Dein Name ist Jeremiah Cotton. Du bist ein kleiner Cop beim NYPD, ein Rookie, den niemand ernst nimmt. Aber du willst mehr. Denn du hast eine Rechnung mit der Welt offen. Und wehe, dich nennt jemand »Jerry«.
Eine neue Zeit. Ein neuer Held. Eine neue Mission. Erleben Sie die Geburt einer digitalen Kultserie: COTTON RELOADED ist das Remake von JERRY COTTON, der erfolgreichsten deutschen Romanserie, und erzählt als E-Book-Reihe eine völlig neue Geschichte.
Dieser Sammelband enthält die Folge 28-30 von COTTON RELOADED.
Drei spannende Thriller in einem Band:
Killerschaben: Der Sohn eines reichen Fabrikanten stirbt bei einer vorgetäuschten Entführung, die ihm sein Vater als Geburtstaggeschenk machte. Die Spur führt nach Chinatown in die bizarre Kampfschaben-Szene. Das illegale Wettgeschäft darum floriert, doch dahinter stecken organisierte Verbrecherbanden, die noch viel eigenartiger sind …
Heimkehr in den Tod: Cotton kehrt in seine Heimatstadt zurück, als sein alter Schulfreund Alan »Blacky« Colbert stirbt. Blackys Frau und Cottons ehemalige Jugendliebe Peggy hat den Verdacht, ihr Mann sei keines natürlichen Todes gestorben. Cotton ermittelt privat – ahnungslos, dass jeder seiner Schritte genau beobachtet wird …
Tatort: London – Jubiläumsband mit doppeltem Umfang: Am Flughafen Heathrow detoniert eine Bombe und reißt mehr als zwanzig Menschen in den Tod. London ist das Ziel einer Terrororganisation, die einen weiteren Anschlag plant, der selbst den 11. September in den Schatten stellen soll …
Alfred Bekker schreibt Fantasy, Science Fiction, Krimis, historische Romane sowie Kinder- und Jugendbücher. Seine Bücher um das Reich der Elben, die »Drachenerde-Saga«,die »Gorian«-Trilogie und seine Romane um die Halblinge von Athranor machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er war Mitautor von Spannungsserien wie Jerry Cotton, Kommissar X und Ren Dhark. Außerdem schrieb er Kriminalromane, in denen oft skurrile Typen im Mittelpunkt stehen – zuletzt »Der Teufel von Münster«, worin er einen Helden seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einer sehr realen Serie von Verbrechen macht. Seine Webseite: www.alfredbekker.de.
Peter Mennigen wuchs in Meckenheim bei Bonn auf. Er studierte in Köln Kunst und Design, bevor er sich der Schriftstellerei widmete. Seine Bücher wurden bei Bastei Lübbe, Rowohlt, Ravensburger und vielen anderen Verlagen veröffentlicht. Neben erfolgreichen Büchern, Hörspielen und Scripts für Graphic Novels schreibt er auch Drehbücher für Fernsehshows und TV-Serien.
BASTEI ENTERTAINMENT
Digitale Originalausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Uwe Voehl (»Killerschaben« und »Tatort: London«) und Wolfgang Neuhaus (»Heimkehr in den Tod«)
Projektmanagement: Nils Neumeier
Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: DmitryPrudnichenko | Irina Solatges | Pavel K | Seita | ostill
E-Book-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-1469-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Killerschaben
Robert Chong erreichte den Parkplatz. Im Hintergrund flackerten die Neonschriftzüge der Nachtclubs auf. Roberts Gang war schwankend. Ein paar Gläser Champagner zu viel zeigten ihre Wirkung.
Er nahm die Fernbedienung aus der Tasche und drückte auf den Knopf, woraufhin die Bremslichter seines Maserati aufleuchteten. Die Türen waren jetzt offen und die Alarmanlage deaktiviert. Fünf Schritte waren es noch.
Aber Robert sollte den Wagen nie erreichen.
*
Robert nahm undeutlich eine Bewegung war. Die Angreifer trugen Sturmhauben und dunkle Kleidung. In der Nacht waren sie so gut wie unsichtbar.
Robert Chong hatte sich gerade zur Hälfte umgedreht und bemerkt, dass da irgendetwas nicht stimmte, da bekam er auch schon einen heftigen Faustschlag in die Magengrube.
Ächzend sackte er in sich zusammen.
Er wurde gepackt.
Ein Van fuhr heran. Robert konnte kaum etwas sehen, so sehr wurde er durch die Scheinwerfer geblendet. Der Schlag in den Magen tat ihm höllisch weh. Er rang nach Luft und wollte schreien – aber dazu war er zunächst nicht in der Lage.
Grob packten ihn die Maskierten. Wenig später fand er sich im Inneren des Vans wieder. Die Tür schloss sich automatisch.
»Hilfe!«, brachte Robert jetzt heraus.
Der Schlag, den er daraufhin bekam, ließ ihn erst einmal verstummen.
»Keinen Laut!«, verlangte eine dunkle, heiser klingende Stimme von ihm, die unter der Sturmhaube des größeren der beiden Angreifer hervorklang. »Sonst geht es dir dreckig, und du überlebst die nächsten zehn Minuten nicht. Haben wir uns verstanden?«
Robert Chong antwortete nicht gleich. Er bekam einen weiteren Schlag. In seinem Mund schmeckte es nach Blut. Und Blut rann ihm inzwischen auch aus der Nase auf das Revers seines Anzugs und in den weißen Hemdkragen.
»Hast du meine Frage nicht verstanden, oder was ist los?«, wollte der Maskierte wissen.
»Alles klar! Ich mach, was immer ihr wollt!«, murmelte Robert.
Mit einem Ruck hatte sich der Van inzwischen in Bewegung gesetzt. Die Reifen quietschten, als der Fahrer dann noch einmal plötzlich abbremsen musste, bevor er sich ziemlich rücksichtslos in den laufenden Verkehr auf der Avenue hineindrängte.
Robert Chongs Körper erschlaffte plötzlich.
Einer der Entführer gab ihm einen heftigen Stoß in die Seite. Aber der Entführte reagierte nicht. Der Kopf war nach vorn auf die Brust gesackt.
»Was ist mit ihm?«, fragte der zweite Entführer.
»Scheiße Mann, der ist tot!«, entfuhr es dem anderen. Er riss seine Sturmhaube vom Kopf und wandte sich an den Fahrer. »Wir müssen den Plan ändern!«
*
Cotton kam als Letzter ins Headquarter des G-Teams. Sein verstohlener Blick glitt zur Uhr. Eigentlich waren sogar noch zwei Minuten Zeit. Aber von Agent Philippa »Phil« Decker erntete er trotzdem einen tadelnden Blick.
»Da sind Sie ja endlich, Cotton«, raunte sie ihm zu. »Sie wissen doch, dass Mister High besonderen Wert darauf legt, dass wir pünktlich anfangen können.«
»Ich bin pünktlich«, verteidigte sich Cotton und nickte dabei den anderen Mitgliedern des G-Teams freundlich zu: Dem IT-Crack Zeerookah, Agent Steve Dillagio und der Forensikerin Dr. Sarah Hunter.
Cotton ging an seinen Platz. Er setzte sich. Dabei fiel sein Blick auf seine linke Hand. Ein dunkler Schmierfleck war da zu sehen. Peinlich, dachte er.
Vor allem weil Decker es auch gesehen hatte.
»Sie sollten morgens vor Dienstantritt nicht noch an Ihrem Jaguar E-Type herumschrauben«, meinte sie.
»Ich wusste gar nicht, dass wir hier im G-Team verpflichtet sind, unsere ohnehin knapp bemessene Freizeit auch noch nach Dienstplan zu verbringen«, mischte sich Special Agent Steve Dillagio ein und grinste.
Cotton grinste zurück. »Wenigstens einer, der auf meiner Seite ist«, meinte er.
In diesem Moment kam Mr High aus seinem Büro in das Headquarter. Der Chef des G-Teams ließ kurz den Blick schweifen. Es war augenblicklich totenstill im Raum. Selbst Steve Dillagio wirkte jetzt ernst.
»Ich hoffe, Sie alle sind hellwach und hoch konzentriert«, sagte Mr High. Sein tiefschwarzes Gesicht zeigte dabei keinerlei Regung. Das Neonlicht des Headquarters wurde von dem glatten, haarlosen Schädel reflektiert. »Wir haben einen neuen Fall auf dem Tisch. Kann sein, dass er sich am Ende als gewöhnlicher Mordfall herausstellt, möglicherweise steckt aber auch sehr viel mehr dahinter. Das wird sich wohl erst im Laufe der Ermittlungen zeigen.« Mr High machte eine kurze Pause. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Schließlich fuhr er fort: »Die Leiche eines gewissen Robert Chong wurde auf der stillgelegten Müllhalde von Fresh Kills Landfill, Staten Island gefunden.«
»Die größte Müllhalde der Welt«, kommentierte Steve Dillagio. »Was gibt es für einen geeigneteren Ort, um eine Leiche loszuwerden.«
Mr High ging auf die Bemerkung nicht weiter ein.
Er bedachte Dillagio noch nicht einmal mit einem tadelnden Blick, wie er es sonst durchaus zu tun pflegte. Cotton bewunderte Dillagio insgeheim manchmal dafür, dass er sich hin und wieder einfach eine gewisse Respektlosigkeit herausnahm. Der blonde Italoamerikaner verletzte ganz gerne mal die Regeln. Diese – und auch andere.
»Robert Chong ist ein Bürger von New Jersey, der auf New Yorker Gebiet tot aufgefunden und vermutlich auch hier umgebracht wurde«, fuhr Mr High fort. » Allerdings wäre das allein noch keine hinreichende Begründung, um eine Spezialabteilung wie die unsere mit dem Fall zu befassen, anstatt es vom hiesigen Field Office bearbeiten zu lassen.« Mr High machte eine kurze Pause. Seine Hände wanderten in die Taschen seiner Flanellhose, und er ging ein paar Schritte, ehe er wieder stehen blieb. »Der Grund dafür, warum wir vom G-Team uns des Falles annehmen, liegt in der Tatsache begründet, dass Robert Chong der Sohn von William Chong aus Paterson, New Jersey ist. William Chong ist Exil-Taiwanese und Fabrikant. Er betreibt eine Fabrik für Plastikspielzeug und eine zur Herstellung von Gummidichtungen.«
»Eine eigenartige Zusammenstellung«, meinte Dillagio.
»Eigenartig ist wohl nur, dass jemand mit Firmen reich werden kann, die eigentlich nicht profitabel sein können«, mischte sich jetzt Zeerookah ein, das IT-Ass der Abteilung.
Der Chef hat ihn offenbar früher eingeweiht als uns und schon mal ein paar Hintergründe recherchieren lassen, ging es Cotton durch den Kopf. Wie üblich. Aber es liegt nahe.
Mr High nickte.
»Unser Kollege Zeerookah hat es auf den Punkt gebracht. Die Justiz und sämtliche Polizeiabteilungen, die sich mit organisiertem Verbrechen befassen, sind seit Jahren überzeugt davon, dass die Familie Chong das Schwarzgeld der Syndikate von Chinatown wäscht. Nur konnte man das bisher nie beweisen.«
»Und was hat der Tod von Robert Chong damit zu tun?«, fragte Cotton.
»Es könnte sich um den Auftakt eines Gangsterkrieges handeln«, erklärte Mr High. »Es muss nicht so sein, aber die Wahrscheinlichkeit erachte ich – und diese Ansicht teile ich mit dem Staatsanwalt, dem Director des hiesigen FBI Field Office und der Führung des NYPD – als sehr hoch. Der wichtigste Punkt, der für die These spricht, ist die Tatsache, dass normalerweise jeder, der einem Mitglied der Chong-Familie etwas antut, damit rechnen muss, dass eine heftige Reaktion erfolgt.«
»Unseren Erkenntnissen nach stehen die Chongs unter dem Schutz sehr mächtiger Leute hier in Chinatown«, ergänzte Zeerookah. »Leute, die natürlich alles dafür tun würden, dass ihre Schwarzgeldwaschmaschine weiterhin problemlos läuft.«
»Gibt es denn auch Erkenntnisse darüber, ob möglicherweise irgendwelche fremden Syndikate versuchen, hier in New York die Verhältnisse neu zu ordnen?«, wollte Steve Dillagio wissen.
Mr High hob die Schultern. »Genau das werden wir herauszufinden versuchen, um entsprechend reagieren zu können.«
»Dann schlage ich vor, dass ich meine Kontakte mal etwas reaktiviere«, meinte Dillagio. »So etwas dürfte sich schließlich herumsprechen.«
»Ja, in diese Richtung habe ich auch schon gedacht«, nickte Mr High. »Allerdings sollten wir nicht vorschnell andere Ermittlungsrichtungen ausschließen. Es ist nach wie vor auch nicht ausgeschlossen, dass der Fall einen rein privaten Hintergrund hat.« Mr High wandte sich an Zeerookah. »Zeigen Sie uns die Bilder«, wies er ihn an.
»Ja, Sir«, gab Zeerookah zurück. Seine Finger wanderten über ein Touchpad. Auf einem der Großbildschirme im Headquarter erschien das übel zugerichtete Gesicht eines Mannes.
Dass es sich um Robert Chong handelte, brauchte Mr High nicht extra zu erwähnen, denn das stand auf dem kleinen Datenfeld am unteren Ende des Bildschirms. Dazu ein paar weitere Angaben. Alter: 25. Es waren auch ein paar Vorstrafen wegen einiger Drogenvergehen vermerkt. Außerdem war er den Kollegen vom NYPD wohl auch wegen einiger Verkehrsdelikte aufgefallen. »Die genaue Todesursache werden wir erst nach dem Abschluss des Berichts der Gerichtsmedizin kennen«, erklärte Mr High. »Aber im Moment spricht alles dafür, dass er an den Folgen der Schläge starb, die er kurz vor seinem Tod bekommen hat. Er ist ziemlich in die Mangel genommen worden. Mister Chong junior studierte hier in New York Betriebswirtschaft, um für die Übernahme der elterlichen Geschäfte gerüstet zu sein. Auch dort werden wir uns umhören müssen. Die Daten, die es zu dem Fall gibt, sind Ihnen auf elektronischem Weg zugestellt worden. Jetzt würde ich sagen: an die Arbeit.«
*
Cotton und Decker fuhren nach Paterson, New Jersey. Das Anwesen von William Chong lag in einem der Randbezirke der Stadt. Es handelte sich um ein von hohen Mauern umgebenes Sandsteingebäude, das außerdem noch durch Leibwächter und eine elektronische Vollüberwachung gesichert wurde.
Ein gusseisernes Tor öffnete sich automatisch, nachdem sich Decker an der Sprechanlage gemeldet hatte.
»Den Chongs scheint es wirklich nicht schlecht zu gehen«, meinte Cotton.
»Seien Sie nicht taktlos, Cotton. «
Cotton runzelte die Stirn. »Taktlos? Wie soll ich denn das verstehen? «
»Die Chongs haben ihren Sohn verloren. Daran sollten Sie immer denken, wenn wir uns gleich mit ihnen unterhalten.«
»Für wen halten Sie mich?«
»Genau für den, der Sie sind, Cotton«, sagte Decker ungerührt.
Sie fuhren bis zum Haupteingang des großen Sandsteingebäudes. Einer der mannscharfen Hunde, die von den Leibwächtern geführt wurden, riss an seiner Leine. Den Maulkorb trugen diese Tiere sicherlich nicht zum Spaß.
Cotton und Decker stiegen aus.
Eine junge Frau mit asiatischen Gesichtszügen kam die Treppe des Eingangsportals herab. Sie trug dunkle, eng anliegende Kleidung. Das blauschwarze Haar war zu einem Knoten gebunden. Ihre Bewegungen wirkten grazil und waren von fast katzenhafter Eleganz.
»Decker, FBI«, sagte Philippa Decker und zeigte dabei ihren Ausweis. Sie deutete auf Cotton. »Das ist mein Kollege Special Agent Cotton. Wir …«
»Sie werden erwartet«, sagte die junge Frau, noch ehe Decker zu Ende gesprochen hatte. »Mein Name ist Sue Chong. Ich bin die Schwester des Ermordeten. Meine Eltern sind durch das Geschehen schwer getroffen, und es wird ihnen mit Sicherheit schwerfallen, Ihre Fragen zu beantworten. Ich möchte Sie also bitten, etwas nachsichtig zu sein.«
»Wir sind keine Unmenschen«, sagte Decker.
»Wir fühlen mit Ihnen«, sagte Cotton. »Und auch wenn es unser Beruf ist, mit der Tatsache umzugehen, dass Menschen sterben, wird das niemals Routine oder so etwas …«
Sue Chongs Gesicht hob die Augenbrauen. »Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme, Agent Cotton.«
»Es geht uns darum, den Tod Ihres Bruders aufzuklären – und je schneller wir dabei Informationen bekommen, desto besser«, fuhr Cotton fort. »Jede Verzögerung nützt letztlich nur dem mutmaßlichen Täter.«
Sue Chongs Blick verharrte einen Augenblick länger als notwendig bei Cotton, während sie ihm die Hand gab. Es war ihren undurchdringlichen Gesichtszügen nicht anzusehen, ob das ein prüfender Blick war oder ob er irgendetwas anderes zu bedeuten hatte.
»Sie haben zweifellos recht: Man darf diesen feigen Mördern keinen Vorsprung lassen.«
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
»Folgen Sie mir bitte!«
Sue Chong ging voran. Decker sah Cotton kurz an und konnte dabei ihr Erstaunen kaum verbergen. »Sie können ja richtig sensibel sein, Cotton.«
»Wenn’s drauf ankommt …«
»Es kommt immer drauf an.«
»Wenn Sie das sagen.«
»Das ist eine Sache, die Sie einfach noch nicht begriffen haben.«
»Sie sehen ja, dass ich an mir arbeite.«
Sue Chong führte die beiden Mitglieder des G-Teams durch die ausgedehnte Eingangshalle in einen Raum, der im Stil eines Salons des 19. Jahrhunderts gehalten und mit Antiquitäten nur so angefüllt war. Die Geschäfte der Chongs schienen nicht schlecht zu laufen.
William Chong war ein kleiner, drahtiger Mann in den Fünfzigern. Cotton schätzte, dass sein Haar schon lange nicht mehr von Natur aus diese durchgehende blauschwarze Färbung aufwies, wie es dem äußeren Anschein nach der Fall war. Die Dienstausweise der beiden FBI Agents würdigte William Chong keines Blickes. Er starrte die ganze Zeit auf einen bestimmten Punkt auf dem leeren Tisch, der zu der Sitzecke gehörte.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Sue Chong. Sie wandte sich an ihren Vater und sprach ein paar Worte auf Chinesisch mit ihm. Anschließend wandte sie sich an Cotton und Decker. »Meine Mutter fühlt sich leider nicht in der Lage, an diesem Gespräch teilzunehmen.«
»Das ist bedauerlich«, meinte Decker.
»Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür. Im Übrigen könnte Sie Ihnen auch nichts an Informationen geben, was wir Ihnen nicht auch sagen könnten.«
»Ich kann verstehen, was für ein Schlag es sein muss, jemanden zu verlieren, der einem sehr nahestand«, sagte Cotton.
Deckers Stirn umwölkte sich. Übertreib es nicht, Cotton, schien ihr Blick zu sagen.
William Chong hob leicht den Kopf. Zum ersten Mal sah er Cotton richtig an. Ein Blick wie eine Prüfung. Durchdringend wie ein modernes Hochgeschwindigkeitsprojektil. »Ich denke, Sie sind noch zu jung, um über solche Dinge reden zu können«, sagte er. »Sie wissen noch nicht, was Verlust ist. Aber das nehme ich Ihnen nicht übel.«
»Ich habe meine Schwester am 11. September 2001 bei dem Anschlag auf das World Trade Center verloren«, gab Cotton zurück. »Sie war in gewisser Weise wie eine Mutter für mich. Wissen Sie, ich komme aus einem kleinen Nest, und in der ersten Zeit hier in New York brauchte ich jemanden, der etwas auf mich aufpasst. Und der Mensch war sie.«
William Chongs Gesichtszüge veränderten sich nicht. Aber er senkte leicht den Kopf und nickte schließlich. »Vielleicht habe ich Ihnen unrecht getan, Agent …«
»Cotton ist mein Name. Agent Cotton.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Gut, dann will ich mal anfangen«, meinte Cotton. Deckers skeptisches Gesicht ignorierte er einfach. Es schien ihr nicht zu gefallen, dass William Chong sich jetzt explizit an ihn wandte. Ihn, den Anfänger. Ihn, den Rangniederen. Sie wird es schon schlucken, dachte Cotton. Vor allem, wenn bei der Sache etwas herauskommt.
Und diesmal schien es tatsächlich so, als hätte Cotton einen Draht zu dem sehr verschlossenen Fabrikanten gefunden.
»Stellen Sie Ihre Fragen«, verlangte Sue Chong. Sie wirkte aus irgendeinem Grund, den Cotton sich im Moment nicht so recht erklären konnte, etwas ungeduldig.
»Wann haben Sie Ihren Sohn Robert zum letzten Mal gesehen?«
»Donnerstagabend. Er wollte nach New York, um sich mit Freunden in einem der Clubs in Alphabet City zu amüsieren. Wir hatten sogar noch einen kleinen Streit.«
»Worum ging es dabei?«
»Im Nachhinein war es etwas vollkommen Lächerliches.«
»Erzählen Sie es trotzdem. Wir müssen uns ein möglichst vollständiges Bild machen.«
»Es war eine typische Vater-Sohn-Auseinandersetzung. Für meinen Geschmack machte er das nämlich entschieden zu oft.«
»Was?«
»Na, sich in teuren Clubs zu amüsieren. Dass er dabei das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen hat, ist eine Sache. Die andere ist, dass er sein Studium nicht mit der Ernsthaftigkeit betrieb, wie ich es mir gewünscht hätte. Und das hat auch in der Vergangenheit schon mal zu Auseinandersetzungen zwischen uns geführt.« William Chong hob die Schultern. Seine Mundwinkel zuckten dabei. Jetzt sah man zum ersten Mal in seinem Gesicht so etwas wie eine Regung. Die ganze Wut, die er für die Mörder seines Sohnes empfinden musste, brodelte da unter einer Oberfläche, die offenbar sehr viel dünner war, als Cotton im ersten Augenblick gedacht hatte.
»Können Sie uns die Clubs nennen, in die Ihr Sohn gerne ging?«
»Nein. Da weiß ich nichts Genaueres. Er hat mit mir darüber nicht gesprochen. Und ehrlich gesagt, kann ich das verstehen.«
»Ist es richtig, dass er hier wohnte?«
»Ja.«
»Wann wollte er denn zurück sein?«
»Wir haben uns keine Sorgen um ihn gemacht. Er hat häufiger bei Freunden in Manhattan übernachtet. Deswegen haben wir zunächst nicht mit ihm gerechnet. Aber dann erreichte uns die Nachricht, dass man seine …« William Chong stockte. »… seine Leiche auf einer Müllhalde gefunden hat«, setzte er seinen Satz schließlich fort, und es war ihm anzumerken, wie groß die Überwindung war, die es ihn kostete, es auszusprechen. Um seine Mundwinkel herum zuckte es. Wie bei einem Mann, der verzweifelt bemüht war, die äußere Fassung zu wahren.
Wahrscheinlich hat die ganze Befragung nicht mehr viel Sinn, dachte Cotton. Vielleicht hätte man sich sogar die ganze Fahrt nach Paterson sparen können!
»Wir würden uns gerne sein Zimmer ansehen«, sagte er dennoch.
William Chong schien davon nicht sonderlich begeistert zu sein. Aber noch ehe er etwas entgegnen konnte, antwortete seine Tochter an seiner Stelle. »Ich werde es Ihnen zeigen, Agent Cotton.«
»Das wäre sehr freundlich.«
Sue Chong führte Cotton aus dem Raum, während Decker bei William Chong zurückblieb und ihm noch ein paar Fragen stellte. Fragen, die sich vor allem darauf bezogen, ob er einen Verdacht hätte, wer seinem Sohn wohl so etwas angetan haben könnte.
Sue führt Cotton über eine Treppe ins Obergeschoss. Es ging durch einen sehr langen Korridor.
»Ziemlich groß das Haus«, meinte Cotton.
»Alles ist relativ«, gab Sue kühl zurück.
»Ja, da haben Sie wahrscheinlich recht.«
»Jetzt fragen Sie mich schon.«
»Wie bitte?«
»Ich meine die Dinge, die Fragen, die Sie nicht in Anwesenheit meines Vaters stellen wollten. Wir werden nicht allzu viel Zeit haben, sonst wird es ihm auffallen. Also fangen Sie an, und verschwenden Sie nicht wertvolle Minuten.«
»Hatte Ihr Bruder eine Freundin?«
»Hatte er. Und ja: Mein Vater wusste davon nichts und wäre wohl auch nicht sehr begeistert von Roberts Wahl gewesen. Ob da aber überhaupt noch was lief, weiß ich nicht, und ich kann Ihnen auch keinen Namen und keine Adresse geben.«
»Verstehe.«
»Erkundigen Sie sich an der New York University. Auch wenn mein Vater meinte, dass er sein Studium nicht ernst genug genommen hätte, so würde ich das nach allem, was ich weiß, keineswegs bestätigen.«
»Kann es sein, dass Ihr Vater besonders hohe Erwartungen an Robert hatte?«
»Ja, das trifft zu. Mein Vater wollte, dass Robert irgendwann sein Nachfolger wird. Aber er hielt ihn mehr und mehr für ungeeignet dafür.«
»Und Sie?«
Sie blieb stehen und sah Cotton an. In Ihrem Gesicht war deutlich zu erkennen, dass Sie von der Frage überrascht wurde. »Meinen Sie, was ich von den Fähigkeiten meines Bruders gehalten habe?«
»Ich wollte eigentlich wissen, wie es um Ihre Fähigkeiten bestellt ist, was die Nachfolge Ihres Vaters betrifft.«
Ihr Gesicht wurde wieder zur Maske. »Meine Chancen sind von Natur aus sehr schlecht, Agent Cotton.«
»Warum?«
»Weil ich als Mädchen geboren wurde und damit noch weniger dem Ideal eines potenziellen Nachfolgers entspreche, als mein Bruder es tat.«
»Aber jetzt hat sich das Blatt gewendet, nicht wahr? Ich meine, wenn Ihr Vater möchte, dass seine Geschäfte in der Hand seiner eigenen Familie bleiben, wird er wohl oder übel auf Sie zurückgreifen müssen. Oder irre ich mich da?«
Sie antwortete nicht, sondern ging weiter. Cotton folgte ihr zu einer Tür. Sie war nicht verschlossen. Sue Chong öffnete sie und trat ein. Cotton ebenfalls.
Dann drehte sie sich etwas abrupt zu ihm um und sagte: »Dies ist das Zimmer meines Bruders.«
Cotton ließ den Blick schweifen. Ein Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch, ein Computer, eine PlayStation und jede Menge weiterer Unterhaltungselektronik. An der Wand hing ein riesiger Flachbildschirm. Ich dachte, diese Dimensionen gibt es nur in der Zentrale des G-Teams, ging es Cotton durch den Kopf. »Den Rechner werden wir beschlagnahmen müssen.«
»Das können Sie tun. Sie werden aber kaum etwas darauf finden.«
»Wieso nicht?«
»Weil er ihn nur selten benutzt hat. Wie alles andere hier auch.«
Cotton sah sich den Kleiderschrank von innen an, durchsuchte die Taschen nach irgendwelchen Hinweisen, fand aber nichts, außer einem Zettel mit einer Nummer. Vermutlich die eines Handys. Cotton steckte ihn ein. Ob sich daraus ein weiterführender Ermittlungsansatz ergab, war höchst fragwürdig, aber im Moment stocherten sie ja ohnehin mehr oder minder nur im Nebel herum und waren daher für jeden Hinweis dankbar.
»Hören Sie, mal ganz im Vertrauen: Sie haben sich doch sicher auch Gedanken darüber gemacht, wer Ihren Bruder umgebracht haben könnte, oder?«
»Die Gedanken sind frei, Agent Cotton«, sagte Sue Chong mit unbewegtem Gesicht. »Das ist der Grund, weshalb meine Familie einst vom chinesischen Festland nach Taiwan floh. Und es war auch ein wichtiger Punkt, als mein Großvater als junger Mann in die Vereinigten Staaten von Amerika kam.«
»Ihr Vater ist auch schon hier geboren?«
»Ja.«
»Dann könnte er ja sogar Präsident werden.« Sue quittierte diese Bemerkung mit regungslosem Gesicht. Cotton zuckte mit den Schultern. »Sollte nur ein Scherz sein«, meinte er. »Ich wollte eigentlich nur auf Folgendes hinaus: Haben Sie irgendwen in Verdacht?«
»Glauben Sie, ich würde Ihnen das verschweigen?«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Vielleicht wegen gewisser Geschäftsbeziehungen Ihres Vaters und weil Roberts Tod etwas damit zu tun haben könnte?«
Sue Chong schwieg einen Augenblick – und zwar lange genug, um Cotton damit unmissverständlich deutlich zu machen, dass sie diese Frage zutiefst missbilligte und keineswegs bereit war, darauf in irgendeiner Form zu antworten. »Ich denke, unser Gespräch ist an dieser Stelle beendet, Agent Cotton. Mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen und wünsche Ihnen natürlich jeden nur erdenklichen Erfolg bei den weiteren Ermittlungen.«
Was den letzten Halbsatz angeht, bin ich mir nicht so sicher, ob das wirklich der Wahrheit entspricht, ging es Cotton durch den Kopf. Er holte seine Brieftasche hervor und gab ihr eine der Visitenkarten, die das FBI für alle seine Agents drucken ließ. Dass er Angehöriger des G-Teams war, stand darauf natürlich nicht. Dessen Existenz war schließlich nur sehr wenigen Personen überhaupt bekannt. Für alle anderen waren die Mitglieder des G-Teams einfach ganz gewöhnliche Special Agents des FBI Field Office New York.
*
»Sie waren ja heute gut in Form«, sagte Decker, als sie auf dem Rückweg nach Manhattan waren und gerade in den Lincoln-Tunnel einfuhren, der New Jersey und Manhattan miteinander verbindet.
»So viel Sensibilität haben Sie mir nicht zugetraut, oder?«
»Ich rechne bei Ihnen mit allem, Cotton.«
»Na, das ist ja was ganz Neues! Mal sehen, was wir auf Mister Chong juniors Rechner finden.«
»Wahrscheinlich nichts.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Er hat anscheinend so wenig Zeit wie möglich zu Hause verbracht. Als wir allein waren, berichtete mir Sue Chong von einer Freundin in New York. Leider wusste sie keinen Namen. Aber den kriegen wir raus, wenn wir uns an der Uni umhören.«
»Gut.«
Cotton telefonierte mit dem Headquarter. Zeerookah hatte inzwischen Neuigkeiten. »Der vorläufige Obduktionsbericht liegt vor. Es ist nicht ganz eindeutig, ob Robert Chong tatsächlich infolge der Schläge gestorben ist, die er zweifellos abbekommen hat«, berichtete das IT-Ass des G-Teams. Cotton hatte das Smartphone laut gestellt, sodass auch Decker alles mitanhören konnte. »Der Gerichtsmediziner von der Scientific Research Division hat das in seinen Bericht geschrieben, aber Sarah hat ihre Zweifel, nachdem sie die Befunde unter die Lupe genommen hat.«
»Das heißt, wir ermitteln hier munter um die Wette, und in Wahrheit gibt es gar keinen Fall?«, fragte Cotton.
»Doch, den gibt es mit Sicherheit!«, korrigierte ihn Zeerookah. »Aber die Hintergründe könnten etwas anders sein, als wir dachten. Und am Ende ist die Frage natürlich auch juristisch von Belang, ob Robert Chongs Tod wirklich den Schlägen zugerechnet werden kann. Ich habe übrigens schon einen Termin für euch an der New York University gemacht. Ihr müsstet euch beeilen, um rechtzeitig hinzukommen. Außerdem habe ich eine Liste von Dozenten, bei denen Robert Chong eingeschrieben war.«
»Wie kommst du denn an so was?«
»Das war im Rechner der Universitätsverwaltung zu finden.«
»Offiziell habe ich das nicht gehört, Zeerookah«, mischte sich Decker ein.
»Erstens hat niemand von uns vor, diese Informationen vor Gericht zu verwenden, und zweitens war das gewissermaßen öffentlich.«
»Öffentlich?«, echote Cotton.
Zeerookah seufzte laut genug, dass man es über das Handy hören konnte. »Die Rechner einer Universität sind so toll gesichert, dass man fast schon von einem öffentlichen Posting sprechen kann. Ach, und noch was: Die Daten von Robert Chongs Smartphone und seiner Kreditkarte sind ausgelesen. Wir wissen jetzt, wo Chong junior vermutlich die Stunden vor seinem Tod verbracht hat.«
»Und wo?«, fragte Cotton.
»In einem Club namens Mirabelle in der Avenue A. Ich habe Dillagio schon hingeschickt. Übrigens ist dort auf einem Parkplatz auch der Maserati aufgetaucht, mit dem Robert Chang durch die Gegend fuhr.«
»Ein Maserati?«, echote Cotton. »Ziemlich exklusives Fahrzeug für einen Studenten, der damit von Paterson nach Manhattan fährt.«
»Wenn man Chong heißt, gelten da offenbar andere Maßstäbe.«
»Wir melden uns wieder, sobald wir was herausgefunden haben«, erklärte jetzt Decker.
»In Ordnung. Ich habe euch alle Daten auf die Smartphones geschickt.«
*
»Die New York University ist – mehr noch als die Columbia – bekannt für die Qualität ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung«, sagte Gail Richards, eine grauhaarige Endvierzigerin mit hohen Wangenknochen und einem strengen, durchdringenden Blick. Ihr Business-Kostüm war sehr konservativ. Hätte sie keinen Rock getragen, dann hätte man sie auch für einen Mann halten können.
Gail Richards war Dozentin an der New York University, und auf dem Namensschild ihres Büros fand sich eine fast schon einschüchternde Sammlung akademischer Titel.
»Leider wusste Mister Chong junior diese Qualitäten nicht allzu sehr zu schätzen, denn er hat uns nicht sehr oft mit seiner Anwesenheit beehrt«, fuhr Gail Richards schließlich nach einer kurzen Pause fort, die sie dazu genutzt hatte, zuerst Decker und dann Cotton einer Musterung zu unterziehen.
»Und Sie haben ihm das durchgehen lassen?«, wunderte sich Cotton.
»Ich habe ihm gar nichts durchgehen lassen«, gab Gail Richards zurück. Der gereizte Tonfall verriet, wie empfindlich sie in diesem Punkt war. »Und wenn Sie jetzt damit anfangen, dass wir die Sprösslinge reicher Eltern …«
»Mein Kollege wollte nichts dergleichen behaupten«, unterbrach Decker sie auf ihre bestimmte Art. »Aber wir müssen Robert Chongs Gesamtsituation möglichst vollständig erfassen und sammeln dazu alle Informationen, die wir kriegen können. Möglicherweise ergibt sich dann daraus ein Ermittlungsansatz. Denn darum geht es uns bei allem, was wir tun: Wir wollen einen Mörder fangen.«
»Nun, ich versuche Sie wirklich nach Kräften zu unterstützen, nur kann ich im Endeffekt einfach nicht viel mehr dazu sagen, als dass Mister Chong sich mehr oder minder darauf verlassen hat, Sohn von reichen Leuten zu sein. Ich glaube nicht, dass er die nächsten Zwischenprüfungen überstanden hätte.«
»Er soll hier eine Freundin gehabt haben«, sagte Cotton.
»Darüber kann ich Ihnen nichts sagen. Aber es gibt eine Liste von Studenten, die mit ihm zusammen Referatsthemen bearbeitet haben – oder hätten bearbeiten sollen. Man muss da leider in einigen Fällen den Konjunktiv benutzen.«
»Auch damit würden Sie uns weiterhelfen«, erklärte Decker.
*
Cotton und Decker telefonierten sich mit ihren Smartphones durch die Liste derer, die das zweifelhafte Glück gehabt hatten, zusammen mit dem offenbar nicht besonders fleißigen Robert Chong ein Referatsthema zu bearbeiten.
»Ich schätze mal, der hat seine jeweiligen Partner den Großteil der Arbeit machen lassen«, meinte Cotton.
»Ja, das nehme ich auch an«, stimmte Decker zu.
»Kein Wunder, dass er immer wieder mit anderen zusammengearbeitet hat. Ich würde mir das auch nur einmal bieten lassen.«
»Es kommt eben immer darauf an, dass man für seinen Partner nicht zur Belastung wird, Cotton.«
Cotton sah von seinem Smartphone auf. »Sollte das jetzt eine Anspielung auf irgendwas sein?«
»Das war einfach nur eine banale Feststellung. Sie können sich den Schuh anziehen, wenn er Ihnen passt, oder auch nicht.«
Zehn Minuten später hatten sie herausgefunden, wie die Beziehung von Robert Chong hieß.
Ex-Beziehung, wie sich herausstellte. Ihr Name war Rachel McClelland, und da sie zurzeit auf dem Campus war, vereinbarte Decker ein Treffen in der Cafeteria.
Rachel McClelland war zierlich und blond. Das Haar trug sie kinnlang.
»Ist Robert etwas passiert?«, fragte sie. »Oder …«
»Oder was?«, fragte Cotton.
Sie schluckte. »Sie wären doch nicht hier, wenn alles mit ihm in Ordnung wäre.«
»Er ist tot«, eröffnete Decker sachlich.
Schade, ich hätte gerne gewusst, was Rachel McClelland eigentlich sagen wollte, ging es Cotton durch den Kopf. Aber die Chance, darüber etwas zu erfahren, war jetzt vertan.
»Er wurde übel verprügelt und ist vermutlich an den Folgen gestorben«, sagte Cotton dann. »Anschließend hat man ihn auf einer Müllhalde abgelegt.«
»Wir waren nicht mehr zusammen«, sagte Rachel McClelland. »Aber diese Nachricht trifft mich trotzdem ziemlich. Er war ein netter Kerl, der es nicht einfach hatte.«
»Wieso das? Er hatte doch reiche Eltern.«
»Genau das war ein Teil des Problems. Man erwartete Dinge von ihm, die er einfach nicht leisten konnte. Und wenn Sie mich fragen, waren auch die Universität und die Wirtschaftswissenschaft nichts für ihn. Er hat Kokain genommen und viel getrunken. Und das war auch der Grund dafür, dass das mit uns auseinanderging.«
»Waren Sie mal bei ihm zu Hause in Paterson und haben seine Eltern kennengelernt?«, fragte Decker.
»Wo denken Sie hin! Die wussten nichts von mir.«
»Dann haben Sie sich bei Ihnen getroffen?«
»Im Studentenheim ist das nicht ganz so einfach. Nein, er hatte eine Wohnung hier in New York.«
Cotton und Decker wechselten einen erstaunten Blick. »Davon wussten wir bisher nichts«, sagte Decker. »Könnten Sie uns die Adresse geben?«
»Natürlich. Ich schreib Sie Ihnen auf.« Sie kramte in ihrer Jackentasche herum und legte einen Schlüssel auf den Tisch. »Sie brauchen nicht mal die Tür aufzubrechen, ich habe nämlich immer noch einen Schlüssel. So lange sind wir ja noch nicht auseinander. Und bisher war einfach noch keine Gelegenheit, ihm den Schlüssel zurückzugeben.«
»Er soll ja auch nicht oft hier auf dem Campus gewesen sein«, stellte Decker fest.
Rachel McClelland hob das Kinn. »Das stimmt. Aber aus seiner Sicht kann ich das verstehen. Er hatte hier eigentlich auch nichts verloren. Das war alles nur seinen Eltern zuliebe. Und irgendwann hätte er vermutlich auch die Firmen der Familie übernommen, ohne auch nur ein bisschen vom Geschäft zu verstehen. Ich sage Ihnen, das hätten ihm zwanzig Semester Ökonomie an der New York University auch nicht beibringen können.«
»War er so ein Trottel?«, fragte Cotton. »Wie haben Sie ihn dann lieben können? Oder ist Ihnen das zu persönlich?«
»Das ist tatsächlich sehr persönlich«, sagte sie, und ihr Gesicht verfärbte sich dunkelrot. Rot vor Scham. Aber auch vor Zorn. Sie sah Cotton gerade in die Augen. »Ich gebe Ihnen trotzdem eine Antwort: Er war kein Trottel. Er sah sich und sein Leben nur etwas anders als seine Eltern, vor allem sein Vater.«
»Und wie sah er sich?«
Sie wandte den Kopf zur Seite. Ihr Gesicht wirkte jetzt sehr traurig. »Ich weiß es nicht. Aber es war so, dass er nach immer neuen Stimulanzen suchte. Ich meine nicht nur Drogen oder so etwas. Es schien ihn alles zu langweilen. Ein vorausgeplantes Leben, in dem nichts Unvorhergesehenes geschehen konnte … Damit schien er sich einfach nicht abfinden zu können.« Ein Ruck ging durch ihren zierlichen Körper. Sie sah zuerst Cotton, dann Decker einen Augenblick an. Ihre Augen waren jetzt weit offen, die Augenbrauen standen schräg zueinander, und in der Mitte ihrer Stirn hatte sich eine Falte gebildet.
»Sie wollen noch etwas sagen?«, fragte Decker.
Aber Rachel McClelland wandte sich an Cotton. »Sie haben doch gesagt, er wäre verprügelt worden.«
»Das stimmt.«
»Ich weiß, es klingt verrückt, aber er sollte entführt werden.«
»Entführt?«, wunderte sich Cotton. »Was wissen Sie darüber?«
Rachel McClelland schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ehe Sie das in den falschen Hals kriegen: Ich meine keine gewöhnliche Entführung, sondern eine, die fingiert ist.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte jetzt Decker stirnrunzelnd.
»So was kann man buchen: Eine Entführung mit mehr oder weniger harter Behandlung. Man weiß nicht, wann es geschieht, nur dass es irgendwann passieren wird. Robert hat sich so darauf gefreut.«
»Das heißt, er hatte so einen Service in Anspruch genommen?«, hakte Cotton nach.
»Es war ein Geschenk seines Vaters zum Geburtstag. Glauben Sie …« Sie schluckte und stockte einen Moment. »Denken Sie, dass die Sache vielleicht schiefgegangen ist und die Behandlung zu hart war? Ich weiß, dass er eine extra harte Behandlung wollte …«
»Ihre Vermutung könnte eventuell zutreffen«, sagte Decker. »Zumindest würde sie sich mit den bisherigen gerichtsmedizinischen Erkenntnissen decken und vielleicht auch helfen, ein paar Ungereimtheiten aufzuklären, die es da bis jetzt noch gibt.«
Rachel McClelland blickte auf einen imaginären Punkt an der Wand der Cafeteria. Sie war mit Gemälden versehen, die einem Hinweisschild zufolge von Kunststudenten aus New York stammten. »Genau diese Dinge haben unter anderem dazu geführt, dass wir uns getrennt haben«, sagte sie. »Bungeejumping, Extremklettern und dann die verrückte Sache mit der fingierten Entführung. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht mehr mitmache. Zu Hause habe ich nämlich genug Aufregung in meinem Leben und kann auf so einen zusätzlichen Stress gerne verzichten.«
»Hat er den Namen der Firma erwähnt?«, fragte Decker. »Oder zumindest den Namen irgendeiner Person, für die er dort gearbeitet hat?«
Sie schüttelte den Kopf. »Fragen Sie doch einfach seinen Vater: Der hat den Spaß doch bezahlt!«
»Wieso hat uns Mister Chong senior nichts davon gesagt?«, fragte Cotton, nachdem sie wieder im Wagen saßen. »Ich meine, wenn man so einen Quatsch gebucht hat und dann wird der eigene Sohn überfallen, liegt es doch nahe, dass das etwas miteinander zu tun hat!«
»Ich denke, Mister Chong senior hat auch als Erstes daran gedacht«, erklärte Decker ruhig. »Und die Tatsache, dass er uns nichts darüber sagen will, heißt für mich, dass er mehr weiß, als er vorgibt.«
»Dann sollten wir ihn uns noch einmal vorknöpfen!«
»Nein, das hat keinen Sinn. Er würde uns bei einer zweiten Befragung auch nicht mehr sagen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, er will die Angelegenheit auf eigene Faust regeln und Rache üben …«
»Nicht Chong! Das ist doch kein Gangster, sondern eher ein Anzugträger in den Diensten von Gangstern!«, unterbrach Cotton sie.
»… oder er hat Angst, mit uns enger zusammenzuarbeiten, weil der Tod seines Sohnes eben doch was mit seinen Geschäften und Auseinandersetzungen zwischen Syndikaten zu tun hat!«
»Was er uns natürlich nicht offenbaren kann, ohne sich selbst ans Messer zu liefern!«
»So ist es.«
»Dann fahren wir jetzt nach Queens zu dieser Geheimwohnung von Robert Chong«, schloss Cotton.
Decker beschleunigte den unauffälligen Chevy aus den Beständen der Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York und kam gerade noch über eine Ampel, die schon im nächsten Augenblick umsprang.
»Geheimwohnung würde ich das nicht gerade nennen«, meinte sie dann. »Schließlich hat es uns ein Gespräch mit einer Kommilitonin gekostet, um davon zu erfahren. Solche Geheimnisse gehören schon fast in die Rubrik öffentliche Bekanntmachungen.«
»Können Sie sich vorstellen, dass Chongs Vater tatsächlich nichts von dieser Wohnung weiß?«
»Ich kann mir so manches vorstellen, Cotton. Vor allem, dass Eltern hin und wieder gar nicht so genau sehen wollen, was wirklich mit ihren Kindern los ist. Und die Wohnung ist wohl das kleinste Detail, das in diesem Fall von Bedeutung sein könnte.«
»Auch wieder wahr«, nickte Cotton.
*
Sie fuhren nach Queens. Das Apartment, das sich Robert Chong gemietet hatte, lag in einem einfachen Brownstone-Haus. Es gab keinen sicherheitstechnischen Aufwand, wie er ansonsten in Manhattan schon fast Standard geworden war. Keine elektronischen Schlösser, keine Videoüberwachung im Eingangsbereich und auf den Fluren und auch kein privater Security Service, der einem ungebetene Besucher vom Leib hielt.
»Er scheint hier das Kontrastprogramm zu seinem luxuriösen Zuhause in Paterson genossen zu haben«, meinte Cotton, nachdem er und Decker ausgestiegen waren. Die Parkflächen waren großzügiger, als man das aus Manhattan kannte. Es gab direkt vor dem Haus ausreichend Parkplätze. Um diese Zeit waren die meisten Bewohner wahrscheinlich sowieso außer Haus. Vermutlich arbeitete die Mehrheit von ihnen in den Büros und Geschäften von Midtown Manhattan.
»Er wollte wohl einfach ab und zu vor dem falschen Leben entfliehen, das er zu führen gezwungen war«, meinte Decker.
»War er wirklich dazu gezwungen?«, echote Cotton.
»Was meinen Sie damit?«
»Ich denke, man hat immer eine Wahl.«
»Ja, naive Leute denken so. Aber die Realität sieht meistens etwas anders aus, Cotton.«
Sie erreichten das Haus. Es gab keinen Aufzug. Nur ein Treppenhaus.
Robert Chongs Wohnung lag im dritten Stock. Ein Namensschild an der Tür suchte man vergeblich. »Wetten, dass das nicht einfach nur Nachlässigkeit war«, lautete Cottons Kommentar dazu.
»Genauso wenig, dass die Tür wohl nicht richtig geschlossen ist«, ergänzte Decker und griff zu ihrer Dienstwaffe.
Cotton steckte den Schlüssel wieder ein, den Rachel McClelland ihnen gegeben hatte, und griff ebenfalls zur Waffe. Von innen war ein Geräusch zu hören. Irgendetwas wurde umgestoßen oder ging zu Boden.
Im nächsten Moment fiel ein Schuss. Das Projektil krachte durch die angelehnte Tür hindurch und riss ein daumendickes Loch in das Holz. Die Kugel ging genau zwischen Decker und Cotton hindurch und schlug in die Wand auf der anderen Seite des Flurs ein.
Cotton und Decker wichen zur Seite und postierten sich rechts und links der Tür.
»Hier spricht das FBI! Die Waffe weg!«, rief Decker.
Aber wer immer sich da in der Wohnung von Robert Chong auch aufhalten mochte, dachte nicht im Traum daran, sich so einfach zu ergeben. Ein halbes Dutzend weiterer Schüsse krachte und stanzte Löcher in die Tür. Der Unbekannte benutzte offenbar ein großes Kaliber.
Dann verebbte der Geschosshagel.
Von innen waren wieder Geräusche zu hören.
Cotton schnellte vor, trat die durchlöcherte Tür zur Seite und kam in einen völlig verwüsteten Raum. Möbel waren umgestoßen, der Inhalt von Regalen lag verstreut auf dem Boden, die Polster der Couch-Garnitur waren aufgeschnitten, und diverses technisches Equipment lag auf dem Boden verstreut herum. Hier hatte jemand auf seine Weise gründlich aufgeräumt.
Die Tür zum Nachbarraum stand halb offen.
Ein Luftzug wehte herein.
Cotton stürmte mit der Dienstwaffe in der Faust vorwärts. Decker war dicht hinter ihm. Er erreichte den Nebenraum. Offenbar ein Schlafzimmer. Auch hier herrschte Chaos. Der Kleiderschrank war ausgeräumt und sein Inhalt auf dem Boden verstreut worden.
Das Fenster stand offen. Cotton war einen Augenblick später dort. Ein Mann mit einer Lederjacke, die die Aufschrift EAGLE trug, rannte durch den sich anschließenden Hinterhof. In der Linken hielt er eine Waffe, drehte sich während des Laufens kurz um und feuerte in Cottons Richtung. Er traf eine der Fensterscheiben. Das Glas zersprang. Es regnete Scherben.
Der Kerl hatte offenbar über die Feuerleiter die Wohnung verlassen. Cotton schwang sich bereits durch das Fenster.
»Was haben Sie vor?«, fragte Decker.
»Na, hinterher, was sonst?«
Cotton rannte bereits die Feuertreppe hinab. Das Blech der Roste schepperte unter seinen Schuhen. Der flüchtende Linkshänder feuerte noch ein paar Mal in Cottons Richtung. Die Kugeln wurden von den Metallrosten der Feuertreppe abgelenkt und als vollkommen unberechenbare Querschläger weitergeschickt. Funken sprühten. Cotton feuerte zurück.
Der Flüchtende verbarg sich hinter einem Müllcontainer. Cottons Kugeln fetzten in dessen Außenhülle hinein.
Dann tauchte der Linkshänder noch einmal hinter dem Müllcontainer hervor, feuerte ein paar Mal, ehe seine Waffe schließlich versagte. Das Magazin war offensichtlich leer geschossen.
Während Cotton zuvor einige Augenblicke in geduckter Haltung auf dem Absatz der Feuertreppe hatte ausharren müssen, konnte er jetzt nahezu ungefährdet deren Fuß erreichen.
Er spurtete los.
Ihm war klar, dass ihm nur wenige Augenblicke blieben. Wenn der Kerl mit der EAGLE-Jacke ein zweites Magazin bei sich trug, war es nur ein Handgriff, dieses in die Waffe zu schieben.
Ein Wagen wurde angelassen. Der Motor heulte auf. Das Fahrzeug – ein Van mit dunklen Scheiben – brach aus der Parklücke und fuhr dann mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf die verhältnismäßig schmale Ausfahrt zu, über die man auf eine ganz normale Geschäftsstraße gelangen konnte.
Cotton feuerte auf die Reifen, verfehlte sie aber.
Der Van fädelte sich auf rücksichtslose Weise in den Verkehr ein. Quietschende Reifen waren zu hören. Cotton konnte das Fahrzeug des Linkshänders mit der EAGLE-Jacke nicht mehr sehen, nachdem es um die Ecke gebogen war. Er verließ seine Deckung, spurtete bis zur Straße und sah dann gerade noch, wie der Van mit den getönten Scheiben erneut einbog und dann verschwunden war.
»So ein verdammter Mist!«, knurrte er zwischen den Zähnen hindurch.
Einige Passanten starrten ihn an. Cotton steckte seine Waffe weg und zog stattdessen seinen Ausweis. »Alles in Ordnung! Ich bin vom FBI!«, rief er.
Die Blicke der Leute blieben skeptisch. Einige waren wie erstarrt. Andere sahen zu, dass sie schnell weiterkamen.
»Hey Sie!«, rief eine heisere Stimme von links. Cotton drehte sich um. Der Mann, der ihn angesprochen hatte, war ein Obdachloser. Seine Habe fuhr er mit einem Einkaufswagen durch die Gegend.
»Was ist?«, fragte Cotton.
»Drehen Sie hier einen Film? Wenn ich zu sehen bin, will ich hundert Dollar. Billiger mache ich das nicht. Ich habe schon mal in einer Folge von … Scheiße, ich komm nicht mehr auf den Titel … mitgemacht, und die haben mir 150 Dollar gegeben. Ich hatte sogar einen Satz zu sagen.«
Cotton schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Sir«, sagte er. »Im Moment haben wir leider keine Jobs zu vergeben. Und was meine Marke angeht: Die ist echt.«
»Natürlich ist die echt.«
»Sag ich doch!«
»Die nehmen immer echte Marken in den Serien. Sonst sieht es doch nicht realistisch aus!«
*
»Der Wagen ist in der Fahndung, und was den Kerl angeht, der drinsaß, werden wir auch sehr bald schlauer sein«, sagte Decker, nachdem Cotton und sie in die Wohnung von Robert Chong zurückgekehrt waren.
»Wie …?«
»Ja, machen Sie Ihren Mund ruhig wieder zu, Cotton. Während Sie wild herumgeballert haben, habe ich meinen Verstand gebraucht und auch einmal geschossen.« Sie hob ihr Smartphone und drehte es so hin, dass Cotton sehen konnte, was darauf zu sehen war. »Der Typ, sein Wagen, sein Nummernschild, alles hier drauf.«
»Also …«
Das Smartphone klingelte. Decker schaltete auf laut. Es war Zeerookah. »Der Van gehört einer Firma, die sich Kidnapping Inc. nennt und in Riverside, Bronx zu Hause ist. Geschäftsführer ist ein gewisser Mark L. Norris. Die machen ein interessantes Angebot … Scheint zurzeit der letzte Schrei zu sein, sich entführen und dabei mehr oder weniger schlecht behandeln zu lassen.«
»Man wundert sich, wofür Leute Geld bezahlen«, meinte Cotton.
»Eine richtige Abreibung gibt es wohl nur gegen Aufpreis und Zusicherung, dass man keine Regressansprüche stellt, falls dann doch irgendwelche bleibenden Schäden entstanden sein sollten. Und was den Typ auf dem Handyfoto angeht, das ich von Decker gerade gekriegt habe …«
»Wir sind ganz Ohr«, meinte Decker.
»Auf der Homepage der Firma gibt es ein Verzeichnis der Mitarbeiter mit Fotos. Ihr braucht nur nachzusehen, dann findet ihr den Typ. Er heißt Nat Peterson.«
»Da er den Firmenwagen benutzt hat, wird sein Boss ja wohl wissen, was dieser Nat Peterson hier in Robert Chongs Wohnung zu suchen hatte«, vermutete Cotton.
»Ein voreiliger Schluss, Cotton!«, glaubte hingegen Decker. »Aber Peterson kommt auf jeden Fall in die Fahndung.«
»Dillagio hat sich übrigens gerade gemeldet. Der Wagen, den ihr gesehen habt, ist auch auf dem Überwachungsvideo eines Parkplatzes in der Nähe des Mirabelle-Clubs in Alphabet City zu sehen. Die Aufzeichnungen hat sich zwar noch kein Spezialist genauer angesehen, aber das Kennzeichen des Wagens war ganz gut zu erkennen.«
»Ist der Überfall selbst auch zu sehen?«, fragte Cotton.
Zeerookah bestätigte dies. »Und der Maserati, der Robert Chong als bescheidener fahrbarer Untersatz zur Verfügung stand, steht noch immer dort.«
»Dann sollte sich Sarah den Wagen mal ansehen«, meinte Cotton. »Könnten ja schließlich interessante Spuren an dem Wagen zu finden sein.«