David Kröll

Zwischen den Wundern Gottes und den Abenteuern der Welt

David Kröll

Zwischen den Wundern Gottes und den Abenteuern der Welt

Narrationen der Fremdheit und des Reisens in der Lyrik von Oswald von Wolkenstein und Paul Fleming

Tectum Verlag

David Kröll

Zwischen den Wundern Gottes und den Abenteuern der Welt.
Narrationen der Fremdheit und des Reisens in der Lyrik von
Oswald von Wolkenstein und Paul Fleming

© Tectum Verlag Marburg, 2016

Zugl. Diss. Universität zu Köln 2015

ISBN: 978-3-8288-6582-2

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter
der ISBN 978-3-8288-3863-5 im Tectum Verlag erschienen.)

Umschlagabbildung: Illustration aus „Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen und Persischen Reyse, So durch gelegenheit einer Holsteinischen Gesandtschaft an den Russischen Zaar und König in Persien geschehen“ von Adam Olearius (1656), online verfügbar unter https://archive.org/details/bub_gb_LS5OAAAAcAAJ

Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

Besuchen Sie uns im Internet
www.tectum-verlag.de

 

 

 

 

 

 

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind
im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.

Meiner Familie

Vorbemerkung und Dank

Die vorliegende Arbeit wurde im Wesentlichen im Zeitraum von 2010 bis 2014 verfasst und im Wintersemester 2014/2015 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Literatur, die bis Anfang 2015 erschienen ist, konnte darin berücksichtigt werden. Über die vier Jahre ihrer Entstehung haben mich viele Menschen mit hilf und rat begleitet, denen ich an dieser Stelle aufrichtig danken möchte:

Meine Doktormutter Frau Prof. Dr. Ursula Peters hat mich mit ihrer Begeisterung für ihr Fach angesteckt und verstand es, diese in die richtigen Bahnen zu lenken. Ihr verdanke ich sowohl meine Sensibilisierung für die Feinheiten detaillierter Analysen als auch, dass ich in dem komplexen Feld theoretischer Konzepte den Überblick behalten habe. Bei Herrn Prof. Dr. Torsten Hahn bedanke ich mich für seine Bereitschaft zur Übernahme der Zweitkorrektur. Ferner danke ich Herrn Prof. Dr. Drux für wichtige Hinweise und dafür, dass er die Arbeit von Beginn an aus der Perspektive der Neugermanistik begleitet hat.

Den Verantwortlichen der Graduiertenschule a.r.t.e.s. danke ich für die Bewilligung eines Stipendiums. Darüber hinaus haben die Diskussionen mit Vertretern vieler verschiedener Disziplinen im Rahmen dieser Graduiertenschule mir wichtige Impulse und Ideen geliefert. Mein Dank gilt insbesondere Frau Prof. Dr. Wittekind, Herrn Prof. Dr. Nünlist und meinen Mitstipendiatinnen und Mitstipendiaten der „Klasse 1“.

Besonders herzlich möchte ich zudem meinen Freunden für ihr interessiertes und kritisches Hinterfragen meines Vorhabens danken, allen voran Jochen Molitor. Fachlich wichtige Hinweise gaben mir auch meine Kolleginnen und Kollegen am Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Universität zu Köln.

Inhalt

Einleitung

1.Forschungsüberblick

1.1Epochentheorie: ‚Umbruch‘ zwischen Mittelalter und Neuzeit?

1.1.1Fiktionalität und Subjektivierung

1.1.2Religiosität und Neugierde

1.1.3Gattung

1.1.4Kommunikation und Öffentlichkeit

1.1.5Autonomie

1.2Forschungs- und Wirkungsgeschichte Oswalds von Wolkenstein und Paul Flemings

2.Methoden: Neuzeitlich-narrative Lyrik

2.1Lyrik als Quellengattung

2.1.1Subjektivität

2.1.2Kürze

2.1.3Musikalität

2.1.4Bildlichkeit und ‚poetische Lizenzen‘

2.1.5Neuere Theorien

2.1.6Folgerungen

2.1.7Narratologische Lyrikanalyse

2.1.8Kritik am narratologischen Ansatz

2.2Erzählen im ‚Lyrischen‘: Ein Erklärungsversuch für die rückblickend ‚neuzeitliche‘ Einschätzung Oswalds von Wolkenstein und Paul Flemings

2.3Erzählen und Gedichtserien: ‚Gefangenschaftslieder‘ und ‚Niehusengedichte‘

2.3.1Oswald von Wolkenstein: ‚Gefangenschaftslieder‘

2.3.2Paul Fleming: ‚Niehusen-Gedichte‘

3.Fremdheit und Reisen

3.1Fremdheit als Epochenmarker

3.2Fremdheitsliteratur

3.3Fremdheit und Reiselyrik

4.Analysen: Fremdheit und Reisen in den Texten Oswalds von Wolkenstein und Paul Flemings

4.1Reflexionen über das Reisen

4.1.1Oswald von Wolkenstein

4.1.2Paul Fleming

4.2Zeit und zeitliche Verortung

4.2.1Oswald von Wolkenstein

4.2.1.1Jahreszeitenallegorie

4.2.1.2Tagelied

4.2.1.3Religiöse Zeit

4.2.1.4Praktische Zeitrechnung

4.2.2Paul Fleming

4.2.2.1Praktische Zeitrechnung

4.2.2.2Jahreszeitenallegorie

4.2.2.3Philosophisch-religiöse Zeit

4.3Fremde Natur und fremde Zivilisation

4.3.1Natur als Topos

4.3.1.1Oswald von Wolkenstein

4.3.1.2Paul Fleming

4.3.2Natur und Kultur: Städtebeschreibungen

4.3.2.1Oswald von Wolkenstein

4.3.2.2Paul Fleming

4.3.3Natur und Gefahr

4.3.3.1Oswald von Wolkenstein

4.3.3.2Paul Fleming

4.4Fremdheit durch den Text: Strategien und Verfahren zur sprachlichen Repräsentation des Fremden

4.4.1Fremde Sprachen und Sprachmischung

4.4.1.1Oswald von Wolkenstein

4.4.1.2Paul Fleming

4.4.2Wir gegen, durch und mit den Anderen

4.4.2.1Oswald von Wolkenstein

4.4.2.1.1Ausgrenzen und abgrenzen

4.4.2.1.2Konstruktionen von Heimat

4.4.2.1.3Vermittlung von Eigenem und Fremdem

4.4.2.2Paul Fleming

4.4.2.2.1Ausgrenzen und abgrenzen

4.4.2.2.2Konstruktionen von Wildheit und Zivilisation

4.4.2.2.3Vermittlung von Eigenem und Fremdem

5.Fazit: Er-Fahrung der Welt zwischen abenteuer und wunder

Literaturverzeichnis

Liedregister

Einleitung

Wer die Enge seiner Heimat ermessen will, reise.
Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte.
Kurt TUCHOLSKY

Die Aufgabe eines Literaturhistorikers ist es, literarische Zeugnisse der Vergangenheit zu historisieren und somit die beiden Disziplinen der Geschichtswissenschaft un der Philologie zu verbinden. Bestenfalls stehen dabei Literatur- und Geschichtswissenschaft in einem Verhältnis wechselseitiger Erhellung. Die Philologie führt ihre Aufgabe, eine Interpretation oder Kommentierung eines Textes zu liefern, notwendig zu einer potenziell universellen Bandbreite an Themen, einer „Art diskursiver Agora“1, auf der gesellschaftliche Debatten, Themen und Wahrnehmungen zusammentreffen. Umgekehrt stellen literarische Zeugnisse für den Historiker eine wertvolle, weil im Diskurs prononcierte, als bedeutungsvoll bewertete und womöglich wirkungsmächtige Quellen dar. Aus diesem Blickwinkel des Historikers, der ein literarisches Zeugnis einer vergangenen Zeit ‚zum Sprechen bringen will‘, gilt es nicht nur – was schwer genug ist – eine schlüssige Interpretation des Kunstgegenstands zu bieten, sondern auch, diese in Entstehungszeit und Kontext einzubinden. In einem solchen Sinne ist die germanistische Mediävistik historische Literatur- und Kulturwissenschaft. JAN-DIRK MÜLLER sieht darin ihren „unverzichtbare[n] Beitrag“ zu den Geisteswissenschaften, dass sie „keine philologische Detailuntersuchung ohne übergreifende historische und theoretische Perspektive und keine allgemeine historische oder theoretische Erörterung ohne philologische Basis“2 liefere.

Die Ausdifferenzierung moderner Wissenschaften ist notwendig, aber teilweise liegen nah verwandte Fächer, die sich mit ähnlichen Problemstellungen befassen, methodisch so weit auseinander, dass man zunächst genötigt ist, auf einer theoretischen Ebene Verbindungslinien zu suchen. Gleichberechtigt und sinnvoll abwägend aus verschiedenen Disziplinen und Theorien zu schöpfen, erfordert ein gewisses Fingerspitzengefühl, vor allem aber eine klare methodische Reflexion. Dabei ist klar, dass es ohne eine historische Einbettung keine befriedigende Interpretation geben kann, allerdings läuft eine allzu historisierende Deutung auch Gefahr, die prinzipielle Offenheit von Kunst allzu sehr zu vereindeutigen und den Text somit möglicher mehrdimensionaler Deutungsmöglichkeiten zu berauben. Grob vereinfacht kann man sagen, dass dieses Dilemma tendenziell umso gravierender wird und ‚nüchterne‘ historische Erkenntnisse sowie artifizielle Interpretationen sich umso schärfer gegenüberstehen, je ‚literarischer‘ ein Text gestaltet ist, d. h. je mehr er von der Normalsprache abweicht und anderen Regeln unterliegt. In der Gattung Lyrik, die als ‚literarischste‘ gelten kann (s. Kap. 2.1), erfährt diese Problemstellung ihre Zuspitzung.

Eine wie auch immer geartete Historizität der Aussagen in den Gedichten von Oswald von Wolkenstein (um 1377–1445) und Paul Fleming (1609–1640) steht allerdings nicht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Sie ist aber der zentrale Bezugspunkt des einleitenden forschungskritischen Teils (Kap. 1 und Kap. 2). Die Untersuchung ist zwar dem Problembereich von ‚Dichtung und Wahrheit‘ gewidmet, nähert sich diesem aber auf indirektem Weg. Gerade in Deutschland hat der nachhaltig wirkende klassisch-romantische Begriff der ‚Erlebnisdichtung‘ diese Fragestellungen nach der historischen Realität ‚hinter‘ der Dichtung verengt und verdeckt. Auch Versuche, das Paradigma der Erlebnislyrik zu überwinden, grenzen sich in den meisten Fällen von den erlebnislyrischen Konzept ab und sind eng darauf bezogen. Für vormoderne Lyrik vor dem 18. Jahrundert ist diese Frage besonders virulent, weil fraglich ist, ob man das Konzept auf eine Zeit übertragen darf, deren Dichtungsideale anders waren. In neuerer Zeit ist unter dem Konzeptbegriff der Alterität darüber diskutiert worden, womit zumindest auf einer ersten Ebene die basale Andersartigkeit der Vormoderne festgeschrieben worden ist.

Wie schwierig es ist, eine radikal andere Literaturauffassung zu beschreiben und zu verstehen, zeigt sich an den beiden hier zu untersuchenden Autoren: Sowohl in Oswald von Wolkenstein als auch in Paul Fleming hat man immer wieder Vorläufer für die neuzeitliche Dichtungsauffassung gesehen. Eine Art ‚persönlicher Ton‘ und eine Überwindung von Gattungsgrenzen und Traditionsgebundenheit sollen bei beiden zu erkennen sein. Dazu wurde der historische Lebenshintergrund zum Verständnis herangezogen. Man hat sich zwar mittlerweile von einer biografistischen Herangehensweise verabschiedet und betont Gattungsgebundenheit und literarische Konventionen, jedoch steckt dieser Gedanke, wenn auch differenzierter und problematisierter, implizit auch in neueren Ansätzen (s. Kap. 1.2).

Begünstigt von der hervorragenden Quellenlage, ist das Verhältnis von historisch nachprüfbarer Biografie und dichterischer ‚Verarbeitung‘ dabei von besonderem Interesse: Weite Reisen, biografische Einsprengsel, Detailrealismen, vermeintlich auf historische Personen zurückführbare Frauennamen in der Liebesdichtung u. ä. haben Forschergenerationen zu biografischen Deutungen verlockt, die wiederholt durch Verweis auf Festlegung durch Tradition, Konvention und Gattung infrage gestellt worden sind. Beide Autoren erscheinen als derart ‚unkonventionell‘ und ‚individuell‘, dass sie jeweils eine lange Forschungsgeschichte im Hinblick auf persönlichen Ausdruck in Relation zu Tradition und Konvention haben. Beiderseits wurde ein außergewöhnlicher, ‚eigener Stil‘ darauf zurückgeführt, dass sie soziale und literarische Außenseiter waren, die abseits der gängigen literarischen Praxis dichteten: durch Isolation während ihrer weiten Reisen (beide) oder durch die soziale Stellung (der adlige Oswald im zunehmend städtisch-bürgerlich geprägten Literaturbetrieb) und dadurch, dass sie literarische Laien waren (Oswald, Fleming hatte zusätzlich den Beruf des Arztes). Oswald scheint primär seinen politischen und herrschaftlichen Pflichten nachgegangen zu sein. Fleming hat unter den Dichtern seiner Zeit einen Sonderstatus wegen seiner mehrjährigen Gesandtschaftsreise, in der er einen Großteil seiner Lyrik produziert hat. Eine gängige Ansicht ist, dass diese Herauslösung aus heimischen Traditionen und dem regelmäßigen Austausch mit Gelehrten die individuellen Züge seiner Lyrik begünstigt habe. Doch selbst auf diese Reise ging er offiziell nicht als Dichter, sondern als Mediziner und als Hofjunker und Truchseß. Andererseits sind beide Autoren insofern repräsentativ für ihre Epochen, als sie die gesamte Bandbreite der zeitgenössisch gängigen Lyrik-Register abdecken.

Von all diesen Gründen für den exzeptionellen Status beider Dichter werden zwei in dieser Arbeit eingehender untersucht: Zum einen hat die gute Dokumentation des Lebens in zeitgenössischen Quellen die Forschung nach der Biografie und den realhistorischen Details in den Texten fragen lassen. Zum anderen finden sich dort v. a. Hinweise auf ihre Reisen. Beide Themenkomplexe sind in der Rezeptionsgeschichte häufig verknüpft worden. Die Prämisse der vorliegenden Arbeit ist, dass Biografisierung, Weitgereistheit und daraus resultierende Exzeptionalität primär rückblickende Zuschreibungen der Rezipienten darstellen, die sich aber mit gewissem Recht auf Ansatzpunkte in den Gedichten berufen können. Da sowohl biografische als auch Reise-Anekdoten im strengen Sinne erzählerisch sind, wird der Fokus v. a. des ersten Teils (Kap. 2) auf ‚erzählerischen‘ Bestandteilen der Gedichte liegen. Zu deren Untersuchung ist der Ansatz der narratologischen Lyrikanalyse (Kap. 2.1.7) gewinnbringend, der weiterführend über Einzeltexte hinaus auf ganze Textserien ausgeweitet wird (Kap. 2.2 und 2.3).

Die Zuschreibung von ‚Modernität‘ impliziert einen Gegensatz zwischen der Epoche des Autors und seinem Werk, das über die Zeit hinausweist. Eine punktuelle Studie zu solchen Implikationen der Epochentheorie zu leisten, ist das zweite Ziel der Arbeit. Viele Theorien beschreiben einen Bruch um 1500. Es mangelt nicht an Hypothesen darüber, was die entscheidenden Ereignisse oder Entwicklungen für einen solchen waren, etwa technisch-wissenschaftliche Innovationen, die großen Entdeckungsfahrten oder die Reformation. Dabei ist heute unter den Historikern Konsens, dass sich ein derart grundlegender Geisteswandel nur in einer längeren Übergangszeit entwickeln kann. Etwa 200 Jahre trennen die Schaffenszeit der beiden Autoren, in denen viele der angeführten Veränderungen und Innovationen geschehen sind. In einem Vergleich sollten demnach Spuren eines größeren Umbruchs im Denken, der v. a. eine neue Konstruktion von dichterischem Selbstverständnis beinhaltet, zu erkennen sein. Bei einem gegenteiligen Befund würde sich ex negativo ein Indiz für die Richtigkeit derjenigen Ansätze ergeben, die einen grundlegenden Geisteswandel erst später annehmen, wie etwa REINHART KOSELLECKS Konzept der „Sattelzeit“ um 1800 (s. Kap. 1.1).

Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit ist daher der Frage gewidmet, wie man die enge Verzahnung von Zuschreibungen der ‚Neuzeitlichkeit‘, Biografie und Reisen im Hinblick auf die Epochendiskussion fruchtbar machen kann. Dazu wird der enge Konnex der angesprochenen Forschungsfragen zu den unternommenen Reisen genauer untersucht. Reisen und ihre Darstellung in der Literatur sind eng mit der Wahrnehmung von Fremdheit und von fremder Natur verbunden. In einer ‚autonomen‘, also nicht bestimmten Textfunktionen untergeordneten, Darstellung von Natur wurde vielfach ebenso ein epocaler Wechsel zwischen Vormoderne und Moderne gesehen, wie in der Anerkennung und Beschreibung von kulturell Fremdem. Kapitel 3 ist diesem Zusammenhang gewidmet. In den Analysen von Kapitel 4 werden die verschiedenen Implikationen dieses offenen Fremdheitsbegriffs systematisch untersucht: Zunächst geht es um direkt und bewusst in den Texten unternommene Reflexionen über das Fremde und das Reisen (Kap. 4.1). Daraufhin wird den beiden der Wahrnehmung (von Fremdem) zugrundeliegenden Kategorien ‚Zeit‘ und ‚Raum‘ im Hinblick auf Oswalds und Flemings Lyrik nachgegangen (Kap. 4.2). Gerade hier ist es wichtig, den Gattungsmustern und literarischen Traditionen nachzuspüren, vor deren Hintergrund sich Darstellungen von Andersartigem abheben können. Nimmt man die prinzipielle Gebundenheit an Topoi und literarische Muster im Spätmittelalter und in der Barockzeit ernst, dann muss man die Gedichte umfassend analysieren und nach kleinen ‚Brüchen‘ suchen. Der letzte Teil der Untersuchung ist den literarischen Strategien der Repräsentation des Fremden gewidmet (Kap. 4.3). Fremdsprachliches kann in einem literarischen Kontext in besonderem Maße fremdartige Eindrücke transportieren. Anschließend werden die verschiedenen Strategien verglichen, nach denen man Eigenes und Fremdes einander gegenüberstellen kann. Die Ausgrenzung des Fremden, sein Konstruktionscharakter und vermittelnde Bezüge sind dabei die Leitkategorien.

Grundthese dieser Arbeit ist es, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Darstellung von Natur und Reiseablauf sowie philosophischen Konzepten wie Neugierde bzw. konzeptionell-literaturwissenschaftlichen Kategorien besteht, denen ein Wandel zwischen Mittelalter und Neuzeit nachgesagt wird, wie beispielsweise der Ich-Darstellung. Es kann natürlich nicht das Ziel sein, einen Epochenumbruch zwischen Mittelalter und Neuzeit zu beweisen, sondern umgekehrt muss man besonders an den Stellen vorsichtig sein, an denen man schnell mit Generalisierungen zur Stelle ist. Ziel der Untersuchung ist es, anhand eines Vergleichs einige der wirkungsmächtigen Theorien über den Übergang zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit im Hinblick auf den Konzeptbereich Fremdheit auf ihre Evidenz und Aussagekraft zu überprüfen. Dabei ist von zentralem Interesse, spezifisch mediävistische Diskussionen und Tendenzen der Barock-Forschung aufeinander zu beziehen, da in beiden Teildisziplinen mitunter ähnliche Fragestellungen methodisch unterschiedlich gelöst werden. Inhaltlich sollen Erkenntnisse über die Verschiebung und Neukonstituierung von Gattungsgrenzen zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert und deren Auswirkung auf die Rollenentwürfe in der Lyrik gewonnen werden. Oswald und Fleming sind m. E. zeitlich ausreichend getrennt, um eine mögliche Entwicklung ableiten zu können und sind dennoch beide den Forschungskonstrukten nach an Gelenkstellen zwischen Mittelalter und Neuzeit situiert (Kap. 1.2). Die beiden Linien der Untersuchung – die eines Epochenübergangs und die der Fremdheitsdarstellung – haben einen weiteren Überschneidungspunkt darin, dass sie durch eine ‚doppelte‘ Alterität gekennzeichnet sind: Es werden literarische Quellen aus einer aus heutiger Sicht als alteritär wahrgenommenen Zeit untersucht, die von Erfahrungen kultureller Alterität handeln. Zusätzlich zu den Methoden aus Geschichts- und Literaturwissenschaft werden aus diesem Grund im Einzelfall solche aus der Ethnologie hinzugezogen. Darstellung und Repräsentation von Fremdheit ist die Grundfrage der vorliegenden Arbeit und es ist die Kernfrage der Ethnologie als der „Wissenschaft vom kulturell Fremden“3.

Noch einige Anmerkungen zur Anlage der Untersuchung: Der Vergleichbarkeit halber werden die Texte Oswalds und Flemings immer im Wechsel denselben Kategorien nach untersucht. Notwendigerweise sind diese nicht immer gleich ergiebig, so dass sich mitunter unterschiedlich lange Abschnitte ergeben und unterschiedlich viele Texte behandelt werden. Der Vergleich soll kein starres Korsett darstellen, sondern ein flexibles Vorgehen ermöglichen. Zitiert werden die Ausgaben von KARL KURT KLEIN und JOHANN MARTIN LAPPENBERG,4 sofern nicht auf eine andere Ausgabe verwiesen wird. Diesen Ausgaben entsprechend werden in Flemings Texten die Verse komplett durchnummeriert und in Oswalds Liedern, bei denen häufig die strophische Anordnung entscheidend ist und die Ausgabe beides bietet, nach Strophen zitiert.

1Küpper: Was ist Literatur?, S. 208.

2Müller: Vorbemerkung, S. 1.

3So der Untertitel der Einführung von Karl-Heinz Kohl: Ethnologie.

4Klein: Die Lieder Oswalds von Wolkenstein; Lappenberg: Paul Flemings deutsche Gedichte, 2 Bde.; Ders.: Paul Flemings lateinische Gedichte. Der dortigen Einteilung in Bücher folgend werden die Texte Flemings mit PW (Poetische Wälder), Od (Oden), S (Sonette), Ü (Überschriften) und Ep (Epigramme) und entsprechender Nummerierung abgekürzt.

1.Forschungsüberblick

1.1Epochentheorie: ‚Umbruch‘ zwischen Mittelalter und Neuzeit?

Epochen sind Konstrukte und nicht gegebene Wirklichkeiten. Mit Hilfe dieser Modelle versuchen Historiker, Perioden der Geschichte zu ordnen und voneinander zu unterscheiden. Im Konstrukt einer Epoche müssen also einerseits bestimmte „Sinnsysteme temporärer Dominanz“5 benannt und andererseits eine spezifische Distinktion gegenüber den Nachbarepochen geleistet werden. Solche für einen längeren Zeitraum spezifischen Merkmale und eine derart trennscharfe Abgrenzung sind nicht durch ein isoliertes Einzelelement zu leisten, „sondern nur durch die Angabe einer spezifischen Menge von Kriterien und der diese charakterisierenden Relationen“6. Doch auch mit einer Vielzahl von Merkmalen unterfütterte Epochenkonstruktionen zielen auf Idealität, die eine innere Kohärenz zuschreiben. In diesem Sinne mit epochenspezifischer Bedeutung ‚aufgeladene‘ Einzelphänomene oder Merkmalsbündel werden dabei häufig überbewertet und das außerhalb des Typischen und des Distinkten Liegende gerät aus dem Blickfeld. Aus diesem Grund und um die starren Grenzen der Großepochen Antike, Mittelalter und Neuzeit aufzubrechen, hat die Forschung in den letzten Jahren verstärkt nach den Kontinuitäten und nach kleinschrittigeren Unterteilungen gesucht.

Für die vorliegende Untersuchung ist allerdings weniger eine möglichst genaue Beschreibung einer klar abtrennbaren Epoche kleiner oder mittlerer Reichweite angedacht. Vielmehr werden zwei punktuelle Einzelbeispiele (Oswald von Wolkenstein und Paul Fleming) einer bestimmten Textgattung (Lyrik) zu einem bestimmten Thema (Reise und Fremdheit) untersucht, wobei die beiden Untersuchungszeiträume so weit auseinanderliegen, dass keine Hypothese über eine konkrete Epochengrenze formuliert werden kann. Von dem Gedanken einer Vielzahl von Einzelphänomenen ausgehend, die ein Epochenkonstrukt erst tragfähig machen, sowie davon, dass es unwahrscheinlich ist, dass sich viele kleine Veränderungen gleichzeitig ereignen, ermöglicht dieser ‚Schritt zurück‘, mögliche Wandlungen im Hinblick auf einen klar abgesteckten Gegenstandsbereich über lange Zeiträume zu beobachten. Im Folgenden ist es demnach nicht das Ziel, eine tragfähige Epochenkonstruktion zu etablieren, sondern in gängigen und wirkungsmächtigen Epochentheorien Merkmale zusammenzutragen, die am hier gewählten Untersuchungsgegenstand nutzbar gemacht werden können.

Zur „Epochenschwelle“7 zwischen Mittelalter und Neuzeit um 1500 gibt es derart viele Theorien und Merkmale, dass sie schwer zu überblicken sind:8 Die Entdeckung Amerikas, der Fernhandel, religiöse Erneuerungsbewegungen (insbesondere die Reformation), geopolitische Neuordnungen,9 Entwicklung städtischer Kultur, Erfindung des Buchdrucks, die Negativerfahrung der Pest,10 Individualisierung,11 Mathematisierung,12 theoretische Neugierde13 uvm. Oftmals wurden in einem zweiten Schritt Vorformen des als neuzeitlich Erkannten in mittelalterlicher Zeit gesucht, um der impliziten normativen Abwertung dieser Epoche entgegenzuwirken,14 oder die entscheidenden Veränderungen wurden erst später ausgemacht.15 Hier können nicht alle diese Konzepte vorgestellt werden. Es sollen lediglich die in der Forschungsgeschichte der Literatur – und dabei insbesondere für die Lyrik – wirkungsmächtigsten umrissen werden. In besonderem Maße interessieren dabei Konstruktionen und Vereinnahmungen der beiden Autoren Oswald von Wolkenstein und Paul Fleming als epochentypisch bzw. als epochentranszendierend.

Insgesamt zeigen sich die gängigen Überlegungen zum Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit immer noch stark beeinflusst von den kanonisierten Theorien der Soziologen zu Anfang des letzten Jahrhunderts. MAX WEBER prägte die These der „Entzauberung der Welt“, also einer zunehmenden Rationalisierung und Intellektualisierung, nach der die Welt nicht mehr in symbolisch-utopischen Gesellschafts- und Weltentwürfen verstanden wurde.16 Damit gehe einher, dass die ganzheitlich verstandene Frömmigkeit einer individuellen weiche, vormals als objektiv verstandene Strukturen der Wirklichkeit erschienen nun subjektiv. Der Literatur falle in einer Umbruchzeit eine gewichtige Aufgabe zu: Sie fungiere erstens als ‚Seismograf‘ der Veränderungen, als literarisches Krisenbewusstsein. Zweitens solle sie diese Krise auffangen, indem sie sinnstiftende Aufgaben übernehme. Literatur werde autonomer, wenn sie nicht mehr vorgegebene Heilsgeschichte poetisch umsetze, sondern versuche, den verlorenen Sinn über fiktionale Gebilde wieder zu erwecken. Individualisierung und Autonomisierung scheinen allgemeiner beobachtbare Kriterien grundsätzlicher Neuerung zu Beginn der Neuzeit zu sein, wie beispielsweise auch der Kunsthistoriker HANS BELTING bestätigt, indem er in der Überwindung des Wörtlich-Glaubens ein Zeichen für das Ende des Mittelalters sieht. Im Mittelalter hat es nach BELTING keine Abstraktion gegeben. In der Frühen Neuzeit würden die Elemente nun freier verfügbar, das Bildverständnis ändere sich. Die Bilder böten keine objektiven Wahrheiten mehr, seien nicht mehr eigentlich religiös, sondern würden nach dem neuen Kriterium „künstlerisch“ bewertet.17

PIERRE BOURDIEU bietet ein allgemeines Verfahren an, um diese Autonomie in der Literatur festzustellen. Das übergeordnete Prinzip ist dabei das der Differenzierung. Das „soziale Feld“ umfasse prinzipiell die Gesamtheit der gesellschaftlichen Interaktionen und Konstellationen, könne aber in einzelne Subfelder unterteilt werden, für die interne Kriterien und Mechanismen der Wahrnehmung, Bewertung und Legitimation maßgeblich seien. Der Grad der Autonomie lasse sich über sogenannte „Brechungseffekte“ feststellen: durch ästhetische Umformungen aufgrund von äußeren Einflüssen und externen Zwängen, die diesen internen Mechanismen widersprechen. Dabei stecke das Feld immer nur die Möglichkeiten unter den gegebenen künstlerischen, sozialen, historischen und politischen Bedingungen ab. Die Umsetzung liege in der produktiven Spannung zum „Habitus“ des Dichters, den vom Subjekt verinnerlichten kollektiven Dispositionen einer Gesellschaft, die auch vom individuellen Zustand des Dichters abhängig seien.18 Die große Stärke dieses Ansatzes liegt in einem genaueren Fassen des Zusammenspiels von Heteronomie und Autonomie bei der Entstehung von Literatur. Sichtbar wird künstlerische Selbstbehauptung in Relation zu gesellschaftlichen Bedingungen anhand von literarischen und sozialen Konventionsbrüchen. Dies ist insofern hilfreich, als der Begriff der Autonomie historisiert wird: Je nach Zeit und Region ändert sich ihre spezifische Ausformung, so dass Kunst relational wird. Als Sozial- und Kulturwissenschaftler will BOURDIEU ein allgemeines Modell schaffen, das auf verschiedenste Untersuchungsfelder übertragbar sein soll. Dabei muss sein Ansatz allerdings notwendig um ergänzende Methoden erweitert werden, um dem spezifischen Gegenstand ‚Literatur‘ angemessen zu sein.

Auch wenn MICHEL FOUCAULTS Theorie von der „Ordnung der Dinge“ erst nach dem Mittelalter ansetzt und dieses oft als unzulässig vereinfachte Folie zur Abgrenzung neuzeitlichen Denkens benutzt, bietet seine Theorie dennoch brauchbare Ansätze, v. a. im Hinblick auf die Unterschiede in Wissensorganisation und Weltsicht bis ins 17. Jahrhundert.19 Bis dahin – so nutzt FOUCAULT die Vormoderne als abgrenzende Folie – sei der Mensch nur in seiner Beziehung zu Gott gedacht worden und einzig auf die Ewigkeit ausgerichtet gewesen. FOUCAULT verfährt strukturalistisch, leistet aber – das ist entscheidend – eine Genealogie des Strukturalismus, eine historische Prüfung dessen. Das vorneuzeitliche Wissen, das nach Ähnlichkeitsbeziehungen organisiert gewesen sei, in denen sich der Sinn konstituiert habe und in dem Zeichen Abbilder der Dinge gewesen seien, ende damit, dass sich die Beziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem änderten: Zeichen würden zu autonomen Repräsentanten mit eigener formalisierbarer Logik. Dies führe zu einer rationalen Ordnung der Zeichen, die die Erkennbarkeit der Welt garantiere, aber auch zu einer Ungewissheit der Beziehung zwischen Zeichen und Ding.20 FOUCAULT leistet darüber hinaus einen radikalen Bruch mit dem unilinear-diachronischen Geschichtsmodell: Im Hinblick auf den Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit schätzt er wissenschaftliche Entdeckungen als nebensächlich ein. Entscheidend seien die epochenspezifischen Ordnungsstrukturen und Logiken. Wandel sei demnach nicht das Neue, sondern bruchartige Verschiebungen, Diskontinuitäten, nach denen Dinge anders wahrgenommen würden. Dies geschehe aus der Kombination von inneren Schwierigkeiten und äußeren Umständen heraus. Keine Entwicklung oder Reifung, nicht einmal zufällige Abfolge, in der Diskontinuitäten durch konstruierte Alterität gelöst werden, gibt er als Erklärung, sondern lässt diese als „Mutationen“ einfach stehen.

In neuester Zeit herrschen kommunikationstheoretische und mediengeschichtliche Paradigmen vor.21 Der Bruch mit dem biologistisch-teleologischen Epochenkonzept von geschlossenen Einheiten, die durch Zäsuren getrennt sind, wird dabei durch die kommunikativen Rahmenbedingungen menschlichen Miteinanders konkretisiert. Charakteristisch sei eine sukzessive Bildung von Öffentlichkeit durch eine qualitative wie quantitative Erweiterung des Kommunikationsradius und durch die Überwindung des Informations- und Deutungsmonopols der Eliten. Man kann aus diesem Blickwinkel heraus so weit gehen, die Frühe Neuzeit als eigenständige Epoche anzusehen und sie nicht mehr auf einen immer länger werdenden, meist negativ gesehenen Übergangszeitraum zu reduzieren. Die mediengeschichtlichen Ansätze stehen mit dieser Einschätzung nicht isoliert da. Dies ist beispielsweise auch aus sprachgeschichtlichen Gesichtspunkten vertretbar. Ein kommunikationstheoretisches Epochenkriterium ist z. B. die Allgegenwärtigkeit des Dialogs, die sich in neuen Textsorten, öffentlichen Diskussionen oder der Einbettung literarischer Werke über Paratexte in den großen Kommunikationszusammenhang manifestiert.

Sowohl FOUCAULTS als auch BOURDIEUS Thesen und die Systemtheorie NIKLAS LUHMANNS haben eine Gemeinsamkeit in der grundsätzlichen Dichotomie von stratifizierten und funktional-ausdifferenzierten Gesellschaften. Ein Differenzierungsgrad der Gesellschaft ist auch in der Lyrik und in deren Produktionsbedingungen allgegenwärtig. Das Mittelalter kannte natürlich auch Modi der Ausdifferenzierung; diese mussten sich allerdings vor dem allumfassenden Anspruch der Religion rechtfertigen. Bei LUHMANN beginnt die Neuzeit mit der Ausdifferenzierung zu einem Sozialsystem. Grundlegend ist die Ansicht, dass sich der Literaturbetrieb in seinem Verhältnis zu den anderen Teilen der Gesellschaft am besten als soziales System fassen lasse. Da es autonom und selbstreflexiv sei, lasse es sich klar von anderen Sozialsystemen unterscheiden. Autonom meint, dass in der Kunst als einem Subsystem des Gesellschaftssystems Input und Output sekundär sind und es sich primär an sich selbst orientiert, allerdings „unter gesellschaftlichen Bedingungen (also keineswegs ‚frei schwebend‘)“22. Diesen Gedanken machen GERHARD PLUMPE und NIELS WERBER in ihrer Weiterwentwicklung der Systemtheorie, dem „Bochumer Modell“, stark, nach dem das Literatursystem zwar „autopoietisch“, aber nicht hermetisch abgeschlossen ist.23 Im Rückgriff auf ausschließlich interne Strukturen versuche das Literatursystem, seine nicht-literarische Umwelt auf literaturfähiges Material hin abzusuchen und dieses in die eigene Kommunikationsweise zu integrieren. Einerseits sei damit eine System-Umwelt-Differenz feststellbar, die das System in Abgrenzung überhaupt erst konstituiere Andererseits bleibe das System so anschlussfähig und stagniere nicht. Die Veränderung gelinge über den Dreischritt von Variation, Selektion durch ein ‚Feedback‘ aus der Umwelt und Restabilisierung. Der kritische Punkt ist hierbei, dass ein weitgehender Konsens darüber besteht, dass man von einem System ‚Literatur‘ – wenn überhaupt – erst in der modern-differenzierten Gesellschaft ab dem 18. Jahrhundert sprechen kann. Voraussetzung für ein System ‚Literatur‘ sei ein hinreichendes Textkorpus fiktionaler Literatur, die Kommunikationen müssten vernetzt sein und der kennzeichnende Unterschied24 müsse auf der Kommunikationsebene reflektiert werden. Die soziale Funktion bestehe dann darin, dass im Zuge allmählich wachsender Freizeitkontingente ein ständig zunehmender Bedarf an Unterhaltung innerhalb der Gesellschaft entstanden sei. Vor allem mit der zeitlichen Abgrenzung nach vorne hin haben die Systemtheoretiker ihre Schwierigkeiten, da Autopoiesis voraussetzt, dass das System schon im Gange ist, da es sich aus sich selbst heraus reproduziert. Ein Anfang ist also schwer zu bestimmen. Nur ein außenstehender Beobachter aus der Literaturwissenschaft kann dies rückblickend unter Mutmaßungen leisten. An einem für die vorliegende Arbeit entscheidenden Punkt, in der er um die eine mögliche Abgrenzung eines ‚neuzeitlichen‘ Systems geht, kann die Systemtheorie also nicht weiterhelfen. Dennoch kann LUHMANNS Blick von außen punktuell brauchbare Modelle bieten, so z. B. wenn es um die Funktion des Kunstsystems geht. Diese liege „in der Konfrontierung der (jedermann geläufigen) Realität mit einer anderen Version derselben Realität“25, woraus sich in der Gesamtheit eine alternative Sicht auf die Wirklichkeit ergebe. Die alltägliche, erwartbare Realität löse sich auf und werde als lediglich eine Möglichkeit der Kontingenz entlarvt.26 Diese komplexe Beziehung zwischen Realität, Kunstrealität, Kontext und systemspezifischer Kontingenz gilt es zu berücksichtigen, um Lyrik nicht nur als eine Quelle empirischer Daten zu lesen, sondern der Quellengattung mit ihren Eigengesetzlichkeiten und Verzerrungen gerecht zu werden.

Auf ähnliche Weise historisiert LUHMANN den Stilbegriff. Jede Zeit habe ihren Stil, womit eine spezifische Wahl der Kontingenz gemeint ist. In dieser Historizität des Stils stecke die Möglichkeit, künstlerisch mit der Vergangenheit zu brechen, sich als anders abzusetzen.27 Über die Epochendiskussion hinaus, die auch ein Bewusstsein für einen Bruch mit der Vergangenheit als Kriterium diskutiert,28 ändere sich mit dem Stil auch das Verhältnis von Form des Kunstwerks und Kontext. Denn ein so verstandener, überindividueller und zeitgebundener Stil habe auch Auswirkungen auf die literarische Alternativwelt, die alternative Sicht auf die Wirklichkeit, und impliziere ein jeweils spezifisches Verhältnis der Darstellung in der Kunst. Darüber hinaus werde die Koppelung von Kunst und Gesellschaft durch Stil nicht beliebig, sondern durch das Publikum determiniert. Die Gesellschaft bzw. der Teil der Gesellschaft, der als Publikum in Frage kommt, stecke den Rahmen ab und verhindere so einerseits Stagnation immer derselben Stilform, da es Bezugnahmen auf andere Kunstwerke erwartet, und sichere andererseits die gesellschaftliche Relevanz.29

Überblicksartig wurde angedeutet, dass es eine breite und teils widersprüchliche Theorietradition zu den verschiedenen Aspekten eines möglichen Epochenumbruchs zwischen Mittelalter und Neuzeit gibt. Allerdings wiederholen sich bestimmte Denkfiguren und Argumente, wie Rationalisierung, Empirie, Fiktionalität oder Autonomie im Hinblick auf die Literatur. Einige für den Untersuchungsgegenstand gewinnbringende Kriterien sollen im Folgenden noch etwas genauer erläutert werden. Dabei wird von den Modellen einzelner Theoretiker auf solche häufig wiederkehrende Leitkategorien abstrahiert.

1.1.1Fiktionalität und Subjektivierung

Lyrik in der Zeit der ‚Vormoderne‘ vor dem 18. Jahrhhundert wird in der Forschung mit dem Begriff der Rollenlyrik charakterisiert. Im Gegensatz zu einer ‚unmittelbaren Selbstaussprache‘ des Dichters im Sinne der Erlebnislyrik ist damit die Differenzierung zwischen Autor und Sprecherinstanz auch in lyrischen Gedichten in Ich-Form gemeint. Die Sprecherinstanz wird analog zum Theater als eine dramatische Rolle angesehen.30 Die Vorstellung von höfischer oder auch petrarkistischer Dichtung als Rollenlyrik ist allerdings immer wieder in Frage gestellt worden, da einzelne Texttypen formal und inhaltlich nicht von autobiografischer Bekenntnislyrik zu unterscheiden sind. So zum Beispiel durch HARALD HAFERLAND in seiner bewusst provokativen Streitschrift „Hohe Minne“, in der er die These vertritt, das Ich des Werbelieds sei nicht die Ausgestaltung einer Rolle, sondern identisch mit der realhistorischen Person des Autors bzw. des Sängers.31 Besondere Bedeutung erhalten dabei Aufrichtigkeitsbeteuerungen des lyrischen Ich.32 HAFERLANDS Vorgehen ist selektiv, da sich solche Versicherungen von Authentizität auch in anderen Gattungen finden lassen, in denen sich das Ich nicht ohne Weiteres mit dem Sänger gleichsetzen lässt. Er spricht damit einem kleinen Ausschnitt mittelalterlicher Liedproduktion jegliche Fiktionalität ab und weist ihm einen anderen Status als dem Rest zu.33 Die Feststellung, dass Aufrichtigkeitsbeteuerungen in Minnekanzonen häufiger als in moderner Lyrik zu finden sind, „weil die Aufrichtigkeit der Sänger als leibhaftiger Personen“34 auf dem Spiel stehe, ist allerdings gerade auch für die hier zu untersuchenden Gedichte, die aus der Fremde berichten, von besonderer Relevanz. Tatsächlich sind auch diese Gedichte häufig im Hinblick auf den Autor biografisch gelesen worden (vgl. Kap. 1.2 und Kap. 2.2). Diese Sonderstellung bestimmter Formen von Lyrik – insbesondere von idealtypischen lyrischen Ich-Aussagen eines liebenden oder aus der Fremde berichtenden männlichen Ich – zeugt von einer besonders einleuchtenden, seit Jahrhunderten gängigen Verknüpfung von emotionalen Ich-Aussagen, Subjektivierung und Biografie des Autors. Übereinstimmungen oder Kompatibilität zwischen Autor-Biografie und Ich-Aussagen sind allerdings nicht notwendig Hinweise auf fehlende Fiktionalität, sondern können etwa auch durch verzerrte Bezugnahmen verfremdet, durch Fiktionales ergänzt oder stilisierend angeordnet werden – sprich: Mit der Biografie des Autors kann im Kontext seiner Dichtung gespielt werden.35 Die Identifizierung mit der Biografie beruht auf Analogiebildung. Ähnlich könnte man etwa beim Tagelied vorgehen,36 das allerdings meist unstrittig als Rollenlyrik erkannt wird.37 Dort entsteht beim heutigen wie mutmaßlich auch beim zeitgenössischen Rezipienten, sofern er Kenner des Minnesangs ist, eine sehr genaue Vorstellung der handelnden Personen (Dame, Ritter und meist Wächter) und des Handlungsortes (der Kemenate der Dame), obwohl diese tatsächlich nicht genauer beschrieben werden. Szene und Akteure entsprechen jedoch höfischen Rollenbildern, teilen einen Wertekanon und werden durch Informationen aus verwandten Gattungen ergänzt.38 In ähnlicher Weise wie das Personal des Tagelieds durch Kompatibilität mit Bekanntem ständisch-sozial charakterisiert wird, kann man die Gleichsetzung von Autor-Biografie und Ich-Aussagen im Werbelied interpretieren: Das Lied wird in seiner Offenheit bewahrt, entspricht den Gattungskonventionen und erhält eine zusätzliche Spannung aus dieser neuen Sinndimension, die als ein intendiertes Spiel mit Publikumserwartungen zu verstehen ist.39

Subjektivierung und Fiktionalität sind in der vorliegenden Untersuchung insofern von Relevanz, als der Frage nachgegangen wird, warum diese bestimmten Gedichte und Autoren zugeschrieben werden. Es geht weniger darum, ob sich bestimmte Geschehnisse so ereignet haben oder wann ein Fiktionalitätsbewusstsein nachzuweisen ist, sondern welche literarischen Strategien dafür sorgen, dass die Texte als subjektiv und im Kern nicht fiktional verstanden werden. Im Unterschied zu HAFERLANDS primärem Untersuchungsfeld, dem Werbelied der Hohen Minne, das sich prinzipiell aus einer Kompatibilität eines männlichen Sängers mit Perspektive und Grundkonstellation des Liedtyps speist, kommt in den hier behandelten Beispielen ein Mehr an geschilderten Details hinzu. Aufgrund der besseren Quellenlage zur Biografie der Autoren verschiebt sich das Verhältnis von Liedtyp zur Biografie. Weder in der Oswald- noch in der Fleming-Forschung ist es ein bestimmter Liedtyp, dem ein anderer Fiktionsstatus zu- oder abgesprochen wird.40 Stattdessen sind es einzelne Aussagen verschiedener Texttypen, die mit der Autorbiografie abgeglichen wurden. Der Status dieser Detailrealismen wurde dann, umgekehrt als bei HAFERLAND, auf den Kontext des Liedtyps zurückbezogen.

Um diesen zu bewerten, stehen verschiedene Ansätze zur Verfügung. Am wirkungsmächtigsten für die Oswald-Forschung ist das Konzept der „Einstilisierung“ von ANTON SCHWOB, was eine literarische Überformung von Ereignissen mit realem Erlebnishintergrund meint.41 Dieses stellt zwar die „Dominanz des literarischen Verfahrens“42 in den Vordergrund, kann sich aber nicht von dem direkten Abbildungsverhältnis von Historie und Literatur lösen, in dem die ‚Realien‘ in eine ästhetische Realität künstlerisch umgesetzt werden. Einstilisiert heißt, dass reale Gegebenheiten in Deckungsgleichheit mit literarischen Mustern gebracht werden. Sie könnten damit letztlich ebenso gut fiktiv sein. Demgegenüber verweist laut WOLFGANG ISER ‚Reales‘ in einem fiktionalen Kontext keineswegs auf eine Realitätsreferenz und macht das Gesamte als wie auch immer gearteten Stoff „historisch“, sondern die Fakten werden im Gegenteil „irrealisiert“. Dies bedeutet, dass Realitätspartikel sich in einem literarischen Kontext dessen Fiktionalitätsstatus angleichen oder ihn höchstens auf eine Ebene größerer Wahrscheinlichkeit heben, da essentieller Bestandteil eines fiktionalen Textes sei, dass er nicht auf eine extratextuelle Ebene verweisen könne. Man steht vor dem Problem, dass die literarischen Verfahren Paul Flemings und Oswalds von Wolkenstein einerseits besonders durchlässig für Aspekte der Wirklichkeit sind, dies andererseits von Seiten der Literatur aus aber unmöglich zu rekonstruieren scheint, da es keine festen Verweise auf die Wirklichkeit gibt.

1.1.2Religiosität und Neugierde

Ein oft genanntes Kriterium für den Übergang zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit ist HANS BLUMENBERGS Begriff der „theoretischen Neugierde“. Nach BLUMENBERG ist die Neuzeit eine gegenüber Antike und Mittelalter eigenständige Epoche, deren Entwicklung auch in der Notwendigkeit menschlicher Selbstbehauptung angesichts der Zuspitzung des „theologischen Absolutismus“ im spätmittelalterlichen Nominalismus begründet ist. Aus dieser Notwendigkeit heraus sei zu Beginn der Neuzeit die in der griechischen Antike entstandene theoretische Neugier rehabilitiert worden.43 In der Forschungsgeschichte sowohl zu Oswald als auch zu Fleming werden immer wieder die Reiseerfahrung und, v. a. bei Fleming, die Naturdarstellung hervorgehoben (s. Kap. 1.2). Beides sind viel diskutierte Aspekte einer Loslösung von einer heilsgeschichtlich orientierten und ganzheitlich geschlossenen Denkweise, die mit der „theoretischen Neugierde“ insofern verknüpft sind, als damit „die Emanzipation der Naturwissenschaft von der Theologie“44, v. a. von dem von Augustinus wirkungsmächtig formulierten Neugier-Verdikt, gemeint ist. In eine ähnliche Richtung geht MAX WEBERS These der „Entzauberung der Welt“ (s. S. 17).

WEBERS Ansatz bietet zwar ein übergeordnetes Modell, das als Folie brauchbar erscheint, kann aber den genauen Ablauf dieses jahrhundertelangen Prozesses nicht adäquat beleuchten. Gerade im Hinblick auf den punktuellen Vergleich, der hier angestrebt wird, ist eine Überprüfung nötig. Eine Individualisierung der Gotteserfahrung scheint bei Fleming im Gegensatz zu Oswald nicht greifbar zu sein. Im Gegenteil ist gerade ein großer Teil der religiösen Lyrik Flemings, beispielsweise die Leichengedichte, von dezidiert öffentlichem Charakter. Andererseits wird in seiner selbst verfassten Grabschrift kein religiös begründeter, sondern ein in antiker Tradition stehender, auf den Ruhm als Dichter fundierter Wunsch nach Unsterblichkeit formuliert. Hier scheinen zwei Strömungen gleichzeitig zu wirken: Erstens die von WEBER erwähnte Individualisierung von Religiosität, die v. a. in der Popularität von Pietismus und christlichem Stoizismus deutlich wird. Zweitens eine Steigerung der (öffentlichen) Bedeutung von Religion im Zuge der Konfessionalisierung. Das Barock bestätigt die Stellung, die es in der Forschung einnimmt, nämlich Vorläufer der Aufklärung und gleichzeitig ein ‚partieller Rückschritt‘ gegenüber der Renaissance zu sein und insofern auch eine rückwärts gerichtete Strömung zu enthalten. Die Literatur ist dabei wieder in stärkerem Maße funktional in die Gesellschaft eingebunden, was wiederum Vorstellungen einer Autonomie der Literatur fragwürdig erscheinen lässt.

Man muss sich allerdings davor hüten, das Barock als eine Art ‚Neu-Mittelalter‘ zu sehen, als eine Regression nach der ‚neuzeitlichen‘ Renaissance. Das Barock war nicht die letzte intakte Epoche des abendländischen, geschlossenen, hierarchisch gegliederten Weltbildes, das sich erst mit der Aufklärung säkularisierte, sondern eine Epoche des Übergangs, der Krisen, die in der Literatur oft nur vermittelt im Festhalten an Traditionen, Normen und Ordnungsvorstellungen geäußert werden. In diesem Sinne formuliert JOACHIM KÜPPER in seiner These von der „Diskurs-Renovatio“, dass „der Barock zugleich Wiederaufnahme (des Mittelalterlichen) und Bewältigungsversuch (des Riscamentalen)“ sei. Der mittelalterliche Diskurs werde im Barock neu aufgegriffen, da die Renaissance als „Verfallsstufe“ zwar an die Schemata mittelalterlicher Exemplarizität appelliere, allerdings in der Absicht, diese nominalistisch zu ‚unterminieren‘.45 Auf ähnliche Weise versucht WOLFGANG MATZAT das Barock mit dem dichotomen Begriffspaar „Reorganisation“ und „Desorganisation“ zu beschreiben. Dabei sei einerseits in der Barockzeit auf mittelalterliche Sinnstiftungsverfahren zurückgegriffen worden, um die in der Renaissance entstandene kulturelle Pluralität neu zu ordnen. Andererseits habe sich eine „Ästhetik der diversité“ gegen ein „harmonistisches“ Bild der Renaissance gerichtet, was sich z. B. in einem pessimistischen Menschenbild oder einer Tendenz zur Gattungsmischung äußere.46

1.1.3Gattung

Im Allgemeinen wird der Gattungsbegriff aus LUDWIG WITTGENSTEINS Begriff der ‚Familienähnlichkeit‘ abgeleitet.47 Der Vorteil einer Familie ist demnach, dass sie durch gemeinsame Merkmalsanordnungen Typen bilden lässt, obwohl jedes einzelne Mitglied unterschiedlich ist. Dabei ist nicht ein einzelnes Merkmal obligatorisch, sondern ein spezifisches Zusammenspiel verschiedener Merkmale, die je nach Form, Anzahl und Zusammensetzung variieren können. So bleiben Gattungen notwendig offen, da sie auch Schnittpunkte und Teilmengen zu anderen Gattungen, Umwelt und Kontext aufweisen und nicht autark sind, sondern ihr Charakteristikum gerade erst durch ihr spezifisches Bezugssystem erfahren und demnach im Sinne NIKLAS LUHMANNS offene Systeme darstellen.48

Entsprechend schwierig ist es daher, zu erkennen, wann diese Offenheit überstrapaziert wird und neue Gattungen entstehen. Meist wird eine Neuordnung des Gattungsgefüges in der Zeit um 1600 ausgemacht, zu der eine hohe Experimentierfreude Neues entstehen lässt und Altes verändert wird. Es ist generell davon auszugehen, dass auch bei Änderungen im Gattungsgefüge ältere Traditionen und Muster nach wie vor präsent bleiben, so dass ein flexibler Gattungsbegriff hilfreich ist, der Neuerungen als Gattungsmischungen begreifen lässt. Auf der Ebene der verschiedenen Genres, womit hier, eine Ebene unterhalb der Gattungen, die verschiedenen traditionell festgelegten Sprechweisen gemeint sind, kann man einen Unterschied an ‚Wirklichkeitsnähe‘, bzw. ‚-ferne‘ vermuten. In manchen Formen der Lyrik scheinen individuelle Äußerungen – oder zumindest ein Spiel damit – eher möglich gewesen zu sein.

Eine erste Vermutung ist, dass sich in Flemings Fall bei der weniger strikt festgelegten Odenform und bei Oswald in den Lieder, mit deren Einordnung sich die Forschung seit je her schwer tut – etwa episodische Lieder, die ‚zusammengewürfelt‘ erscheinen –, Ansatzpunkte finden lassen. Die modern anmutenden Versuche, etwa Detailrealismen zu verwenden, sind als Probierbewegungen unter anderen, die weniger erfolgreich nachgeahmt wurden, zu sehen, die erst rückblickend ein ‚progressives‘ und vorwärts weisendes Potenzial zu haben scheinen. Hierin liegt die Erklärung für die von der Forschung herausgearbeitete fehlende ‚Entwicklung‘ in Richtung moderner Stilmittel und literarischer Verfahren im Werk der Autoren. Grundlegend für diesen Gedanken ist das Verständnis der Einflussmöglichkeiten von historischen Agenten, wie sie STEPHEN GREENBLATT formuliert. Er geht davon aus, dass historische Persönlichkeiten Entscheidungen treffen und selbst durch Nichthandeln treffen müssen, aber ihre sozialen Handlungen in einen historischen Prozess, kontingente Umstände bzw., wie er es nennt, „kollektive soziale Energie“ eingebunden sind. Erst vor diesem Hintergrund entpuppen sie sich als progressiv oder reaktionär; der Handlung als solche liegt das Potential zu beidem inne. 49

1.1.4Kommunikation und Öffentlichkeit