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Das Buch

Alex Winters erfüllt sich einen Traum: Der attraktive und erfolgreiche Unternehmer kauft sich sein eigenes Baseballteam. Gemeinsam mit seinen Kumpels Lucas Angelo und Malachi Coulter will er die New York Saints wieder auf Kurs bringen. Die Jungs sind auf alles vorbereitet: finanzielle Krisen, verpasste Play-offs, verletzte Spieler. Nur mit Maggie Jameson, die Tochter des Vorbesitzers, hatte Alex nicht gerechnet, die mit ihrer kratzbürstigen Art seinen Plan durchkreuzt. Er braucht sie, um das Team zu retten, denn schließlich kennt sie die Spieler in- und auswendig. Doch Maggie ist nicht nur ganz schön stur, sondern auch genauso sexy, wenn ihre Augen vor Wut auf ihn Funken sprühen.

Maggie fühlt sich dagegen, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen: Sie ist mit den Saints aufgewachsen und wollte nach der Pensionierung ihres Vaters das Management übernehmen. Ohne Vorwarnung hat der die Saints nun an den arroganten Alex Winters und seine beiden Partner verkauft. Aber das ist noch nicht mal das Schlimmste. Denn Alex ist auch noch frech genug, Maggie einen Job anzubieten. Ihr Verstand sagt nein. Ihr Bauchgefühl sagt dagegen ja, was auch an Alex’ unglaublich grünen Augen liegen mag, die Maggie in den Wahnsinn treiben.

Die Autorin

Melanie Scott kommt aus Australien und schreibt Fantasy- und Romance-Romane, auch unter dem Pseudonym M. J. Scott. Ihr Debütroman brachte ihr viel Lob ein, und ihre Half-Light-City-Serie stand in der Auswahl des Australian Romance Readers Association Award. Melanie Scott lebt in Melbourne.

Von Melanie Scott sind in unserem Hause erschienen:

The Devil in Denim (New-York-Saints 1)

Angel in Armani (New-York-Saints 2)

Lawless in Leather (New-York-Saints 3)

MELANIE SCOTT

The Devil in Denim

Roman

Aus dem Englischen
von Uta Hege

Verlagsqualität Ullsteinbuchverlage

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1276-7


Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Mai 2016

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016

Copyright © 2014 by Melanie Scott

Published by arrangement with St. Martin’s Press, LLC.

All rights reserved.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Devil in Denim

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Titelabbildung: © Claudio Marinesco (Mann);
© shutterstock/Ollyy (Hosen)

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Für Melanie, meine außergewöhnliche Schwägerin, die mich zu meinem ersten Baseballspiel mitgenommen UND mir bereits jede Menge Stoff für Erzählungen geliefert hat.

Prolog

Sein Handschuh knirschte. Er hätte wahrscheinlich doch den alten anziehen sollen. Alex Winters spannte seine Hand verärgert an. Der Handschuh war zwar neu, aber er hatte ihn schon oft genug getragen. Vor allem fiel der alte langsam, aber sicher auseinander, und am Schluss des letzten Spiels hatte seine Hand noch mehr als üblich wehgetan.

Also hatte er sich einen neuen Handschuh zugelegt. Aber er hasste es, wenn sein Equipment nicht hundertprozentig seiner Vorstellung entsprach. Wenn er erst in der Profiliga spielte, würde er auf alle Fälle darauf achten, dass er immer eine rundherum perfekte Ausrüstung besaß.

Konzentrier dich auf das Spiel, Winters.

Er ging wieder in Position, blickte blinzelnd in die Sonne und betrachtete das Feld. Es war ein perfekter Tag für einen Match. Sonnenschein und eine milde Brise und ein Schlagmann, der nicht die geringste Chance hatte, Lucas’ heimtückischen Fastball zu erwischen. Alex hatte ihn und all die anderen Typen eingehend studiert. Der Kerl war gut, wenn er den Ball bekam, doch wenn der gegnerische Schlagmann stark wie Lucas war, kam das nur selten vor.

Alex hatte wirklich keine Ahnung, wie der Typ an ein Stipendium gekommen war. Der guten, alten Kansas State mangelte es offensichtlich an Talenten. Oder an Geld.

Mit einem Mal war Alex’ gute Laune wiederhergestellt. Denn nichts versüßte einem Kerl den Tag so sehr, wie wenn es ihm gelang, den Gegner in den Staub zu treten. Und wie jedes Mal nach einem Sieg würde er nachher mit seinen Kumpels Lucas und Mal bei Bier und einer riesigen Salami-Pizza sitzen, um das Spiel noch mal gedanklich durchzugehen. Denn auch wenn die Pizza hier in Texas lange nicht so gut war wie in Queens, zum Bier schmeckte sie auf jeden Fall.

So feierten sie jedes Spiel. Mann, er konnte schon die angenehme Bitterkeit des herrlich kühlen Blonden schmecken.

Aber Bier gibt’s nur für Sieger. Zeit, die Sache abzuschließen. Vor ihm nahm der Schlagmann eine andere Haltung ein und wippte ungeduldig mit dem Holz. Das hieß, er war nervös. Alex nickte Lucas mit einem breiten Lächeln zu, blieb geduldig stehen und klappte unauffällig zwischen seinen Beinen drei seiner Fingern aus.

Lucas nickte, und sein Alles-klar-jetzt-ist-es-Zeit-zum-Sterben-Schlagmann-Blick wärmte Alex wie bereits so oft das Herz.

Mann, er liebte dieses Spiel. Liebte die enge Abstimmung mit der Mannschaft. Liebte es, wenn sie sich anstrengten und eine Strategie verfolgten, bis es wieder einmal wie am Schnürchen lief.

Lucas’ Wurf kam angerauscht, als der Schlagmann, wie nicht anders zu erwarten, ausholte, aber nicht traf. Alex streckte instinktiv den rechten Arm aus, und der Ball prallte mit einer solchen Wucht auf seinen Handschuh, dass er beinah nicht zu halten war.

Verdammt, inzwischen wurden Lucas’ Würfe derart schnell, dass er sich alle Mühe geben musste, sie noch zu erwischen. Vielleicht sollten sie ihn langsam nicht mehr Ice Man nennen, denn mit seinen heißen Würfen machte er sogar den eigenen Leuten kräftig Feuer unterm Arsch.

Grinsend warf Alex den Ball zu ihm zurück.

»Und das ist erst der Anfang«, raunte er dem Schlagmann zu. Der Kerl gab sich die größte Mühe, nicht darauf zu reagieren, aber Alex merkte, dass sein Griff um seinen Schläger sich verstärkte.

Was ihm zeigte, dass der Typ ein echtes Weichei war.

Oh ja, sie hätten bei diesem Match bestimmt noch jede Menge Spaß.

Er hockte sich auf die Fersen und gab dem Freund erneut ein heimliches Signal …

… und plötzlich ging die Welt um ihn herum in Flammen auf.

Das Krankenzimmer war blitzsauber, doch aus irgendeinem Grund war alles, was er riechen konnte, der Gestank von Rauch.

Auf dem Stuhl neben dem Bett döste sein Kumpel Mal, doch Alex selbst bekam kein Auge zu. Trotz der Schmerz- und der Beruhigungsmittel, die sie ihm gegeben hatten, lag er wach in seinem Bett und dachte ein ums andere Mal über die Worte seines Trainers nach.

»Wir müssen sehen, wie die Verletzung heilt, mein Junge«, hatte er versucht, ihn aufzumuntern, aber Alex wusste, dass das vollkommener Schwachsinn war. Aus seiner Hand ragten Stahlstäbe, die sie zusammenhielten. Aus seiner rechten Hand. Der Fanghand. Die zertrümmert war.

Doch abgesehen vom Gestank des Rauchs konnte er sich nur noch undeutlich an die Geschehnisse erinnern. Er, Lucas und Mal hatten das Feld verlassen sollen. Doch statt aus dem Stadion waren sie auf die Tribüne zugestürzt. Direkt in das Feuer und die Trümmer. Weil sie hatten helfen wollen.

Und das hatten sie anscheinend auch getan. Hatten eine Reihe Zuschauer in Sicherheit gebracht. Wobei sie selbst verwundet worden waren.

Zähneknirschend starrte Alex auf den Stahl in seiner Hand. Er versuchte, sich einzureden, dass sein Trainer vielleicht recht hätte und sie tatsächlich heilen würde. Aber immer noch roch er den Rauch und wusste, dass das Schwachsinn war.

Verdammt. Er brauchte seine Hand. Denn mit einer kaputten Hand war er als Fänger nicht mehr einsetzbar. Und mit seiner verbrannten Schulter wäre Lucas auch als Werfer völlig unbrauchbar.

Es war ziemlich dämlich, über so banale Dinge nachzugrübeln, nachdem andere gestorben waren. Aber trotzdem ging ihm der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf.

Sie hatten Menschenleben retten können und sie waren davongekommen. Doch zu welchem Preis?

1

Sie verabscheute Tequila. Mit zusammengekniffenen Augen starrte Maggie Jameson die Flasche in der Hand des Barmanns an. Der kleine, rote Teufel auf dem Etikett blitzte sie böse an. Kein Wunder. Denn schließlich war Tequila auch ein echtes Teufelszeug. Was passte, weil ihr eigenes Leben urplötzlich die Hölle war.

Sie hob ihr Schnapsglas an den Mund, kippte sich das Zeug hinter die Binde, und während es ihr den Hals verbrannte, schob sie sich verzweifelt die Zitronenscheibe, die dazugehörte, in den Mund. Denn Tequila war so ungefähr das ekligste Getränk, das sie sich vorstellen konnte, doch sie musste sich einfach betrinken, und mit Wein oder mit Bier hätte sie eine halbe Ewigkeit dafür gebraucht.

Noch ein Glas, und danach würde sie ein Taxi nehmen und nach Hause fahren. Wo sie hoffentlich ins Koma fallen und am nächsten Tag erwachen und erkennen würde, dass das alles nur ein fürchterlicher Traum gewesen war.

Denn eine andere Erklärung gab es nicht dafür, dass sie am Morgen bester Dinge aufgestanden war und jetzt in einer Kneipe vor dem mittlerweile siebten leeren Schnapsglas saß.

Sie bedeutete dem Barmann, ihr noch einmal nachzuschenken. Ja, natürlich würde sie den Frustsuff morgen früh bereuen, aber da sie ziemlich sicher wusste, dass dies nicht einfach ein böser Traum war und sie anders als im Kino diesen Tag nicht einfach noch einmal von vorn beginnen könnte, würde der Tequila auf der Liste all der Dinge, die ihr leidtun würden, ganz, ganz unten stehen.

»Ms Jameson, Sie sehen aus, als könnten Sie Gesellschaft brauchen.«

Großer Gott. Was machte der denn hier? Das Universum konnte sie doch wohl nicht derart hassen, dass es den Verursacher ihres geballten Elends in dieselbe Kneipe schickte, in der sie nur seinetwegen vor dem mittlerweile achten Glas Tequila saß.

Vorsichtig sah sie sich um.

Alex Winters.

Lächelte sie an.

In genau derselben Jeans, demselben teuren Hemd und demselben grauen Jackett hatte er am Nachmittag ihr Leben ruiniert. Es war eine Verkleidung, dachte sie. Die er nur deshalb trug, damit niemand erkannte, dass der Kerl im Grunde seines Herzens ein unverbesserlicher Anzugträger war. Und jetzt stand dieser unverbesserliche Anzugträger direkt neben ihr. Falls das Universum eine schwarze Liste führte, stand sie darauf offenbar inzwischen ganz oben.

Obwohl sie hörbar mit den Zähnen knirschte und infolge des Tequilas Mühe hatte, klar zu denken, sagte sie in möglichst würdevollem Ton: »Das täuscht. Ich bin sehr gern allein.«

Sein Lächeln wurde tatsächlich noch breiter. »Trotzdem sollte man Tequila nie alleine trinken. Weil das böse enden kann.« Damit nickte er dem Barmann zu, und wie durch Zauberhand stand urplötzlich ein zweites Schnapsglas auf dem Tisch. Wenn Alex Winters mit den Fingern schnippte, sprangen einfach alle. Und zwar meterhoch.

»Mr Winters.« Maggie fuhr zusammen, denn sie lispelte sonst nie. »Wie ich heute erfahren habe, gibt es viele Dinge auf der Welt, die man nicht machen sollte, die Leute aber trotzdem tun.« Wobei ganz oben auf der Liste solcher Dinge der Verkauf der Saints durch ihren Vater an besagten Mr Winters stand. Ein Verrat, der ihr noch stärker als Tequila auf den Magen schlug. Denn sie hatte jahrelang geackert. Hatte Wirtschaftswissenschaft, Psychologie und anschließend Sportmanagement studiert. Und zwar extra in Chicago, weil ihr Dad darauf bestanden hatte, dass sie für ihr Studium New York verließe, um nicht abgelenkt zu sein. Ausgerechnet in Chicago. Wo sogar die Cubs-Fans auf die Saints heruntersahen. Und das alles nur, um ihrem Vater zu helfen, den Verein am Leben zu erhalten. Doch genau in dem Moment, in dem sie sich begeistert in die Arbeit hatte stürzen wollen, waren der verdammte Alex Winters und zwei Spießgesellen aufgetaucht und hatten ihrem Dad ein Angebot gemacht, auf das er ohne Rücksprache mit Maggie eingegangen war.

Sie starrte Winters böse an. Obwohl das Grün seiner Augen und der weiche Schimmer seines braunen Haars im Dämmerlicht der Bar nicht wirklich zu erkennen waren, zog der Kerl die Blicke aller Frauen auf sich, und die anderen Männer machten ihm als Alpharüden automatisch Platz. Genau wie bei dem Treffen heute Nachmittag. Es war lächerlich und ging ihr furchtbar auf die Nerven, aber trotzdem hatte sie sich zwingen müssen, ihn nicht ebenfalls mit großen Augen anzustarren. Bis der Kerl den Mund aufgemacht hatte und ihr klargeworden war, worum es bei dem Treffen ging. Danach war es ihr definitiv nicht mehr schwergefallen, seinem Charme zu widerstehen.

»Sie wirken etwas mitgenommen«, stellte Winters fest. »Wegen heute Nachmittag?«

Sie umklammerte ihr Glas und funkelte ihn zornig an. »Das fragen Sie mich noch? Meine Güte, Mr Winters, nein, natürlich nicht. Es regt mich ganz bestimmt nicht auf, dass mein Vater heute Nachmittag mein Erbe einfach so verhökert hat. Weshalb hätte mich das stören sollen?« Da sie sich ganz sicher nicht die Blöße geben wollte, vor dem Feind in Tränen auszubrechen, kippte sie den nächsten Schnaps herunter.

Und erkannte, dass das offenbar ein Schnaps zu viel gewesen war. Verflixt.

»Ich kann Ihnen gerne einen Job anbieten, wenn Sie sich dann besser fühlen.«

Sie starrte ihn aus ungläubig zusammengekniffenen Augen an. Das Problem beim Schnaps war, dass er Männer attraktiver machte. Wobei Alex Winters auch schon vorher wirklich ein heißer Typ gewesen war. Eine super attraktive, aber seelenlose Heuschrecke, die offenbar ein neues Spielzeug suchte, weil der Bau von Wolkenkratzern oder Einkaufszentren langweilig geworden war. Und dieses neue Spielzeug war das Profi-Baseballteam, mit dem sie groß geworden war.

Er und seinesgleichen waren schuld daran, dass sich der Baseball mittlerweile zu einem lukrativen Geschäftszweig entwickelt hatte. Wobei es bei den Saints bisher nie nur ums Geld gegangen war. Wahrscheinlich waren sie deswegen seit Jahren das Schlusslicht der Tabelle, hatten aber gleichzeitig die treuesten Fans. Fans, die Hot Dogs und die alten Holzbänke im Stadion und das dämliche Maskottchen des Vereins genauso liebten wie sie selbst. Fans, die ihrer Mannschaft unverbrüchlicher die Treue hielten als die größten Chicago-Cubs-Fans ihrem Team. Fans, die mit den Saints bereits seit Jahren durch dick und dünn gegangen waren.

Maggie hatte schon als Kind davon geträumt, ihrem Vater eines Tages bei der Führung des Vereins zur Hand zu gehen. Er hatte als Geschäftsführer der Saints den Laden immer selbst geschmissen, statt wie andere Eigentümer nur die Spiele zu besuchen und die Lorbeeren einzuheimsen, wenn das Team gewann. Und Maggie hatte ihm bei dieser Arbeit helfen und dann eines Tages seinen Posten übernehmen wollen, wenn er in Rente ging.

Bis plötzlich Alex Winters auf der Bildfläche erschienen war. Der vorhatte, mit der Mannschaft einfach nur Geld zu verdienen und sie deswegen zu einem seelenlosen Automaten zu machen, wie er selber einer war. Er konnte also so attraktiv und sexy sein, wie er wollte. Denn sie hasste ihn.

»Ich hätte irgendwann Geschäftsführerin werden sollen«, klärte sie ihn eisig auf. »Ist dieser Posten frei?«

»Ich fürchte, der ist schon durch mich besetzt.«

»Habe ich mir’s doch gedacht«, stellte sie verächtlich schnaubend fest. »Dann können Sie mit Ihrem Job zur Hölle fahren. Wo Sie sich als der Teufel, der Sie sind, bestimmt zu Hause fühlen werden.«

»Ich bin also der Teufel«, stellte er mit einem breiten Grinsen fest.

Weswegen grinste dieser Kerl eigentlich? Schließlich hatte sie ihm gerade erst erklärt, dass er zur Hölle fahren sollte, oder nicht?

»Führe ich Sie etwa in Versuchung?«

»Da küsse ich ja lieber einen Ziegenbock.«

Ihr wurde siedend heiß. Wie hatte sie vor diesem Kerl vom Küssen sprechen können? Denn vom Küssen sprach man nur, wenn man auch küssen wollte. Und das wollte sie ganz sicher nicht. Dieser verfluchte Schnaps.

Er lachte fröhlich auf. Was wirklich unfair war. Weil sein Lachen wirklich sexy war. Nein, verdammt. An Winters war nichts sexy!

»Einen Ziegenbock? Mit Hörnern, einem Bart und gespaltenen Hufen? Finden Sie nicht auch, dass so ein Tier dem Teufel ziemlich ähnlich ist?«

Genervt ließ sie den Kopf auf den Tresen sinken. Sie war ganz bestimmt nicht in der Stimmung für ein Geplänkel mit dem Teufel. Denn wenn man versuchte, ihn zu überlisten, kam nichts Gutes dabei raus. Am Ende dieses Weges warteten nur der Verlust der Seele und die ewige Verdammnis. Der sie vermutlich bereits am Nachmittag anheimgefallen war. Und Winters hatte breit gegrinst, als ihr Vater ihm durch seine Unterschrift ihr Leben überlassen und sich danach eilig aus dem Raum geschlichen hatte, ohne ihr zumindest zu erklären, weswegen ihre Welt mit einem Mal nur noch ein großer Scherbenhaufen war.

»Bitte verschwinden Sie«, stieß sie mit rauer Stimme aus.

»Nein.«

»Macht es Ihnen Spaß, andere Menschen unglücklich zu sehen?«

»Wenn sie es verdienen.« Seine Stimme klang so ernst, dass sie erschauderte.

»Und womit habe ich das Ihrer Meinung nach verdient?« Entschlossen ballte sie die Fäuste, denn sie würde vor diesem Mann sicher nicht in Tränen ausbrechen.

»Das haben Sie ganz sicher nicht verdient. Tut mir leid. Dieser Vertrag richtet sich nicht persönlich gegen Sie.«

Maggie hob ruckartig den Kopf. »Sie haben mein Leben ruiniert, und das soll ich nicht persönlich nehmen?«

»Es ging dabei ausschließlich ums Geschäft.«

»Ach, fahren Sie doch zur Hölle.«

»Das haben Sie schon mal gesagt.«

»Und trotzdem sitzen Sie noch hier.«

»Ja.«

»Warum?«

»Will ich erst gehen werde, wenn ich Sie nach Hause bringen kann.«

Sie starrte ihn entgeistert an. Das war doch sicher nicht sein Ernst? Sie würde eher mit … nun, mit praktisch jedem anderen nach Hause fahren als mit diesem arroganten Kerl.

»Haben Sie sich den Kopf gestoßen?« Vielleicht dachte er ja deshalb, dass sie sich von jemandem wie ihm becircen ließ.

»Nicht dass ich wüsste, nein.«

»Das kann nicht sein. Denn schließlich haben Sie mein Leben ruiniert und laden mich am selben Abend zu sich ein.«

Er blitzte sie belustigt an. »Ich lade Sie nicht zu mir ein. Ich will Sie lediglich nach Hause bringen, weiter nichts.«

Der Tequila-Nebel, der ihr Hirn umwogte, machte ihr das Denken schwer. »Das macht ja wohl keinen Unterschied. Die Antwort bleibt weiter nein.«

»Sie sind sturzbetrunken, Maggie.«

»Das ist mir durchaus bewusst.«

»Was bedeutet, dass jemand dafür sorgen muss, dass Sie sicher nach Hause kommen, oder etwa nicht?« Er sah sich suchend um. »Und sonst ist hier niemand, den Sie kennen, oder?«

Maggie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber vielleicht ist Ihnen ja nicht klar, dass hier in dieser Stadt an allen Ecken Taxis stehen. Jede Menge wunderbarer Taxis, die mich dorthin fahren, wohin ich fahren will.«

»Taxis sind nicht immer sicher.«

»Mr Winters. Niemand kann mir auch nur annähernd so große Schwierigkeiten machen wie Sie selber heute Nachmittag.«

»Trotzdem. Ihr Vater ist mir echt sympathisch, und ich will ihm nicht erklären müssen, weshalb ich mit angesehen haben, wie Sie mehr als nur leicht angetrunken ganz alleine in ein Taxi eingestiegen sind.«

»Wenn Ihnen mein Dad sympathisch wäre, hätten Sie nicht heute Nachmittag sein Lebenswerk zerstört.«

»Ich habe Ihren Vater nicht zu dem Verkauf gezwungen. Er fand selbst, es wäre für ihn an der Zeit, das Ruder aus der Hand zu geben.«

»Und warum hat er’s dann nicht mir als seiner Tochter überlassen, wie es abgesprochen war?«

»Darüber reden wir vielleicht, wenn Sie nicht ganz so viel getrunken haben.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Sie netter finde, wenn ich nüchtern bin.«

»Das ist bedauerlich. Also, sind Sie jetzt bereit, sich von mir heimfahren zu lassen?«

»Nein.«

»Okay.« Er zog zwei Fünfziger aus seiner Brieftasche und legte sie dem Barmann hin. »Reicht das für das, was sie getrunken hat?«

»Sie zahlen ganz sicher nicht für meine Drinks!« Empört zog Maggie ihre Handtasche zu sich heran. Sie würde keinen Penny von dem Mann annehmen.

Der Barmann, der die Scheine gerade hatte nehmen wollen, blickte Alex fragend an.

Verdammt, rutschte etwa die ganze Welt auf Knien vor dem Kerl herum? Sie zog ihre Kreditkarte hervor und warf sie schwungvoll auf die Bar.

»So.« Sie funkelte ihn zornig an. »Wollen Sie noch was sagen?«

Als er lächelte, bildete sich in seinem Kinn ein hübsches Grübchen. »Ich hänge sehr an meiner Jacke, und Tequila macht sich auf dem Stoff bestimmt nicht wirklich gut.«

»Als ob ich den guten Tequila an jemanden wie Sie verschwenden würde«, klärte sie ihn naserümpfend auf.

Er zog eine Braue hoch und schaute sich die Flasche auf dem Tresen aus der Nähe an. »Der sieht mir eher nach einer Billigmarke aus.«

Maggie nahm die Flasche in die Hand, schenkte sich nach und hob das Glas an ihren Mund.

Wieder mal verbrannte ihr der Fusel den Hals. Er hatte recht, das Zeug war wirklich grauenhaft.

»Mir schmeckt’s«, erklärte sie aus reinem Trotz. Von dem Alkohol wurde ihr heiß, und langsam fing die Kneipe an, sich um sie zu drehen.

Am besten hörte sie jetzt mit dem Trinken auf. Denn wenn sie weitermachte, würde sie es morgen fürchterlich bereuen. Vor allem hatte sie genau das Maß an Trunkenheit erreicht, in dem ihr anfängliches Elend einem deutlich angenehmeren Gefühl von grenzenlosem Zorn gewichen war.

Sie runzelte die Stirn, und Alex sah sie lächelnd an.

Sie hasste dieses Lächeln, auch wenn es den Kerl noch attraktiver machte. Was ihr abermals bewies, dass er der Teufel war. Denn mit seinem superscharfen Aussehen lenkte er die Menschen schließlich nur von seinen abscheulichen Taten ab. Genauso wie mit seiner offensichtlich permanenten guten Laune. Die ihr furchtbar auf den Senkel ging. Am liebsten hätte sie ihm eine reingehauen, um zu sehen, ob sich diesem Typen auch noch eine andere Reaktion entlocken ließ. Irgendein authentisches Gefühl. Etwas, das ihr zeigte, dass er vielleicht doch ein Mensch war. Doch in ihrem Zustand würde sie bestimmt danebenschlagen und von ihrem Hocker plumpsen, und dann würde Alex Winters ihr beim Aufstehen helfen, und sie wäre endgültig blamiert. Eilig kritzelte sie ihren Namen auf die Rechnung, die ihr der Barmann präsentierte, und stand dann schwankend auf.

Alex hatte seine beiden Scheine noch nicht wieder eingesteckt.

Was ihr genau wie seine gute Laune einfach auf die Nerven ging. Denn für einen einzigen Tequila legte niemand hundert Mäuse auf den Tisch. Außer wenn er superreich war. Oder protzen wollte.

Doch auch wenn ihr Alex Winters alles andere als sympathisch war, wie ein Angeber wirkte er überhaupt nicht. Was bedeutete, dass er in Geld schwimmen musste.

Natürlich nagte auch sie selbst nicht unbedingt am Hungertuch. Ihrem Dad gehörte eine eigene Baseballmannschaft, und das Unternehmen, das ihr Großvater gegründet und ihr Vater noch erweitert hatte, warf allmonatlich erkleckliche Gewinne ab. Trotzdem hatte Dad ihr schon von klein auf beigebracht, den Wert dieses Geldes und das, was sie damit für sich und andere erreichen konnte, zu respektieren. Und auch ihre Mutter hatte sie vor ihrem Tod gelehrt, die Dinge, die man hatte, wertzuschätzen, niemals auf der faulen Haut zu liegen und den Wohlstand, der ihnen vergönnt war, nie als selbstverständlich anzusehen.

Aber es gab Geld und Geld, und dieser Mann gehörte einer völlig anderen Liga an. Und während er hier in der Bar stand, schwoll sein Konto sicher auf die eine oder andere Art um zusätzliche Tausende von Dollar an.

Sie knirschte mit den Zähnen. Sollte Alex sein Vermögen doch verschwenden, wenn er wollte. Denn als armer Schlucker würde er die Saints aus seinem Würgegriff entlassen müssen, oder etwa nicht?

»Können wir gehen?«, fragte er.

»Wie gesagt, ich fahre nicht mit Ihnen heim.«

»Oh doch.« Er klang noch immer freundlich, aber seine Stimme machte deutlich, dass damit für ihn das letzte Wort gesprochen war.

Doch da hatte er Pech. »Das werden wir ja sehen.«

»Und ob.«

Sie verdrehte die Augen. »Bilden Sie sich etwa allen Ernstes ein, dass Sie mich dazu zwingen können, diese Bar mit Ihnen zu verlassen?«

»Allerdings«, erklärte er ihr achselzuckend. »Selbst wenn ich Sie mir wie einen Sack Mehl über die Schulter werfen muss.«

»Mich über die Schulter werfen?« Ihre Stimme wurde schrill. »Wagen Sie es ja nicht oder …«

»Oder was?« Er sah sie reglos an. »Sie sind nicht gerade klein, aber trotzdem bin ich größer, deutlich schwerer und vor allem sind Sie ziemlich angetrunken, und wenn Sie nicht einen schwarzen Gürtel in Karate haben, haben Sie nicht die geringste Chance gegen mich.«

Maggie brachte keinen Ton heraus, denn ihr Gehirn war viel zu sehr damit beschäftigt, seine Worte zu verdauen. »Sie … Sie …« Zornig brach sie ab und wandte sich erneut dem Barmann zu. »Rufen Sie mir ein Taxi, ja?«

»Tun Sie das nicht«, wies Alex ihn mit lauter Stimme an.

Der Barmann zuckte erschreckt zusammen, und Maggie funkelte ihn zornig an.

Noch während sie ihr eigenes Handy aus der Tasche ziehen wollte, meinte Alex: »Wenn Sie es nicht anders haben wollen …«, hob sie hoch, warf sie sich über die Schulter und marschierte einfach los.

Durch die plötzliche Veränderung der Position wurde ihr Schwindel noch verstärkt. Die ganze Kneipe drehte sich, und Maggie kämpfte gegen ein Gefühl der Übelkeit. Um sich nicht zu übergeben, lehnte sie den Kopf an seinem breiten, warmen Rücken an und war nur dankbar, dass sein starker Arm um ihre Beine lag.

Oh Gott. Was für ein ungemein erniedrigendes Ende eines durchweg grauenhaften Tags. Sie wollte weiterstreiten, wollte, dass der Kerl sie wieder auf die Füße stellte, doch mit einem Mal versiegte ihre Kampfkraft und sie wollte nur noch heim.

Und wenn sie am schnellsten in ihr Bett käme, weil der Teufel sie nach Hause brächte, wäre ihr das auch egal.

Sie kniff die Augen zu, ließ sich von Alex aus der Kneipe schleppen und bemühte sich, das Johlen und die Pfiffe, die sie auf dem Weg begleiteten, zu ignorieren.

Als am nächsten Vormittag die Gegensprechanlage surrte, dröhnte Maggie immer noch derart der Schädel, dass sie stöhnend ihren Kaffeebecher auf den Tisch stellte und überlegte, wer in aller Welt um diese unchristliche Zeit … sie blickte auf die Wanduhr. Mist. Es war schon zehn. Nicht wirklich eine unchristliche Zeit. So kam es ihr nur wegen ihres grauenhaften Katers vor.

Tequila.

Das Getränk des Teufels.

Plötzlich musste sie wieder an Alex Winters und die Taxifahrt nach Hause denken, doch noch während sie den Kopf ermattet auf den Frühstückstresen legte, drang erneut das Surren ihrer Gegensprechanlage an ihr Ohr.

Wahrscheinlich würde sich der Lärm erst legen, wenn sie reagierte, deshalb schleppte sie sich bis zur Tür, nahm dort den Hörer ab und fragte: »Ja?«

Ermattet lehnte sie die Stirn gegen die herrlich kühle Wand und kniff die Augen zu.

»Ms Jameson, für Sie wurde ein Päckchen abgegeben. Möchten Sie, dass ich es raufbringe?«, erkundigte sich Dev, der langjährige Pförtner, mit der gut gelaunten Stimme, die so typisch für ihn war.

»Ein Päckchen?«

»Eine Schachtel in der Größe eines Schuhkartons, Ms Jameson.«

Schuhe? Hatte sie womöglich letzte Nacht noch irgendwelche Schuhe übers Internet bestellt? Oh nein, ganz sicher nicht. Denn sie hatte sich am Vorabend betrunken, um am Schluss besinnungslos ins Bett zu fallen, und nicht, um an die Grenzen der Belastbarkeit ihrer Kreditkarte zu gehen und irgendwelche Wahnsinnsschuhe zu bestellen.

»Ms Jameson? Soll ich das Päckchen aufbewahren und Sie holen es dann später bei mir ab?«

»Nein, bringen Sie es bitte rauf.«

Dann bräuchte er nicht noch mal anzurufen, um sie daran zu erinnern, die verdammte Sendung abzuholen. Und vielleicht hatte sie ja Glück und irgendwer, der Alex Winters auch nicht mochte, hatte ihr den Kopf von diesem Kerl auf einem silbernen Tablett geschickt. Doch angesichts von dessen aufgeblasenem Ego wäre dafür sicher ein erheblich größerer Karton nötig gewesen.

Sie hatte bereits in der Zeitung über diesen Mann gelesen und im Rahmen ihres Masterstudiums sogar eine Fallstudie über den Aufstieg dieses Wunderknaben angefertigt. Deshalb wusste sie, dass Alex Winters ganz bestimmt nicht unter Minderwertigkeitskomplexen litt. Und dass er auch seine leider zahlreichen Erfolge nicht herunterspielte, die es ihm ermöglicht hatten, sich eine eigene Baseballmannschaft zu kaufen.

Durchaus bewundernswert mit erst siebenunddreißig Jahren. Doch offenbar war er einfach ein Mann, der eine Chance ergriff, wenn er sie sah. Direkt nach seinem Collegeabschluss hatte er verschiedene kühne Immobiliendeals getätigt, war bei einem kleinen Software-Unternehmen eingestiegen, das nach ein paar Jahren für einen Haufen Geld von Apple übernommen worden war, und hatte sich von dem Gewinn eine Reihe aufstrebender Unternehmen zugelegt. Alles, was der Kerl berührte, wurde irgendwann zu Gold.

Was abermals bewies, dass er der Teufel war.

Aber Teufel oder nicht – beim geschäftlichen Instinkt dieses Typen sollte sie sich wohl über sein Interesse an den Saints nicht ärgern, sondern freuen.

Doch am liebsten hätte sie ihrem Frust mit einem lauten Schrei Luft gemacht.

Noch bevor sie jedoch dazu kam, klopfte Dev an ihre Wohnungstür. Er bemühte sich um eine möglichst ausdruckslose Miene, als er ihr das Päckchen überreichte, was bestimmt nicht einfach war. Weil sie in einer schlabberigen Jogginghose, einem zwanzig Jahre alten Saints-T-Shirt, das langsam, aber sicher auseinanderfiel, vollkommen ungeschminkt und mit verfilzten Haaren vor ihm stand.

Sie legte das Päckchen auf den Tisch, nahm ein Aspirin und wühlte lustlos in dem Berg von Einwickelpapier, bis sie auf eine Voodoo-Puppe stieß.

Vor lauter Überraschung brauchte sie einen Moment, bis sie die beigefügte Karte fand.

Sie trug die Handschrift ihres Vetters Sean.

»Ich dachte mir, dass du die vielleicht brauchst.«

Er arbeitete für die Red Sox, was hieß, dass sich bereits herumgesprochen hatte, dass die Saints verscherbelt worden waren. Und dass ihr eigener Vater Maggie ausgebootet hatte.

Als Reaktion auf diese bittere Erkenntnis stellte sie ihr iPhone aus, riss die Telefonschnur aus der Wand und ging zurück ins Bett.

Stunden später schlug sie die Augen wieder auf, und diesmal kehrte die Erinnerung viel schneller zurück als am Vormittag. Offensichtlich ließ der verdammte Kater langsam nach. Mist. Sie kniff die Augen wieder zu und hoffte, noch mal einschlafen zu können. Aber dieses Glück blieb ihr verwehrt.

Ohne Rücksicht ging ihr Hirn stattdessen die Ereignisse des Vortags noch mal durch. Angefangen bei dem Augenblick im Stadion Deacon Field, als Alex Winters durch die Tür des Konferenzraumes getreten war und ihren Lebenstraum wie eine Seifenblase hatte platzen lassen, bis zu dem Moment, in dem sie in dem Taxi, in das dieser Fiesling sie verfrachtet hatte, eingeschlafen war.

Stöhnend wälzte sie sich auf den Rücken und legte den Arm vors Gesicht.

Ein reifer Mensch wäre jetzt aufgestanden, um zu duschen, einen Plan zu schmieden und dann loszuziehen, um Alex Winters zu beweisen, dass sich eine Jameson nicht einfach so geschlagen gab. Doch ihre Reife litt anscheinend noch unter den Folgen ihres gestrigen Alkoholexzesses.

Weshalb sie einfach nur im Bett liegen bleiben und so tun wollte, als wäre nichts geschehen.

Sie brauchte dringend ein paar aufmunternde Worte. Worte, die sie motivierten. Die sie inspirieren würden, endlich aufzustehen.

»Nun, Ms Jameson, was für ein Problem bedrückt Sie heute?«

»Ich will nicht aufstehen.«

»Und warum nicht?«

»Darum nicht.«

»Das ist kein echter Grund, nicht wahr, Ms Jameson? Und solange Sie nicht aufstehen, können Sie auch nichts erreichen, oder?«

Währenddessen würde ihre Therapeutin sich wahrscheinlich ein paar Dinge aufschreiben: Patientin sehr antriebsschwach. Braucht irgendwas, was ihre Leidenschaft entfacht. Oder vielleicht auch nur einen großen Becher Kaffee.

»Es gibt gar nichts, was ich erreichen will.«

»Ich bitte Sie, Ms Jameson, jeder Mensch will irgendwas erreichen.«

Patientin in höchstem Maße antriebsschwach. Es ist zu befürchten, dass sie Riesenmengen Schokolade oder Eis verzehren wird.

Denken Sie an etwas, das Sie sich wünschen. Irgendeine Kleinigkeit. Stellen Sie sie sich gedanklich vor. Was sehen Sie?«

»Hm.«

»Was sehen Sie, Ms Jameson?«

»Ich sehe ein Klavier, das aus dem fünften Stock auf Alex Winters fällt.«

Die feindseligen Gefühle der Patientin sind sehr ausgeprägt. Vielleicht leidet sie auch an einer Borderline-Psychose. Die Möglichkeiten, ihr zu helfen, sind gering.

Na toll, sogar ihr eigenes Unterbewusstsein gab sie inzwischen auf. Was sagte ihr das?

Dass sie wirklich unbedingt den Kopf von Alex Winters rollen sehen wollte. Oder vielleicht auch den von ihrem Dad. Weil sie einfach immer noch nicht glauben konnte, dass er die Saints einfach so verhökert hatte. Ohne ihr vorher auch nur einen Ton zu sagen. Was ein deutlicher Beweis für seine Schuldgefühle war. Hatte Winters ihn womöglich unter Druck gesetzt? Zuzutrauen wäre es dem Mann. Denn ihm ging’s immer nur ums Gewinnen. Und um Geld. Sie kannte solche Typen ganz genau, schließlich war sie mit Profisportlern aufgewachsen. Und obwohl ihr Vater stets versucht hatte, die Saints als Sportmannschaft und nicht als Unternehmen zu betrachten, hatte offenbar auch ihn die Kommerzialisierungswelle inzwischen eingeholt.

Doch wann hatte er aufgehört, sich gegen diese Flut zu stemmen? Schließlich hatten sie so viele Pläne für das Team gehabt. Hatten sich genauestens ausgemalt, wie sie ihm helfen würde, nun, da sie mit ihrem Studium fertig war.

Weshalb hatte er all diese Pläne plötzlich über Bord geworfen?

Wie zum Teufel hatte Alex Winters ihn dazu bewegen können, ihm die Mannschaft zu verkaufen?

Maggie konnte all das einfach nicht verstehen.

Also wäre es vielleicht ein erster Schritt, wenn sie mit ihrem Vater sprach.

Am Mittwochfrüh trat Alex durch die Tür seines Büros im Stadion Deacon Field. Endlich hatte sich sein Traum erfüllt. Von Tom Jamesons altem, wackligem Schreibtisch und der Fotowand des bisherigen Eigentümers war nichts mehr zu sehen. Gleich nach der Unterzeichnung des Vertrags hatte Alex diese Dinge gegen einen hochmodernen Schreibtisch mit nur einem Laptop sowie drei gerahmten Fotos darauf getauscht. Und an der Wand hing nur die Nummer, die er nach dem Bombenattentat aus seinem Trikot ausgeschnitten hatte, zwischen einer Reihe Flachbildschirme, die auf alle Sport- und Businesskanäle, die man sich nur denken konnte, eingeschaltet waren.

Er fühlte sich hier jetzt schon wie zu Hause und könnte sofort damit beginnen, aus den Saints das Team zu machen, das sie schon vor Jahren hätten werden sollten, oder sie auf alle Fälle vor dem endgültigen Abstieg zu bewahren.

Er wollte und er könnte dieser Mannschaft helfen, weshalb also plagten ihn seit gestern plötzlich Schuldgefühle?

Wegen dieser gottverdammten Maggie Jameson. Sie hatte ihn am Vorabend erbost aus ihren großen braunen Augen angeblitzt und ihm erklärt, er solle sich zum Teufel scheren, ehe sie im Taxi eingeschlafen war.

Sie hatte irgendwie verloren ausgesehen. So was hatte er noch nie erlebt.

Maggie Jameson war ganz der Vater. Alex war schon ewig Fan der Saints und wusste, dass sie, wenn man irgendwo den alten Herrn gesehen hatte, niemals weit gewesen war. Und Maggies Kindheit und die Jugendjahre kannte er beinah so gut wie seine eigenen, da fast täglich irgendwelche Fotos von ihr in den Zeitungen, im Mannschaftsrundbrief oder auf der Webseite des Teams gewesen waren. Sie war ein wirklich süßes Kind gewesen mit den großen braunen Augen und den glatten, dunklen Zöpfen, das am Arm des Vaters durch das Stadion gelaufen war und begeistert auf die Bälle eingedroschen hatte, die ihr von den Pitchern extra sachte zugeworfen worden waren. Und sie hatte einen ziemlich guten Schlag gehabt, erinnerte er sich.

Er rieb sich nachdenklich die Wange. Sicher schlug sie immer noch ausnehmend kraftvoll zu, deshalb hatte er Glück gehabt, dass sie am Vorabend nicht auf ihn losgegangen war. Was er ihr nicht hätte verübeln können, da schließlich am Vortag eine Welt für sie zusammengebrochen war.

Toms kleiner Saint, Toms »kleine Heilige«, hatte die Presse sie als Kind getauft. Woraus im Verlauf der Jahre die »heilige« Maggie Jameson geworden war. Ein offenbar perfekter Teenager, der immer nur die besten Noten in der Schule hatte, sich bei den wohltätigen Projekten des Vereins nach Kräften engagierte und nicht einmal ansatzweise schwierig war. Oder wenn doch, hatte es Tom auf jeden Fall verhindert, dass darüber in den Zeitungen geschrieben wurde.

Und inzwischen war sie deutlich mehr als süß – Alex hatte ihre hübschen Proportionen unter dem Kostüm bewundern können, ehe ihr bewusst geworden war, worum es bei dem Treffen ging. Im selben Moment war ihr Gesicht zu Eis erstarrt. Aber ihre hübschen Kurven und die faszinierende Mixtur aus harten Kanten und sanften Rundungen, die ihr Gesicht aufwies, müsste er in Zukunft möglichst ignorieren.

Weil er Maggie nicht in seinem Bett, sondern an seiner Seite brauchte. Er musste sie auf irgendeine Art dazu bewegen, ihm bei dem Versuch, die Saints zu retten, aktiv beizustehen. Denn abgesehen von ihrem Vater kannte niemand dieses Team so gut wie sie. Und vor allem war sie das Maskottchen des Vereins, mehr noch als dieser blau-weiß-gelbe Engel, der am Rand des Spielfelds auf und ab hüpfte, wenn dem Team ein guter Run gelang.

Allerdings hatte er seit dem letzten Abend keine Ahnung, wie er sie ins Boot bekommen sollte. Und wenn ihm das nicht gelänge, müsste er sie feuern, und dann kämen Mal und Lucas aus dem Lachen nicht mehr raus. Denn Lucas hatte gleich gesagt, er hielte es für besser, Maggie schon im Vorfeld über den geplanten Deal zu informieren, aber Alex hatte die Verhandlungen nicht unnötig verkomplizieren wollen und vor allem Angst gehabt, dass die Schuldgefühle gegenüber seiner Tochter Tom womöglich daran hindern würden, einen Schritt zu tun, der für die Rettung seiner Mannschaft unerlässlich war.

Gefühlswirrwarr war tödlich fürs Geschäft. Mit Emotionen wurde nie etwas erreicht. Er war kein Monster und versuchte, stets dafür zu sorgen, dass es seinen Leuten gut ging, aber manchmal musste man eben auch hart sein.

Was ihm für gewöhnlich mühelos gelang.

Weshalb also rührte Maggie Jameson an sein Gewissen wie der schlecht gelaunte Grashüpfer Jiminy Grille bei Pinocchio?

Vielleicht hatte ihn der Druck, unter dem er bis zum Abschluss dieses Deals gestanden hatte, einfach nur erschöpft. Doch wie hatte ein alter Boss von ihm immer gesagt? »Wenn man das Geschäftemachen leid ist, ist man des gesamten Lebens leid.«

Aber er war nicht bereit, die Flinte jetzt ins Korn zu werfen. Weil er eine Baseballmannschaft retten musste und dabei so vorgehen würde, wie es ihm geraten schien. Selbst wenn er den Rest der Welt gewaltsam zwingen musste, ihm bei dieser Arbeit beizustehen.

Er verdrängte die Erinnerung an Maggie Jameson mit ihren bernsteinbraunen Augen und dem langen, dichten Vorhang dunklen Haars, rief seine E-Mails auf und machte sich ans Werk.