Bibliografische Information der Deutschen
Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek
verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2017 Ben Weber
Illustration und Satz: Anna Tekath
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783744879910
Och, nee ..., denkt Harti Hoppel, als sie um die Sträucher biegt und mit Nana Samtfell zusammenstößt.
„Hoppla, das Hoppelchen!“, ruft Nana und bevor Harti sich versieht, wird sie heftig von ihr umpfotet. Ein Vergnügen ist das nicht, denn Nana, die nur einen Kaninchenbau entfernt wohnt, hat sich wieder einmal mit Brombeerduft eingerieben. Bäh, was für ein süßer Mief!
Nana Samtfell ist ungefähr in Hartis Alter, aber so ganz genau weiß man das nicht. Zahlen spielen für Kaninchen keine große Rolle, wofür sollen die auch gut sein? Eigentlich findet Harti ihre Nachbarin ganz nett. Sie ist immer gut gelaunt und man kann mit ihr über alles reden. Aber muss Nana so ein samtiges Fell besitzen? Wie das glänzt! Und dazu kommt noch dieses gleichmäßige Hoppeln. Wie bekommt sie das nur hin? Hartis Pelz strahlt selbst im hellsten Sonnenschein kein bisschen und da sie von Geburt an zwei unterschiedlich lange Hinterläufe hat, kann sie zwar prima Haken schlagen, aber nicht so anmutig daherhüpfen wie die meisten der übrigen Karnickelmädchen. Dafür besitzt Harti andere tolle Eigenschaften: Sie ist klug, hilfsbereit und hat wunderschöne bunte Augen. Das allerdings bemerken nur diejenigen, die ihr ganz nahe kommen.
„Na, wo hüpfst du denn hin?“, fragt Nana neugierig und lacht Harti dabei an.
„Ich? Ach, ich will nur zum großen alten Blättermacher. Willst du ... vielleicht mitkommen?“
Harti Hoppel weiß wohl, dass Nana es vermeidet, diesen Ort zu betreten, seitdem ihr dort einmal im dichten Unterholz Dornen das schöne Fell aufgerissen haben.
„Och, da war ich heute schon, nix los da oben ...“, murmelt Nana und bekommt dabei ziemlich rote Ohren. Na, umso besser, denkt sich Harti, beim großen Blättermacher bin ich sowieso viel lieber allein.
„Okay, Nana, dann werd ich mal ohne dich losziehen.“
„Ach, macht ja nix. Tschüss dann!“
Nana hebt zum Abschied lässig die Pfote zum Gruß, so wie sie es bei den frechen Kaninchenjungs in der Stadt beobachtet hat. Sie seufzt. Ach ja, sie wäre viel lieber cool als schön. Doch leider sind ihre Eltern da ganz anderer Meinung.
Der große alte Blättermacher ist ein riesiger Baum draußen auf einer kleinen Anhöhe, nur einen Karnickelhopser von der steinernen Stadt entfernt. Er ist umgeben von Farnkraut, Schlingpflanzen, allerlei Pilzen und Moosgewächsen. Daherschweben wie eine Dame aus feinem Kaninchenbau kann man in so einer Umgebung natürlich nicht. Ja, und selbst an sonnigen Tagen fällt nur ein zarter Lichtschleier durch das Blätterdach der Bäume, so dass jedes Kaninchenfell hier oben einfach nur noch grau aussieht.
Harti mag diesen Platz, hier ist sie, mal abgesehen von den anderen Tieren des Waldes, am liebsten allein. Und abgesehen von ihrem Freund, dem großen alten Blättermacher, mit dem sie sich manchmal sogar unterhält. Denn die beiden können sich, obwohl sie keine gemeinsame Sprache besitzen, auf wundersame Weise verstehen. Harti seufzt und schmiegt sich an den Fuß seines Stamms. Heute wird sie einfach nur dasitzen, schweigen und gemeinsam mit ihm die Ruhe genießen, das Rauschen der Blätter im Wind und den Singsang der kleinen Waldvögel.
Ja, das wird ein schöner Nachmittag ...
Mit diesem Gedanken döst sie ein und spürt nicht einmal mehr, wie die Kraft des uralten Baumes sie umhüllt und ihren Schlaf beschützt. So liegt Harti friedlich auf ihrem Lieblingsplatz und schläft eine ganze Weile und noch viel länger.
„Wach auf, Kaninchen, wach auf!“
Harti blinzelt, hat sie das geträumt?
Doch da ist es schon wieder:
„Aufwachen, Kaninchen, los, wach auf!“
Das ist der große alte Blättermacher!
Er hat sie geweckt. Aber warum nur? Es ist sicher schon sehr spät, denn durch die Baumkronen schimmert nur noch ein schwaches Licht. Harti friert, ihre Barthaare zittern. Irgendetwas stimmt hier nicht. Eine ungewöhnliche Stille liegt über den Nebelschwaden, die hier abends aus dem feuchten Boden kriechen. Vielleicht ist es doch nur ein schlechter Traum? Harti macht das, was sie in solchen Fällen immer zu tun pflegt: Sie beißt sich in die Pfote. Autsch, das tut aber weh! Also doch kein Traum. Da, der Warnruf eines Waldvogels: „Hau ab! Hau ab! Hau ab!“ Und noch einmal: „Hau ab! Hau ab!“