Franken ist Jerusalems-Land. In ganz Ober-, Mittel- und Unterfranken findet man eine erstaunliche Anzahl verschiedenster Darstellungen des Himmlischen Jerusalem. Bislang war weder der lokalen Denkmalbehörde noch den Kirchen bzw. den kirchlichen Kunstreferenten bekannt, wo es welche Werke zu diesem Thema gibt. Und so bestand die Schwierigkeit während der letzten zehn Jahre nicht darin, die einzelnen Kunstwerke formal und inhaltlich zu beschreiben, sondern sie erst einmal aufzufinden und zu dokumentieren. Ohne Hinweise vieler Ortskundiger wäre das sicher nicht möglich gewesen, und ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
Franken ist ein gemischtkonfessionelles Gebiet, Städte wie Nürnberg, Schwabach und Schweinfurt schlossen sich früh der Reformation an und sind bis heute mehrheitlich protestantisch geprägt. Hingegen haben die Bistümer Würzburg, Bamberg und Eichstätt für einen starken katholischen Einfluss gesorgt, so dass man in Franken Kunstwerke zum Himmlischen Jerusalem von beiden großen Konfessionen in etwa gleicher Zahl finden kann. Völlig unterrepräsentiert sind die freikirchlichen Gemeinden, die in Franken nie stark ausgeprägt waren. Weder von Pfingstkirchen, von Baptisten oder von Mennoniten konnte ich in Franken geeignete Beispiele für die Himmelsstadt finden.
Auf einige Werke möchte ich gesondert hinweisen, so auf den Mantel der Heiligen Kunigunde, denn er ist die älteste Darstellung eines Himmlischen Jerusalem auf Textilbasis, die es weltweit gibt. Dann natürlich auch auf die Dürerapokalypse als den vielleicht weltweit bekanntesten Kupferstich zum Neuen Jerusalem überhaupt und auf den Fränkischen Bibelweg bei Seßlach (Oberfranken) mit seinem Jerusalem, welches man erlaufen und erleben kann – damit hat Franken mehr zu bieten als viele andere Regionen, ja, Franken ist durchaus ein Jerusalem-Zentrum, das es zu entdecken gilt. Das betrifft weniger Werke aus dem Mittelalter oder der Frühen Neuzeit, wo viel verloren ist, sondern v.a. für moderne Arbeiten der vielleicht zwanzig letzten Jahre, die belegen, dass die Region mehr als Bratwurst, Karpfen und Küchle zu bieten hat – womit nichts gegen diese kulinarischen Köstlichkeiten gesagt sei. Auch das Himmlische Jerusalem ist ja ein Ort, an dem ein unaufhörliches Festmahl stattfinden soll, mit englischer Musik und vielleicht auch mit dem ein oder anderem Glas Frankenwein.
Es kann nicht darum gehen, hier alle für das Thema relevanten Kunstwerke aus Franken zu zeigen – das wäre schnell langweilig geworden. Mut zur Auswahl war also gefragt, was man natürlich immer kritisieren kann. Von den etwa 230 Arbeiten, die ich im fränkischen Raum auffinden konnte, habe ich hier einmal eine kleine Auswahl zusammengestellt. Es wurde darauf geachtet, dass sowohl die bekannten Arbeiten aufgenommen wurden, als auch Werke, die in irgend einer Weise typisch für einen Künstler oder für eine Darstellungsweise gelten dürfen. Auch die Qualität spielt durchaus eine Rolle; so zähle ich die Glasfenster von Erika Steinbeck unter die besten Arbeiten überhaupt, die in diesem noch neuen Jahrtausend zum Thema Jerusalem geschaffen wurden. Fränkische Künstler, die ihrer Heimat den Rücken kehrten und in anderen Regionen sich u.a. mit dem Himmlischen Jerusalem beschäftigten, wurden hier nicht berücksichtigt.
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Im deutschsprachigen Bereich beinhaltet die Bamberger Apokalypse vielleicht die bekannteste Illustration des Himmlischen Jerusalem. Sie ist nicht in Bamberg entstanden, sondern um das Jahr 1.000 im Skriptorium des Klosters Reichenau. Dort ließ das ottonische Herrscherhaus eine Prachthandschrift mit 57 Miniaturen auf Goldgrund nach dem Text der Offenbarung des Johannes anfertigen. Es war gedacht als Geschenk von Kaiser Heinrich II. und seiner Frau Kunigunde an das Kollegiatstift St. Stephan in Bamberg, was dem Kunstwerk seinen Namen gab. Während der Säkularisation gelangte das Werk in den Besitz von Bayern und wird heute in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrt.
Bereits in der Szene des Lamms mit dem versiegelten Buch (Apok. 5, 6–14) ist das Himmlische Jerusalem angedeutet: Das Christuslamm steht auf dem Buch mit den Sieben Siegeln. Dieses wiederum ist von einem Mauerkranz umzogen und an zwei Seiten von schmalen Türmen gerahmt. Auch hier ist im Zentrum das Christuslamm, und zwar in gleicher Gestaltung wie auf dem folgenden Bild:
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