Klischees, Vorurteile und Diskriminierungen
erkennen, verstehen, daran arbeiten, dagegen argumentieren und etwas ändern Copyright © 2016 Tim Bärsch
Text, Grafiken und Satz: Tim Bärsch
Verwendete Coverfotos: © Axel Bueckert, Yuriy Seleznyov, Prazis, stcom, anyaberkut, adrenalinapura (alle von fotolia.de)
Profilfoto Seite →: Sandro Georgi (www.sandrogeorgi.com)
Covergestaltung: G. Zimmermann (www.guidozimmermann.com)
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der Autoren unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Medien.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.
Herstellung und Verlag: Bod – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783743145214
BaER® Deeskalation
Bewältigung aggressiver Emotionen und Reaktionen
Deeskalation und Gewaltprävention
Geschäftsführung: Tim Bärsch
Internet: http://www.baer-sch.de
Email: kontakt@baer-sch.de
„Ihr Heuchler, ihr Lügner, ihr Rattenfänger
Ihr Wertpapierverkäufer
Man hat euch Geist und Gefühl gegeben
Und doch seid ihr nur Mitläufer.“
Sarah Lesch (Lied „Testament“)
Vorurteile und Diskriminierungen fallen nicht vom Himmel, ebenso wie sie nicht einfach wieder verschwinden, fast so, als wäre nichts gewesen.
Vorurteile, Rassismus und Gewalt werden von Menschen gemacht und können auch nur durch sie wieder beseitigt werden. Dabei zeigt sich, dass sehr unterschiedliche Menschen und sehr unterschiedliche Lebenslagen jeweils besondere Zugangswege benötigen, um in der notwendigen Auseinandersetzung überhaupt gehört zu werden oder sogar erfolgreich sein zu können.
Dazu gehört es, gelegentlich und immer wieder die gesellschaftlichen Verhältnisse zueinander „ins rechte Lot“ zu setzen. Rassist/innen und Diskriminierer/innen müssen wissen, dass Vorurteile und Demütigungen nicht nur Andere beschädigen, sondern schon weit vorher als Selbstverletzung wirksam geworden sind und wie ein Gift die eigene Lebensfreude zerstören.
Beständigkeit und Gelassenheit in der Auseinandersetzung mit rassistischen Vorurteilen und Diskriminierungen, gemischt mit einer gesunde Portion Humor und angereichert durch einen Hauch von Sarkasmus können, wie dieses spannende und reichhaltige Buch von Tim Bärsch zeigt, der Hetze und dem Hass Erhebliches entgegensetzen.
Ralf-Erik Posselt
Lehrtrainer der Gewalt Akademie Villigst
www.gewaltakademie.de
„Wundere dich nicht über die Rechtschreibfehler. Alle Fehler sind volle Absicht! Zusammen ergeben sie eine geheime Botschaft, mit der ich versuche, die Weltherrschaft an mich zu reißen.“
Ich sehe viel „Schwarz-Weiß-Denken“ und es gefällt mir nicht. Die Phrase „Ich bin ja kein Nazi, aber...“ oder Äußerungen der AfD und von Pegida sind schon oft sehr nervtötend. Trotzdem sehe ich die Mitglieder nicht immer als Nazis. Die andere Seite ist oft auch nicht viel besser: „Alle Menschen sind gleich und ich bin ja tolerant. Außer: Die anderen sind intolerant, dann sind sie es nicht wert, zu leben.“ Doch wer hat nun (mehr) recht und wer liegt (völlig) falsch?
Es kommt, wie so oft, auf den Blickwinkel an. Für einige bedeutet dieses Wort links z.B. „Hoffnung“. Drehe das Buch mal auf den Kopf und lies das Wort noch einmal. Plötzlich bedeutet es für viele das Gegenteil. Ziel des Buches ist es, zu zeigen, dass es viele Blickwinkel gibt. Die Hoffnung ist, dass dadurch vielleicht weniger „Adolfe“ entstehen.
Ansonsten noch ein paar Infos:
„Stell dir vor, dass alle Menschen ihr Leben in Frieden leben. Du wirst sagen ich bin ein Träumer, aber ich bin nicht der Einzige. Ich hoffe, dass du dich uns eines Tages anschließt und die Welt wird Eins sein.“ John Lennon
Der Mensch hat Vor-Urteile. Dies war schon immer so. In der Steppe war das Vorurteil, dass alle Schlangen giftig und gefährlich sind, sehr sinnvoll. Dieses Programm läuft auch erst einmal ab, wenn wir eine Blindschleiche sehen. Wir schrecken automatisch zurück. Die meisten Menschen wissen, dass Blindschleichen nicht gefährlich sind. Sie sind eigentlich auch gar keine Schlangen. Es sind nur Eidechsen ohne Beine. Deshalb kann der Mensch die Blindschleiche aufnehmen und streicheln. Er kann also seine Vorurteile überwinden. Als Gehirnbenutzer (Besitz alleine ist nicht ausreichend) ist es also möglich, Vorurteile zu überprüfen und zu überwinden.
Weltweite Studien konnten belegen, dass hohe Autoritätshörigkeit und ein geringes Selbstwertgefühl oft mit großer Vorurteilsneigung und einer Tendenz zur Diskriminierung von Minderheiten einhergehen. Dies zu überwinden erfordert ständiges Reflektieren. Es passiert mir leider immer noch, dass wenn mich z.B. ein „arabisch aussehender“ junger Mann auf der Rolltreppe überholt, ich instinktiv an meine Hosentasche mit meiner Geldbörse greife. Doch ich versuche weiter an mir zu arbeiten, u.a. indem ich provokativ mit Vorurteilen spiele. Dies wirst du wahrscheinlich mehrmals im Buch merken, z.B. an einigen Bemerkungen und an meinen Zeichnungen.
Manche Vorurteile haben einen gewissen Wahrheitsgehalt und andere sind sehr weit von einer objektiven Wahrheit (wenn es die gibt) entfernt. Es gibt immer so viele Sichtweisen, wie es Menschen gibt, die das Thema betrachten. Jeder wertet aufgrund seiner Erlebnisse und seiner Vorerfahrungen. Oft kommt es vor, dass wir die Sichtweise des anderen nicht nachvollziehen können. Ich habe mittlerweile aufgegeben, alles verstehen zu wollen. Trotzdem möchte ich meine Vorurteile, so gut es geht, im Blick und dadurch mehr Handlungsmöglichkeiten haben.
„Das Vorurteil ist recht für den Menschen gemacht, es tut der Bequemlichkeit und der Eigenliebe Vorschub, zweien Eigenschaften, die man nicht ohne die Menschheit ablegt.” Immanuel Kant
Ich möchte hier keine langweiligen Definitionen runterbeten. Dieses Buch ist schließlich keine Doktorarbeit. Jeder kann ein (Vor-)Urteil über eine Person oder eine Personengruppe fällen, ohne nähere Fakten zu kennen. Vorurteile sind meist negativ, können aber auch erst einmal positiv sein. Das Vorurteil: „Schwarze haben Rhythmus im Blut.“ ist erst einmal positiv. Eine ehemalige Kollegin besteht bis heute darauf, dass dies eine Beobachtung von ihr wäre und kein Vorurteil. Ich kann nur sagen, dass ich schon Menschen mit dunkler Haut gesehen habe, deren Tanzbewegungen genauso kacke und unrhythmisch aussahen wie meine. Und auch wenn dieses Denken positiv gemeint ist, bedeutet es im Grunde: „Die sind anders als wir.“ Und das ist genau das, was ich als nicht positiv empfinde. Jeder Mensch ist anders. Die Verknüpfung von Hautfarben, Religionen und Herkunftsländern mit Eigenschaften, Vorlieben und Fähigkeiten ist einfach Unsinn. Nicht alle Äthiopier können schnell rennen – Nicht alle Deutschen sind pünktliche Nazis – Nicht alle Muslime wollen sich in die Luft sprengen – Nicht alle Juden sind geldgierig … usw. usw. usw.
Doch kommen wir jetzt zu einigen Begriffen, die mit Vorurteilen zu tun haben:
Klischee: (franz. Abklatsch) alte Bilder, die unbedacht übernommen werden – kann auf Einzelpersonen oder auf Gruppen zutreffen – Stereotyp geht in die gleiche Richtung (griech. fester Entwurf) vorgefasste Meinung „Stempel“ - beeinflussen die Informationsverarbeitung – Es ist eine Vereinfachung komplexer Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Personengruppen.
Vorurteil: Wie das Wort schon sagt, ist es ein Urteil vor einem Urteil. Es entsteht, wenn die verallgemeinerten Eindrücke mit Emotionen besetzt werden. Vorurteile sind meist negativ behaftet und durch ihre Komplexität schwer aufzuheben (Klischee + negatives Gefühl = Vorurteil).
(Soziale) Diskriminierung: Negatives Verhalten gegenüber Menschen, weil sie zu einer Gruppe gehören (Klischee + negatives Gefühl + negatives Verhalten).
So Begriffe wie Xenophobie, Ethnophaulismus, Etikettierung, Kategorisierung usw. lasse ich mal weg, da die Erläuterungen für dieses Buch unwichtig sind.
„Die Hauptquellen der Vorurteile sind: Nachahmung, Gewohnheit und Neigung.“ Immanuel Kant
Vorurteile beruhen fast nie auf Fakten, sondern meist auf Gefühlen. Dabei können die Vorurteile gerade zufällig zutreffen (z.B. dieser Deutsche ist in diesem Moment pünktlich), im Durchschnitt zutreffen (z.B. Männer sind größer als Frauen), nicht zutreffen (z.B. Spinat enthält viel mehr Eisen) oder genau das Gegenteil stimmt (z.B. härtere Strafen führen zu weniger Straftaten).
Also sind Vorurteile nicht berechenbar. Die meisten Vorurteile entstehen durch die Erziehung und das Vorleben der Erwachsenen bereits im Kindesalter. Aber warum übernehmen Menschen solche Bilder?
Das „Tolle“ an Vorurteilen ist, dass man auch immer irgendwo eine Bestätigung findet. Wird ein Pole beim Diebstahl erwischt und wir haben dieses Vorurteil, so sehen wir uns sofort wieder bestätigt. Die anderen 100 Polen, denen wir begegnet sind und die nicht klauen, blenden wir einfach aus. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung geht ungefähr in die gleiche Richtung (Robert Merton 1948).
Doch diese Vorurteile haben nicht nur einen großen Einfluss auf das eigene Denken. Auch die anderen Menschen werden davon beeinflusst. Robert Rosenthal fand in den 60er Jahren heraus, dass Schüler dümmer werden, wenn Lehrer annehmen, dass sie dumm sind und Schüler schlauer werden, wenn Lehrer annehmen, dass sie schlau sind (Pygmalion-Effekt). Spätere Untersuchungen (z.B. L. Jussim / K. Harber 2005) konnten diese Effekte bestätigen, auch in anderen Arbeitskontexten z.B. Gerichtssälen (R. Rosenthal 2002). Diese Versuche machen noch einmal deutlich, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen in Kategorien gesteckt und dort nicht wieder rausgelassen werden.
„Die Geschichte lehrt dauernd, doch sie findet keine Schüler.“ Ingeborg Bachmann
Der Implizite Assoziationstest (IAT) ist ein Messverfahren in der Sozialpsychologie (nach Greenwald, McGhee und Schwartz).
Die Idee: Personen fällt es leichter, auf assoziierte Konzepte mit derselben Antworttaste anstatt mit einer entgegengesetzten Antworttaste zu reagieren.
Der erste IAT