Impressum

Titelbild: I.M. Rusch, Wandbild eines Chinesischen Tempels, Nordthailand

Korrektorat: Stefan Rusch, Zürich

@ 2017

Herstellung und Verlag: BoD-Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783743105485

Inhalt

Vorwort

Das Leben ist eine Reise.

Irgendwie sind wir alle unterwegs, auch wenn wir nicht wissen, wohin uns letztendlich unsere Reise führen wird. Das Leben ist wundersam und wird es immer bleiben. Die wirklich grossen Fragen der Menschheit, verlangen sie nach einer Antwort? Wo werden wir Antworten finden? Die Suche wird zum Weg, doch es ist ein Pfad in die Mitte unserer eigenen Existenz. Werden wir je ankommen? Oder ist es doch so, dass der Weg das Ziel sein sollte? Die Pfade können verschlungen sein oder auf Abwege führen. Achtsamkeit kann uns davor bewahren, an den wichtigen Wegweisern des Lebens achtlos vorbeizugehen. Eine respektvolle Haltung kann uns helfen, als Gast auf diesem Planeten keinen zu grossen Schaden anzurichten.

Es ist mir eine grosse Freude, dieses Buch zu veröffentlichen. Dabei schliesst es ganz an die erste Veröffentlichung «Horizonte der Begegnung» an, und ist ebenfalls eine autobiographische Ansammlung von denkwürdigen Begegnungen und witzigen Begebenheiten quer durch die Welt.

Ich wünsche dem Leser unterhaltsame Stunden!

November 2017 Ivo M. Rusch

Die Insel

Es gab da mal einen bekannten Film, “The Beach”, in dem der junge Leonardo DiCaprio die Hauptrolle innehatte. Der Film spielt in Thailand und handelt von ein paar Typen, welche von einem geheimen Traumstrand gehört hatten und sich aufmachten, ihn auf Biegen und Brechen zu suchen.

Und dann gab es mich, Jahre vor Leonardo DiCaprios “The Beach”. Nach Monaten des Herumreisens kannte ich Thailand schon ziemlich gut und hatte die vielen verbauten Strände satt.

Doch ich hatte erfahren, dass es ganz im Süden an der malaysischen Grenze eine Insel unter Naturschutz gab, auf welcher sich nur eine einzige Unterkunft befand und die noch quasi unbefleckt von all der Moderne sei. Da musste ich hin!

Wenn man mich für naiv hält, so bitte. Aber immerhin wusste ich bereits, wie man Kokosnüsse von den Palmen holt und hatte das geübt, trotz vielen unschönen Kratzern an den Armen. Ich war reif für die Insel!

Also plante ich den Trip so gut ich konnte und verliess Bangkok mit dem Bus Richtung Süden. Nach zwei Tagen traf ich in der südlichsten Stadt, Hat Yai, ein. Von dort ging es weiter ostwärts, an die Küste. Leider gab es hier keine Busse mehr, so musste ich Stunden warten, bis ein altes Mercedestaxi genügend Gäste zur Fahrt hatte. Zu siebt mit einer muslimischen Familie in den Mercedes gequetscht, ging es Stunden um Stunden auf der Sandstrasse durch den Urwald Richtung Küste. Endlich war ich in Satun, einem Küstenkaff, und erschöpft quartierte ich mich in ein altes Hotel ein.

Am nächsten Tag ging ich zum Hafen, um mal nach den Schiffen zu sehen. Irgendetwas würde sicher fahren. Es gab da draussen im Meer, um die dreissig Kilometer entfernt, diese Insel. Unweit davon noch eine von Piraten bewohnte kleinere Insel. Da würde sicher mal ab und zu ein lokales Boot hin tuckern.

Nur, es schien so gar kein Bootswetter zu sein. Die Regenzeit war noch in vollem Gange, auch heute waren die Wolken düster. Etwas resigniert schlurfte ich im Hafen rum.

In einem kleinen Strassenrestaurant stiess ich auf einen Weissen. Der Tourist schien Ähnliches vorzuhaben. «Suchst du auch nach einem Boot nach Ko Bulon Le?», fragte er mich. Dammi, genau so hiess die Insel! Soweit also zu meinem Geheimtipp. Nun gut, jetzt musste ich die Bootskosten nicht alleine tragen, auch in Ordnung. Wir tranken zusammen etwas Tee und suchten dann gemeinsam nochmals den Hafen ab. Wir fanden eine Bootsstelle und etliche Boote und Bootsleute. Doch heute Nachmittag wollte keiner mehr rausfahren. Das Wetter sei zu stürmisch. Morgen, vielleicht. Wir sollten morgen wieder kommen.

Am nächsten Morgen standen wir da. Doch es fing an zu regnen, und bald sassen wir wieder in dem kleinen Hafenrestaurant und tranken Tee.

In der Hinterstube sassen der Hafenmeister und Beamte der Hafenpolizei, spielten Karten und tranken Schnaps. Das sah also nicht nach einer baldigen Bootsfahrt aus.

Doch plötzlich am Nachmittag kam ein Junge zum Restaurant gerannt und fragte uns, ob wir immer noch auf die Insel möchten. Sein Vater fahre los, sie müssten auf die Nebeninsel und könnten auch Ko Bulon Le ansteuern.

Ok, endlich ging also was. So folgten wir dem Jungen zum Boot. Sein Vater schien ein von Sonne und Salz gegerbtes Raubein zu sein, und wir waren uns fast sicher, dass er wohl auch ein Pirat im Nebenberuf sein mochte. Er steckte in kurzen Hosen, Hawaiihemd und riesigen Fischerstiefeln, sein furchiges Lächeln offenbarte ein paar blinkende Goldzähne im Mund. Er schien schon etwas Whiskey getrunken zu haben, aber das war in Thailand für viele einfache Leute die tägliche Medizin.

Wir handelten den Preis aus, der recht saftig war, und los ging die Fahrt.

Der Wind hatte sich etwas gelegt, doch der Himmel war noch ziemlich schwarz. Die Küstenwache konnte niemand um Rat fragen, sie schlief gerade ihren tüchtigen Rausch aus.

Das Boot war ein gut sechs Meter langes hausgemachtes Holzboot mit einer kleinen Überdachung gegen Sonne und Regen, der Motor wie üblich ein alter Dieselmotor von einem Lastwagen mit einer grossen Schiffsschraube an einer Übersetzungsstange. Das Ding röhrte und tuckerte, und wir schaukelten los.

Es schlug die gute Nussschale ganz schön hin und her, also banden wir die Rucksäcke an den Seiten fest und verteilten unser Gewicht. Wir hofften, bei dem Schaukelgang nicht seekrank zu werden.

Als wir die schützende Bucht verliessen, merkten wir erst, was für ein Wetter hier auf See wirklich herrschte. Die Wellen wurden riesig, und der Wind war doch nicht ganz abgeflaut. Auf dem Meer schien sich das Wetter zu bessern, vom Land her grollten aber noch riesige schwarze Wolken.

Selbst der Kapitän schien etwas überrascht von der sehr rauen See, doch er war ja schon rausgefahren und ein paar Kilometer draussen. Ein Asiate wollte keinesfalls das Gesicht verlieren und umkehren.

Die Küste verschwand allmählich, der Sturm wurde heftig. Die Wellen waren ein Vielfaches grösser als unser Boot. Auch als Nichtseeleute waren wir zwei jungen Reisenden uns klar darüber, dass es nun gefährlich werden konnte.

Ein Brecher traf uns, das Boot hüpfte in die Höhe, eine Holzbank flog über Bord. Der Kapitän fluchte und schickte seinen Jungen, um alles an Bord festzumachen.

Mein unfreiwilliger Leidensgenosse holte eine Zigarette raus, und da es seine letzte war, wollte er sie redlich teilen. Zugegeben, rauchen ist nicht gesund. Doch sollte es unser allerletzter Tabakgenuss sein, mussten wir es geniessen.

Wir hatten die Zigarette nur angeraucht, als eine riesige Welle über das Boot schlug. Die halbe Nussschale hatte sich schlagartig mit Wasser gefüllt, die Zigarette hing schlaff und ausgelöscht im bleichen Gesicht meines Mitreisenden. Der Kapitän fluchte wieder laut, während wir uns die aufgeschlitzten Kanister schnappten, um das Wasser aus dem Boot zu schöpfen.

Wir schöpften und schöpften, und als wir das Gefährt fast trocken hatten, traf ein weiterer Brecher das Boot. Wieder standen wir mehr als fusstief im Wasser und schöpften ununterbrochen.

Es schienen Stunden zu vergehen. Als wir endlich von einem grossen Wellenkamm aus Land in der Ferne sahen, brachen wir in Jubel aus.

Es schienen nochmals Stunden zu vergehen, bis wir endlich am Sandstrand anlanden konnten und mit tauben Armen die Schöpfkanister ins Boot zurücklegten. Die Rucksäcke hingen wie schlaffe Wäsche noch in den Seilen. Da war kein Faden mehr trocken.

Mit welcher Freude wateten wir auf den Strand zu und zogen das Boot in Sicherheit! Auch der raubeinige Kapitän würde die nächsten Stunden nicht mehr weiterfahren.

Dann wanderten wir zusammen vom Strand durch den kleinen Nadelholzwald und standen vor einer modernen Hotelanlage. Wow, damit hatten wir aber nicht gerechnet! Wir erklommen den prunkvollen Aufgang. Der Herr am Empfang, in Schwarz-Weiss gekleidet, schaute uns mit grosser Verwunderung an und fragte, woher wir denn kämen. Misstrauisch betrachtete er uns zwei durchnässten Gestalten und die tropfenden Rucksäcke.

Wir erzählten von unserer Überfahrt und fragten nach einem günstigen Bungalow. «Naja, meine Herren, das hier ist ein Resort», meinte der Concierge. «Wir haben keine günstigen Bungalows.» Und im Moment sei so gut wie alles voll. Voll? Woher denn die Leute kamen, wunderte ich mich.

«Von Norden mit der Yacht, von Krabi», meinte der Concierge. Und sie buchten jeweils schon Monate im Voraus, denn das hier sei ein edles Resort.

Oh Mist. Soviel also zu meinem Geheimtipp von der einsamen Insel.

Nächstes Mal würde ich mir zumindest eine Schwimmweste vor der Überfahrt kaufen!

Ein Blick in den Spiegel

Afrika, Namibia im Jahre 2014. Als Entwicklungshelfer im Einsatz im Bildungsministerium. Und viel unterwegs…

Rachel, meine Kollegin vom Hauptsitz des Ministeriums, und ich waren für Weiterbildungstage für Schulleiter in den fernen Nordwesten gereist, nach Opuwo ins Himbaland. Meine moderne Kollegin, selber hoch gebildet und eine Coloured (Mischling), war von der abgelegenen und ärmlichen Gegend, den Staubstrassen und den grossen dunklen Menschen mässig begeistert. Man merkte Rachel an, dass ihre Motivation stündlich schwand. Zusammen unterwegs im Dienstauto sparte sie nicht mit Worten, ihren Missmut zu beschreiben. Naja, es gab schon Stoff zum Meckern: Da waren Stromausfälle, Sandstürme, schlechtes Essen, regierungskritische Kursteilnehmer, Abfälle überall in der Gegend verstreut… für Rachel schlicht zuviel der Unzivilisiertheiten.

Ich hörte der ausgiebigen Zelebration ihrer Misere schmunzelnd zu und versuchte mit trockenem Humor (in die Steppe passt nun mal trockener Humor), ihre Frustration etwas abzufangen.

Denn ich selber fand die Gegend, mal so unter uns gesagt, schlicht toll. So hatte ich mir Afrika eigentlich vorgestellt. Mit Autowracks in den kakteen-überwucherten Vorgärten, wilde Strausse am Strassenrand, Staub und Sand überall und eine Vielfalt von Menschen aller Ethnien im Getümmel unterwegs. Besonders beeindruckend fand ich die Angehörigen des Stammes der Himbas, welche in Felle gekleidet und mit roter Paste eingeölt, die Haare mit Lehm zu irdenen Zöpfen geklebt, mit blanker stolzer Brust durch die Strassen stolzierten. Doch auch die Hererofrauen, in ihren viktorianisch inspirierten Röcken mit den umständlich gefalteten Tuchkappen auf dem Kopf, deren Form absichtlich an Kuhhörner erinnern, erschienen eindrucksvoll. Meist trugen die Damen traditionellerweise sechs bis sieben Rockschichten übereinander. So erschienen sie umso imposanter! Ich selber hätte bei diesen Temperaturen nahe den vierzig Grad wohl ziemlich schlaff aus jener Wäsche geschaut.

Rachel musste noch die Abrechnungen mit den Gästehäusern machen, in denen unsere Schulleiter und Kursteilnehmer logierten. So fuhren wir früh abends mit unserem Dienstauto Richtung Stadtzentrum, vorbei an zahlreichen Shabeens (illegalen Kneipen) und Strassenhändlern.

Plötzlich lief ein älterer, langer Himba-Mann direkt vor unserem Auto auf die Strasse. Rachel trat die Bremse, keine Sekunde zu früh. Leicht geschubst kippte der lange hagere Mann im Lendenschurz auf die Kühlerhaube und schaute uns von Schreck erstarrt an. Dann rappelte er sich auf, griff nach dem verlorengegangenen Hirtenstab und tastete sich entlang der Kühlerhaube nach bis zu meiner Beifahrertüre und senkte den Kopf.

Mit leichtem Schreck erwartete ich, was da kommen mochte, und hoffte insgeheim, dass der Mann aus der Savanne wohl generell nichts gegen Weisse in einem Regierungsfahrzeug hatte. War die Scheibe stabil genug, sollte der Alte seinen Stock schwingen?...