Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 13: Der Tod wartet in Frankreich
Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.
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Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 13: Der Tod wartet in Frankreich
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About the Publisher
Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 13: Der Tod wartet in Frankreich
von Tomos Forrest
Zyklus: Die Rebellen von Cornwall, Band 4
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IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
© Titelbild: Nach einem Motiv von N.C.Wyeth mit Steve Mayer, 2018
Lektorat: Kerstin Peschel
Ceated by Thomas Ostwald, Alfred Bekker und Jörg Martin Munsonius
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Morgan hat seine Schwester auf dem Schloss ihrer Verwandten untergebracht. Bei jüdischen Kaufleuten in Angers findet er Unterstützung im Kampf gegen Prinz Johann. Als er die Bürgschaftsbriefe erhalten hat, geschieht Schreckliches in der Stadt, aus der Morgan in letzter Minute fliehen kann, während hinter ihm das jüdische Viertel in Flammen aufgeht.
In Saint-Malo angekommen, scheint ihn das Schicksal eingeholt zu haben, denn auch hier kommen die jüdischen Kaufleute, die ihn unterstützen wollen, auf grausame Weise ums Leben ...
***
Die Straße hinunter zum Fluss war stark belebt. Ein Fuhrwerk reihte sich an das andere, alle hoch beladen mit weißem Tuffstein oder dunklem Schiefer. Morgan hielt auf einem Hügel und ließ dieses Bild in der milden Herbstsonne auf sich wirken. Frankreich hatte offenbar noch nichts von den Stürmen erlebt, die ihm in seiner Heimat die letzten Wochen oft verleidet hatten. Jetzt lag die Überfahrt mit der Nef schon gut vier Wochen zurück. Seine ältere Schwester Marg befand sich auf Manoir de Kerazan und in guter Gesellschaft von Lady Miriam.
Der alte Familienbesitz eines entfernten Verwandten hatte sich als Fluchtburg bewährt, denn bis hierher reichte die Verbindung von Prinz Johann nicht, auch wenn er sich gelegentlich in der Grafschaft Anjou aufhielt.
Aber die Zeiten waren unruhig, König Philipp von Frankreich hatte sich mit Richard Löwenherz schon während des dritten Kreuzzuges überworfen. Richard befand sich nun auf der Festung Trifels, bis das für ihn verlangte Lösegeld eintraf. Noch war der aus England stammende Adel aber mächtig und einflussreich, und zahlreiche, von Johann ohne Land Verfolgte, hatten hier Zuflucht gefunden.
Der Braune schnaubte unruhig, aber Morgan beabsichtigte nicht, vor Einbruch der Dämmerung in die Stadt zu reiten. Bis kurz vor dem Schließen der Tore wollte er warten, wenn viele hinauseilten und die Wachen genug abgelenkt waren, um sich nicht mit jedem zu beschäftigen, der das Tor passierte.
Er stieg aus dem Sattel, hängte dem Wallach die Zügel über den Hals, und das Tier begann, von dem noch sehr dichten Gras zu zupfen. Morgan hockte sich neben ihn und sah hinunter auf den mächtigen Fluss, der hier direkt vor der Stadtmauer vorüberschäumte. Der Maine entstand hier bei der Stadt Angers aus den Flüssen Mayenne und Sarthe.
Doch nicht dieses Bild allein fesselte die Aufmerksamkeit des Ritters, sondern die gigantische Stadtmauer, an der eine noch nie gesehene Festung entstand. Was hier mit den endlosen Reihen von Fuhrwerken als Baumaterial herangeschafft wurde, wuchs buchstäblich in den Himmel.
Und dann diese großen, unglaublich hohen Türme alle paar Meter! Er schätzte die dickbauchigen Steinkolosse auf etwa dreißig Meter Höhe. Einige von ihnen waren schon fast fertig, andere in den verschiedenen Stadien der Vollendung. Nach alten Erzählungen sollten schon die Römer hier eine Festung gehabt haben, mit der sie das gesamte Maine-Tal, von schroffen Felsen herab, beherrschten. Doch was jetzt unter den Grafen von Anjou entstand, übertraf alles, was Morgan bislang erlebt und gesehen hatte.
Auch die Festungen der Kreuzfahrerorden, an denen er im Morgenland vorbeigekommen und dort sogar gerastet hatte, würden nicht an die Ausmaße dieser Anlage herankommen, wenn sie eines fernen Tages fertig gestellt wäre. Denn so weit sein Blick schweifte, zog sich das Bauwerk am Fluss entlang, bis in die Ferne konnte er Umrisse der Türme erkennen, teilweise erst mit den unteren Steinmauern gesetzt.
Morgan dachte an Miriam und musste lächeln.
Das Wiedersehen war ungewöhnlich herzlich ausgefallen. War er ehrlich zu sich selbst, so musste er sich eingestehen, dass ihre junge Liebe chancenlos war, denn er musste innerhalb der nächsten Wochen nach Cornwall zurückkehren, um der Aufgabe, die ihm König Richard gestellt hatte, nachzukommen. Dazu war es erforderlich, dass Sir Baldwin, der Rote Jäger, seine über das Land versprengten Aufständischen zusammenrief. Aber wenn auch ihre Zahl stets angewachsen war und viele Gefechte mit den Söldnern Johanns von ihrer Kampfkraft zeugten, so waren es bei Weitem nicht genug, um das Ziel zu erreichen: Die Vertreibung des unrechtmäßigen Herrschers über England.
Doch Miriam hatte ihn fröhlich begrüßt und als er am Abend mit ihr an der großen Tafel saß und von den köstlichen Speisen und Weinen probierte, saß sie ihm gegenüber, lächelte ihm ständig zu und als dann die Musik begann, gab sie ihm einen unmissverständlichen Wink, dass sie seine Aufforderung zum Tanz erwartete. Sehr zum Kummer zahlreicher junger Ritter, die auf Burg Manoir offenbar ihre Langeweile pflegten und sich um die anwesenden Damen bemühten, hatte Lady Miriam an diesem Abend auch nicht einen einzigen Blick für die große Schar der Höflinge.
Morgan seufzte und lenkte sich schließlich ab, indem er die Fuhrwerke zählte, die aus der Burg zurückkehrten. Zahlreiche Ochsen, aber auch Esel und einige Pferde waren vor diese zweirädrigen Karren gespannt. Die meisten von ihnen waren wie auch die müde wirkenden Lenker auf den einfachen Holzbalken von einer staubgrauen Schmutzschicht bedeckt, und als nun einige von diesen Fahrzeugen dicht an ihm vorüber, auf der holprigen Straße entlangpolterten, musste Morgan lächeln. Bei Mensch und Tier wirkte es schon sehr komisch, in den grauen Gesichtern Augen und Mund zu erkennen, die sich in der Staubschicht bewegten und damit zeigten, dass in diesen grauen Wesen noch Leben steckte.
Als sich die Sonne anschickte, hinter den Häusern von Angers unterzugehen, strich sich Morgan über die inzwischen wieder lang gewachsenen, rot-blonden Haare und stülpte sich die Cory, die Bundhaube, darüber. Auf den Helm mit der Nasenspange verzichtete er und befestigte ihn am Vorderzwiesel seines Sattels. Dann stieg er auf und trieb den Braunen an, der sich nur ungern von seiner saftigen Weide trennte. Das Tier hatte er sich auf Manoir gekauft, weil er seinen bewährten Blane bei der überhasteten Flucht in England zurücklassen musste. Es war durchaus brauchbar, wenn auch längst nicht so ausdauernd und erfahren wie sein langjähriger Gefährte in der Heimat.
Offenbar hatte sich Morgan den richtigen Zeitpunkt ausgesucht, um das Stadttor zu passieren. Die Wachen lehnten müde an ihren Lanzen, achteten kaum auf die Menschen, die sich hinausdrängten, und musterten nur knapp die wenigen, die in die Stadt wollten. Einer der Männer warf ihm einen raschen Blick zu, Morgan nickte grüßend, der Soldat schaute in eine andere Richtung, und schon war er auf der Straße in die Stadt. Man hatte ihm eine Adresse für eine gute Taverne genannt, und nach der erkundigte er sich bei einem der einfachen Männer, die ihm barfuß und nur mit Hemd und Bruche bekleidet entgegen kamen.
Zunächst hatte er kein Glück, denn die einfache Landbevölkerung übernachtete wohl äußerst selten in der Stadt. Aber dann traf er auf einen offenbar besser gestellten Bürger, der eine Surcotte mit reich besticktem Saum trug und ihm höflich auf die Frage nach der Taverne den Weg wies.
Hier fand der Braune einen trockenen Stall und der Reiter ein einfaches Zimmer, in dem allerdings zwei schmale Betten standen. Morgan kannte die Sitte, oft noch einen weiteren Gast mit einzuquartieren und machte dem stämmigen, rotgesichtigen Wirt sofort klar, dass er das Zimmer für sich allein nutzen wollte.
Als der Mann die Augenbrauen runzelte, legte ihm Morgan stillschweigend einen halben Silberling auf den Tisch, und blitzschnell verschwand das Stück, während ein breites Lächeln das Gesicht des Mannes überflog. Seine blaurote Nase verriet auf den ersten Blick, dass er seine Weine selbst häufig kostete, und als sich Morgan nach einem warmen Essen erkundigte, erhielt er in kaum einer halben Stunde ein frisch gebratenes Fleischstück, das er zusammen mit etwas Kohl aß und sich anschließend mit dem Wirt unterhielt, während sich der Gastraum langsam mit weiteren Personen füllte. Schon bald hatte der Mann so viel zu tun, dass an eine Unterhaltung nicht mehr zu denken war, aber Morgan hatte schon genug erfahren.
In Angers hatte er die Adresse eines jüdischen Kaufmannes, der ihm besonders empfohlen wurde. Der Mann stand im Ruf, ein treuer Anhänger Richard Löwenherz’ zu sein und gute Verbindungen nach England zu unterhalten. Das war in diesen Zeiten nicht unbedingt eine Empfehlung, aber als ihm ein paar Namen genannt wurden, die mit dem Juden in Verbindung standen, wurde Morgan rasch klar, dass er wohl den richtigen Mann gefunden hatte.
Doch für einen Besuch am heutigen Abend war es längst zu spät. Die Schenke war nach einer guten Stunde von lärmenden Fuhrleuten gefüllt, und Morgan beschloss, noch einen Bummel durch die Stadt zu machen und sich ein wenig umzusehen. Bei dem Lärm wäre an Schlaf ohnehin noch nicht zu denken gewesen, und er hatte sich in den Tagen auf Burg Manior ausgeschlafen, fühlte sich voller Tatendrang und kräftig.
Unbewusst lenkte er seine Schritte zur Stadtmauer und dort zu der großen Baustelle, auf der noch immer Leben herrschte. Zwar hatten die Maurer schon die Arbeit eingestellt, aber die Zimmerleute waren dabei, einen neuen und sehr großen Kran zu errichten.
Zu diesem Zweck standen überall Männer an großen Feuern und sorgten dafür, dass die Flammen genügend Licht auf dem Platz gaben. Riesige, schwere Stämme waren von den Lasttieren herangeschleppt worden und wurden nun im flackernden Schein der Flammen mit großen Äxten zurechtgeschlagen.
Eine Weile schaute Morgan dem Treiben zu und staunte über die Fertigkeit der Zimmerleute, die ihre Äxte so haargenau auf die vorgesehene Stelle schlugen und wieder über den Kopf führten, um erneut auszuholen und zuzuschlagen. Die Späne flogen nach allen Seiten, und er konnte sich gut vorstellen, dass dieser Kran schon bald fertig wurde. Von einem der Männer an den Feuerstellen ließ er sich erklären, wie diese schweren Geräte aufgestellt wurden und erfuhr dabei, dass man den unteren Balken, der das Gewicht des Kranes aufnehmen musste, in den weichen Boden am Flussufer drückte und danach mit den mächtigen, zugeschlagenen Tuffsteinen die erste Mauerreihe direkt darüber führte.
Als er sich danach erkundigte, wie man anschließend den Balken wieder entfernen konnte, wenn die Mauer erst einmal errichtet war, sah ihn der Mann mit einem merkwürdigen Blick an und lachte dann schallend.
„Ihr versteht nicht viel vom Mauerbau, nicht wahr?“, erkundigte er sich dann, noch immer lachend, und schürte mit einer eisernen Stange das Feuer hoch auf.
„Ehrlich gesagt, überhaupt nichts, guter Mann!“, antwortete Morgan. Er war über die Frage keineswegs verärgert, denn die Art des Mannes war doch sehr gutmütig.
„Das dachte ich mir!“, lautete die Antwort, und dann deutete er auf ein fertiges Stück der großen Anlage. „Wenn Ihr einmal dort richtig nachschaut – aber da müsst Ihr Euch schon direkt auf den Boden davor legen – dann könnt Ihr vielleicht noch ein Stück vom unteren Balken erkennen. Der bleibt nämlich unter der Mauer bis zum Jüngsten Tag!“
„Danke für die Belehrung!“, antwortete Morgan vergnügt und schüttelte beim Weitergehen den Kopf. Eine einfache Erklärung, und doch für ihn ein Blick in eine fremde Welt. Aber Morgan lernte sehr gern dazu und wollte wissen, wie alles zusammenhing und funktionierte.
Auf dem Rückweg zu seiner Taverne bog er falsch ab und stand gleich darauf am Anfang einer sehr dunklen Gasse, aus der noch dazu ein unangenehmer Geruch herüberwehte. Gerade wollte er umkehren, als er einen Laut vernahm, der ihn an menschliches Stöhnen erinnerte. Irgendetwas polterte gleich darauf, und als Morgan einen Schritt nach vorn machte, erhielt er aus dem Dunkel plötzlich einen Stoß gegen die Brust, der ihn überraschte und hart gegen die Mauer seitlich taumeln ließ.
Doch im Nu hatte er sich gefangen, wirbelte herum und erkannte einen Schemen vor sich, der offenbar fliehen wollte.
„So aber nicht, mein Freund!“, rief Morgan grollend und setzte dem Mann nach, der ihn so hart geschlagen hatte. Nach nur wenigen Schritten packte er zu und riss den Unbekannten an seinem Gewand zurück.
Der gab einen kurzen Schrei von sich, drehte sich zu dem Ritter herum und Morgan ahnte mehr, als er es sah, dass der Bursche ein Messer in der Hand hielt und einen Streich in seine Richtung machte. Als er instinktiv zurückwich, spürte er, wie die Klinge über seine Cotte fuhr und der Stoff aufgeschlitzt wurde.
Da hatte er aber auch schon fest zugegriffen und drehte den Arm so kraftvoll zur Seite, dass mit dem Knacken der Knochen der Mann laut aufschrie. Das Messer fiel klirrend auf den Stein der Straße, und Morgan setzte einen Faustschlag nach, der den Mann ins Gesicht traf und ihn zu Boden schickte.
Gleich darauf eilte er zurück, um nach einem möglichen Opfer Ausschau zu halten. Tatsächlich – am Ende der dunklen Gasse bewegte sich etwas ganz langsam auf dem Boden, und als Morgan hinzu lief und leise sagte:
„Keine Angst, ich helfe Euch!“, kam als Antwort nur ein kümmerliches Stöhnen. Er stützte den Überfallenen ab und zog ihn aus der Gasse hinüber in die Straße, wo es zumindest etwas besseres Licht durch den nächtlichen Himmel gab. So konnte er das blutüberströmte, bärtige Gesicht eines jungen Mannes erkennen, der in diesem Augenblick zusammenklappte und ihm aus den Händen glitt.
Das Sternenlicht reichte nicht aus, um die Schwere seiner Verletzungen zu erkennen, und so packte er den Ohnmächtigen behutsam über seine rechte Schulter, hielt seine Beine fest und eilte in die Richtung, in der sich nach seiner Meinung die Taverne befinden musste.
Glücklicherweise erkannte er bald darauf die beleuchteten Fenster, aus denen auch noch der Lärm der Zechenden zu ihm hinausdrang. Morgan stieß die Tür mit dem Fuß auf und trat ein. Augenblicklich kehrte Ruhe im Schankraum ein, und als er den Ohnmächtigen auf die nächste freie Bank bettete, brachte ihm der eilig herbeigeschlurfte Wirt einen Krug mit Wasser. Damit befeuchtete Morgan die Schläfen des jungen Mannes, träufelte etwas auf dessen Lippen und hatte gleich darauf Erfolg. Der Ohnmächtige erwachte, schlug die Augen auf, sah sich erstaunt um und versuchte dann, sich aufzurichten. Aber mit einem schmerzhaft verzerrten Gesicht sank er gleich darauf wieder auf die Bank und hielt sich den Kopf.