie. »Anscheinend verfügt sie über weiße Sandstrände, die in diesem Teil von Irland wohl sehr bekannt sind. Der helle Sand bedeutet auch, dass das Wasser in den Buchten eine wunderschöne türkisblaue Färbung annimmt.«

»Na, das klingt schon verlockender als ein Torfmoor.«

»Vielleicht finden wir ja sogar die Gelegenheit, eine Runde schwimmen zu gehen.« Charlie schenkt mir ein Lächeln.

Ich schaue auf das kalte Meerwasser, das hier eher schiefergrün als türkisblau ist, und erschauere. Dabei schwimme ich sogar in Brighton, und zwar im Ärmelkanal. Trotzdem. Das Wasser dort kommt mir so viel zahmer vor als diese wilde, brutale See.

»Dieses Wochenende wird bestimmt eine gute Ablenkung, oder?«, sagt Charlie.

»Ja, das hoffe ich wirklich.« Wir haben schon ewig keinen Urlaub gehabt. Und im Moment kann ich einen solchen Kurztrip dringend gebrauchen. »Ich kapiere nur nicht ganz, warum Jules irgendeine unbekannte Insel vor der irischen Küste für ihre Hochzeitsfeier ausgesucht hat«, schiebe ich hinterher. Auch wenn es ihr sehr ähnlich sieht, eine derart exklusive Örtlichkeit zu wählen, dass ihre Gäste auf dem Weg dorthin ernsthaft Gefahr laufen zu ertrinken. »Ist ja nicht so, als könne sie es sich nicht leisten, die Feier woanders abzuhalten.«

Charlie runzelt die Stirn. Er redet nicht gern über Geld, es ist ihm unangenehm. Das ist einer der Gründe, warum ich ihn liebe. Bis auf manchmal, wenn ich nicht umhinkomme, mich zu fragen, wie es wohl wäre, ein kleines bisschen mehr davon zu haben. Wir haben uns wegen des Hochzeitsgeschenks den Kopf zermartert und einen ziemlichen Streit deswegen gehabt. Normalerweise sind fünfzig Pfund unser absolutes Maximum, aber Charlie bestand darauf, dass es mehr sein müsste, da er und Jules so eng befreundet sind. Doch da sämtliche Geschenke aus dem exklusiven Londoner Liberty-Kaufhaus stammten, bekamen wir für die hundertfünfzig Pfund, auf die wir uns schließlich einigten, lediglich eine recht gewöhnlich ausschauende Keramikschüssel. Auf der Liste gab es sogar eine Duftkerze für zweihundert Pfund.

»Du kennst doch Jules«, sagt Charlie, bevor das Boot ein weiteres Mal abwärtsrauscht, dann gegen etwas prallt, das sich viel härter als Wasser anfühlt, und zu allem Überfluss mit ein paar seitlichen Schlenkern wieder hochhüpft. »Sie macht die Dinge eben gerne anders. Außerdem könnte es etwas damit zu tun haben, dass ihr Dad Ire ist.«

»Ich dachte, sie versteht sich nicht mit ihrem Dad.«

»Es ist ein bisschen kompliziert. Er war zwar nie wirklich für sie da und scheint auch sonst eher ein Arsch zu sein, aber ich glaube, sie hat ihn irgendwie trotzdem vergöttert. Deswegen wollte sie damals auch, dass ich ihr Segelstunden gebe. Er hatte da anscheinend diese Jacht, und sie wollte unbedingt, dass er stolz auf sie ist.«

Es fällt schwer, sich Jules in der unterlegenen Position eines Menschen vorzustellen, der jemand anders stolz machen will. Ich weiß, dass ihr Dad ein erfolgreicher Bauunternehmer ist, ein echter Machertyp, der es aus eigener Kraft nach oben geschafft hat. Als Tochter eines Lokführers und einer Krankenschwester bin ich mit ständigen Geldsorgen aufgewachsen. Leute, die einen Haufen Kohle zusammengescheffelt haben, beeindrucken mich zwar, wecken aber zugleich mein Misstrauen. Für mich gehören sie allesamt einer anderen Spezies an, einer ganz eigenen Art von aalglatten, gefährlichen Raubkatzen.

»Vielleicht hat ja Will den Ort ausgesucht«, überlege ich. »Klingt ganz nach ihm, der ist doch so naturverbunden.« Ich verspüre einen Anflug von Aufregung bei dem Gedanken, jemand so Berühmtes kennenzulernen. Es ist schwer, sich Jules’ Verlobten als realen Menschen vorzustellen.

Ich habe mir heimlich seine Sendung angeschaut. Sie ist ziemlich gut, obwohl ich sicher nicht ganz objektiv bin. Mich fasziniert die Vorstellung, dass Jules mit diesem Mann zusammen ist … ihn berührt, ihn küsst, mit ihm schläft. Und ihn demnächst heiratet.

Das Konzept der TV-Show Survive the Night besteht darin, dass Will in tiefster Nacht gefesselt und mit verbundenen Augen irgendwo ausgesetzt wird – in einem Wald oder inmitten der arktischen Tundra beispielsweise –, mit nichts als den Klamotten, die er am Leib trägt, und einem Messer in seinem Gürtel. Dann muss er sich befreien und es bis zu einem verabredeten Treffpunkt schaffen, wobei er lediglich seinen Grips und sein Orientierungsvermögen einsetzen darf. Das Ganze ist extrem spannend und dramatisch: In einer Folge musste er im Dunkeln einen Wasserfall überqueren, in einer anderen wurde er von Wölfen aufgespürt und verfolgt. Zwischendurch fällt einem wieder ein, dass da ein Kamerateam im Hintergrund ist, das ihn filmt und begleitet. Wenn es richtig gefährlich wäre, würden sie doch bestimmt eingreifen und ihm helfen, oder? Jedenfalls schaffen sie es, dass man die Gefahr so intensiv spürt, als wäre man selbst mit dabei.

Bei der Erwähnung von Will hat sich Charlies Miene verfinstert. »Ich kapiere immer noch nicht, warum sie ihn nach so kurzer Zeit schon heiraten muss«, murrt er. »Aber ich schätze, so ist Jules einfach. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, macht sie Nägel mit Köpfen. Lass dir eins gesagt sein, Hannah: Der Kerl verbirgt irgendwas. Ich glaube nicht, dass er der ist, der er vorgibt zu sein.«

Und genau deswegen habe ich mir die Sendung nur heimlich angeschaut. Ich wusste, dass es Charlie nicht recht wäre. Manchmal kommt mir unwillkürlich der Gedanke, dass seine Abneigung gegenüber Will ein bisschen wie Eifersucht wirkt. Ich hoffe wirklich, dass es keine Eifersucht ist. Denn was würde das für uns bedeuten?

Es könnte aber auch etwas mit Wills Junggesellenabschied zu tun haben. Charlie ist hingegangen, obwohl er doch eigentlich Jules’ bester Freund ist. Als er vom Wochenendtrip nach Schweden zurückkam, wirkte er irgendwie verstört. Jedes Mal, wenn ich das Thema ansprach, wurde er ganz komisch und blockte ab. Also ließ ich es dabei bewenden. Schließlich ist er heil vom Junggesellenabschied zurückgekommen.

Der Wind scheint die See in der kurzen Zeit weiter aufgeraut zu haben. Das alte Fischerboot schlägt wie eine Rodeo-Maschine in alle Richtungen aus, gerade so, als würde es versuchen, uns über Bord zu werfen.

»Ist es denn wirklich sicher, wenn wir jetzt weiterfahren?«, frage ich den Kapitän.

»Jepp!«, ruft Mattie über das Krachen der Gischt und das Pfeifen des Windes hinweg. »Eigentlich ist es ein guter Tag. Ist auch nicht mehr weit bis zur Inis an Amplóra.«

Ich spüre ein paar nasse Strähnen an meiner Stirn kleben, während sich meine restlichen Haare gefühlt zu einer riesigen, wirren Wolke um meinen Kopf aufgebauscht haben. Ich kann mir nur zu gut vorstellen, was für ein Bild ich vor Jules, Will und den anderen abgeben werde, wenn wir endlich ankommen.

»Ein Kormoran!«, schreit Charlie und deutet mit dem Finger aufs Meer. Ich weiß, er versucht, mich von meiner Übelkeit abzulenken. Dabei komme ich mir vor wie ein Kind, das beim Arzt eine Spritze bekommen soll. Doch ich folge seinem Fingerzeig und erblicke ein glattes, geschmeidiges schwarzes Köpfchen, das aus den Wellen auftaucht wie das Sehrohr eines Mini-U-Boots. Dann stößt es unter die Oberfläche hinab, ein pfeilartiger schwarzer Streifen. Unglaublich, dass ein Lebewesen sich unter so feindseligen Bedingungen heimisch fühlen kann.

»In dem Artikel gab es einen eigenen Abschnitt über Kormorane«, erklärt Charlie und zückt wieder sein Handy. »Ah, hier. Anscheinend sind sie auf dieser Höhe der Küste besonders häufig anzutreffen.« In seinem typischen Lehrerton liest er vor: »Der Kormoran gilt in den örtlichen Mythen und Legenden als Unheilbringer.« Ach herrje. »In vergangenen Zeiten stand der Vogel symbolisch für Gier, Unglück und das Böse.«

Wir schauen beide zu, als der Vogel wieder aus dem Wasser auftaucht. Ein winziger Fisch zappelt in seinem scharfen Schnabel, ein kurzes Aufblitzen von Silber, bevor der Vogel seinen Schlund aufsperrt und ihn am Stück verschlingt.

In diesem Moment dreht sich mir der Magen um. Ich habe das Gefühl, als hätte ich den zappelnden und glitschigen Fisch verschluckt, der nun in meinem Magen herumschwimmt. Als das Boot krängt, stürze ich an die Reling und würge meinen Nachmittagsimbiss hoch.

JULES

Die Braut

Ich stehe vor dem Spiegel in unserem Schlafzimmer, natürlich dem größten und elegantesten der zehn Gästezimmer. Von hier aus muss ich den Kopf nur ein Stückchen drehen, um durch das Fenster auf das Meer hinauszublicken. Das Wetter heute ist perfekt, die Sonne glitzert so gleißend auf den Wellen, dass man kaum hinsehen kann. Und so soll es verdammt noch mal bis morgen bleiben.

Unser Zimmer liegt auf der Westseite des Gebäudes, und da wir uns auf der westlichsten Insel an diesem Teil der Küste befinden, gibt es zwischen mir und Amerika nichts und niemanden. Mir gefällt die Dramatik, die in dieser Vorstellung mitschwingt. Das Folly selbst ist ein wunderschön renoviertes Lustschloss aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Das Interieur schafft die Gratwanderung zwischen Luxus und Zeitlosigkeit, Grandezza und Behaglichkeit: antike Teppiche auf Natursteinplatten, frei stehende Klauenfußbadewannen, gemauerte Kamine mit gemütlich glimmenden Torffeuern. Es ist geräumig genug, um all unsere besonderen Gäste zu beherbergen, und doch so klein, dass es intim und persönlich wirkt. Es ist einfach perfekt. Alles wird perfekt werden.

Denk nicht an den Zettel, Jules.

Nein, ich werde nicht an den Zettel mit der Nachricht denken.

Scheiße. Scheiße. Keine Ahnung, warum sie mir so zusetzt. Ich habe nie zu diesen Menschen gehört, die morgens um drei aufwachen und sich wegen irgendwas verrückt machen. Zumindest nicht bis vor drei Wochen.

Denn da lag der Zettel in unserem Briefkasten. Darauf stand, ich solle die Hochzeit abblasen.

Irgendwie hat der Zettel seine dunkle Macht in mir entfaltet. Wann immer ich daran denke, bekomme ich ein säuerliches Gefühl in der Magengrube. Als hätte ich Angst.

Was lächerlich ist. Normalerweise würde ich keinen zweiten Gedanken an solche Dinge verschwenden.

Ich schaue wieder in den Spiegel. Ich habe das Kleid an. Das Kleid. Ich fand es wichtig, es am Tag vor meiner Hochzeit ein letztes Mal anzuprobieren. Zwar hatte ich letzte Woche noch eine Anprobe, aber ich überlasse nie etwas dem Zufall. Es sitzt perfekt, wie erwartet. Schwere cremefarbene Seide, die aussieht, als sei sie über meinen Körper gegossen worden. Das eng anliegende Mieder sorgt für die absolut essenzielle Sanduhrsilhouette. Keine Spitze oder anderer Firlefanz, der nicht zu mir passt. Das Gewebe ist so fein, dass die Seide nur mit speziellen weißen Handschuhen angelegt werden darf, die ich selbstverständlich gerade trage. Das Kleid hat ein Heidengeld gekostet. Und das war es wert. Ich habe kein Interesse an Mode als Selbstzweck, aber ich respektiere die Macht von Kleidung, die für das richtige Erscheinungsbild sorgt. Ich wusste sofort, dass dieses Kleid seine Trägerin zur Königin macht.

Am Ende des morgigen Abends wird das Kleid wahrscheinlich dreckig sein – nicht einmal ich kann das verhindern –, aber ich habe ohnehin vor, es bis unters Knie kürzen und dunkler färben zu lassen. Wenn ich eines bin, dann pragmatisch veranlagt. Ich habe immer einen Plan, immer. Das war schon in meiner Kindheit so.

Ich gehe zur Wand hinüber, an der ich die Tischordnung befestigt habe. Will meint, ich sei wie ein General, der seine Schlachtpläne aufhängt. Aber so etwas ist doch wichtig, oder etwa nicht? Die Tischordnung kann die Feierlaune der Hochzeitsgäste befeuern oder die Stimmung verderben, je nachdem. Ich weiß, dass sie noch heute Abend stehen wird. Es ist alles eine Frage der Planung. Genau so habe ich The Download innerhalb von zwei Jahren von einem simplen Lifestyle-Blog zu einem richtigen Online-Magazin mit dreißig Mitarbeitern gemacht.

Die meisten Gäste werden erst morgen zur Trauung auf der Insel eintreffen und nach der Feier in ihre Hotels auf dem Festland zurückkehren. Wie sehr habe ich es genossen, »Boote um Mitternacht« anstelle der üblichen »Kutschen« auf die Einladung zu schreiben. Nur unsere engsten Freunde und Familienangehörigen werden heute und morgen mit uns im Folly übernachten. Die Gästeliste ist ziemlich exklusiv. Will durfte neben seinem Trauzeugen nur seine wichtigsten Freunde als Gefolge aussuchen, da er so viele hat. Für mich war das weniger schwierig, da ich lediglich eine Brautjungfer habe: meine Halbschwester Olivia. Ich habe kaum Freundinnen, denn ich habe keine Zeit für Klatsch und Tratsch. Außerdem erinnern mich reine Frauengrüppchen zu sehr an die zickigen Mädchencliquen an meiner Schule, die mich nie als ihresgleichen akzeptierten. Es war etwas unerwartet für mich, dass so viele Frauen bei meinem Junggesellinnenabschied auftauchten, doch zum Großteil handelte es sich dabei um die Partnerinnen von Wills Kumpels und um Angestellte von The Download, die das Ganze als Überraschung für mich organisiert hatten. Mein bester und engster Freund ist ein Mann: Charlie. Tatsächlich wird er dieses Wochenende auch mein Trauzeuge sein.

Charlie und Hannah befinden sich gerade auf dem Weg hierher. Sie sind die letzten Gäste, die heute noch eintreffen. Es wird guttun, Charlie wiederzusehen. Es kommt mir ewig lang her vor, dass wir das letzte Mal Zeit miteinander verbracht haben – ohne seine Kinder. Früher haben wir uns ständig gesehen, selbst nachdem er mit Hannah zusammengekommen war. Er hatte immer Zeit für mich. Doch als die Kinder kamen, hatte ich den Eindruck, als wäre er in eine völlig andere Welt umgezogen, in der spätabends dreiundzwanzig Uhr bedeutet und in der jede Unternehmung ohne Kinder sorgfältig im Voraus geplant werden muss. Erst da begann ich zu vermissen, ihn ganz für mich zu haben.

»Du siehst umwerfend aus.«

»Oh!« Ich zucke zusammen, dann entdecke ich ihn im Spiegel: Will. Er lehnt im Türrahmen und betrachtet mich. »Will! Ich habe mein Kleid an! Raus! Du darfst es nicht sehen, bevor …«

Er rührt sich nicht. »Habe ich nicht das Recht auf einen kleinen Vorgeschmack? Außerdem habe ich es jetzt doch sowieso schon gesehen.« Er richtet sich auf und geht auf mich zu. »Du bist … Mein Gott, ich kann es kaum erwarten, dich darin vor den Altar treten zu sehen.« Er stellt sich hinter mich, umfasst meine nackten Schultern mit seinen Händen.

Ich sollte außer mir sein. Das bin ich auch. Und doch spüre ich, wie meine Entrüstung verpufft. Weil seine Hände nun auf mir sind, an meinen Armen hinabgleiten und ich jenen ersten Schauer von Begehren verspüre. Ich rufe mir in Erinnerung, dass ich jetzt ganz gewiss nicht abergläubisch werde, nur weil der Bräutigam das Kleid angeblich nicht vorab sehen darf – an so etwas habe ich noch nie geglaubt.

»Du solltest nicht hier sein«, tadle ich ihn verärgert. Doch es klingt etwas halbherzig.

»Schau uns nur an«, sagt er, als unsere Blicke sich im Spiegel begegnen und er mit einem Finger über meine Wange fährt. »Sehen wir zusammen nicht gut aus?«

Er hat recht. Ich, dunkelhaarig und blass, er, blond und sonnengebräunt. Wir geben das attraktivste Paar in jedem Raum ab. Ich werde gar nicht erst so tun, als würde das nicht auch einen Teil des Reizes ausmachen: mir vorzustellen, wie wir auf die Außenwelt wirken könnten … und auf unsere morgigen Gäste. Mir fallen die Mädchen aus der Schule ein, die mich damals als pummelige Streberin gehänselt haben (ich war eher eine Spätzünderin), und denke: Jetzt schaut nur, wer zuletzt lacht.

Will beißt sanft in die entblößte Haut meiner Schulter. Ich verspüre ein heftiges Ziehen im Unterleib, wie ein gespanntes Gummiband, das reißt. Mit ihm verschwindet auch der letzte Rest meines Widerstands.

»Bist du denn bald fertig damit?« Er blickt über meine Schulter hinweg auf die Tischordnung.

»Bei einigen Gästen bin ich mir immer noch nicht im Klaren, wo ich sie hinsetzen soll«, sage ich.

Es ist still, während Will den Plan inspiziert. Sein warmer Atem streift über mein Schlüsselbein, und ich kann sein Aftershave riechen: Zeder und Moos.

»Haben wir etwa Piers eingeladen?«, fragt er sanft. »Ich kann mich gar nicht erinnern, dass er auf der Liste stand.«

Es gelingt mir, die Augen nicht zu verdrehen. Ich habe alle Einladungen aufgesetzt. Ich habe die Liste angelegt, das Papier und die Umschläge ausgesucht, sämtliche Adressen zusammengetragen, die Briefmarken gekauft, jedes Kuvert frankiert und versendet. Will war viel unterwegs, bei den Dreharbeiten für die neue Staffel. Hin und wieder hat er einen Namen genannt, irgendwen, den er bisher vergessen hatte. Ich hatte angenommen, dass er die Liste am Ende sorgfältig durchgegangen sei, da er sichergehen wollte, dass wir niemanden vergessen hätten. Piers kam erst später dazu.

»Er stand nicht auf der Liste«, gebe ich zu. »Aber ich habe seine Frau bei diesem Cocktailempfang im Groucho getroffen, und ich hätte es völlig abwegig gefunden, die beiden nicht einzuladen. Ich meine, warum auch nicht?« Piers ist schließlich der Produzent von Wills Show. Er ist ein netter Kerl, und er und Will schienen immer gut miteinander klarzukommen. Daher musste ich nicht lange darüber nachdenken, ob ich ihn einladen sollte.

»Klar«, sagt Will. »Ja, natürlich.« Aber da ist ein Unterton in seiner Stimme. Aus irgendeinem Grund hat die Einladung ihn verstimmt.

»Hör zu, Schatz«, sage ich und lege den Arm um seinen Hals, »ich dachte, du würdest dich freuen, die beiden dabeizuhaben. Sie wirkten auf jeden Fall sehr erfreut, als ich sie gefragt habe.«

»Es stört mich ja auch nicht«, erwidert er behutsam. »Ich war kurz überrascht, das ist alles.« Er lässt seine Hände zu meiner Taille hinabgleiten. »Es stört mich nicht im Geringsten. Eine schöne Überraschung. Es wird nett sein, sie dabeizuhaben.«

»Na gut, dann werde ich also die Ehepartner nebeneinander platzieren. Geht das?«

»Das ewige Dilemma«, sagt er mit gespieltem Ernst.

»Ich weiß schon, aber den Leuten sind solche Sachen wirklich wichtig.«

»Nun ja«, sagt er, »wenn du und ich woanders eingeladen wären, wüsste ich, wo ich am liebsten sitzen würde.«

»Ach ja?«

»Direkt gegenüber, damit ich das hier tun kann.« Seine Hand rafft den Stoff meines Seidenrocks nach oben und verschwindet darunter.

»Will«, protestiere ich, »die Seide …«

Seine Finger haben den Spitzensaum meines Höschens gefunden.

»Will«, sage ich halb verärgert, »was um Himmels willen denkst du dir eigentlich …?« Schon sind seine Finger in mein Höschen geschlüpft, gleiten an mir auf und ab, und die Seide kümmert mich nicht mehr sonderlich. Mein Kopf sinkt gegen seine Brust.

Das alles sieht mir überhaupt nicht ähnlich. Eigentlich bin ich kein Mensch, der sich nach wenigen Monaten mit jemandem verlobt und ihn bald darauf heiratet. Ich könnte dagegenhalten, dass es weder überstürzt noch unüberlegt ist, wie manche womöglich meinen. Wenn überhaupt, ist es das Gegenteil: Es ist ein Beweis dafür, dass man sich selbst kennt und weiß, was man will, und dementsprechend handelt.

»Wir könnten es hier und jetzt tun«, murmelt Will, und ich spüre seinen warmen Atem in meinem Nacken. »Wir haben doch Zeit, oder nicht?« Ich versuche zu antworten, doch da seine Finger weitermachen, verwandelt sich das Nein in ein gedehntes Stöhnen.

Mit allen anderen bisherigen Partnern habe ich mich schon nach wenigen Wochen gelangweilt, und der Sex wurde zur lästigen Routine. Mit Will habe ich das Gefühl, nie ganz gesättigt zu sein, auch wenn ich satter bin, als ich es je mit einem Liebhaber war. Es liegt nicht nur daran, dass er ein wahnsinnig schöner Mann ist, nein, diese Unersättlichkeit reicht viel weiter. Mir ist bewusst, dass jeder sexuelle Akt einen Versuch darstellt, ihn voll und ganz zu besitzen. Doch es gelingt mir nie, da sich ein essenzieller Teil von ihm meinem Zugriff entzieht und unter der Oberfläche verschwindet.

Liegt es an seiner Berühmtheit? An der Tatsache, dass man ab einem bestimmten Grad von Prominenz gewissermaßen zu Gemeingut wird? Oder liegt es an etwas anderem, das ihn in seinem Wesen ausmacht? Etwas Heimliches und Unbegreifliches, vor allen Blicken verborgen?

Bei diesem Gedanken muss ich unweigerlich an den Zettel mit der Nachricht denken. Nein, ich will nicht daran denken.

Seine Finger machen weiter. »Will«, protestiere ich schwach, »es kann jederzeit jemand reinkommen.«

»Ist das nicht das Aufregende daran?«, murmelt er. Da hat er zweifelsohne recht. Will hat definitiv meinen sexuellen Horizont erweitert. Er hat mich an Sex in der Öffentlichkeit herangeführt: Wir haben es in einem nächtlichen Park getan, in der letzten Reihe eines beinahe leeren Kinos. Bei der Erinnerung daran bin ich über mich selbst erstaunt. Ich kann nicht glauben, dass ich diese Dinge getan habe. Julia Keegan bricht doch keine Gesetze.

Er ist auch der einzige Mann, dem ich je erlaubt habe, mich nackt zu filmen, einmal sogar beim Sex. Natürlich habe ich erst zugestimmt, nachdem wir verlobt waren. Ich bin doch nicht blöd. Aber Will steht nun mal darauf, und auch wenn ich es nicht unbedingt mag – es bedeutet nämlich Kontrollverlust, und in jeder anderen Beziehung war ich es, die die Kontrolle hatte –, so ist dieser Verlust doch gleichzeitig berauschend. Ich höre, wie er seine Gürtelschnalle löst, und allein bei dem Geräusch durchfährt mich ein elektrischer Stoß. Etwas unsanft schiebt er mich auf die Frisierkommode zu. Ich greife nach der Tischkante und spüre die Spitze seines Schwanzes, der bereit ist, in mich einzudringen.

»Hallihallo? Ist da jemand?« Knarrend geht die Tür auf.

Scheiße.

Will weicht zurück. Ich höre, wie er an seiner Jeans und seinem Gürtel herumfummelt, und spüre, wie mein Rock heruntergleitet. Ich ertrage es kaum, mich umzudrehen.

Da steht er und drückt sich in der Tür herum: Johnno, Wills Trauzeuge. Was hat er gesehen? Alles? Ich spüre die Hitze in meine Wangen schießen und bin wütend auf mich selbst. Ich bin wütend auf ihn. Normalerweise werde ich nie rot.

»Sorry, Leute«, sagt Johnno. »Hab ich euch unterbrochen?« Ist das ein Grinsen? Plötzlich sieht er, was ich anhabe. »Oh, ist das …? Bringt das nicht Unglück?«

Am liebsten würde ich mir einen schweren Gegenstand schnappen und nach ihm werfen und ihn anbrüllen, dass er gefälligst abhauen soll. Aber natürlich weiß ich, was sich gehört. »Also bitte!«, sage ich stattdessen und meine damit: Sehe ich etwa aus, als würde ich an so etwas glauben?

»Wir sind gerade dabei, die Tischordnung durchzugehen«, erkläre ich. »Insofern hast du uns schon unterbrochen.«

»Na ja«, beginnt er, »ich bin echt ein Depp …« Ich kann ihm ansehen, dass er leicht eingeschüchtert ist. Gut. »Mir ist nur grad eingefallen, dass ich was ziemlich Wichtiges vergessen habe.«

Ich spüre, wie mein Herzschlag sich beschleunigt. Nicht die Ringe. Ich habe Will extra eingebläut, ihm die Ringe erst in letzter Minute anzuvertrauen. Falls er die Ringe vergessen hat, kann ich nicht für meine Handlungen garantieren.

»Mein Anzug«, sagt Johnno. »Ich hatte ihn schon eingepackt, in der Kleiderhülle … und dann, in der letzten Minute … ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, wie das passiert ist. Alles, was ich sagen kann, ist, dass er noch an meiner Zimmertür in Blighty hängen muss.«

Ich wende den Blick von den beiden ab, während sie den Raum verlassen, und konzentriere mich darauf, nichts zu sagen, was ich bereuen könnte. An diesem Wochenende muss ich mein Temperament im Griff behalten. Es ist durchaus bekannt dafür, hin und wieder mit mir durchzugehen. Ich bin nicht stolz darauf, aber es ist mir nie ganz gelungen, es vollständig zu zügeln, auch wenn ich allmählich besser darin werde. Wut steht einer Braut überhaupt nicht gut zu Gesicht.

Ich kapiere nicht, warum Will überhaupt mit Johnno befreundet ist, warum er ihn nicht längst aus seinem Leben verbannt hat. An den geistreichen Konversationen kann es schließlich nicht liegen. Der Typ ist zwar harmlos – zumindest gehe ich davon aus –, aber die beiden sind grundverschieden. Will ist so ambitioniert, so erfolgreich, so clever in der Art und Weise, wie er sich präsentiert. Johnno ist ein Chaot, ein Loser. Einer der am Leben Gescheiterten. Als wir ihn vom Bahnhof drüben auf dem Festland abholten, stank er nach Gras und sah aus, als hätte er die Nacht durchgemacht. Ich hätte erwartet, dass er sich vor der Herfahrt wenigstens rasieren und zum Friseur gehen würde. Es ist doch wohl nicht zu viel verlangt, dass dein Trauzeuge nicht wie ein Höhlenmensch aussieht, oder? Ich werde Will nachher mit einem Rasierer zu ihm aufs Zimmer schicken.

Will ist viel zu gut zu ihm. Er hat Johnno sogar mal ein Vorsprechen für Survive the Night organisiert, was natürlich in die Hose ging. Als ich Will mal fragte, warum er sich weiterhin mit Johnno abgeben würde, meinte er lapidar, es läge an ihrer »gemeinsamen Vergangenheit«, und erklärte: »Wir haben zwar nicht mehr so viel gemeinsam, aber wir sind nun mal seit Ewigkeiten befreundet.«

Dabei kann Will sonst ziemlich skrupellos sein. Ehrlicherweise hat mich diese Seite von ihm gleich bei unserem Kennenlernen fasziniert, denn wir haben sie beide, das erkannte ich sofort. Neben seinem fantastischen Aussehen und seinem gewinnenden Lächeln zog mich der Ehrgeiz an, den er unter seinem Charme verströmte.

Warum hält Will allein wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit an der Freundschaft zu Johnno fest? Ich mache mir Sorgen, denn das heißt doch, dass diese Vergangenheit irgendeine Form von Macht über ihn haben muss.