Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2016 Dr. med. Timo A. Spanholtz, D. Benjamin Alt
Umschlagabbildung: © WAYHOME studio/Shutterstock
Gestaltung: Martin Mellen, Bielefeld
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Auch als Paperback erhältlich unter der ISBN 978-3-7412-8447-2
ISBN 978-3-7431-3166-8
Was sich in der Erfahrung
– die ein Richter ist –
bewährt oder nicht bewährt,
das soll angenommen
oder verworfen werden.
Theophrastus Bombastus von Hohenheim
(genannt: Paracelsus)
Wir leben in einer Welt der Schönheit und der Makellosigkeit. Menschen präsentieren sich und ihr Leben anderen Mitmenschen in einer transparenten Art und Weise, wie dies zuvor nie der Fall war. Man zeigt gerne, was man hat und teilt ein beneidenswertes Leben in Wort, Bild und vermehrt auch Video über Websites und in sozialen Medien. Natürlich wird hierbei darauf geachtet, das Leben nur von seiner Sonnenseite zu zeigen: Beim Einsteigen in den Jet, beim Sonnenbad am Strand oder mit dem Sundowner in Nizza. All die schwierigen Momente des Lebens werden gewollt ausgespart, um das Bild eines perfekten Lebens nicht zu „stören“.
Luxus, den wir uns gönnen, soll hierbei allerdings nicht unbedingt viel Geld kosten. Auch wenn der Trend extremer Schnäppchenjagd und die hierauf abgestimmten Werbekampagnen (à la „Geiz ist geil!“) abzunehmen scheint, sucht der Kunde doch immer Maximalqualität zu Schnäppchenpreisen. Ehe ganz auf die Luxus-Armbanduhr verzichtet wird, trägt man lieber eine Fälschung und dokumentiert so die Zugehörigkeit zur „Upper-Class“.
Die ständige Suche nach vermeintlich hochklassigen Produkten und Leistungen zum Dumpingpreis hat auch vor der Medizin keinen Halt gemacht. Sie berührt und verändert in diesem Bereich allerdings ein besonderes und besonders schützenswertes Vertrauensverhältnis, nämlich jenes zwischen Arzt und Patient.
Das unbedingte Streben nach ästhetischer Perfektion treibt Patienten heute in die Fänge des Internets (Fluch und Segen zugleich), welches bereitwillig den Kontakt zu Dumping-Angeboten im Ausland herstellt. Hier ist sie nun, die phantastische Kombination aus niedrigen Preisen und hochprofessioneller ärztlicher Leistung! Aber Achtung! Günstig ist oft „billig“ und die Erlebnisse in ausländischen Kliniken können sich als traumatisierender Horror entpuppen.
Für dieses Buch haben wir uns als fachkompetente Autoren zusammengetan, um einen Einblick in die Risiken und Gefahren solcher Auslandsoperationen zu geben. Der „doppelte Blick“ des Juristen und des Facharztes für Plastische Chirurgie beleuchtet die Gefahren von beiden Seiten, bringt Licht in das Dunkel und macht dieses einmalige Buch zu einem guten Ratgeber für Interessierte, Geschädigte und Helfende. Wir möchten uns Ihnen in jedem Falle durch dieses Buch empfehlen, denn auch jenseits dieser Zeilen bieten wir Ihnen unsere kombinierte fachliche Hilfe an: Wir beraten Sie juristisch bei Problemen nach Inlands- und Auslandserfahrungen und helfen Ihnen, chirurgische Ergebnisse zu beurteilen und nach Möglichkeit zu korrigieren.
Scheuen Sie sich nicht, unsere Hilfe in Anspruch zu nehmen, schämen Sie sich nicht ob Ihrer vermeintlichen „Naivität“. Es gibt nichts Dramatischeres als täglich unter einem Fehler zu leiden, wenn er korrigierbar ist. Wir sind für Sie da.
Die Notwendigkeit der Versorgung von Erkrankungen, Unfällen und Verletzungen ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon immer verletzten sich Menschen durch die Herausforderungen des Alltags oder litten unter internistischen Beschwerden. Früh spezialisierten sich Mitglieder innerhalb eines sozialen Gefüges und übernahmen auf der Basis des jeweiligen medizinischen Kenntnisstandes die Aufgabe des Naturheilers, Schamanen und später die des Mediziners.
Durch die Industrialisierung und die hierdurch explosionsartige Weiterentwicklung der Technologien bekamen Menschen tiefe Einblicke in die Funktionsweisen des Körpers. Je besser die medizinische Versorgung auf der Basis gesicherter Erkenntnisse wurde, desto mutiger wurden die Ärzte, innovative Behandlungen zu testen und zu etablieren.
Ein krankheitsbedingter oder durch einen Unfall verursachter Mangel wurde schon immer als kaschier- oder korrekturbedürftig empfunden. So wurden schon früh Nasenrekonstruktionen nach bestrafendem Abschneiden der Nase im alten Indien durchgeführt. Eine Operation, die heute noch unter dem Begriff der indischen Nasenplastik bekannt ist, im Gegensatz zu damals aber unter sterilen Bedingungen und mit schmerzfreier Anästhesie und feinsten chirurgischen Techniken erfolgt.
Ein weiterer Wunsch, der die Menschheit seit jeher begleitet, ist der Wunsch nach jugendlicher Kraft, körperlicher Unversehrtheit beziehungsweise physischer Überlegenheit. Diese zusammenfassend als „Attraktivität“ bezeichneten Eigenschaften waren und sind sowohl in der Tierwelt als auch bei Menschen ein wesentlicher Faktor, was die Fortpflanzung und somit ein Grundbedürfnis betrifft. Schon sehr früh begann der Mensch, sich durch Mode, Kosmetik und körperliche Fitness zu individualisieren und sich von potentiellen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern in der Gunst um die Aufmerksamkeit gegenüber Dritten abzusetzen. Schon Nofretete verkörperte ein Schönheitsideal, nach welchem sich die Männer sehnten und nach dem Frauen strebten. Viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte waren die Menschen darauf angewiesen, sich durch Schminke und andere äußerliche Veränderungen einem Schönheitsideal anzupassen. Bis zu dem Moment, in welchem körperliche Veränderungen auch durch chirurgische Eingriffe möglich wurden. Dies war die Geburtsstunde der Plastischen Chirurgie.
Durch die Weiterentwicklung der medizinischen Techniken, die Einführung einer schmerzfreien Narkose und die Entdeckung der Keimfreiheit wurden Ende des 19. Jahrhunderts auch größere Operationen wie Baucheingriffe, Kaiserschnitte und komplexe Eingriffe nach Unfällen möglich. Zunehmend wuchs auch der Wunsch nach chirurgischer Optimierung des eigenen Körperbildes. Entgegen der gegenwärtigen Wahrnehmung ist die Plastisch-Rekonstruktive Chirurgie ein altes Fach: Kollegen wie Dieffenbach (1792–1847) oder Jaques Joseph (1865–1934) gelten als Pioniere des Faches und etablierten Techniken vor mehr als 150 Jahren. Auch damals galt, was für die moderne Plastisch-Ästhetische Chirurgie heute noch gilt: Die Eingriffe waren gewünscht, aber nicht zwingend notwendig.
Es dauerte nahezu ein ganzes Jahrhundert, bis sich in Deutschland eine standardisierte Facharztausbildung etablierte und Ärzte mit dem strukturierten Wissen ausstattete, welches für ein erfolgreiches Praktizieren notwendig ist. Dennoch stellt die Geburt dieses Fachgebietes die Medizinethik und die Rechtsprechung vor besondere Herausforderungen. Auf der einen Seite werden medizinisch nicht erforderliche Eingriffe durchgeführt und auf der anderen Seite handelt es sich um eine ärztliche Leistung auf der Basis des besonders schützenswerten Arzt-Patienten-Verhältnisses.
Um die besonderen Anforderungen an dieses Verhältnis und auch die zum Teil hieraus resultierenden juristischen Aspekte zu verstehen, kann ein einfaches Bild herangezogen werden: Während eine Erkrankung oder ein Unfall bei einem Betroffenen dazu führt, dass dieser „nur“ so sein möchte, wie vor diesem Schicksalsschlag, wünscht der Patient in der Plastischen Chirurgie eine „aktive Veränderungen auf eine höhere Daseinsstufe“. Nicht nur hat sie oder er konkrete Vorstellungen, wie das Ergebnis aussehen soll, sondern es entstehen auch individuelle Erwartungen bezüglich eines Effekts auf das eigene Leben bzw. um den Lebensabschnitt. Auch dies ist ein wichtiger Aspekt, da die Bedürfnisse in verschiedenen Lebensabschnitten ganz anders gelagert sein können und ein Arzt dies in die Beratung miteinbeziehen muss. Ist also das ursprüngliche Verhältnis von Patient und Arzt von Gefühlen wie Verunsicherung, Hilfsbedürftigkeit und Angst geprägt, ist die Beziehung zum Plastischen Chirurgen auch von Erwartungen, (neuen) Bedürfnissen und Hoffnungen auf ein besseres Leben geprägt. Und während das ursprüngliche Verhältnis tiefe Dankbarkeit hervorruft, wenn der Arzt in der Behandlung erfolgreich ist, so besteht im ästhetischen Zusammenhang oftmals die emotionale Haltung, dass der „Job für den bezahlt wurde“ umgesetzt wurde. Daraus resultiert, dass im Kontext der herkömmlichen Medizin unvorhergesehene Folgen der ärztlichen Behandlung schneller und einfacher als schicksalhaft akzeptiert werden, während beim Plastischen Chirurgen schneller eine Schuld gesehen wird.
Auch der Aspekt der freien Arztwahl bei dieser sowieso aus eigener Tasche gezahlten Leistung beeinflusst das Verhältnis zwischen Patient und Plastischem Chirurg. Schnell und nahezu an jeder Ecke kann heute ein alternativer „Leistungsanbieter“ gefunden werden. Und wenn mir die Art der Herangehensweise des einen Plastischen Chirurgen nicht zusagt (oder auch der Preis!), dann gehe ich eben zur Konkurrenz.
Am Ende des Beratungsgesprächs mache ich meinen patienten gegenüber stets deutlich, dass ich die Operation – falls alle Voraussetzungen erfüllt sind – gerne durchführen werde. Ich rate Ihnen aber auch immer, sich eine zweite oder dritte Meinung anzuhören, da nur so eine aktive Entscheidung für mich als Plastischen Chirurgen gegeben ist. Dies fördert die Wahlfreiheit der Patienten, zeigt, dass man sich seines Faches sicher ist und hinter der Technik und Durchführung steht. Nur nahezu jeder 4. Patient wird am Ende nicht durch mich operiert – und dies oft nur, weil ich die Behandlung ablehne oder davon abrate.
Nachdem Europa zwei große Kriege überstanden hatte, die Menschen innerhalb dieser geographischen Zone enger zusammen wuchsen und schließlich die europäische Union als Krönung der Versöhnung aus der europäischen (Wirtschafts-) Gemeinschaft (EG) hervorging, gewöhnten sich die Menschen mehr und mehr daran, barrierefrei zu reisen, jenseits der Landesgrenze zu studieren, zu arbeiten oder zu wohnen. Konsumgüter werden auch weit jenseits des eigenen Wohnortes bezogen. Leistungen werden heute im Prinzip von großen Internetshops abgerufen, wobei der wichtigste und zentrale Entscheidungsfaktor der Preis der Leistung zu sein scheint. Der Versand von Waren von England nach Deutschland, der Umzug nach Luxemburg aus steuerlichen Gründen, die Arbeitssuche auf der ganzen Welt: Der Mensch denkt und handelt global. Diese vermeintliche freie Wahl hat auch in unserem Fach dazu geführt, dass weniger die Leistungen selbst, wohl aber die Preise innerhalb der Plastischen Chirurgie miteinander verglichen werden. „Schnell in den Flieger und ab nach Prag, da bekomme ich die Brust für 2.999 Euro! Donnerstags hin, freitags Operation und Montag sitze ich wieder am Schreibtisch!“, solche Haltungen in Bezug auf eine extrem komplexe Leistung sind leider heute gang und gäbe.