über das Werben der Götter um die Riesinnen,
den Ursprung des Inzests der Wanen,
den Grund für die Witwen-Verbrennungen
und noch mehr …
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Impressum: Copyright: 2011 by Harry Eilenstein – Alle Rechte, insbesondere auch das der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors und des Verlages (nicht als Fotokopie, Mikrofilm, auf elektronischen Datenträgern oder im Internet) reproduziert, übersetzt, gespeichert oder verbreitet werden.
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783749412938
Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“
1. Die Entwicklung der germanischen Religion
2. Lexikon der germanischen Religion
3. Der ursprüngliche Göttervater Tyr
4. Tyr in der Unterwelt: der Schmied Wieland
5. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1
6. Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2
7. Tyr in der Unterwelt: der Zwergenkönig
8. Der Himmelswächter Heimdall
9. Der Sommergott Baldur
10. Der Meeresgott: Ägir, Hler und Njörd
11. Der Eibengott Ullr
12. Die Zwillingsgötter Alcis
13. Der neue Göttervater Odin Teil 1
14. Der neue Göttervater Odin Teil 2
15. Der Fruchtbarkeitsgott Freyr
16. Der Chaos-Gott Loki
17. Der Donnergott Thor
18. Der Priestergott Hönir
19. Die Göttersöhne
20. Die unbekannteren Götter
21. Die Göttermutter Frigg
22. Die Liebesgöttin: Freya und Menglöd
23. Die Erdgöttinnen
24. Die Korngöttin Sif
25. Die Apfel-Göttin Idun
26. Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel
27. Die Meeres-Jenseitsgöttin Ran
28. Die unbekannteren Jenseitsgöttinnen
29. Die unbekannteren Göttinnen
30. Die Nornen
31. Die Walküren
32. Die Zwerge
33. Der Urriese Ymir
34. Die Riesen
35. Die Riesinnen
36. Mythologische Wesen
37. Mythologische Priester und Priesterinnen
38. Sigurd/Siegfried
39. Helden und Göttersöhne
40. Die Symbolik der Vögel und Insekten
41. Die Symbolik der Schlangen, Drachen und Ungeheuer
42. Die Symbolik der Herdentiere
43. Die Symbolik der Raubtiere
44. Die Symbolik der Wassertiere und sonstigen Tiere
45. Die Symbolik der Pflanzen
46. Die Symbolik der Farben
47. Die Symbolik der Zahlen
48. Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen
49. Das Jenseits
50. Seelenvogel, Utiseta und Einweihung
51. Wiederzeugung und Wiedergeburt
52. Elemente der Kosmologie
53. Der Weltenbaum
54. Die Symbolik der Himmelsrichtungen und der Jahreszeiten
55. Mythologische Motive
56. Der Tempel
57. Die Einrichtung des Tempels
58. Priesterin – Seherin – Zauberin – Hexe
59. Priester – Seher – Zauberer
60. Rituelle Kleidung und Schmuck
61. Skalden und Skaldinnen
62.Kriegerinnen und Ekstase-Krieger
63. Die Symbolik der Körperteile
64. Magie und Ritual
65. Gestaltwandlungen
66. Magische Waffen
67. Magische Werkzeuge und Gegenstände
68. Zaubersprüche
69. Göttermet
70. Zaubertränke
71. Träume, Omen und Orakel
72. Runen
73. Sozial-religiöse Rituale
74. Weisheiten und Sprichworte
75. Kenningar
76. Rätsel
77. Die vollständige Edda des Snorri Sturluson
78. Frühe Skaldenlieder
79. Mythologische Sagas
80. Hymnen an die germanischen Götter
Die Wiederzeugung ist ein zwar weit verbreitetes, aber kaum bekanntes mythologisches Thema, das sich aus der Erweiterung des Motivs der Wiedergeburt durch die Muttergöttin im Jenseits ergab: Vor der Wiedergeburt sollte man eine Wiederzeugung erwarten. Dies ist offenkundig ein Motiv, daß nur für die Männer funktioniert …
Eine zweite Erweiterung des Wiedergeburts-Motivs ist das Wiederstillen nach der Wiedergeburt, aus dem sich die ganzen Ritualtränke von der Milch der Göttin bis hin zum Abendmahlswein sowie das Lebenselixier der Alchemisten in Europa und Indien entwickelt haben. Dieses Thema wird in dem Band 69 über den „Göttermet“ betrachtet.
Die mythologische Grundlage für diese drei Motive ist die Auffassung der Ankunft der Toten im Jenseits als einer Wiedergeburt in Analogie zu der Ankunft der Lebenden im Diesseits als einer Geburt.
(Die Wiedergeburt im Diesseits ist eine spätere Entwicklung.)
Es stellt sich bei diesem Thema natürlich generell die Frage, wie man in den Mythen „normalen Sex“ von einer Wiederzeugung unterscheiden kann.
Es gibt hauptsächlich vier Merkmale, die auf eine Wiederzeugung hinweisen:
Alle Texte und Bilder, die eines oder mehrere dieser vier Merkmale oder ein anderes Merkmal, das auf eine Wiederzeugung hinweist, haben, werden im Folgenden zusammengestellt und vergleichend betrachtet.
Das altnordische Substantiv „legr“ bedeutete Lager – sowohl im Sinne von „gemeinsames Lager von Mann und Frau“ als auch im Sinne von „Grab“. Da sich beide Bedeutungen von der horizontalen Lage ableiten lassen, ist dies kein sicherer Hinweis auf die Wiederzeugung, aber immerhin ergibt die Kombination dieser beiden Bedeutungen eine gute Beschreibung der Wiederzeugung. Eine recht ähnliche Doppelbedeutung haben im Deutschen die Worte „schlafen“ und „miteinander schlafen“.
Da sich diese Doppelbedeutung von „Lager“ nur in drei der acht alten germanischen Sprachen findet (altnordisch, gotisch, altsächsisch), sollte man sie lieber auf die „horizontale Lage“ bei allen Arten von „liegendem Lagern“ zurückführen statt auf eine Wort-prägende Symbolik der Wiederzeugung.
„Lager“ | ||||||||
Sprache | Wort | Bedeutung | ||||||
sich legen, liegen |
Lager | Bett | Lager für Sex |
Bordell | Grab | Krankheit | ||
indogermanisch | legh | x | ||||||
germanisch | legram | x | x | x | ||||
altnordisch | legr | x | x | |||||
gotisch | ligrs | x | x | x | ||||
angelsächsisch | leger | x | x | x | x | |||
altnordfränkisch | legar | x | ||||||
altsächsisch | legar | x | x | x | ||||
althochdeutsch | legar | x | ||||||
mittelhochdeutsch | leger | x | x | |||||
altfriesisch | leger | x |
Das Motiv der Wiederzeugung des Toten zusammen mit Hel findet sich sehr deutlicher in einem Lied, das um ca. 850 n.Chr. über den Tod des Königs Dyggvi verfaßt worden ist. Hel und Freya/Frigg sind zu dieser Zeit offenbar noch nicht zu zwei deutlich verschiedenen Göttinnen geworden, sondern eher noch „Freya in der Unterwelt Hel“, d.h. „Freya in der Grabkammer eines Hügelgrabes“ („Hel“ = „Höhle“).
Es kann nicht / geleugnet werden,
daß Glitnis Verwandte / nun die Leiche des Dyggvi
zum Huren hat, / denn die Schwester des Wolfes
und des Narfi / wählte den königlichen Mann aus,
ja, Lokis Tochter hat nun / den mächtigen Herrscher
von Yngvis Volk / und spielt mit ihm.
„Glitni“ ist ein Wolf. Die „Verwandte des Wolfes“ ist eine Variante der Kenning „Schwester des Fenrir“. Damit ist die Jenseitsgöttin Hel gemeint. Auch „Lokis Tochter“ ist die Göttin Hel.
Der „königliche Mann“, der „mächtige Herrscher“ und ebenso „Yngvis Erbe“ sind Umschreibungen für „König von Schweden“, da Yngvi-Freyr als der erste König Schwedens angesehen wurde. Damit ist hier König Dyggvi gemeint.
Das in diesem Zusammenhang meistens mit „huren“ übersetzte Verb „gaman“ bedeutet wörtlich „spielen“, womit jedoch sehr oft auch das Liebesspiel gemeint ist – vor allem, wenn ein Mann und eine Frau zusammen „spielen“.
Die Kenning-freie Übersetzung dieser Strophen lautet: „Hel hat nun die Leiche des Königs Dyggve zum Liebesspiel – sie hat ihn sich dafür auserwählt.“
Das Wiederzeugungsmotiv gehörte ursprünglich einmal zu Hel, da ihr Ursprung die Jenseitsgöttin als Wiederzeugungs-Geliebte im Hügelgrab gewesen ist.
„Wie andere in meiner Familie kann auch ich mithilfe meiner Träume die Zukunft vorhersehen und ich habe schon viel über mich selber geträumt, aber nur wenig über Dich. Aber das, was ich geträumt haben, wird auch geschehen – Deine Frau Hel wird Dich umarmen und all Dein Besitz wird verlorenen gehen. Unrecht erworbene Dinge führen nie zu etwas Gutem.”
Auch die Umarmung durch „Deine Frau Hel“ bezieht sich auf die Wiederzeugung im Jenseits.
Diese Verse beruhen auf einem isländischen Runenlied, aber sie sind schon entsprechend den christlichen Verhaltensregeln umgestaltet worden.
Ear (Erde) ist verhaßt / jedem Edlen.
Wenn unaufhaltsam / das Fleisch,
der tote Leib / zu erkalten beginnt,
erwählt der Bläuliche / die Erde als Bettgenossin:
Frucht vergeht, Glück schwindet, / Bindungen brechen.
Der „Bläuliche“ ist der Tote.
Der Tote liegt nicht in der Erde wie in einem Bett, sondern er liegt zusammen mit der Erdgöttin, die seine Bettgenossin ist. Die Erdgöttin und die Jenseitsgöttin sind bei den Germanen weitestgehend dieselbe Göttin gewesen.
Diese Strophe ist ganz in dem christlich-melancholischen Stil geschrieben, der sich auch bei den Liedern im Exeter-Buch findet.
Der einzige direkte Hinweis auf die Bedeutung der Disen in den Jenseitsvorstellungen ist eine Kenning aus einem um ca. 1250 n.Chr. verfaßten kurzen Lied („Lausavisur“) des Skalden Jatgeirr Torfa-Sohn.
Röter der Forelle des Landes
des Kampf-Schneesturms,
ich sah den Gold-reichen Thorir Wolfsfell
weit entfernt von mir in Kyrfjall.
Dies hörte ich zur Beruhigung
des Marktplatzes meiner Lungen,
als wir mit den Ribbungar spielten:
der Faulpelz lag bei den Disen des Zwergenhauses in Tönsberg.
Kampf-Schneesturm = Kampf; Kampf-Land = Schild; Forelle des Schildes = Schwert; Röter des Schwertes = Krieger, Fürst
Wolfsfell = ein Ulfhedinn-Krieger (Kreiger in Wolfs-Kampfekstase)
Marktplatz der Lungen = Herz
spielen = kämpfen
Faulpelz = „Regloser“ = Toter
Zwerg = Totengeist; Zwergenhaus = Hügelgrab; Dise = Göttin; Göttin des Hügelgrabes = Jenseitsgöttin; bei einer Göttin/Frau liegen = Sex; Sex mit der Jenseitsgöttin = Wiederzeugung
Die Kenning-freie Übersetzung dieser Strophen lautet: „Krieger, ich habe den reichen Thorir Wolfsfell weit entfernt von mir in Kyrfjall gesehen. Zu meiner Freude habe ich, als wir mit den Ribbungar gekämpft haben, gesehen, daß Thorir tot bei der Jenseitsgöttin in seinem Hügelgrab liegt!“
Atli:
„Atli heiß ich, heiß will ich Dir werden,
Denn unhold bin ich Unholden.
Am feuchten Steven stets hab ich gestanden
Und Nachtmare gemordet.
Wie heißest Du, Hexe, leichenhungrige?
Nenne, Vettel, den Vater.
Daß Du neun Rasten niederer lägest
Und ein Baum Dir schoß in den Schoß!“
Der Baum ist hier wahrscheinlich ein Penis.
Diese beiden Strophen sind vor allem eine Drohung des Atli an die Riesin, aber da in dem ganzen Lied für die gegenseitigen Beleidigungen und Bedrohungen alte mythologische Motive benutzt werden, wird auch dieser „Baum-Penis“ aus den Wiederzeugungs-Vorstellungen stammen.
Die Goldgubber („kleiner Gold-Mann“) sind wahrscheinlich „Briefe an die Götter“ gewesen. Sie wurden oft in der Nähe von Tempelwänden und in den Löchern, in denen die Tempelpfosten gestanden haben, gefunden, aber auch in Gräbern und an anderen Orten.
Die Goldgubber, die man bei Ausgrabungen in der Nähe der Tempelwände gefunden hat, werden wahrscheinlich innen an den Tempelwänden befestigt worden sein – sie waren gewissermaßen „Mini-Wandbehänge“. Man kann sie auch als kleine Opfergaben ansehen, mit deren Anbringen an der Tempelwand eine Bitte an die Götter verbunden gewesen sein wird.
Manche der Goldgubber, die in Gräbern oder an anderen Orten gefunden worden sind, könnten auch Amulette gewesen sein.
Insgesamt wurden bisher über 3000 Goldgubber an 30 Orten in Dänemark (11), Schweden (8), Norwegen (7) und auf Bornholm (4) gefunden. Sie stammen aus der Völkerwanderungszeit (375-568 n.Chr.), der Vendelzeit (550-800 n.Chr.) und der Wikingerzeit (793-1066 n.Chr.) mit dem Schwerpunkt in der Vendelzeit, die der Übergang von der alten, Tyr-zentrierten Religion der Nordgermanen zu der neuen, Odin-zentrierten Religion der Germanen ist. Man kann daher in der Vendelzeit halbumgedeutete Motive aus der alten, Tyr-zentrierten Mythologie erwarten.
Der größte Teil der Goldgubber stellt einen Mann und eine Frau dar, die sich umarmen oder zwischen denen ein Zweig oder ein Baum zu sehen ist. Dieses Paar könnte den Toten und die Jenseitsgöttin sowie den Weltenbaum als den Weg ins Jenseits darstellen.
Auf manchen Goldgubbern ist auch nur ein Mann oder nur eine Frau eingeprägt worden. Es gibt auch einige andere Motive wie den Eber, der die Zeugungskraft des Toten bei seiner Wiederzeugung sichern sollte, und die Sau, die die Fruchtbarkeit der Göttin bei der Wiederzeugung absichern sollte.
Hel vereint sich mit der Leiche des Königs Dyggvi. Manchmal wird Hel auch als „Riesin“, „Erde“ oder „Dise des Zwergenhauses (Hügelgrab)“ umschrieben. dieses Motiv war so geläufig, daß „Hel wird Dich umarmen!“ eine Todesdrohung oder ein Todeswunsch gewesen ist.
Auch die viele Paare auf den „Goldgubber“-Amuletten/Opfergaben werden den Toten und die Göttin Hel im Jenseits darstellen.
In dieser Saga wird darüber berichtet, wie das Brisingamen entstanden ist und welche Geschichten mit ihm verbunden sind.
In der Saga wird entsprechend der damals üblichen christlich-gelehrten Interpretation die Welt der Götter als ein fernes Land und die Götter selber als die Könige der Frühzeit aufgefaßt.
Östlich von Vanakvisl in Asien gab es ein Land, das Asien-Land oder Asien-Heim genannt wurde. Die Leute dort wurden Asen genannt und ihre Hauptstadt Asgard. Odin war der König, der dort herrschte. Dort gab es einen großen Tempel. Odin bestimmte Njörd und Freyr als Hohepriester. Njörds Tochter wurde Freya genannt. Sie begleitete Odin und war seine Geliebte.
In Asien lebten einige Männer, von denen einer Alfrigg, der nächste Dvalin, und die anderen Berling und Grer genannt wurden. Ihre Höfe lagen fern von der Halle des Königs. Sie waren so geschickte Handwerker, daß sie jedes Ding in die Hand nehmen und daraus etwas Beachtliches erschaffen konnten. Menschen wie diese wurden „Zwerge“ genannt. Sie lebten in einem gewissen Stein. Sie hatten in jenen Tagen mehr mit Menschen zu tun als heute.
Die Namen der vier Zwerge haben folgende Bedeutungen:
Diese vier Zwerge scheinen der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr oder der neue Göttervater Odin in der Unterwelt zu sein: Der „schlafende“ „All-König“, der die Kraft eines „Bären“ hat und den „Speer“ besitzt. Diese Szene scheint somit auf die Wiederzeugung des Göttervaters mit der Göttin Freya im Jenseits zurückzugehen.
Der „Stein“, in dem die Zwerge leben, ist ein Hügelgrab, das oft mit „Stein“, „Fels“ und ähnlichem umschrieben wurde.
Odin liebte Freya sehr und sie war wirklich die schönste aller Frauen, die damals lebten. Sie hatte ein Frauenhaus, das sowohl schön als auch sehr fest war – so fest, daß gesagt wurde, daß niemand, wenn die Tür verschlossen war, hineingelangen konnte, außer wenn es Freya ihnen erlaubte.
Die Beschreibung ihres Frauenhauses legt die Vermutung nahe, daß es sich um ein Hügelgrab handeln könnte, denn welche Schwelle ist schwieriger zu überschreiten als die zwischen dem Diesseits und dem Jenseits? Freyas „Frauenhaus“ entspräche dann dem „verschlossenen Berg“ der Gunnlöd und der „Höhle“ der Hel – alle drei sind Gestalten der Jenseitsgöttin in der Grabkammer des Hügelgrabes.
Eines Tages wanderte Freya umher und gelangte zu dem Felsen. Er stand offen. Die Zwerge erschufen eine goldene Halskette. Sie war fast fertig. Freya gefiel das Aussehen dieser Kette. Freya gefiel auch den Zwergen. Sie wollte die Halskette kaufen und bot Gold und Silber für sie an und dazu viele Schätze.
„Zwerg in einem Felsen“ ist eine häufige Umschreibung für „Totengeist in seinem Hügelgrab“. Ein Hügelgrab war insofern ein „Felsen“ als daß die Grabkammer in seinem Inneren aus Felsplatten errichtet wurde.
Das Herstellen der magischen Gegenstände der Götter und auch der Helden durch die Zwerge ist ein weitverbreitetes Motiv. Sein Ursprung ist wahrscheinlich das Schwert-Neuschmieden durch Tyr in der Unterwelt, das sich noch in der Wieland-Sage erhalten hat. Später übernahmen dann die beiden Pferde-Söhne des Göttervaters Tyr, die in der Unterwelt zu zwei Zwergen wurden, das Neuschmieden des Schwertes ihres Vaters. Diese Tätigkeit wurde dann zu der Herstellung aller magischen Gegenstände der Götter durch ein Zwergenpaar erweitert.
Möglicherweise sind die vier Zwerge in der Hedin-Sage eine Verdoppelung dieses Zwergenpaares. Vermutlich besteht auch ein Zusammenhang zu den vier Himmelsträger-Zwergen.
Doch sie antworteten, daß es ihnen nicht an Geld fehlte, aber das jeder von ihnen seinen Teil an der Kette für eine bestimmte Sache geben würde und daß sie nichts anderes haben wollten, als daß sie mit jedem von ihnen eine Nacht verbringen würde. Und, ob dies nun eine glückliche Vereinbarung war oder nicht, dies ist der Handel, den sie abschlossen.
Diese Szene ist eine Umdeutung der Wiederzeugung des Göttervaters mit der Jenseitsgöttin Freya.
In dieser Sage geht Freya zu den Zwergen in deren Höhle, d.h. in deren Hügelgrab. Diese Reise erinnert die Suche der Freya nach ihrem Mann, dem Göttervater Odr-Odin, der in ferne Lande gezogen war. Anscheinend hat es einst das Motiv der Suche der Freya nach dem toten Göttervater gegeben. Das Eintreten in die Höhle der Zwerge wird daher ursprünglich das Wiederfinden des Göttervaters durch Freya gewesen sein.
Aus dieser Szenerie kann man schließen, daß die Toten einst nicht im Jenseits nach der Muttergöttin suchen mußten, sondern daß die Muttergöttin nach den Toten gesucht hat. Anscheinend hat aber das Vertrauen in das Jenseits und die Jenseitsgötter mit der Zeit nachgelassen, denn Odin gelangt z.B. in der „Gesta danorum“ erst nach vielen Mühen und Verwandlungen zu der Wiederzeugung mit Rindr.
Die Vereinigung der Jenseitsgöttin Freya (ihr gehört die Hälfte der Toten) mit den vier Zwergen (Totengeister) geht auf die Wiederzeugung der Toten im Jenseits zurück, die hier nur von der Motivation her umgedeutet worden ist.
Und vier Nächte später, als dieser Handel ausgeführt worden war, gaben sie die Halskette der Freya. Sie ging heim in ihr Frauenhaus und verhielt sich ruhig, als wenn nichts geschehen wäre.
Da die Halskette bzw. der Halsreif der Freya („Brisingamen“) wie Odins Draupnir ursprünglich ein Sonnensymbol gewesen ist, ist sie eng mit der Wiederzeugung des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr verknüpft.
In dieser Saga erscheint die Jenseitsgöttin in ihrer Funktion als Wiederzeugungs-Geliebte als „Traumfrau“, d.h. als eine hilfreiche Frau, die dem Helden in dessen Träumen erscheint.
Gisli war ein Seher und ein großer Träumer und er träumte wahr. Alle Männer sind sich darin einig, daß Gisli derjenige ist, der nach seiner Verbannung noch am längsten gelebt hat – abgesehen von Grettir Osmund-Sohn. Grettir war achtzehn Jahre lang ein Verbannter.
Es wird berichtet, daß Gisli einst in einem Herbst sehr unruhig schlief, während er in Audas Haus war. Als er erwachte, frug sie ihn, was er geträumt habe.
„Ich habe zwei Frauen, die in meinen Träumen bei mir sind,“ antwortete er, „Die eine ist gut zu mir, aber die andere erzählt mir nichts als Übles und ihre Geschichten werden Tag für Tag schlimmer und sie sagt mir wirklich meinen Untergang voraus. Aber das, was ich gerade geträumt habe, war folgendes:
Mir schien, daß ich zu einem Haus oder zu einer Halle käme und in die Halle hineingehen würde und dort meine Freunde und Verwandten sähe – sie saßen am Feuer und tranken. Dort waren sieben Feuer – einige von ihnen waren schon niedergebrannt, aber einige andere brannten so hell wie nur möglich.
Da kam meine Traum-Frau herein und sagte, daß dies Zeichen meines Lebens seien und daß sie zeigten, wieviel Jahre noch kommen würde. Und sie riet mir, daß ich, solange ich leben würde, den alten Unglauben und die Hexerei lassen sollte, und daß ich zu den Tauben und den Lahmen, den Armen und den Schwachen gut sein solle.
'Denk' daran,' sagte sie, 'Du hast nur noch so lange zu leben, wie Du Feuer gesehen hast.'
Dann ging mein Traum nicht mehr weiter.“
Die Traum-Frau rät Gisli dazu, den alten Glauben abzulegen und sich christlich zu verhalten – wobei das von ihr befohlene Verhalten gegenüber den Schwachen und Armen auch ein Teil des germanischen Verhaltenskodex gewesen ist.
Dann sang Gisli diese Strophen:
„An sieben Feuer erinnert sich der Skalde,
Frau, die in der Halle brannten.
Rings um diese leuchtende Glut saßen Männer
saßen Männer und tranken wie Brüder.
Alle und ein jeder in der Halle
grüßte Gisli freundliche als ihren Gast;
Gisli grüßte sie sanft und traurig,
seine passenden Worte drückten Dankbarkeit aus.
So sprach die Schicksals-Frau, weise und klug,
so sprach sie zu Norwegens Freund,
sanft war diee Frau und voller Mitgefühl:
'Mann! Siehe das Ende Deiner Reise,
Erkenne diese sieben brennenden Feuer –
sieben Jahre bleiben Dir,
dann wirst Du zu diesem Ort zurückkehren
und Dich freuen, frei von Leid.
Die Halle, die Gisli hier sieht, ist offensichtlich Walhalla.
'Edler Mann,' fährt die Stimme fort,
'Verwirf' der Zauberer verhaßte Künste.
Kühner Held mit den stärksten Sehnen,
Folge dem goldenen Schatz der weisen Frau.
Erinnre Dich an diesen altersgrauen Rat:
Nichts beschmutzt das Herz so sehr
wie hinterhältige List, wie müßiges Gerede;
Übel ist Hexenkunst, schwarz diese Taten!'
Die „weise Frau“ ist die Sprecherin selber. Ihr „goldener Schatz“ ist ihre Weisheit. Auch diese Verhaltensregeln sind ein germanisch-christliches Gemisch.
Zügle Deine Hand, zögere zu töten,
Erzürne die Männer nicht so, daß sie Dein Leben wollen!
Komm! Dein Wort zu der Tochter der Weisheit
soll nicht das erste sein, daß den Streit weckt.
Mann von edler Gesinnung, helfe
stets den Schwachen, Lahmen, Blinden;
Hart ist die Hand, die sich niemals öffnet;
aber strahlend und gesegnet der großzügige Geist!“
… … …
Als die Nächte länger wurden, wurden mit ihnen auch die Träume länger und jene üble Traum-Frau kam immer öfter zu ihm und Gisli hatte schwere Nächte.
Einst sprach er zu Auda, als sie ihn frug, was er geträumt habe, und seine Antwort bestand aus Versen:
„Eine Mühsal-bringende Frau sucht mich in meinem Schlummer heim:
Wenn die Träume wahr sind, wenn es so geschieht,
bleiben mir nicht mehr viele Winter, die ich noch zählen werde;
Niemand wird mich einst 'Graubart' nennen:
Diese Traumfrau gebietet mir, zu leben und zu welken –
vergeblich ist es, zu versuchen, ihren Zauberspruch zu brechen;
doch das kümmert mich wenig, meine Geliebte!
Ich träume, aber ich schlafe tief und gut.“
Da erzählte er ihr, daß diese üble Traumfrau immer wieder zu ihm kam und Blut über spritzen und ihn damit beschmieren und ihn darin baden wollte und daß sie boshaft auf ihn blickte.
Die üble Traum-Frau erscheint hier als eine germanische Priesterin, die Gisli wie im Tempel-Ritual mit Blut bespritzt, was in diesem Zusammenhang wohl bedeutet, daß sie ihn dem Tod weiht.
Die gute Traum-Frau ist offenbar eine „christliche Walküre“ und die böse Frau eine „germanische Walküre“. Die Vorstellung von guten und bösen Walküren ist hier mit der Vorstellung der Missionare über einen guten und einen bösen Glauben verbunden worden.
„Meine Träume lasten noch immer schwer auf meinem Herzen,
und meine üble Traum-Frau senkt sich über mich;
all' meine Freude ist schier verschwunden,
ich habe keine fröhlichen Stunden mehr:
Sobald der Schlaf meine Augen versiegelt hat,
erscheint eine abscheuliche Frau,
in Blut gebadet und Blut-beschmiert,
und tränkt mich mit dem Tau der Speere.“
Der Tau der Speere ist das Blut.
Und noch einmal sang er:
„Geliebte Frau, ich habe nun alles ausgesprochen,
was ich über meine Träume denke,
habe nichts verborgen, nichts geflüstert,
Worte der Wahrheit quellten in Strömen hervor:
Wut steigt nun Stunde für Stunde an,
Schmerzhaft werden meine Feinde meine Hand bald spüren –
Hochgeborene Anführer, deren große Macht
mich mit dem Zeichen des Verbannten brandmarkte.“
… … …
Es wird erzählt, daß nun nur noch zwei Jahre von den Jahren übrig waren, von denen die Traum-Frau gesagte hatte, daß er sie noch zu leben habe.
Als die Zeit verging und Gisli in Geirthiofs-Fjord war, kamen wieder die Träume über ihn und er hatte harte Kämpfe in seinem Schlaf. Und nun kam die üble Traum-Frau immer häufiger zu ihm, auch wenn die gute ihn ab und zu besuchte.
So geschah es eines Nachts, daß die gute Traum-Frau zu ihm kam und daß sie auf einem grauen Roß zu reiten schien und ihm gebot, mit ihm zu ihrem Heim zu gehen – und er folgte ihr voll Freude. Da kamen sie zu einem Haus, das fast eine Halle war, und sie führte ihn in dies Haus und ihm schien, daß dort Daunen-Kissen auf den Bänken lagen und daß es mit allen Dingen gut ausgestattet war.
Sie bat ihn, dort zu bleiben und guten Mutes zu sein: „Hierhin wirst Du gelangen, wenn Du tot bist und Deine Zeit in Segen und Sorglosigkeit verbringen.“
Das Jenseits, daß die gute/christliche Traum-Frau Gisli zeigt, ist nicht das christliche Paradies, sondern eine Art „Walhalla ohne Odin“.
Da erwachte er und sang diese Strophen über das, was er geträumt hatte:
„Siehe, die Göttin zeigt ihre Macht,
setzt mich auf ihren grauen Zelter,
läßt mich zu ihrer Halle reiten,
heißt mich alle Tage dort willkommen:
Alle ihre Worte bringen mitrLinderung,
schwören Freundschaft für alle Zeit;
In meinen Ohren klingen noch immer diese sanften Töne
und diese Weisen finden noch immer kein Ende.
Ein Zelter ist ein leichtes Reitpferd mit ruhigem Gang, das im „Zeltgang“, der heute „Paßgang“ oder „Tölt“ genannt wird, geht.
Dort gab es viele Kissen gut zur Rast,
auf die Bänke verteilt in jener Halle,
dort saß ich weich wie ein Schwan auf Flaum,
Oh!, mein Herz erinnert sich an das alles –
Und noch mehr: diese liebe Frau
bettete mich auf ein Lager von weichesten Daunen,
dankbar für die Gaben machte sie mich –
mein Gesicht vergaß die Stirn zu runzeln.
Da sprach diese freigiebige Frau:
'Mächtiger Fürst! Du Verhängnis Deiner Feinde!
Eile hierher, von niemandem verfolgt;
Der Tod wird Dich von allem Leid befreien:
Dann wirst Du,' sprach sie weiter,
'alle diese Schätze Dein eigen nennen;
mich wirst Du zur Frau erlangen,
wir werden glücklich wie Vögel fliegen!'“
Die gute Traum-Frau ist die Göttin, mit der sich der Tote im Jenseits vereint („mich zur Frau erlangen“), um dann von ihr als Seelenvogel wiedergeboren zu werden. Dabei nimmt nicht nur Gisli, sondern auch die Göttin selber die Gestalt eines Vogels an – wie die Walküren-Schwanenfrauen („wir werden wie Vögel fliegen“).
Der Umstand, daß Gisli diesen Traum seiner Frau erzählt, zeigt, daß es sich bei dieser Jenseits-Geliebten um eine mythologische Gestalt und bei der Vereinigung mit ihr um einen aus magischer Sicht notwendigen Vorgang handelt – sonst würde Gisli dies wohl kaum auf diese Weise seiner Frau erzählen.
In dieser Saga ist die Folge von Tod und Wiederzeugung umgekehrt worden, da das nicht mehr verstandene Magie-Motiv der Wiederzeugung in dieser Saga in das soziale Motiv der Anerkennung der Vaterschaft u.ä. umgedeutet worden ist – ein häufiger Vorgang bei dem Übergang von einer Mythe zu einer Sage …
Inzwischen kam König Vanlandi, begleitet von Gnapi, einem Sohn des Skolpnir und der Sylgja, einer Schwester des Vikings Mysingr, auf einer ostwärts unternommenen Heerfahrt zu einem alten Steinbewohner, der ihm zum Dank für ein Geschenk den dreifachen Rat gab, nie nach Finnland zu fahren und jedenfalls dort kein Weib zu nehmen, wenn er es aber doch tun würde, den Finnen getreulich sein Wort halten und überdies sich vor den Nachkommen Odins und der Skadi wohl hüten solle, da diese ihm und seinem Hause gefährlich seien.
Dennoch fuhr Vanlandi im nächsten Frühjahr, von Gnapi vergeblich gewarnt, nach Finnland. Von dem alten Snaer gut aufgenommenen, verliebt er sich in dessen Tochter Drifa und heiratet sie, reiste aber im Frühjahr ohne sie heim, mit dem Versprechen, innerhalb dreier Jahre zu ihr zurückzukehren.
Da er sich trotzdem im dritten Jahre dazu überreden ließ, nicht nach Finnland zu gehen, verließ ihn Gnapi.
Finnland steht in den Sagas oft für das Jenseits und König Snaer („Schnee“) ist eine Saga-Variante des Sommergottes Tyr in der winterlichen Unterwelt – was bedeutet, daß Snaers Tochter Drifa („Schneetreiben“) die Jenseitsgöttin ist.
Die „drei Jahre“ sind vermutlich nicht nur ein konkreter Hinweis auf das Alter des Kindes, wenn es zu seinem Vater kommt, sondern auch ein schon recht undeutlich gewordener Hinweis auf den Sonnenzyklus – die „3“ ist eine Art mythologisches Adjektiv mit der Bedeutung „zum Sonnenzyklus gehörend“ gewesen.
… … …
Drifa aber bewog, nachdem Vanlandi zehn Jahre fortgeblieben war, durch reiche Geschenke die Huld, ihn durch Zauber entweder zu ihr zurückzubringen oder zu töten. Da ihn seine Leute jedoch nicht ziehen ließen, trat ihn die Mahr, bis er starb, und sein Sohn Visburr folgte auf ihn als Herrscher.
Die „Mahr“ ist die Mähre, also die Stute, als die Huld (per Astralreise) zu Vanlandi kommt, um ihn zu töten. Aus dem Motiv der Jenseitsgöttin als Stute bei der Wiederzeugung ist das Motiv der Stute als Todbringerin („Nachtmahr“) geworden.
Die folgende Szene aus dieser Saga ist eine Umdeutung der Göttin bei der Wiederzeugung des Königs im Jenseits zu einer Alfen-Frau.
Zudem ist „König Helgi“ eine Saga-Variante des Tyr, die aus dem Beinamen „Helgi“ (Heiler, Heiliger) des Tyr entstanden ist. Diese Szene hat also ihren letztlichen Ursprung in der Wiederzeugung des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr in der nächtlichen bzw. winterlichen Unterwelt.
In einer Julnacht, als König Helgi zu Bett gegangen war und draußen ein übles Wetter war, klopfte es eher zaghaft an der Tür. Es schien ihm, daß es nicht sehr königlich wäre, irgendeinen armen Kerl draußen stehen zu lassen, wenn er ihm doch Unterkunft anbieten konnte. Daher stand er auf und öffnete die Tür. Da sah er das arme Ding, das gekommen war.
Sie sagte: „Du hat wohlgetan, König,“ und kam herein.
Der König sprach: „Nimm dies Stroh und leg das Bärenfell über Dich, damit Du nicht frierst.“
Sie sagte: „Laß mich in Dein Bett, Herr, und laß mich neben Dir liegen. Mein Leben hängt davon ab.“
Der König sagte: „Mir kommt zwar bei Deinem Anblick das Essen hoch, aber wenn es so ist, wie Du sagst, dann leg Dich in Deinen Kleidern hier an die Kante. Das wird mir schon nicht schaden.“
Da tat sie wie geheißen. Der König wandte ihr seinen Rücken zu. In dem Haus begann Licht zu scheinen. Nach einer Weile geschah es, daß der König sich umdrehte und neben sich eine Frau liegen sah, die so schön war, wie er noch nie eine gesehen zu haben glaubte. Sie trug ein seidenes Kleid. Voller Zuneigung drehte er sich rasch zu ihr.
Sie sprach: „Nun will ich fortgehen,“ sprach sie, „und Du hast mich von einem fürchterlichen Fluch erlöst, mit dem mich meine Stiefmutter belegt hatte. Ich habe viele Könige in ihren Hallen besucht – daher brauchst Du nun nicht in Scham zu versinken. Ich will nun nicht länger hier bleiben.“
„Nein,“ sprach der König, „das steht Dir nicht frei. Du wirst nicht so schnell von mir fortgehen und wir werden uns nicht so voneinander trennen. Es wird eine schnelle Heirat sein müssen, fürchte ich, denn ich mag Dich sehr.“
„Es ist an Dir, dies zu entscheiden, Herr,“ sagte sie und sie schliefen diese Nacht zusammen.
Doch als der Morgen anbrach, sprach sie diese Worte: „Du hattest Deinen Willen mit mir, aber wisse dies: Wir werden ein Kind haben. Tue, wie ich sage, König, und komme und sieh unser Kind im nächsten Winter an Deinen Bootsschuppen – oder Du wirst dafür bezahlen, wenn Du nicht tust, was ich Dir gesagt habe.“
Danach ging sie fort.
König Helgi war nun ein wenig glücklicher als zuvor. Die Zeit verging und er vergaß alles. Und nach drei Jahren, so wird erzählt, kamen drei Reiter zu dem Gebäude, in dem der König schlief. Es war Mitternacht. Sie kamen mit einem kleinen Mädchen und setzten es neben dem Haus nieder.
Die Frau, die das Kind gebracht hatte, sprach diese Worte: „Wisse dies, König,“ sprach sie, „Deine Sippe wird dafür bezahlen, daß Du nicht das getan hast, was ich Dir gesagt habe. Aber Du sollst Milde haben, weil Du mich von jenem Fluch befreit hast. Und wisse dies: Das Mädchen heißt Skuld. Sie ist unsere Tochter.“
Nach diesen Worten ritt sie fort. Sie war eine Elfen-Frau gewesen. Der König hörte nie wieder von ihr.
Die Bezeichnung „Elfen-Frau“ zeigt, daß die Frau in dieser Geschichte die Jenseitsgöttin gewesen ist, da die Alfen/Elfen die Totengeister in den alten Tyr-Mythen gewesen sind. Die Alfen-Frau ist zudem die Mutter der Norne Skuld, die in dieser Saga zu einer Zauberin geworden ist. Tyr selber wurde als Jenseitsgott „Alberich“, d.h. „Alfen-König“ genannt.
Die Verwandlung der häßlichen Frau in eine schöne Frau beruht auf der Aufspaltung der Jenseitsgöttin zwei Bilder: in die ersehnte Wiederzeugungs-Geliebte (Freya, Gunnlöd, Menglöd u.a.) sowie die gefürchtete Herrin des Totenreiches (Hel). Die Identität der beiden Göttinnen zeigt sich u.a. noch darin, daß der König in manchen Nachruf-Liedern in das Jenseits reist, um sich dort mit Hel zu vereinen.
Auch in dieser Saga zeugt ein Mann ein Kind im Jenseits, das dann später zu ihm gesandt wurde. Da er es zunächst abgelehnt hat, mußte er in der Folge viele Unglücke erleiden. Auch hier ist die Reihenfolge von Tod und Wiederzeugung umgekehrt worden. Der Tod ist hier zudem zu „Unglücken“ abgemildert worden.
Die helfende Frau, die Gisli immer wieder im Traum erscheint, verspricht ihm, daß sie ihn nach seinem Tod in ihre Halle führen und dort seine Geliebte werden wird.
Die vier Zwerge in einem „Felsen“ (Hügelgrab), mit denen sich Freya vereint, damit diese ihr das Brisingamen geben, ist eine Umdeutung der Wiederzeugung: Die Zwerge sind Tote im Jenseits und der Halsreif ist ursprünglich ein Symbol der Sonne und der Jenseitsreise gewesen. Aus dem magischen Ring der Freya ist hier ein Schmuckstück geworden und aus der Wiederzeugung eine „erotische Bezahlung“ für dieses Schmuckstück.
Sowohl König Vanlandi als auch König Helgi (Tyr) vereinen sich mit einer Jenseits-Frau – mit einer Alfen-Frau bzw. mit Drifa, die in Finnland (= Jenseits) lebt. Beide König müssen anschließend darunter leiden, daß sie das von ihnen gezeugte Kind nicht verabredungsgemäß angenommen haben. Hier ist der magische Zusammenhang zwischen Tod und Wiederzeugung in einen sozialen Zusammenhang zwischen Sex und Alimenten umgedeutet worden.
Diese Geschichte ist die vollständigste Darstellung einer Jenseitsreise, die alle fünf wesentlichen Elemente enthält:
Ferner sprach Ägir: „Woher hat die Kunst ihren Ursprung, die ihr Skaldenkunst nennt?“
Bragi antwortete: „Der Anfang davon war, daß die Asen Unfrieden hatten mit dem Volk, das man Wanen nennt.
Über diesen Krieg zwischen den Asen und den Wanen wird in der Heimskringla ausführlicher berichtet.
Nun aber traten sie zusammen, Frieden zu schließen, und der kam nun so zustande, daß sie von beiden Seiten zu einem Gefäß gingen und ihren Speichel hineinspuckten.
Als sie nun schieden, wollten die Asen dieses Friedenszeichen nicht untergehen lassen. Sie nahmen es und schufen einen Mann daraus, der Kwasir heißt. Der ist so weise, daß ihn niemand um ein Ding fragen mag, worauf er nicht Bescheid zu geben weiß.
Er fuhr weit umher durch die Welt, die Menschen Weisheit zu lehren.
Kawsir ist eine Ableitung von der Bezeichnung „Kwas“ für den Brottrunk, den man aus Wasser, Brot und Honig herstellt. Er wird durch Gärung gewonnen und kann daher leicht alkoholisch sein und Kohlensäure enthalten. Er hat Ähnlichkeit mit Bier. Der Speichel ist ein altes Gärungsmittel.
Die Sitte, einen Friedensschluß oder einen ähnlichen Vertrag durch das Trinken eines Getränkes, dessen Fermentierung durch den Speichel aller Beteiligter in Gang gesetzt wurde, ist recht alt. Dies ist sozusagen eine „Blutsbrüderschaft light“.
Der Name „Kwas“ wurde das erste mal schon im Jahre 989 n.Chr. erwähnt und leitet sich wie z.B. auch das Wort „Käse“ (germanisch: „kasjus“) von dem indogermanischen Verb „kuath“ für „gären, sauer werden“ ab.
Kwasir ist folglich nach dem Getränk Kwas benannt worden. Seine Weisheit liegt sicherlich darin begründet, daß er aus dem Speichel aller Asen und Wanen entstanden ist und dadurch deren Eigenschaften und Fähigkeiten enthält. Er ist somit in gewisser Weise die Essenz der Götter.