Kapitel 16


Es gab keinen richtigen Abschied von Hen’Tas, wir sahen einfach zu, dass wir von dem Planeten wegkamen. Wir flogen als Erstes zur N-1 und anschließend zur N-2, um unsere Beiboote wieder aufzunehmen. Dann ging es direkt in den Orbit. Dort trafen gerade die ersten Hilfstruppen aus den Kolonien ein. Eine gewaltige Flotte fand sich um den Planeten zusammen. Groß genug, um jede Roboterarmee auszuschalten. Aber wenn die Roboter sich nicht selbst zerstört hätten, wäre die Flotte nicht rechtzeitig eingetroffen, um noch jemanden lebend anzutreffen. Diese Flotte könnte einen Vernichtungsschlag gegen die Urheber führen, aber sie kannten die Schuldigen nicht. Wussten nicht, gegen wen sie losschlagen sollten. Die Erbauer hatten laut Lukas mindestens so viel Mühe in die Verschleierung der Herkunft gesteckt wie in die technischen Wunderwerke selbst.

Xin’Los hatte keine Anstalten gemacht, uns aufzuhalten. Es wäre ein Leichtes gewesen, uns am Betreten der Promet oder am Verlassen des Systems zu hindern, doch stattdessen hatte er sich anscheinend dafür entschieden, uns aus seinen Gedanken zu streichen. Ich würde mich bemühen, dasselbe mit ihm zu tun. Der Prof hatte Xin’Los ein kleines Abschiedsgeschenk hinterlassen: den Kopf eines Roboters, der immer wieder seine Botschaft abspielte. Arias Vater konnte sich die Warnung der Erbauer so oft anhören wie er wollte; hoffentlich nahm er sie sich zu Herzen, damit seine Tochter nicht umsonst gestorben war.

Wir machten uns auf den Rückweg zur Erde. Der Planet war gerettet, die Bedrohung abgewendet. Jedenfalls für eine ganze Weile. Trotzdem fiel es mir schwer, unsere Reise als Erfolg zu werten. Wir hatten Aria verloren. Meine Mannschaft ahnte, welche düsteren Gedanken mich beschäftigten und ließ mich in Ruhe.

Michiko dagegen war weniger sensibel und fragte mich direkt, was mich beschäftigte.

„Ich wünschte, ich könnte sagen, Aria sei für die Rettung der Welt gestorben, aber das war nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, wenn wir nicht mit ihr nach Hen’Tas geflogen wären, würde sie jetzt noch leben, denn sie wäre ihrem Mörder niemals begegnet.“

„Und dafür gibst du dir die Schuld?“, fragte meine Freundin.

„Das ist noch nicht alles. Unsere Reise war völlig sinnlos. Wir hatten keinen Einfluss auf diesen Ausgang. Wäre ich zu Hause geblieben, um meine verlorene Zeit mit Jörn aufzuholen, wäre alles genauso gekommen. Die Roboter hätten Hen’Tas überfallen, die Bewohner getötet und die Flotte zerstört. Die Erde wäre auch ohne unser Tun nicht in Gefahr geraten.“

Michiko nickte, als würde sie mir zustimmen. „Es wäre praktisch, wenn man so etwas im Voraus wüsste, dann müsste man an manchen Tagen gar nicht erst aufstehen, nicht wahr?“

Ich hatte mich getäuscht, sie war verärgert. Natürlich hätte sie sich einen besseren Ausgang für Aria gewünscht, aber sie empfand kein Mitleid mit den Hen’Tas, die geplant hatten, die gesamte Weltbevölkerung in einer gewaltigen Sintflut zu ertränken. „Du hast Aria nicht hergebracht, damit sie getötet wird, und sie hat dir niemals gesagt, was sie hier erwartet, denn sonst hättest du sie nicht mitgenommen.“

Ich musste ihr zustimmen.

„Dann gib auch gefälligst nur denen die Schuld, die Schuld tragen.“

Ich dachte an Xin’Los und Ares’Los, sie wollten bis zuletzt ihre Niederlage nicht akzeptieren. Die Hen’Tas waren zwar geschlagen, aber es befanden sich bereits Hilfslieferungen aus den Kolonien auf dem Weg. Irgendwann würden sie wieder zur alten Stärke auferstehen und wieder eine Bedrohung für andere Völker und Planeten darstellen. Früher oder später würden sich die Hen’Tas vielleicht wieder der Erde zuwenden. Nicht in den nächsten Jahren, da war ich mir sicher, aber in zwei, drei Generationen, wenn die Erinnerung an dieses dramatische Ereignis verblasste, würden sicher wieder Stimmen laut werden, die nach mehr Raum und neuen Kolonien schrien. Das Leid würde vergessen sein und die früheren Erfolge zu Mythen verklärt werden. Vielleicht waren alle Wesen gleich und mussten in gewissen Zeitabständen schreckliche Erfahrungen machen, um die Erinnerung an die Folgen wach zu halten.

Zuvor würden sie allerdings versuchen, die Erschaffer der Roboter zu enttarnen, um sich an ihnen zu rächen. Ein mächtiges Volk wie die Hen’Tas würde nicht lange seine Wunden lecken, sondern die Urheber des Angriffs jagen. Ich vermutete, dass nicht nur ein einzelnes Volk hinter diesem Angriff steckte. Vielmehr musste es ein Zusammenschluss mehrerer Planeten sein, um dieses gewaltige Projekt zu stemmen. Außerdem würde ich wetten, dass es sich nur um den ersten Akt handelte, und dass dies der Beginn einer Rebellion war.

„Wir haben Xin’Los nicht gefragt, was er so Dringendes auf Oolo zu erledigen hatte“, sagte Anake zu mir gewandt.

Daran hatte ich seit unserer Ankunft nicht mehr gedacht und auch keine Gelegenheit gehabt, daran zu denken. Nach Arias Tod und den Ereignissen auf Hen’Tas kam es mir auch überflüssig vor, eine Antwort auf diese Frage zu erhalten. Ich wollte nur noch nach Hause. Zurück zu meinem geliebten Mann Jörn. Und Monja natürlich.

Andreas Zwengel
DER RAT DER ACHT



In dieser Reihe bisher erschienen:

 

01 Der Virenplanet von E.C. Tubb

02 Die Tochter des Pfauen von Matthias Falke & Y.F. Yenn

03 Welt der Kraken von Matthias Falke & Y.F. Yenn

04 Der Schwarm aus Stahl von Matthias Falke

05 In den Grauzonen von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

06 Der stählerne Krieg von S.H.A. Parzzival

07 Die schwarze Pagode von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

08 Planet der schwarzen Raumer von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

09 Das Orakel von Chron von Achim Mehnert

10 Notruf aus Katai von Achim Mehnert

11 Tod eines Cyborgs von Achim Mehnert

12 Der ewige Feind von Achim Mehnert

13 Welt in Flammen von Achim Mehnert

14 Die letzte Fahrt der Hindenburg II von Andreas Zwengel

15 Unsterbliche Rache von Andreas Zwengel

16 Der Weg der Kriegerin von Andreas Zwengel
17 Die Janus-Attentate von Andreas Zwengel

18 Das Auge des Ra von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

19 Die fremde Macht von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

20 Die Ruinen von Antaran von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

21 Ewige Verdammnis von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

22 Flucht aus Luna Asylum von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

23 Das kosmische Testament von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

24 Todeswellen von Andreas Zwengel

25 Neptuns Tochter von Andreas Zwengel

26 Der Rat der Acht von Andreas Zwengel


Andreas Zwengel


Der Rat der Acht


RAUMSCHIFF PROMET
Die Abenteuer der Shalyn Shan

Band 26




Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Mario Heyer
Logogestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-476-3

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



Kapitel 1


Die Promet V materialisierte sich nach Sekundenbruchteilen an ihrem ersten Transitionsziel. Niemand erwartete das Hen’Tas-Schiff von Xin’Los zu sehen, dazu war dessen Vorsprung zu groß. Wir bereiteten uns sofort auf den nächsten Sprung vor, aber wie sehr wir uns auch beeilten, es würde uns wohl kaum gelingen, sie einzuholen. Laut Aria konnten die Schiffe ihres Volkes weiter und schneller transitieren, als es der Promet V möglich war. Das kam noch zu ihrem zeitlichen Vorsprung des Sichelschiffes hinzu.

Alle an Bord waren ungeheuer angespannt. Die Bedeutung unserer Mission konnte man kaum hoch genug einschätzen. Wir waren unterwegs, um ein Volk von Raubrittern davon zu überzeugen, die Erde zu verschonen. Wir besaßen leider kein Druckmittel und nichts, was wir ihnen im Gegenzug anbieten konnten. Zwingen konnten wir sie aufgrund ihrer technischen und evolutionären Entwicklung auch nicht, schon gar nicht mit einem einzelnen Forschungsschiff ohne nennenswerte Bewaffnung. Ich wollte unsere Mission nicht von vorneherein als aussichtslos bezeichnen, aber sie belegte doch einen der vorderen Plätze unter unseren größten Herausforderungen.

Unser Weg führte uns in die Große Magellansche Wolke. Jene Galaxie, die in etwa 2,4 Milliarden Jahren mit der Milchstraße kollidieren soll. Die Prognosen ­besagen, dass unser Sonnensystem dadurch aus seiner Bahn geschleudert werden könnte. Aber ich sollte mich lieber mit den Bedrohungen beschäftigen, die zeitlicher etwas näher lagen.

Aria hatte neben mir Platz genommen. Für sie war die Reise nicht minder gefährlich als für uns. In bestimmten Punkten sogar noch weitaus riskanter, da sie den Zorn ihres Volkes auf sich gezogen hatte. In ihrem Fall war die Angelegenheit persönlicher Natur. Aria schwieg und wirkte sehr angespannt. Ich konnte mir vorstellen, welche Gedanken ihr gerade durch den Kopf gingen. Die bevorstehende Rückkehr auf ihren Heimatplaneten würde kein angenehmes Erlebnis werden.

Aria hatte uns mit der Geschichte ihres Volkes vertraut gemacht, ein Wissen, das für unsere bevorstehende Mission unverzichtbar war.

Der Eroberungsfeldzug der Hen’Tas begann um das Jahr 2070, nachdem aus heiterem Himmel eine Bevölkerungsexplosion über sie hereingebrochen war. Anfangs versuchten sie noch, auf friedlichem Weg neuen Lebensraum zu erlangen. Sie kauften Gebiete auf fremden Planeten, um sich dort anzusiedeln. Aber die Finanzmittel von Hen’Tas wurden dadurch sehr schnell aufgebraucht, während ihre Bevölkerung immer weiter wuchs. Sie eroberten zuerst die Planeten, auf denen sie bereits Gebiete besaßen. Die Kolonisten fielen über die Ureinwohner her, es war ein schreckliches Gemetzel.

Anfangs waren die Pläne der Hen’Tas bescheiden. Sie wollten nur genug Platz erobern, um ihrem Volk ­Lebensraum zu bieten. Und ausreichend Fläche, um Nahrung anzubauen. Doch so schnell, wie sie benötigte Gebiete eroberten, stieg auch der Bedarf. Kaum war Platz geschaffen, reichte er nicht mehr aus. Die Vermehrungsrate der Hen’Tas stagnierte natürlich nicht, sondern wuchs immer weiter an.

Die Hen’Tas erschufen immer bessere ­Kommunikations- und Transportwege. Sie stahlen die Ideen für neue Waffensysteme und bauten sie nach. Heimlich bereiteten sie sich auf einen Krieg vor, von dem niemand erfahren sollte, bis es zu spät war. Es gab keine offizielle Kriegserklärung, sondern man unterwanderte den Gegner, bis man alle seine Schwächen kannte, und wenn sie so weit waren, schlug man zu.

Die Hen’Tas haderten mit ihren Taten. Es war ein hoher Preis, den andere für ihr Überleben zahlen mussten. Es gab zahlreiche Diskussionen unter ihnen, jahrelang. Viele Ratsmitglieder fühlten sich den moralischen Anforderungen nicht gewachsen und gaben ihren Sitz im Rat auf. Aber über die Jahre fanden sich genug Mitglieder, um einen Rat zu bilden, der bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren. Die moralischen Aspekte wurden nicht länger diskutiert, sondern einfach akzeptiert. Es gab andere Dinge, um die man sich kümmern musste. Also beschäftigte man sich nur noch mit den logistischen ­Problemen ihres Feldzuges und schuf eine Gesellschaft, die nicht mehr über die Hintergründe ihres Überlebens nachdachte. Der Rat setzte alles daran, die bisherigen Ereignisse aus dem kollektiven Bewusstsein zu löschen, und für die Zukunft suchten die Verantwortlichen nach immer saubereren Methoden, um die Planeten zu erobern und deren Bevölkerung zu beseitigen.

Bei den Hen’Tas herrschte eine strenge Hierarchie, die sich direkt von den Mitgliedern des Rates ableitete. Je näher man mit einem Ratsmitglied verwandt war, umso höher stand man innerhalb der Gesellschaft. Die zweite Riege, durch die man bei den Hen’Tas Anerkennung und Einfluss erhielt, waren die Con’Quistador, die allgemein als Retter des Volkes betrachtet wurden. Sie sorgten durch die Eroberung anderer Planeten dafür, dass mehr Hen’Tas überleben konnten. Als Tochter eines ­Con’Quistador und Nichte eines Ratsmitgliedes besaß Aria eine hohe gesellschaftliche Stellung. Es würde sich noch zeigen müssen, ob dies ein Vorteil oder eine Belastung für unsere Mission sein würde.

Wir erreichten die hellste Satellitengalaxie der Milchstraße. Auch nach dem nächsten Sprung ließ sich kein Schiff in unserer Umgebung anmessen. Trotzdem blieben wir wachsam. Es war nicht auszuschließen, dass die Hen’Tas die Verfolgung durch die Promet bemerkt hatten und deshalb einen Hinterhalt legten, um sich ihrer Verfolger zu entledigen. Ich ermahnte alle zu erhöhter Wachsamkeit.

In Nullzeit erreichten wir das nächste Sprungziel, und kaum waren wir aus dem Hyperraum getreten, schlug das Alarmsystem an. Ich beeilte mich, die Gefahrenquelle zu erkennen, und zu unserer Überraschung handelte es sich um ein Sichelschiff der Hen’Tas.

„Da vorne ist das Schiff meines Vaters!“, rief Aria aus. Kein Zweifel, es handelte sich um den Sichelraumer, den wir aus dem Meer hatten auftauchen sehen.

„Ich hatte angenommen, er wäre schon längst auf Hen’Tas angekommen“, sagte Aria überrascht.

„Nutzen wir die Gelegenheit!“, befahl ich. „Feuere auf ihren Antrieb! Verschaffen wir uns einen kleinen Vorsprung.“

Das Sichelschiff näherte sich von dem Planeten, der unserer Position am nächsten lag, und hielt direkt auf uns zu. Jeder von uns war überrascht davon, die Hen’Tas hier anzutreffen. Dies sollte für uns nur eine Zwischenstation zwischen zwei Sprüngen sein. Wir hätten das Schiff bestimmt übersehen, wenn KIP nicht darauf aufmerksam geworden wäre. Als das Sichelschiff auf Terra aus dem Meer auftauchte und davonflog, hatte unser Bordcomputer die Signatur aufgenommen und sie nun beim Verlassen des Hyperraums sofort bemerkt.

Anake leitete ein Ausweichmanöver ein, aber das Sichelschiff änderte seinen Kurs und flog weit entfernt an uns vorüber. Sie schienen nicht an Kampfhandlungen interessiert zu sein. Ich ahnte, weshalb.

„Macht die Kanonen bereit. Ihr müsst den Antrieb lahmlegen, bevor sie in Transition gehen“, befahl ich.

Gebannt beobachteten wir, wie sich der Abstand zwischen uns immer weiter vergrößerte. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass Xin’Los mit uns spielen wollte und es darauf anlegte, uns seine Überlegenheit zu demonstrieren. Bald würde er außer Sicht sein. Ich wollte gerade Vanessa anweisen, die Ansicht zu vergrößern, als sie einen erstaunten Laut ausstieß.

„Was ist los?“, erkundigte ich mich.

„Die Hen’Tas haben gewendet!“

„Wieso das?“

„Vielleicht ist ihnen eingefallen, dass ihre Bewaffnung der unsrigen weit überlegen ist?“

„Das wussten sie vorher schon“, sagte ich düster. „Schutzschirme an, die werden uns gleich mit allem treffen, was sie zu bieten haben.“

„Nur, wenn wir stillhalten“, presste Anake entschlossen hervor.

Das Sichelschiff kam wie ein Raubvogel über uns und demonstrierte eindrucksvoll, wie eine Schlacht zwischen der terranischen Flotte und den Schiffen der Hen’Tas ablaufen könnte. Die Salve des Sichelschiffs traf uns mit Wucht. Wir kamen uns vor, als würden wir von einem Riesen gepackt, durchgeschüttelt und mit aller Kraft zu Boden geschleudert werden.

Vanessa verlor den Halt und stürzte durch die Zentrale. Ich konnte ihr meinen Arm um die Hüfte schlingen und hielt mich mit der anderen an meinem Sessel fest. Nur meine Berserkkraft und die damit verbundene Schnelligkeit retteten ihr das Leben. Außer mir war nur Aria in der Lage, so schnell zu reagieren. Ihre Arme wurden länger. Sie schlängelten sich durch die Luft und umfingen Patrick, der nach dem Treffer hilflos nach hinten taumelte.

KIP teilte uns sofort eine Statusmeldung mit, die nicht besonders zuversichtlich ausfiel.

„Sie haben mit einer einzigen Salve fast unseren Schutzschirm zerlegt“, meldete Anake. „Wir sollten darauf achten, dass sie uns kein weiteres Mal treffen.“

„Wir müssen springen!“, rief Lukas.

Ich schüttelte den Kopf. „Wenn wir jetzt springen, werden sie weg sein, bevor wir zurückkehren. Dies ist unsere einzige Chance, sie aufzuhalten.“

„Wenn wir jetzt nicht springen, werden wir nie wieder Gelegenheit dazu bekommen. Sie werden uns zerstören“, widersprach er mir.

„Sie sind wieder in Schussposition“, meldete Anake. Im nächsten Moment wurden wir erneut getroffen, allerdings nicht so heftig wie beim ersten Mal. Der Kombischutzschild bewahrte uns vor dem Schlimmsten. Doch diesmal wollte der Angriff nicht nachlassen. Das Sichelschiff blieb auf seiner Position und feuerte ohne Unterlass weiter.

Der Beschuss brach nicht ab. Bald würden bleibende Schäden am Schiff entstehen, die einen Weiterflug verhindern konnten. Über die weiteren Folgen wollte ich mir keine Gedanken machen. Die Promet V besaß nur eine geringfügige Bewaffnung. Keinesfalls genug, um in den Krieg zu ziehen. Ein paar vorwitzige Gegner konnte man damit verscheuchen oder störende Meteoriten pulverisieren, aber ein ernsthaftes Gefecht sollte man damit nicht beginnen. Zumal wir noch nicht alle Angriffswaffen der Sichelschiffe kannten. Arias Andeutungen zu deren Stärken waren nicht dazu geeignet, uns zu beruhigen.

Anake bemühte sich, uns aus dem direkten Beschuss herauszubringen, doch das Schiff der Hen’Tas schien jedes Manöver vorauszuahnen und stellte sich sofort darauf ein.

„Shalyn!“, rief Vanessa beinahe flehend. Bevor ich etwas erwidern konnte, endete der Beschuss. Das Sichelschiff war verschwunden, ebenso der unbekannte Planet. Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Wir waren in Transition gegangen.

„KIP?“, fragte ich wütend.

„Ich habe das nicht veranlasst“, verteidigte sich das System. „Es handelt sich um ein altes, nicht löschbares Programm, das eine Nottransition auslöst, sobald der Schutzschild zu brechen droht.“

Ich erinnerte mich daran, dass Jörn mir einmal von dieser Einrichtung erzählt hatte.

„Soll ich den letzten Sprung rückgängig machen?“, erkundigte sich KIP.

Wenn wir zu der Position zurückkehrten, würde das Sichelschiff längst weitergeflogen sein. Oder es war noch dort und wartete darauf, uns weiter in Stücke schießen zu können. Beide Möglichkeiten waren nicht sehr verlockend und würden uns keinen Schritt weiterbringen.

„Nein, wir kennen sein Ziel“, erklärte ich. „Berechne eine neue Route nach Hen’Tas und bereite den nächsten Transitionssprung vor.“ Ich betrachtete meine Mannschaft. Die erste Begegnung mit den Hen’Tas war äußerst ernüchternd verlaufen. „KIP, erzähl mir etwas über den Planeten, von dem Xin’Los gekommen ist.“

„Der Name des Planeten lautet Oolo. Er ist wesentlich größer und massereicher als die Erde. Die Schwerkraft liegt bei 2,2g. Bevölkert ist er von intelligenten Echsenwesen, die sich mit ihren acht Beinen flach über die Erde fortbewegen. Große Bereiche des Planeten sind schwer verwüstet. Offenbar ist vor mehreren zehntausend Jahren ein gewaltiger Meteoritenschauer auf einer Seite des Planeten eingeschlagen und hat eine trockene Sandlandschaft hinterlassen. Auf der unversehrten Seite gibt es mehrere große Seen, umgeben von dichter, flachwurzelnder Vegetation.“

„Irgendwelche Vermutungen, wodurch Oolo das Interesse von Xin’Los auf sich gezogen hat?“

„Nun, trotz einiger gravierender Unterschiede entspricht er wohl dem Beuteschema der Hen’Tas. Möglicherweise ist er der nächste Kandidat ihres Eroberungsfeldzuges.“

„Oolo liegt näher an Hen’Tas als die Erde. Wieso hat er ihn nicht zuerst ausgewählt?“

„Vielleicht bietet Terra bessere Bedingungen, und Oolo ist nur die zweitbeste Wahl?“

„Sagt dir das was?“, fragte ich Aria.

„Nein, tut mir leid. Von diesem Planeten habe ich nie zuvor gehört.“

„Weshalb könnte dein Vater dort gewesen sein? Was kann so wichtig gewesen sein, um dort einen Zwischenstopp einzulegen und dafür Vorsprung zu verlieren?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ehrlich, ich habe noch nie von dieser Welt gehört.“

„Dein Vater weiß nun, dass wir ihm folgen. Er wird uns einen feurigen Empfang auf Hen’Tas bereiten.“

„Oder er schickt uns ein paar Schiffe entgegen, die uns vor dem Planeten abfangen sollen“, sagte Pat. „Was sollen wir tun?“

„Als Erstes mal nicht genau an dieser Stelle warten“, antwortete Anake.

Da musste ich ihm zustimmen. „Bring uns hier weg, aber nicht die volle Transitionsweite, damit könnten sie rechnen.“

Die Promet V trat in den Hyperraum ein, kurz darauf befanden wir uns Lichtjahre vom Ort des Zusammentreffens entfernt.