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Zum Buch

Die Entfernung zu uns ist nicht nur in Kilometern zu messen. Nordkorea ist ein diktatorisches System, das vor markigen Drohungen an den Rest der Welt und auch vor der Verhaftung von Touristen nicht zurückschreckt. Wenn überhaupt, dann sollte man keineswegs ohne gründliche Vorbereitung dorthin fahren. Doch wenn man sich dafür entscheidet, dann zeigt sich dem Besucher ein verwirrend vielfältiges und oft widersprüchliches Bild. Reisende bekommen trotz der überall vorherrschenden Zensur in Nordkorea viel gezeigt, doch leicht übersehen sie dabei manches wichtige Detail.

Rüdiger Frank ist einer der weltweit besten Kenner Nordkoreas, seit über einem Vierteljahrhundert bereist er das Land regelmäßig. In seinem neuen Buch fasst er seine Reiseerfahrungen zusammen, gibt praktische Tipps und überraschende Einblicke in Alltag und Kultur Nordkoreas.

Zum Autor

Rüdiger Frank, geboren 1969 in Leipzig, studierte Koreanistik, Wirtschaftswissenschaften und Internationale Beziehungen in Berlin und Duisburg. 1991/92 verbrachte er ein Sprachsemester an der Kim-Il-Sung-Universität in Pjöngjang und bereist seither das Land regelmäßig. Nach Lehrtätigkeit in New York und Seoul ist er heute Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Universität Wien und Leiter des dortigen Instituts für Ostasienwissenschaften. Rüdiger Frank ist ein gefragter Nordkorea-Experte in den Medien und berät internationale Organisationen und Regierungen.

Rüdiger Frank

Unterwegs
in Nordkorea

Eine Gratwanderung

Deutsche Verlags-Anstalt

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Sämtliche Aufnahmen im Bildteil des Buches © Rüdiger Frank


Copyright © 2018 Deutsche Verlags-Anstalt, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Typografie und Satz: DVA/Andrea Mogwitz

Gesetzt aus der Minion

Bildbearbeitung: Helio Repro, München

Karten: Peter Palm, Berlin

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Umschlagmotive: © Kyodo News/Getty Images (Vorderseite)

ISBN 978-3-641-20390-0
V001

www.dva.de

Inhalt

Vorwort

1 Ausgerechnet Nordkorea: Risiken und die Gewissensfrage

2 Einreise: Leichter als gedacht

3 Kommunikation und Medien: Landestypische Eigenheiten

4 Unterbringung: Der Charme des Sozialismus

5 Essen und Trinken: Kimch’i, Pizza, Hundefleisch

6 Unterwegs von A nach B

7 Shopping im Paradies der Werktätigen

8 West-Pjöngjang: Das Zentrum der Macht

9 Ost-Pjöngjang: Monumente und Entertainment

10 Der Nordwesten: Tribut, damals und heute

11 Der Südwesten: Alte und neue Konflikte

12 Der Südosten: Tourismus am Ostmeer

13 Der Nordosten: Revolutionäre Stätten und wirtschaftliche Öffnung

14 Ausreise: Und was nun?

Bildteil

Register

Vorwort

»Sehen Sie das Gebäude dort hinten? Wissen Sie, was das ist?« Das Mikrofon in der einen Hand, mit der anderen etwas verkrampft bemüht, das wilde Rütteln des Busses auszugleichen, lenkt die nordkoreanische Reiseleiterin unseren Blick auf ein riesiges pyramidenartiges Gebilde am Horizont. »Das ist unsere Raketenabschussrampe!« Erwartungsvoll schaut sie in die Runde. Verunsicherte Gesichter. Hat sie das wirklich gesagt? Trotz heroischer Anstrengung kann sie kurz darauf ein Glucksen nicht mehr zurückhalten. Ein Scherz, Gott sei Dank. Immerhin, wir sind in Nordkorea, und da ist bekanntermaßen alles möglich. Doch das, was da auf der Fahrt vom Flughafen Sunan Richtung Pjöngjang in der Ferne auftaucht, ist einfach nur die 105 Stockwerke hohe Bauruine des Ryugyŏng-Hotels. Dieser recht eigenwillige Ulk sagt viel über das Land aus, in dem wir gerade angekommen sind.

Nordkorea hat ein miserables internationales Ansehen. Unverdient ist dieser Ruf nicht, doch er trübt auch unsere Wahrnehmung. Was man nirgends für möglich halten würde – dort traut man es der Führung zu. Verpflichtender Einheitshaarschnitt, Hinrichtung durch Hunde oder Granatwerfer, eine Raketenstartrampe mitten in der Hauptstadt – alles scheint denkbar.

Nordkoreaner sind keine Maschinen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieses auf bedrohliche Art geheimnisvolle Nordkorea als mehr als nur ein monströses System, fixiert auf eine einzelne Führerperson. Wer trotz aller Bedenken dorthin fährt, erlebt ein Land mit Menschen, die eine Menge Humor haben und auch zur Selbstironie fähig sind.

Nordkorea ist ein Land mit wirtschaftlichen Problemen, die der Staat mal mehr, mal weniger erfolgreich zu verbergen sucht. Das Ryugyŏng-Hotel befindet sich seit Ende der 1980er Jahre im Bau und ist immer noch nicht fertig. Erst 2011 wurde die Fassade des Gebäudes mit Glas verkleidet, um das unansehnliche betongraue Skelett zu verhüllen.

Nordkorea ist ein Land mit, vorsichtig gesagt, großen Ambitionen. Zum Zeitpunkt des Baubeginns wäre das Hotel mit seinen 33o Metern immerhin das höchste Gebäude dieser Art in Asien gewesen, obwohl eine Vollbelegung mit zahlenden Gästen – damals wie heute – illusorisch war.

Nordkorea hat trotz seiner vielen Defizite auch Erfolge zu verzeichnen, und es wird zunehmend ein Land der Gegensätze. In den letzten Jahren ist es in einigen Bereichen sichtbar vorangegangen; auch dafür steht die Fassade des Ryugyŏng-Hotels. Diese wurde übrigens von jenem ägyptischen Unternehmen komplettiert, das seit 2008 Nordkoreas Mobilfunknetze betreibt.

Gleichzeitig nimmt Nordkorea bei internationalen Rankings der Menschenrechte regelmäßig einen der untersten Plätze ein. Das betrifft viele Themen, darunter die Prioritätensetzung der Führung. Wozu protzige Hotels wie das Ryugyŏng bauen oder teure Waffenprogramme finanzieren, wenn das Geld in der Infrastruktur und bei der Versorgung mit Lebensmitteln so dringend benötigt wird? Und wie kann man über einen solchen Scherz lachen, wenn man aus Berichten von Flüchtlingen über die Lager für politische Gefangene informiert ist, die vielleicht auch dort hinten am Horizont liegen – unsichtbar für uns als Besucher und verschwiegen von den staatstreuen Guides?

Eine Reise nach Nordkorea ist in vielerlei Hinsicht eine Gratwanderung. Selbst eine einzige Woche kann emotional sehr herausfordernd sein. Ein falscher Schritt, und man verliert den sicheren Boden unter den Füßen. Man schwankt zwischen Angst und Neugier, Wut und Mitgefühl, Paranoia und Vertrauen. Man lernt viel, aber versteht wenig. Man ist mitten im Land und trotzdem nie wirklich da. Man wird gezielt isoliert und ist abends doch todmüde von all den Gesprächen und Eindrücken. Euphorie und Frustration schicken Besucher auf eine emotionale Achterbahnfahrt.

Ohne solide Vorbereitung ist ein Besuch Nordkoreas nur die Hälfte wert, denn man weiß oft nicht, wonach man schauen soll oder was es eigentlich gerade zu sehen gibt. Da man in der Regel mit mehr Fragen als Antworten nach Hause zurückkehrt, empfiehlt sich außerdem eine Nachbereitung, die helfen kann, das eine oder andere im Rückblick einzuordnen. An sie – die Reiseplaner und die Reiseveteranen – wendet sich dieses Buch vor allem. Aber ich habe es auch für die vielen geschrieben, die sich zwar für das Land interessieren, aber eine Reise aus guten Gründen ausschließen.

Unterwegs in Nordkorea ist kein Reiseführer, jedenfalls nicht im üblichen Sinne. Dieses Format wäre im Falle Nordkoreas auch nicht sehr sinnvoll, da man das Land weder individuell noch spontan bereisen kann. Und doch ist Nordkorea für den Reisenden selbst dann eine Herausforderung, wenn die Route lange feststeht. Vieles ist so fremd und unbekannt, dass man kaum auf vorhandenes Wissen zurückgreifen kann. Die meisten von uns haben schon vom Eiffelturm gehört, dem Central Park oder dem römischen Kapitol. Doch wer kennt schon die Namen, geschweige denn die Geschichte und Bedeutung des Chuch’e-Turms, des Moranbong-Parks oder des Mansudae-Hügels?

Hinzu kommt, dass die organisierten Besuchsprogramme außerordentlich dicht gepackt sind, man verliert leicht den Überblick. Wie hieß dieser Triumphbogen noch mal? Was war der Name der prominentesten Biersorte? Welcher Kim war der erste, der zweite, der dritte?

Nicht zu Unrecht ist man auch immer ein wenig besorgt, wenn es nach Nordkorea geht. Umso wichtiger ist es, dass man weiß, was einen zum Beispiel bei der Ein- und Ausreise erwartet, was man mitbringen darf und was nicht, und wie viel Geld man eigentlich benötigt.

Die offiziellen Erklärungen zu den besuchten Orten geben in der Regel die sehr einseitige Perspektive des gastgebenden Staates wieder und sind damit aus unserer Sicht meist unzureichend. Das Internet hilft hier nur bedingt weiter, denn Fakten zu Nordkorea sind Mangelware, häufig dominieren Gerüchte. Zusammenhänge und Hintergründe sind erst recht schwer zu erfahren. Im Land selbst, das kommt hinzu, steht das Internet nur sehr eingeschränkt zur Verfügung, taugt also ohnehin nicht zum schnellen Rechercheinstrument.

Es gibt Reiseführer zu Nordkorea wie etwa den sehr empfehlenswerten Bradt Travel Guide, aber ich habe für dieses Buch keinen davon verwendet. Stattdessen habe ich im Verlauf von fast drei Jahrzehnten vor Ort Informationsschnipsel zusammengetragen – oft mühevoll, manchmal überraschend einfach. Meine Quellen sind eigene Anschauung und endlose Gespräche mit nordkoreanischen Reiseleitern, Kollegen, Freunden und Bekannten, die enge Zusammenarbeit mit professionellen Reiseanbietern wie Koryo Tours in Beijing, Political Tours in London oder Pyongyang Travel in Berlin und natürlich mein Hintergrund als Ostasienwissenschaftler.

Die Universität Wien, seit 2003 meine akademische Heimat, hat einen wichtigen Anteil an der Entstehung dieses Buches. Die älteste Universität im deutschsprachigen Raum ist im 21. Jahrhundert angekommen und fördert gezielt die Kommunikation und den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, das Herabsteigen vom Elfenbeinturm. Nordkorea ist kein einfaches Thema; wer sich damit befasst, ist heftiger Kritik ausgesetzt, oft verbunden mit starken Emotionen. Im Umgang mit ihm ist die an der Universität Wien geltende Überzeugung wichtig, dass die Freiheit der Wissenschaft und des Denkens unter der Voraussetzung der Einhaltung ethischer Grundsätze unantastbar ist.

Besonders wertvoll waren für mich Gespräche mit ausländischen Diplomaten und Geschäftsleuten, die oft Jahre in Nordkorea verbracht und ihre Erfahrungen großzügig mit mir geteilt haben. Stellvertretend möchte ich mit großem Respekt Barbara und Günter Unterbeck nennen, die Nordkorea so viel besser kennen als ich. Sie haben mit ihrer bescheidenen und beharrlichen Arbeit für die Menschen dort und für unsere Annäherung an sie Außerordentliches geleistet, weit mehr als die Öffentlichkeit je erfahren wird.

Seit einiger Zeit begleite ich ein bis zwei Mal im Jahr westliche Reisegruppen, eine für mich nach anfänglicher Skepsis überraschend positive und produktive Erfahrung. Ich kenne daher die praktischen Fragen und Probleme bei solchen Touren aus eigener Anschauung. Was darf man fotografieren? Was nimmt man als Geschenk mit? Wo bekommt man ein Visum? Welche Orte kann man und welche sollte man besichtigen? Die Zahl der Fragen ist nahezu endlos und reicht von profanen Dingen des Alltags bis zum Verständnis größerer politischer Zusammenhänge. Untrennbar verbunden ist all das mit der Lage der Menschen in einer Diktatur, mit dem Leben in einem alle Bereiche durchdringenden Staat, vor dem Hintergrund immer wieder aufflammender Krisen um das Atomwaffenprogramm und inmitten einer hoch komplexen geostrategischen Lage.

Aus diesen Komponenten setzt sich im Folgenden so etwas wie ein Porträt des Landes zusammen, mit einem anderen Ansatz allerdings als bei meinem Buch Nordkorea: Innenansichten eines totalen Staates, das sich strukturiert mit der Geschichte, der Ideologie, dem politischen und wirtschaftlichen System befasst. Dort finden Sie auch zahlreiche Literaturangaben und Hinweise auf weiterführende Lektüre. Beide Bücher – Innenansichten und Unterwegs in Nordkorea – bilden letztlich eine Einheit.

Zum Schluss noch eine nicht ganz unwichtige Formalie: Ich habe für die Umschrift koreanischer Begriffe grundsätzlich das System nach McCune/Reischauer verwendet. Der Lesbarkeit wegen wird bei weithin bekannten Begriffen, Orts- und Personennamen jedoch auf die in den Medien übliche, vereinfachende Form zurückgegriffen. »P’yŏngyang« wird daher »Pjöngjang« geschrieben. Anstelle von Kim Il-sŏng schreibe ich Kim Il-sung, Kim Chŏng-ŭn schreibe ich Kim Jong-un und so weiter.