Wostok und Mirny vor der Küste der antarktischen Halbinsel
(Gemälde von M. M. Semenov)

Die POLARBIBLIOTHEK wird

herausgegeben von Klaus Isele

Alle Rechte vorbehalten © 2019

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7494-5982-7

Vorbemerkung

Als im Vorstande des Vereins für Erdkunde zu Dresden der Wunsch auftauchte, eine deutsche Ausgabe zu veranstalten von Bellingshausens großem, bislang nur in russischer Sprache vorliegenden Werke, in dem er seine zweimalige Fahrt im Südlichen Eismeer beschreibt (St. Petersburg 1831, 2 vol. 4°), habe ich mich mit großer Freude der Aufgabe unterzogen, eine solche Verdeutschung zu übernehmen; und mit Hilfe eines Stenographen, dem ich nach dem Original den deutschen Text diktierte, war die Arbeit denn auch in der verhältnismäßig kurzen Zeit eines halben Jahres zum Ziele gefördert.

War so der Anfang leicht gewesen, nun entstanden beträchtliche Schwierigkeiten. Meine Arbeit, welche Bellingshausen voll und getreu zu Worte kommen ließ, hätte mehr als 40 Bogen 8° umfaßt. An die Publikation eines so umfangreichen Werkes war aus mannigfachen Gründen nicht zu denken. Es entstand also die Aufgabe, zu kürzen: eine Aufgabe voll schwerer peinlichster Verantwortlichkeit, und das Gefühl dieser Verantwortlichkeit hat mich bis zuletzt um so schwerer bedrücken müssen, als in dem Maße, in dem ich mit dem Buche umging, meine Schätzung des Verfassers immer höher und höher stieg.

So war denn Prüfung auf Prüfung und Erwägung auf Erwägung zu häufen, um ein Buch zustande zu bringen, das wenigstens annähernd dem entsprechen möchte, was Bellingshausen selbst geschaffen hatte.

Das hat vor allem sehr viel Zeit gekostet. Was wir jetzt dem wissenschaftlichen Publikum vorlegen, ist die vierte Redaktion – zugleich Reduktion – der ersten Bearbeitung, und in dieser Zeit hat viel Geduld geübt werden müssen, nicht nur vom Herausgeber, sondern auch von den anderen Beteiligten und allen denen, die sich für Bellingshausens Werk interessieren. Vor allem aber vom Verlage, der dem Hin und Her meiner Wünsche, die bald auf Beschleunigung, bald auf energisches Bremsen hinausliefen, in der denkbar liberalsten Weise entgegengekommen ist. Deshalb soll nicht verfehlt werden, hier noch ganz ausdrücklich dem Chef des Verlages, dem mir auch sonst durch gemeinsame Arbeit freundlich verbundenen Herrn Georg Hirzel, meinen wärmsten Dank auszusprechen für seine verständnisvoll geduldige Förderung meiner Arbeit.

Darüber, ob das Ergebnis dieser Arbeit der auf sie verwandten Zeit und Mühe wenigstens einigermaßen entspricht, erwarte ich das Urteil meiner russischen Freunde und Kollegen. Bei der unverzeihlich geringen Kenntnis der russischen Sprache im Westen kann ja leider von diesem her auf eine den Modus der Bearbeitung betreffende Kritik kaum gehofft werden.

Bei der Formulierung des Textes hatte nun das rein objektive Moment ganz ausschließlich in den Vordergrund zu treten. Es sind deshalb die deskriptiven Elemente von Bellingshausens Darstellung – die eigentliche Forschungsfahrt – in absolutem Anschluß an den Autor wiedergegeben worden. Das gleiche gilt natürlich von den physisch-geographischen Ergebnissen. Seine zahlreichen Ortsbestimmungen sind bis zur Rückkehr nach Rio de Janeiro alle mitgeteilt, so daß der Leser den Weg der Schiffer in den Einzelheiten verfolgen kann. Ebenso ist verfahren mit den Messungen der magnetischen Deklination, mit den Beobachtungen meteorologischer und physikalischer Art.

Die Kürzungen betreffen ausschließlich diejenigen Partien des Werkes, in denen das subjektive Moment im Vordergrunde steht: Die Schilderungen des zweiten Aufenthaltes in Sidney, desjenigen auf Tahiti, auf Ono, des Zusammentreffens mit den Bewohnern der Südseeinseln, des Aufenthaltes in Rio und Lissabon auf der Heimkehr sind so kurz als möglich erwähnt worden. Es konnte dies freilich um so mehr geschehen, als die kurze Bearbeitung Lowes in Ermans Archiv (1842, II) diese Seite der Sache ausreichend zur Geltung kommen läßt.

Man wird sich nicht verhehlen dürfen, daß die deutsche Bearbeitung so etwas vom Persönlichen des Originals eingebüßt hat und daß sie namentlich nicht in den Reigen der populären, auch Unterhaltungszwecken dienenden geographischen Literatur eintreten kann.

Der sachlichen Ergebnisse sind in Bellingshausens Bericht aber so viele und wertvolle, daß wohl auch nicht gezweifelt zu werden braucht, daß man in wissenschaftlichen Kreisen das Vorgehen des Vereins für Erdkunde zu Dresden mit dieser kurzen Bearbeitung überall billigen wird.

Dresden, Januar 1902

Prof. Dr. H. Gravelius

Inhalt

Erstes Kapitel

Bestimmung zweier Flotten-Detachements zu Forschungsfahrten. Ausrüstung der Schiffe Wostok und Mirnyj. Fahrt von Kronstadt nach England

Zweites Kapitel

Fahrt von England nach der Insel Tenerife und von da nach Rio de Janeiro. Ankunft in Rio de Janeiro

Drittes Kapitel

Ausreise von Rio de Janeiro. Fahrt nach Süden nach der Georgsinsel (Südgeorgien). Entdeckung der Traversey-Inseln. Fahrt nach der Ostküste der südlichen Sandwichinseln. Fahrt im Südlichen Eismeer. Ankunft in Port Jackson. Fahrt der Mirnyj in Trennung vom Wostok und Rückkehr nach Port Jackson

Viertes Kapitel

Fahrt von Port Jackson nach Neu-Seeland. Passage der Königin Charlotte-Straße. Fahrt auf dem Ocean. Entdeckung der Russeninseln. Ankunft auf Otahiti

Fünftes Kapitel

Aufenthalt auf Otahiti. Rückfahrt nach Port Jackson. Entdeckung der Inseln Wostok, Großfürst Alexander Nikolajewitsch, Ono, Michailow, Simanow. Neuer Aufenthalt in Port Jackson

Sechstes Kapitel

Fahrt von Port Jackson nach der Macquarie-Insel. Im Eismeer. Entdeckung der Insel Peter I. Alexander L.-Land. Fahrt zur Südseite von Neu-Shetland. Entdeckung der Inseln Drei Brüder, Mordwinow, Schischkow, Roshnow u. a. Fahrt nach Rio de Janeiro. Heimkehr

Erstes Kapitel

Bestimmung zweier Flotten-Detachements zu Forschungsfahrten. Ausrüstung der Schiffe Wostok und Mirnyj. Fahrt von Kronstadt nach England

Am 25. März 1819 benachrichtigte der Marineminister Admiral Marquis de Traversey den Leutnant Lasarew, daß Se. Maj. der Kaiser geruht habe, die Ausrüstung zweier Expeditionen anzubefehlen, welche wissenschaftliche Forschungsreisen vornehmen sollten; und zwar war die eine nach dem südlichen, die andere nach dem nördlichen Polarmeer bestimmt. Die erst genannte sollte diejenigen Teile des südlichen Oceans untersuchen, in denen bis dahin noch niemand gewesen war oder aber in denjenigen Teilen Forschungen vornehmen, welche zwar schon einmal bekannt geworden, im übrigen aber eine Menge von Inseln enthielten, welche früher von Seefahrern noch nicht gesehen worden waren. Diese Expedition wurde dem ersten Detachement übertragen. Die andere sollte die Behringstraße durchfahren, durch dieselbe nach der nördlichen Küste von Nordamerika vordringen, längs derselben fahrend den Atlantischen Ocean zu erreichen suchen und über diesen nach Rußland zurückkehren. Diese Expedition wurde dem zweiten Detachement übertragen. Der Nord-Expedition wurde die Corvette Otkrytie und das Transportschiff Blagonamerennyj unter dem Kommando des Kapitänleutnant Wassiljew und des Leutnant Schumarew zugeteilt. Das erste Detachement bestand aus der Korvette Wostok und einem Transportschiffe. Zum Kommandeur beider Schiffe wurde in St. Petersburg der bekannte Kommodore Kaschmanow bestimmt, welcher indessen, da er am Kap Skagen Schiffbruch erlitten hatte, sich noch in Kopenhagen befand und den Sommer abwartete, um sich nach Rußland zu begeben. Die erschütterte Gesundheit erlaubte ihm jedoch nachher nicht, eine so mühe- und verantwortungsvolle Stelle zu übernehmen. Herr Raschmanow, mit dem ich auf der Sloop Kadeschda unter dem Kommando des Kapitän Krusenstern seinerzeit an dessen Weltumseglung teilgenommen hatte, empfahl daher dem Minister, daß ich an seiner Stelle mit dem Kommando des Detachements betraut werde. Infolgedessen erhielt ich am 24. April 1819 in Sebastopol, wo ich in besonderem Kommando die Fregatte Flora führte, den Befehl, mich nach St. Petersburg zu begeben, um dort eine Allerhöchste Weisung entgegenzunehmen. Am 23. Mai wurde ich dann durch kaiserlichen Erlaß mit dem Kommando der beiden Schiffe Wostok und Mirnyj betraut, denen, wie schon erwähnt, die Ausführung der Süd-Expedition zufiel. Ich begab mich dann sofort nach Kronstadt zur Übernahme der Schiffe, welche schon nahezu vollkommen in Bereitschaft standen.

Ausrüstung der Schiffe

Zur vorläufigen Führung der Korvette Wostok und zu deren Ausrüstung war von dem Oberkommandeur des Kronstädter Hafens Viceadmiral Möller der Leutnant Ignatiew kommandiert worden. Die Korvette Wostok, deren Länge 129 Fuß 10 Zoll, deren Breite 32 Fuß 8 Zoll und deren Tiefe 9 Fuß 7 Zoll betrug, war in St. Petersburg auf der Ochtenskijschen Werft von dem Schiffsbaumeister Stoke erbaut worden, und zwar im Jahre 1818. Sie war konstruiert aus unbehauenem Kiefernholz und führte nur die üblichen Dichtungen. Die Unterwasserteile wurden dann noch besonders von außen durch Kupferplatten geschützt, welche Maßnahme in Kronstadt der Schiffsbaumeister Amossow, unter dessen Leitung auch die Inbetriebstellung des Schiffes erfolgte, veranlaßte.

Als ich nun bei meiner Ankunft in Kronstadt das Schiff erblickte, so fiel mir sofort die ungewöhnlich große Belastung desselben durch das Mastwerk auf, und da es nun nicht meine Aufgabe war, bei leichtem bequemen Sommerwetter und in ruhiger stiller See allein unter der Herrschaft der Passatwinde zu fahren, ich auch überhaupt nicht auf gutes Klima rechnen durfte und ebensowenig auf die Nähe von Häfen hoffen konnte, so entschloß ich mich zu einer Verringerung dieses Mastwerkes und auch zur Ausführung einiger anderer Änderungen, die den besonderen Zwecken möglichst entsprechend waren und auf welche ich auf Grund der späteren Erfahrungen auch mit Genugtuung zurücksehen darf.

Der Leutnant Lasarew, welcher vier Jahre als Volontär in der britischen Kriegsflotte gedient hatte und dann in die unsere übergetreten war, wo er als Kommandeur des Schiffes Suworow der russisch-amerikanischen Kompanie das Glück gehabt hatte, eine volle Weltumseglung in den Jahren 1813 bis 1816 vorzunehmen, wurde zum Führer des Transportschiffes Ladoga bestimmt, welches dann auf den Namen Mirnyj umgetauft wurde. Ungeachtet dieser Umtaufe mußte jedoch jeder Seeoffizier auf den ersten Blick die Ungleichartigkeit in dem Gang dieses Schiffes mit demjenigen des Wostok erkennen. Die Folge davon war dann auch ein häufigeres Zurückbleiben des ersteren, und ich mußte später in Verbindung mit diesen Verhältnissen die Fahrt wesentlich verlangsamen.

Der Mirnyj war ein Schiff von 530 Tonnen, seine Länge betrug 120 Fuß, die Breite 30, die Tiefe 15. Er war von dem Schiffsbaumeister Kollotkin erbaut, ebenfalls aus unbehauenem Kiefernholz mit eisernen Dichtungen. Seine Bestimmung war eigentlich die Fahrt in der Ostsee. Um das Schiff für die Fahrt im südlichen Eismeer widerstandsfähig zu machen, befahl das kaiserliche Admiralitäts-Kollegium noch eine Verstärkung der Wandungen desselben. Herrliches Wetter begünstigte die Ausführung dieser Arbeiten in dem Grade, daß sie in nur zwölf Tagen vollendet waren, wobei die Flöße, auf denen die Zimmerleute und die Kalfaterer arbeiteten, ohne Unterlaß von zahlreichen Marineoffizieren oder Zuschauern erfüllt waren. Diese nahmen großen Anteil an den Vorbereitungen der Expedition und beglückwünschten uns und den genannten Schiffsbaumeister bei jedem Nagel, der eingeschlagen wurde.

Nach Fertigstellung dieser Arbeiten benachrichtigte der Minister uns, daß Se. Maj. der Kaiser geruht habe, die Ladoga in Mirnyj umzutaufen.

Der Leutnant Lasarew änderte mit Genehmigung des Ministers ebenfalls am Mastwerk seines Schiffes, ebenso wie er auch das Innere der einzelnen Teile nach seinen Wünschen umgestaltete. Seine Geschütz-Bestückung bestand aus 14 Dreipfündern und 6 kleinen Geschützen, die Boote auf beiden Schiffen waren nach einem von Lasarew ausgearbeiteten Plan konstruiert.

Die Auswahl der Offiziere und Mannschaft

Als die Ausrüstung der Schiffe nahezu vollendet war, gingen wir an die Auswahl der Offiziere und der Mannschaft. Ungeachtet aller Mühseligkeiten und Gefahren, welche bei einer derartigen Fahrt zu erwarten waren, war die Zahl der Bewerber aus Offizierskreisen so groß, daß die Wahl uns nicht geringe Mühe verursachte. Und so konnten wir denn manch liebem Kameraden seinen Wunsch leider nicht erfüllen.

Auf dem Wostok schifften sich nun die folgenden Offiziere und Mannschaften ein: der Kapitän zweiten Ranges Thaddäus Bellingshausen, der Kapitänleutnant Iwan Sawodowskij, die Leutnants Ignatiew, Konstantin Tarsson, Arkadius Ljässkow, Midshipman Dmitri Demidow, als Astronom Iwan Simanow, als Maler Paul Michailow, der Stabsarzt Jakob Berg, der Steuermann Jakob Porjadin, der Sekretär mit Offiziersrang Iwan Besanow, der Gardemarinier Roman Adams, 2 Steuerleute mit Unteroffiziersrang, 1 Schiffergehilfe mit Unteroffiziersrang, 4 Quartiermeister, 1 Pfeifer, 1 Trommler, 71 Matrosen, 1 Feldscher, 1 Zimmergehilfe zweiter Klasse, 1 Schmied, 1 Zimmermann zweiter Klasse, 1 Kalfaterer, 1 Segelmacher, 1 Böttcher, 2 Artillerie-Unteroffiziere, 1 Bombardier, 11 Kanoniere, 4 Burschen und Diener; zusammen 117 Mann.

Auf der Schaluppe Mirnyj schifften sich ein: die Leutnants Michael Lasarew, Nikolai Obernibessow, Michael Annenkow, die Midshipmen Iwan Kuprianow, Paul Nowosilskoj, der Steuermann mit Offiziersrang Nikolai Iljin und der Chirurg Nikolai Galkin, 1 Steuermann mit Unteroffiziersrang, 1 Schiffergehilfe, 1 Bootsmann, 2 Quartiermeister, 44 Matrosen, 1 Trommler, 1 Schuster, 1 Feldscher, 2 Zimmerleute, 1 Schlosser, 1 Kalfaterer, 1 Segelmacher, 1 Böttcher, 1 Marine-Unteroffizier und 6 Kanoniere; zusammen 72 Mann.

Die Verproviantierung

Proviant und andere Bedarfsgegenstände für die Expedition wurden in St. Petersburg unter Aufsicht des Generalmajors Minitzkij und später, in dessen Abwesenheit, auf Befehl des kaiserlichen Admiralitäts-Kollegiums in dessen Vertretung von dem Kapitänleutnant Bogdanowitsch besorgt, für dessen Eifer, Umsicht und Rechtschaffenheit wir ihm vielfach verpflichtet sind. Um so mehr will ich auf diesen letzten Punkt eingehen, als von der Tüchtigkeit gerade dieses Beamten der Erfolg der Expedition in hohem Maße abhing. Wäre der Proviant schlecht ausgewählt und besorgt worden, so hätten wir ohne Zweifel mit Skorbut-Ausbrüchen zu kämpfen gehabt.

Pökelfleisch wurde geliefert von den Kaufleuten Peter Iwanon Schpanskij in St. Petersburg, Peter Petschatkin in Narwa und von dem Petersburger Bürger Akinf Oblonkow, welch letzterer uns schon bekannt war von der ersten russischen Weltumsegelung unter dem Kommando des Kapitän Krusenstern. Derselbe lieferte damals ein Fleisch, welches nach Verlauf von drei Jahren und nachdem es die verschiedensten Klimate passiert hatte, noch unverdorben war. Das gesamte Fleisch wurde in guten eichenen Fässern geliefert, etwa 6 Pud von jedem.

Der Bäckermeister Herrat lieferte uns ausgezeichnete Zwiebäcke aus Weizen- und Roggenmehl; obgleich ein sehr kleiner Teil derselben ein wenig verdarb, so lag die Ursache hierzu nicht in der unzureichenden Beschaffenheit der Lieferung, sondern in den Feuchtigkeitsverhältnissen der Schiffe.

Das Sauerkraut, welches wir noch ein wenig nachsalzen ließen wegen der leichteren Haltbarkeit, wurde in dichte kleinere Fässer verpackt, was sich als hinreichend erwies. dasselbe verdarb uns dann auch während der ganzen Reise nicht im geringsten.

Die uns gelieferte feste Bouillon war der Gefahr ausgesetzt, zum Teil einzutrocknen, und deshalb nahm ich auch nur etwa den achten Teil der ursprünglich geforderten Menge mit, nämlich 2 ½ Pud für jedes Schiff. Mir scheint es, sofern derartig konservierte Bouillon sich halten soll, daß es gut ist, wenn sie in gefrorenem Zustande in gute Blechbüchsen, die man verlötet, eingebracht wird. Dann kann man darauf rechnen, daß solche Bouillon, da sie in keine Berührung mit der äußeren Luft kommt, sich unbedingt oder wenigstens sehr lange hält.

Die Ausrüstung der Mannschaft
mit Kleidern und Schuhwerk

Da saubere Kleider und reine Wäsche, indem sie eine anregende Wirkung auf den Körper ausüben, auch mittelbar auf die Gemütsverfassung der Leute wirken und so gewissermaßen geeignet sind, dieselben vor schlechtem Verhalten zu bewahren, so hatte ich mich entschlossen, folgende Gegenstände als unbedingt notwendig mitzunehmen und zwar für jeden Mann:

4 Matrosen-Monturen und Tuchjacken,

2 Tuchhosen,

6 Sommerhosen aus flamländischem Leinen,

4 Arbeitsjacken aus grobem Leinen,

4 Arbeitshosen aus grobem Leinen,

1 Mantel aus grauem Tuch,

1 warme gefütterte Ledermütze,

1 breitrandigen runden Hut,

2 Paar warme tuchgefütterte Stiefel,

4 Paar Schuhe,

1 Bettdecke,

1 Bett,

1 Kissen,

4 Leintücher,

8 Paar wollene Strümpfe,

11 leinene Hemden,

7 Flanellhemden

Besondere Remuneration und Besoldung

Damit jeder in jeder Weise gesichert und zufriedengestellt sei und bei der übernommenen Arbeit in hinreichender Weise remuneriert werde, so wurde zunächst angeordnet, daß die Löhnungen verachtfacht würden gegenüber den üblichen, und für die Offiziere und Gelehrten wurde außer der Löhnung noch eine besondere Remuneration festgestellt, und außerdem geruhte Se. Maj. der Kaiser noch zu befehlen, daß mir für unsere Benutzung während der Reise eine Summe von fünftausend Rubel übergeben würde, und ich erhielt nach meiner Ankunft vom schwarzen Meer außer den üblichen Postgeldern noch tausend Rubel. Der Leutnant Lasarew erhielt dreitausend Rubel, und an sämtliche Offiziere und Mannschaften wurde ein Jahressold extra ausgezahlt. Wir empfanden in vollem Maße die allerhöchste Gnade und Ehrung, durch welche Se. Majestät geruhte, uns auszuzeichnen, um uns in der übernommenen schweren und mühevollen Aufgabe zu ermuntern.

Die Auswahl unseres wissenschaftlichen Stabes

Se. Majestät hatte zur vollen Nutzbarmachung der Expedition eine Beschreibung der gefundenen Länder und des Zusammentreffens der wilden Völker mit den Europäern und umgekehrt ins Auge gefaßt, und um gleichzeitig den Interessen der Naturwissenschaft zu dienen, so hatte auf allerhöchsten Befehl der Minister der Volksaufklärung auch noch verschiedene Gelehrte ausgewählt, und zwar waren die Naturforscher berufen worden: Mertens in Halle und Dr. Kuntze in Leipzig, denen die Weisung zugegangen war, in Kopenhagen am 12. Juli einzutreffen. Mit der Dienstleistung als Astronom wurde der außerordentliche Professor Simanow, ein ehemaliger Hörer der Universität Kasan, betraut. Mit dem zeichnerischen Teil das Mitglied der kaiserlichen Akademie der Künste, der Maler Paul Michailow.

Für die Wilden bestimmte Geschenke

Für den Fall der Auffindung neuer Inseln und anderer noch unbekannter Gegenden sowie für unseren Aufenthalt in verschiedenen Orten wurde angeordnet, daß Medaillen geprägt und mitgenommen wurden, welche zur Verteilung bestimmt waren, und zwar für hervorragende Persönlichkeiten solche aus Silber, für andere Leute solche aus Bronze. Diese Medaillen waren ganz besonders geprägt worden in der Petersburger Münze. Auf der einen Seite derselben war Se. Maj. der Kaiser Alexander I. dargestellt, während die andere die Aufschrift enthielt: die Korvetten Wostok und Mirnyj im Jahre 1819. Das ist also zu der Zeit, zu der wir für den vorliegenden Zweck in Dienst traten.

Damit wir die freundliche Gesinnung der Wilden erlangen und sie zum Verkehr mit uns zu veranlassen vermöchten, um so die Möglichkeit zu gewinnen, von ihnen auf dem Wege des Tauschhandels sowohl frische Lebensmittel als auch verschiedene Hilfsleistungen zu erlangen, so wurde uns von St. Petersburg aus eine Reihe verschiedenster Dinge gesendet, die sehr geeignet erschienen, Völker zu erfreuen und in Erstaunen zu versetzen, welche bis dahin noch in ursprünglichen Verhältnissen zu leben gewohnt waren. Zu dem Zweck waren uns die in folgender Zusammenstellung angeführten Gegenstände übergeben worden:

400 verschiedene Messer,

100 Schustermesser,

20 Gartenmesser,

2 von je ⅜ Arschin Länge,

10 einhändige Sägen,

10 Schrotsägen,

15 Tischlerhobel,

10 große und kleine Zangen, 30 Meißel,

10 Schraubstöcke,

125 kleine Bohrer,

100 Feilen und Handsägen,

50 große Feilen,

100 Beile,

50 Zimmermannsäxte,

50 Vorbohrer,

50 verschiedene Scheren,

300 Feuerstähle,

185 Schellen, Trommeln und Pfeifen,

500 Arschin rote und blaue Leinwand,

12 Dutzend Knöpfe alter Mode,

100 gedruckte Hals- und Taschentücher,

60 Arschin Fransen verschiedener Farbe,

100 Arschin gestreiften Zwillich,

250 Arschin Kalmank,

10 Pfund Birkenschwamm (Zunder),

10 Pfund farbigen Zwirn, 1000 Feuersteine,

10 Husarenattilas,

120 Trinkbecher,

12 Wasserflaschen,

100 Pfund Kupferdraht,

80 ” Eisendraht,

1 große Trommel,

2 Pauken,

5 Jagdhörner,

24 Laternen,

250 Hornkämme,

50 Holzkämme, 100 Leuchter,

10 Pud Blei,

250 Fingerringe,

125 Paar Ohrringe, 20 Kisten Perlen,

5 ” Granatsteine,

20 ” Glaskorallen,

40 große gelochte Perlen,

80 Pfund Baumwollendocht, 1000

Wachskerzen,

12 Pud Garn zum Netzstricken,

27 ½ Pud verschiedenes gußeisernes Geschirr,

1000 verschiedene Spiegel,

100 Pfund Gemüse- und Blumensamen,

24 Kaleidoskope,

18 Brenngläser,

6 große eiserne Angelhaken,

1800 Angelhaken aus dickem und dünnem Draht

218 Arschin roten Fries,

62 Arschien blauen und grünen Flanell,

70 Friesdecken,

20 Pud und 23 Pfund geschnittenen Tabak

Die Korvetten waren im Juni gut in Bereitschaft bis auf einige Tischler- und Glaserarbeiten. Wir verholten daher auf Befehl des Marineministers nach der kleinen Kronstädter Reede, wo wir gegenüber den mittleren Toren bei 5 ¾ Faden ankerten. Zusammen mit uns gingen auch die Korvetten Otkrytie und Blagonamerennyj, die für die nördlichen Forschungsfahrten bestimmt waren, nach der kleinen Reede.

Der Marineminister, der sich sehr für die Beschleunigung unserer Bereitschaftstellung interessierte, besuchte am 23. Juni mit dem Oberkommandeur des Kronstädter Hafens die Korvetten, wo er dann die verschiedensten Arbeiten zur Vorbereitung des Aussegelns im Gange fand.

Am 24. Juni hatten wir die hohe Ehre, in Kronstadt Se. Maj. den Kaiser zu sehen, welcher gekommen war, um diejenigen Fahrzeuge zu sehen, welche nach allerhöchster Bestimmung berufen waren, die russische Flagge in den entlegensten Teilen des Südens und Nordens zu entfalten. Seine Majestät geruhte mit seinem Besuch die Korvetten Wostok und Otkrytie zu beehren und sprach uns dort seine besten Wünsche für unsere Fahrten aus. Dann verließ Seine Majestät Kronstadt, um über Oranienbaum nach Peterhof zu fahren.

An diesem Tage hatten also die Arbeiten der Schiffsbaumeister ruhen müssen; sie wurden am nächsten mit erneuter Kraft aufgenommen, damit wir bald zum Lichten der Anker kämen.

Am 25. Juni wurden dann der Kommandeur der 2. Abteilung M. N. Wassiljew und ich nach Peterhof eingeladen und dort Seiner Majestät nochmals vorgestellt. Bei dieser Gelegenheit drückte uns Seine Majestät den Wunsch aus, daß wir bei unserem Aufenthalt sowohl bei höher kultivierten als auch wilden Völkern uns der größten Freundlichkeit und des weitesten Entgegenkommens befleißigen sollten. Insbesondere sollten wir, so viel als möglich sei, in freundlicher und herzlicher Weise mit den wilden Völkern in Verbindung treten und ohne äußerste Nötigung in keinem Fall von Feuerwaffen Gebrauch machen. Darauf wurden wir auch noch der kaiserlichen Familie vorgestellt und hatten die Ehre, zur allerhöchsten Tafel zugezogen zu werden. Nach dem Diner kehrten wir zu unseren Korvetten zurück, die uns bewiesene allerhöchste Gnade unvergeßlich in unseren Herzen bewahrend.

Der Fürst Lobanow Rostowskij, welcher in seiner eigenen Jacht von St. Petersburg nach Kronstadt gekommen war, erfreute mich, indem er mir die Schiffahrtskunde von Buden und dessen Atlas als Geschenk überreichte. Dieses Geschenk war mir in der ganzen folgenden Zeit von größtem Nutzen und bereitete mir eine um so größere Freude, als es mir zum Beweis des herzlichen Wunsches für einen guten Erfolg der von uns übernommenen Aufgabe diente.

Am 26. Juni begab ich mich auf Befehl des kaiserlichen Admiralitäts-Kollegiums nach St. Petersburg, um dort noch Geld, Kreditbriefe, Löhnung und andere Erfordernisse für die Reise in Empfang zu nehmen. Während meiner Abwesenheit bemühte sich auf meine Anordnung der Kapitänleutnant Sawodowskij sehr erfolgreich, unsere Arbeiten so viel als möglich zum Abschluß zu bringen. Er nahm insbesondere das Pulver, Geschütz und verschiedenes Feuerwerk über, welches wir für die Wilden bestimmten, um ihnen eine richtige Vorstellung von dem Können der europäischen Pyrotechniker zu geben und auch dazu, um zum Ausdruck der Dankbarkeit für genossene Gastfreundschaft zu dienen. Mit einem Wort: Alles, was zur Erlangung der Zuneigung und Freundschaft wilder Völker geeignet war, wurde auf den Schiffen in bequemer und sachgemäßer Weise mitgenommen.

Am 3. Juli kehrte ich nach Beendigung meiner Aufträge aus St. Petersburg zurück und konnte dann meinen hohen Vorgesetzten melden, daß alle Befehle vollzogen und die Korvetten völlig segelbereit wären. Sofort erschien der Marinemister, welcher den Wunsch hatte, uns noch eine Strecke mit seiner Jacht zu begleiten.

Am 4. Juli lichteten wir nun definitiv die Anker. Um 6 Uhr nachmittags, bei leichtem Wind aus Ost-Nordost, fuhren wir an den Bastionen des mittleren und des Handelshafens vorüber, wo wir den Oberkommandeur des Kronstädter Hafens und den Militär-Gouverneur, Vizeadmiral Möller, Contreadmiral Korrobka und eine vielköpfige Menge erblickten, welche uns noch ihre letzten guten Wünsche für eine glückliche Fahrt zurufen wollten. Tausendstimmig riefen uns diese Zuschauer ihr Hurrah! zu und winkten mit den Tüchern. Wir erwiderten ihre Grüße mit einem fünffachen Hurrah, indem wir im tiefsten Herzen dankbar für diese Sympathiekundgebungen waren, und dann spannten wir unter den Salutschüssen der Festung unsere Segel auf. Die Korvette Mirnyj lichtete dann auch ihre Anker und folgte der Korvette Wostok. Nur eine kurze Weile noch und das Dunkel der Nacht sank auf den Ort herab, der uns an diesem Tage durch die empfangene Freundschaft noch einmal so wunderbar erschienen war.

Das zweite Detachement, die Korvetten Otkrytie und Blagonamerennyj, lichteten später ihre Anker und folgten uns.

Am 5. Juli war günstiger Wind und der Himmel klar. Wir benutzten diese gute Zeit, um unseren Proviant und die oben erwähnten Tauschwaren gut im Schiff zu verstauen. Wir fuhren so schnell, daß wir um 8 Uhr morgens bereits den Leuchtturm von Hochland in einer Entfernung von einer Meile vom Ufer passierten. Um 7 Uhr abends fuhren wir dann schon am Korschasskijschen Leuchtturm vorbei. Um 9 Uhr trafen wir mit der unter Befehl des Vizeadmiral Krön zusammengestellten Escadre zusammen, welches in dieser Gegend Übungen vornahm und aus sechs Linienschiffen, zwei Fregatten und einer Brigg bestand. Wenn hier von den Leuchttürmen die Rede ist, so möchte ich nicht verhehlen, daß die Einrichtung der heutigen Leuchttürme im finnischen Meerbusen und die sorgfältige Beobachtung auf denselben – ein Werk des Direktors des Leuchtturmwesens Generalmajor Spafariew –, die Schiffahrt im finnischen Meerbusen derart erleichtert, daß bei klarem Wetter diese Leuchttürme mit vollständiger Genauigkeit, indem sie als Ansegelungspunkte dienen, den Kurs bestimmen lassen, während sie bei Nacht und umsichtigem Wetter wahre Wegweiser sind, so daß man dort ohne jede Sorge fahren kann.

Am Mittag des 6. Juli waren wir nach der Bestecksrechnung in der Nordbreite von 59 Grad 8 Minuten. Indem wir den Leuchtturm von Dagerort im Süden ließen, machten wir bei günstigem Wind 6 ½– 7 Meilen. Um ½ 5 Uhr erblickten wir den Leuchtturm in einer Entfernung von 24 Meilen.

Am Abend flaute der Wind ab, und es wurde bald ganz windstill. Zu dieser Zeit waren wir in Sicht von Osthangholm und hielten während der nächsten drei Tage einen Kurs ein, bei dem wir den schwachen Wind am besten ausnutzen konnten.

Die Korvetten Otkrytie und Blagonamerennyj waren noch in Sicht.

Die Korvette Mirnyj konnte uns nicht ganz leicht folgen; ich gab daher Befehl, dort mehr Segel beizusetzen und gut Ausguck zu halten. Am Morgen des 10. Juli war das Wetter ausgezeichnet, wir gingen nahe an dem dänischen Fort Christiansort vorüber. Ich ließ mit sieben Schuß salutieren, was die Festung sofort mit der gleichen Anzahl erwiderte. Ungefähr am Mittag passierten wir die Nordspitze der Insel Bornholm in geringer Entfernung. Wir hatten die Insel nur als Ansteuerungspunkt benutzt und gingen, da die Korvette sehr schnell fuhr, ohne weiteren Aufenthalt an ihr vorüber.

Bei frischem, kaltem Wind machten wir sieben Knoten und passierten um 8 Uhr Falsterbo. Gleichzeitig hielten wir nach Norden, um in den Sund einzulaufen. Um 11 Uhr flaute der Wind wieder ab, ich befahl, das Signal zu gehen, der Sicherheit wegen vor Anker zu gehen. Die Tiefe betrug neun Faden, der Grund bestand aus Schlamm und Sand. Die Korvette Mirnyj ging in der Nähe der Wostok vor Anker.

Um 6 Uhr morgens, am folgenden Tage, lichteten wir die Anker wieder und versuchten, die erste Bake anzusteuern. Der Wind war zu dieser Zeit schwach, aber von guter Richtung. Ich ließ durch Flagge und einen Kanonenschuß das Signal geben, daß ich Lotsen verlange; indessen erschien keiner, so daß ich mich entschließen mußte, auf gut Glück weiter zu fahren.

Es ist möglich, daß die Barke durch den Seegang von ihrem Ort entfernt worden war, aber noch wahrscheinlicher ist es, daß die Lotsen sie aus Eigennutz nicht in der gehörigen Weise befestigt hatten, um gelegentlich ein Schiff auszubeuten oder um scheinbar zu Hilfe zu kommen und so Geld zu machen. Ich verzichtete daher, als sie nachträglich erschienen, auf ihre Hilfe, um so mehr, als ich mit Erfolg weitergefahren war, sagte ihnen jedoch, daß ich bei ihrer vorgesetzten Behörde Beschwerde einlegen werde. Inzwischen war auch noch ein anderer Lotse an Bord gekommen, den ich dann aufnahm. Am 12. und 13. Juli lagen wir bei sehr schlechtem Wetter und widrigen Winden vor Anker. Am 14. Juli morgens gingen wir Anker auf und fuhren bei mäßigem Strom und schwachem Wind. Um 5 Uhr nachmittags gelangten wir, nachdem wir die Bake am Nordende des Mittelgrundes passiert hatten, auf die kleine Reede, wobei wir die Festung (Kopenhagen) mit sieben Schuß salutierten, was in gleicher Weise erwidert wurde. Die Korvetten Otkrytie und Blagonamorennyj lagen noch vor Anker, da ihre Lotsen noch bequemer waren als die unseren. Wir warfen zunächst Anker in der Nähe der Festung.

Als ich am anderen Morgen erfuhr, daß unser bevollmächtigter Minister und allerhöchster Gesandter, der Baron Nikolaij, in seinem Hause anwesend sei, begab ich mich mit Lasarew zu ihm, zunächst um etwas über unsere Naturforscher Mertens und Kuntze zu erfahren, und dann auch, um seine Unterstützung in Anspruch zu nehmen, möglichst schnell und billig einige Vorräte an Rum, Wein und Essig einzukaufen. Die liebenswürdige Aufnahme, die wir seitens des Baron Nikolaij erfuhren, war uns außerordentlich förderlich und erfreulich.

Leider mußte er uns aber mitteilen, daß er von den Herren Mertens und Kuntze ein Schreiben erhalten habe, laut welchem diese erklärten, an unserer Expedition nicht teilnehmen zu können, und zwar aus dem Grunde, weil ihnen die Benachrichtigung mit zu kurzer Frist zugegangen sei, so daß sie nicht in der Lage wären, sich für eine solche Fahrt genügend vorzubereiten und zur anberaumten Zeit in Kopenhagen einzutreffen. Eine solche Nachricht mußte uns natürlich äußerst peinlich sein, und wir baten den Baron Nikolaij zunächst um seine Hilfe bei dem Suchen nach etwaigem Ersatz; aber auch dieses Suchen blieb leider resultatlos, so daß die Expedition also auf die Mitwirkung von Gelehrten naturhistorischer Richtung verzichten mußte. So haben wir es denn während des ganzen Verlaufes der Expedition beklagt und beklagen es auch jetzt noch, daß man es nicht vorgezogen hatte, für diesen naturwissenschaftlichen Teil unserer Aufgabe zwei Russen auszuwählen, wie wir es von vornherein auch gewünscht hätten, und statt dessen sich auf unbekannte Ausländer verlassen hatte.

Im Verlauf unseres siebentägigen Aufenthaltes in Kopenhagen hatten wir die Freude, die Bekanntschaft des Contreadmirals Lewenören zu machen, welcher dem königlichen Marinearchiv und dem Kartendepot der Marine daselbst vorstand und zwar, wie man sagen darf, mit größtem Eifer und Erfolg. Er versah uns mit verschiedenen wertvollen, notwendigen Karten und gab uns allerlei Mitteilungen über verschiedene Forschungsfahrten und bemühte sich, unsere Leute im Gebrauch des Sextanten zu vervollkommnen. Er machte mir in dieser Beziehung einen Vorschlag instrumentaler Verbesserung, dem ich auch aus Höflichkeit Folge gab, ohne daß dieses uns irgendwie von Nutzen gewesen wäre, weshalb ich auch hier nicht näher darauf eingehe. Contreadmiral Lewenören besorgte uns auch eine Maschine zur Reinigung des Wassers und hatte sich dabei viel Mühe gegeben, uns in fördersamster Weise zu unterstützen. Diese Maschine war uns von größtem Nutzen.

Der Contreadmiral Lewenören war durchaus kein Freund der Engländer; mit großer Leidenschaft wies er daraufhin, daß die von ihnen neuerdings herausgegebenen Karten und Almanache unzureichend seien. In der Tat waren diejenigen Karten, welche Herrn Lewenören zugegangen waren, nicht gerade die besten, und ferner gereichen die in den Jahren 1816, 1817, 1818, 1819, 1820 von der englischen Längenkommission herausgegebenen Kalender dieser durchaus nicht zur Ehre, und es mag wohl sein, daß sie damals die Ursache manches Schiffbruches geworden sind. Die Fehler sind erst sehr spät, und zwar in dem Nautical-Almanach für 1819 nicht vor November 1818 bekannt gegeben worden, und ihre Anzahl belief sich auf nicht weniger als 108. Man erzählte damals, daß seit dem Tode des Astronomen Maskelyne, welcher, wie man wohl sagen darf, der eigentliche Gründer dieser so überaus nützlichen astronomischen Kalender gewesen war, diese in ihrer Genauigkeit bedeutend abnahmen, durch welche sie sich im Anfang so sehr ausgezeichnet hatten. Aber in dem Wunsche, den derzeitigen leitenden Astronomen des Greenwicher Observatoriums zu entlasten, mühte man sich damals in England ab, angebliche Beweise zu erbringen, daß dieser an den Fehlern gar keinen Anteil gehabt habe, diese vielmehr der Längenkommission selber zur Last zu schreiben seien. Indes wird es schwer halten, jemand glauben machen zu wollen, daß der erste Astronom des Greenwicher Observatoriums, zu dessen Pflicht es wohlverstanden auch gehörte, die Mitarbeiter zur Prüfung seiner Veröffentlichungen auszuwählen, wirklich gar keinen Anteil an jenen Unrichtigkeiten gehabt haben sollte.

Wir besuchten auch die Kopenhagener Sternwarte, welche sich in einem Turm befindet; man hat von dort eine prächtige Aussicht auf die Stadt Kopenhagen, ihre Umgebung und den Sund. Die Instrumente machten nicht gerade einen besonderen Eindruck auf uns, aber es mag ja sein, daß ihre Leistungen den äußeren Eindruck übertreffen.

Das Admiralitäts-Kollegium hatte mir besonders befohlen, den Leuten alltäglich solche Beköstigung zu verabreichen, welche dem Klima und der bevorstehenden Reise angemessen wären. Im übrigen hatte ich bereits im Verlauf der Fahrt von Kronstadt nach Kopenhagen mich entschlossen, gemäß dem Seegesetz Peters des Großen zu verfahren, das heißt, ich handelte folgendermaßen: Den Sonntag ließ ich jedem Mann ein Pfund Rindfleisch verabreichen, welches mit Grützesuppe gekocht war, an vier anderen Tagen der Woche war diese Rindfleisch-Ration auf 60 Solotniks (0,625 Pfund) bemessen; am Mittwoch und Freitag ließ ich mittags Erbsen kochen und zum Abendbrot Grütze mit Butter. Als wir uns aber Kopenhagen näherten, befahl ich, daß auf beiden Schiffen täglich ein Pfund Rindfleisch und am Sonntag ½ Pfund verabreicht würden, welche mit Kohl und allerlei Kräutern zu kochen waren. außerdem ließ ich jedem Mann einen kleinen Krug Bier verabreichen. In der Tat erschien mir gute und kräftige Ernährung äußerst notwendig, insbesondere im Beginn der Reise. Dieselbe bedeutet gewissermaßen eine Vorsorge für die Zukunft, um die Leute in die vorteilhafteste Kondition zur Ertragung der sie erwartenden Mühsal zu bringen. Und so war es wohl gerechtfertigt, im Anfang der Reise etwas von dem Überfluß, den wir mitführten, den Leuten gleich zugute kommen zu lassen. Nachdem die Ruhezeit in Kopenhagen auch zu Reinigungszwekken benutzt war, gingen wir daran, in die unbekannte Ferne zu segeln.

Am Abend signalisierten wir durch Flagge und Kanonenschuß, daß wir einen Lotsen verlangten; derselbe erschien auch, und am folgenden Morgen um 10 Uhr lichteten wir die Anker bei Ost-Südostwind und segelten, nachdem wir mit der Festung 7 Salutschüsse ausgetauscht hatten, voraus. Bald sahen wir denn auch, daß die Division des Kapitänleutnant Wassiljew ebenfalls Anker auf machte und uns folgte.

Beim Passieren der Insel Wen bemerkten wir eine Menge Menschen in der Nähe eines kleinen Gebäudes, welches äußerlich einer Kirche glich. Als wir näher an die Insel herangingen, erregten ein großes Schiff aus Kopenhagen und mehrere Schaluppen, in denen sich ebenfalls eine Menge Menschen befanden, unsere Aufmerksamkeit. Der Lotse, der noch bei uns war, erklärte uns mit großer Liebenswürdigkeit die Ursache dieser Versammlung und befriedigte so unsere Neugierde. Er erzählte uns, daß an jenem Orte die erste Sternwarte des Astronomen Tycho de Brahe gewesen sei, der sich in das Gedenken seiner Mitlebenden und der Nachwelt durch seine Werke tief befestigt habe; besonders aber in Dänemark, wo er jenes Gebäude errichtete. Alljährlich am 19. Juli finde dort ein Volksfest statt. In dieser Weise wird das Gedächtnis an jenen großen Astronomen, der im Jahre 1601 starb, nicht nur bei den Gelehrten, sondern auch überhaupt erhalten. Es erregte unsere Bewunderung, hier zu sehen, wie die Dänen geistige Bedeutung ehren.

Wiederholt habe ich im Verlauf meines Seedienstes Gelegenheit gehabt, durch den Sund zu gehen, und stets war es mir eine Freude, zu beiden Seiten die grünen Ufer, die Saaten, die im besten Zustand befindlichen Felder, die netten Häuser und die beiden Festungen auf dänischer und schwedischer Seite zu sehen. Wenn freilich auch dieser Anblick nicht mit jenem zu vergleichen ist, den Konstantinopel bietet und an den überhaupt nichts heranreicht.

In Helsingör verabschiedeten wir den Lotsen, setzten volle Segel bei und wechselten mit den Festungen den Salut. Nirgends auf meiner Reise bin ich einer solchen Pünktlichkeit in der Erwiderung des Salutes begegnet wie in Dänemark. Da wir uns dem Leuchtturm von Koll näherten und keinen Lotsen mehr hatten, so fuhren wir in großer Entfernung vorbei. Um 10 Uhr abends passierten wir den Leuchtturm von Angholm in einer Distanz von 10 Seemeilen und umsegelten am nächsten Tag Kap Skagen, um in die Nordsee einzutreten.

Für den Aufenthalt in England hatte ich mir viel vorgenommen hinsichtlich der Vervollkommnung unserer Ausrüstung für die große Reise. Ich benutzte daher jetzt die größere Schnelligkeit der Korvette Wostok gegenüber der Mirnyj, um nach Portsmouth voraus zu fahren, indem ich mit Lasarew das Wiedertreffen in jenem Hafen verabredete, und setzte volle Segel bei. Prächtiger Wind und ausgezeichnetes Wetter begünstigten uns auf dieser Fahrt nach England, stets konnten wir flott vor dem Winde segeln.

Um 8 Uhr morgens am 26. Juli erblickten wir den Leuchtturm von Ramsgate in einem Abstand von etwa 11 Seemeilen. Am Mittag trafen wir ein Boot an, welches einem Lotsen gehörte, der in gewohnter Weise sich auf dem Meere aufhielt, um dort Gelegenheit zur Bugsierung von Schiffen über die Untiefen zu finden. Ich ließ die üblichen Signale geben und forderte den Lotsen auf, der dann auch sofort bei uns erschien; er hatte unsere Aufforderung erwartet. Der Wind war ziemlich schwach, und ich wünschte daher nach der Reede von Deal zu gehen und dort den Flutwechsel zu erwarten.

Um 10 Uhr abends bei schwachem Wind und Flut warfen wir Anker in Deal in einer Tiefe von 8 ½ Faden auf sandigem Grund. North Foreland lag in Nordosten 25° und im Abstand von 10 ¼ Meilen von uns. Von der englischen Fregatte, welche als Wachtschiff dort lag, erschien alsbald ein Offizier, um uns bei unserer Ankunft zu begrüßen, der dann selbstverständlich auch die verschiedenen Fragen: woher, wohin etc. stellte.

Bei Tagesgrauen am 27. Juli, als die Gezeitenströmung uns günstig war, lichtete die Korvette Wostok die Anker und ging, bei allerdings ungünstigem Wind, unter Segel. Jedoch zwang widrige Strömung uns schon in der ersten halben Stunde, wieder die Anker zu werfen, was in einer Tiefe von 17 Faden geschah auf riffigem, gelbem Sandboden, der reichlich Miesmuscheln zeigte. Der Leuchtturm von Dungeness wurde in Nordwesten 79° gesichtet, in einer Entfernung von 7 Meilen.

Um 6 Uhr abends wurden Wind und Strömung günstig, so daß wir unter Segel gehen konnten. Um ½ 9 Uhr passierten wir im Abstand von 2 Meilen den Leuchtturm von Dungeness.

Am 28. Juli früh nahm ich einen zweiten Lotsen an Bord, dem ich von vornherein sagte, daß ich erwarte, er werde für unsere Ansteuerung nach der Reede von Portsmouth nicht mehr als den in England gesetzlich zulässigen Preis verlangen. Dieser Lotse war uns während des ganzen Verlaufes unserer Anwesenheit in Portsmouth von großem Nutzen. Beim Einlaufen in den Hafen bemerkten unsere Offiziere eine Reihe von Linienschiffen und Fregatten, welche vor Anker lagen und von denen verschiedene sehr schmuck und prächtig aussahen. Zu unserer außerordentlichen Genugtuung erblickten wir in der Zahl der Schiffe, die auf der Reede von Spithead ankerten, auch eines unter russischer Flagge. Es drängte sich uns leicht die Vermutung auf, welches dieses Schiff sein möge, denn es war die Ankunft des Kapitän Golowin, auf der Korvette Kamtschatka, von Nordost-Amerika zu erwarten. Unsere Freude war um so größer, als das Zusammentreffen sich im fremden Lande ereignete, wo bekanntlich der Russe den Russen noch mit viel größerer Liebe und Herzlichkeit als zu Hause begrüßt. Wir waren denn auch kaum an dem Ankerplatze angelangt, als einige der Offiziere von der Korvette Kamtschatka uns zu begrüßen kamen. Unser Glück, Landsleute hier sehen zu können, läßt sich schwer beschreiben.

Am 29. Juli abends 7 Uhr warfen wir auf der Reede von Spithead bei einer Tiefe von 7 Faden Anker; der Grund war hier gelber Sand mit etwas Schlamm, und es fanden sich auch hier viele Muscheln. Der Hafenadmiral Campbell sandte einen Leutnant zu unserer Begrüßung, der zugleich fragen sollte, ob der Admiral uns irgendwie zu Diensten sein könnte. Ich dankte herzlich für diese Höflichkeit und wies darauf hin, daß uns nur die Versorgung mit frischem Wasser und frischem Proviant nötig sei, daß ich dies alles aber durch unsern Konsul, Herrn Marsch, erhalten werde.

Lasarew ging über die andere Seite von Goodwin Banks, damit nicht irgendeine Änderung des Wetters ihn auf der Reede von Deal zurückhalte. Um Mitternacht ging die Korvette Mirnyj an der Seite der Wostok vor Anker. Die Division Wassiljew blieb ebenfalls hier und ging bei der Insel Wight vor Anker.

Am Morgen des folgenden Tages (30. Juli) besuchten Lasarew und ich die Offiziere der Korvette Kamtschatka. Ich bemerkte auf der Korvette eine ungewöhnliche Ordnung und Sauberkeit und nach einer so schwierigen Fahrt vollkommenste Gesundheit der Offiziere und Mannschaften. Herzlich freuten wir uns hier, sozusagen eine Handvoll kühner, unternehmender Russen zu sehen, die aus weiten Fernen nach ihrer Heimat zurückkehrten gesund, frisch und fröhlich und nach neuer Erkenntnis und größerer Ausdehnung ihrer Erfahrungen begierig.

Wir besuchten auch noch den Admiral Campbell, um ihm persönlich für seine Liebenswürdigkeit vom vorigen Abend zu danken.

Seit einigen Tagen lag neben uns in Portsmouth auf seiner Jacht auch der Prinzregent. Das Schiff war reich vergoldet und umgeben von Kriegsschiffen und einer Menge Neugieriger in prächtigen Booten, Kuttern, Schonern und allerlei Fahrzeugen. Ein derartig lebendiges Bild kann in der Tat nur in England gesehen werden. Jedesmal, wenn die Jacht an uns vorbei kam, ließ ich die Leute in die Raaen aufentern und durch dreimaliges Hurrah und 21 Kanonenschuß salutieren.

Am Morgen des 1. August begaben sich die Schiffsführer mit der Diligence nach London. Wir hatten erwartet, sobald als möglich den Bedarf für unsere Schiffe dort zu vervollständigen und schleunigst wieder zurückkehren zu können, aber völlig unvorhergesehen wurden wir in London 9 Tage lang aufgehalten. Chronometer und andere astronomische Instrumente, die zu unserer Ausrüstung noch erforderlich waren, waren nicht fertig vorrätig, so daß wir gegen unsern Wunsch darauf warten mußten. Auch wurde es nötig, an verschiedenen Instrumenten Änderungen anbringen zu lassen. Endlich hatten wir für unsere Fahrt uns noch mit Büchern und Karten zu versehen, was uns auch gelegentlich sehr große Mühen verursachte.

Herr Troughton, der bekannte Instrumentenmacher, versorgte uns seinerseits mit Sextanten, Passage-Instrumenten und künstlichen Horizonten. Die Chronometer bezogen wir von zwei Künstlern: Arnold und Barott. Von Herrn Dollond erhielten wir einige andere Instrumente, so einige Sextanten und ein dreifüßiges und ein vierfüßiges achromatisches Teleskop.