Klaus-Dieter Thill
Die Valetudo-Prinzipien für niedergelassene Ärzte
Grundsätze und Instrumente für ein “gesundes“ und erfolgreiches Best Practice-Praxismanagement
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
1 Planung
2 Patientenmanagement
3 Marktforschung
4 Organisation
5 Corporate / Dienstleistungsdesign
6 Dienstleistungsmarketing
7 Führung / Zusammenarbeit
8 Selbst- und Zeitmanagement
9 Finanzmanagement
10 IGeL-Management
11 Mitarbeiterzufriedenheit
12 Patientenzufriedenheit
Anhang: Analyse und Optimierung des Praxismanagements mit Hilfe des Valetudo Check-up© „Praxismanagement“
Impressum neobooks
In deutschen Arztpraxen werden – über alle Fachgruppen betrachtet - durchschnittlich nur 53% der für ein reibungslos funktionierendes Praxismanagement notwendigen Regelungen und Instrumente eingesetzt. Die hieraus resultierende Patientenzufriedenheit erfüllt lediglich 61% der Anforderungen und Wünsche. Das sind die Resultate, die aus den Praxismanagement-Beschreibungen von mehr als 7.000 Arztpraxen mit Hilfe des validierten Analyse-Systems „Valetudo Check-up© Praxismanagement“ (http://bit.ly/1Zk3hWD ) repräsentativ ermittelt werden konnten.
Die folgenden Kapitel beschreiben, welche im Praxisalltag ermittelten Grundsätze und Instrumente dazu beitragen, das beschriebene ungenutzte Praxismanagement-Potenzial zu aktivieren. Ihre Anwendung kann dabei vollständig in Eigenregie erfolgen. Die Konsequenzen derartiger Optimierungen konnten in den Praxisbetrieben der Valetudo-Community© (http://bit.ly/1UrhZ0p ) eindrucksvoll belegt werden: Produktivität, Arbeitsqualität, Patientenbindung und -gewinnung sowie der Praxiserfolg verbessern sich nachhaltig.
Eine Beschreibung des Analyse-Instrumentariums findet sich im Anhang.
Mit Hilfe der Planung koordinieren, steuern und kontrollieren Sie die Arbeit Ihres Praxisunternehmens. Die Planung besteht aus folgenden Elementen:
1.1 Praxisziele
Ziele sind vorweggenommene Vorstellungen, die Sie über das Ergebnis Ihrer Praxistätigkeit entwickeln. Sie geben Antwort auf die Frage „Was will ich mit meiner Praxisarbeit erreichen?“ und müssen unter Beachtung Ihrer Praxisperspektive (Halten, Wachsen, Reduzieren) für jeden Bereich des Praxismanagements, z. B. in Form von Arbeitszielen für Ihre Mitarbeiterinnen, definiert werden.
Zielformulierung
Damit Praxisziele helfen, die Arbeit zu koordinieren, zu steuern und zu kontrollieren, benötigen die Zieldefinitionen eine ganz bestimmte Gestaltungsform:
(1) Sie müssen auf ein oder mehrere Bezugsobjekte konkret spezifiziert werden. So genügt es z.B. nicht, wenn Sie ein Ziel wie „Die Praxis soll besser laufen“ formulieren. Zwar geben Sie eine Zielrichtung vor („besser laufen“), aber das Bezugsobjekt („die Praxis“) ist viel zu allgemein, als dass Sie Maßnahmen zur Erreichung des Ziels ableiten könnten.
(2) Sie müssen eindeutige Maßgrößen definieren, mit deren Hilfe die beabsichtigten Resultate überprüfbar werden. Sie können hierfür Wertgrößen verwenden (z.B. Umsatz, Scheinzahl, Anzahl Patienten / Stunde o.ä.), aber auch qualitative Parameter wie z.B. den Grad der Patientenzufriedenheit, die Bekanntheit, das Image oder die Einstellungen von Patienten zur Praxis.
(3) Formulieren Sie Ihre Ziele möglichst realistisch. Sind sie zu hoch angesetzt, werden die Ziele häufig vor allem von den Mitarbeiterinnen abgelehnt. Sind sie zu niedrig, werden sie nicht ernstgenommen.
(4) Des Weiteren benötigt eine Zieldefinition unbedingt eine Beschreibung der beabsichtigten, vom Ist-Zustand aus gesehenen Veränderung und der hierfür benötigten Zeit. Ist dieser Zielhorizont langfristig ausgerichtet (ein Jahr und mehr), spricht man von strategischen Generalzielen. Diese sind aufgrund ihres Zeithorizontes allgemein gehalten und dienen als Orientierungshilfen für den generellen Zielerreichungsgrad. Die Generalziele setzen sich aus weiteren, mittel- bis kurzfristig ausgelegten, operational-taktischen Teilzielen zusammen. Mit diesen legen Sie die Teilschritte zur Erreichung Ihrer strategischen Ziele fest. Gleichzeitig dienen sie als Kontrollinstrument für den Erfolg Ihrer kurzfristigen Praxisarbeit.
(5) Definieren Sie einen für die Zielerreichung Verantwortlichen. Dies trifft weniger auf die General- als auf die Teilziele zu, die Sie im Zuge der Delegation von Aufgaben an Ihre Mitarbeiter „weitergeben“.
(6) Ihre Ziele sind jedoch keine für immer fixierten Größen. Sie müssen regelmäßig überprüft und den internen und externen Veränderungen entsprechend angepasst werden. In manchen Fällen genügt es, das eine oder andere Teilziel zu modifizieren, in anderen Fällen kann es auch notwendig werden, ein ganzes Globalziel und alle Teilziele zu ändern. Folgende Beispiele verdeutlichen die Ausführungen:
Beispiel 1:
Generalziel: Die Anziehungskraft der Gemeinschaftspraxis soll im Hinblick auf die relevanten Zielgruppen „Patienten“ und „Zuweiser“ insgesamt so ausgebaut werden, dass folgende Einzelziele erreicht werden:
Teilziel 1: Gewinnung von x% der niedergelassenen Ärzte des Einzugsgebietes in einem Zeitraum von einem Jahr als Zuweiser
Teilziel 2: Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Angebotes von Akupunkturleistungen bei der Zielgruppe „Selbstzahlungsbereite Patienten“ um 20% auf insgesamt 50% bis zum Ende des Jahres
Teilziel 3: Erreichung eines Patienten-Zufriedenheitswertes von 1,6 bis zum Ende des Jahres
Beispiel 2:
Generalziel: Innerhalb der nächsten drei Jahre soll für die Gemeinschaftspraxis ein Image als Expertenpraxis für angiologische Erkrankungen geschaffen werden.
Teilziel 1: Die Patienten erhalten neben einer bestmöglichen Versorgung auch umfassende Informationen zum Leben mit ihrer Erkrankung. Hierfür ist bis zum (Datum) ein Kommunikationskonzept zu entwerfen.
Teilziel 2: Zuweiser werden als Kooperationspartner eng in den Behandlungsprozess einbezogen. Zu diesem Zweck ist eine Zuweiserbefragung durchzuführen, die ermittelt, welche Anforderungen zuweisende Ärzte an die Zusammenarbeit haben.
Teilziel 3: Aufgrund des hohen Stellenwertes von Familienangehörigen für den Behandlungs- und Genesungsprozess sollen diese in das Therapiekonzept integriert werden.
Teilziel 4: Der Rufaufbau soll zusätzlich durch eine enge Zusammenarbeit mit Gefäßsport- und sonstigen, auf den Bereich Angiologie ausgerichtete Selbsthilfegruppen unterstützt werden.
Mit Hilfe der qualitativ ausgerichteten Praxis-Strategie beschreiben Sie die Wege und Mittel, mit deren Hilfe Sie Ihre Praxisziele erreichen wollen. Die Strategie ist – wie die Ziele – keine feste Größe, sondern muss sich der Entwicklung Ihrer Praxis und des Umfeldes anpassen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, regelmäßige Kontrollen durchzuführen und die Strategie anzupassen.
Zwei Interpretations-Welten
Die Interpretationen des Begriffs "strategisches Denken" liegen bei niedergelassenen Ärzten weit auseinander: für die einen ist es ein Kaffeesatz-basiertes Stochern im Nebel, für andere eine Kunst, die nur wenige beherrschen.
Förderung des proaktiven Handelns
Doch beide Auslegungsarten beschreiben das Wesen und vor allem die Umsetzung nur unzureichend. Strategisches Denken bezeichnet eine vorausschauende Grundhaltung. Hierbei wird versucht, perspektivisch die Folgen von Handlungen oder Entwicklungen in ihren Auswirkungen durch die Bildung von Annahmen, deren Verdichtung zu Hypothesen und die Ableitung von Szenarien zu antizipieren. Das Ziel ist, die Praxisarbeit nicht passiv an die jeweils herrschenden Gegebenheiten anpassen zu müssen, sondern aktiv und vorausschauend handeln zu können.
Einfache Fragen führen zum Erfolg
Strategisches Denken ist in der Umsetzung pragmatisch am Tagesgeschäft orientiert und sucht nach Antworten auf Fragen wie z. B:
Was bedeutet die unveränderte Fortführung erkannter Schwächen der Praxisleistung?
Welchen Einfluss hat die gegenwärtige Online-Reputation auf den zukünftigen Praxiserfolg und wie müsste / sollte sie entwickelt werden?
Gibt es bislang wenig berücksichtigte Zielgruppen, die für aber für das Leistungsspektrum wichtiger werden können?
Sind Veränderungen im Praxisumfeld zu erwarten, die die Arbeit beeinflussen werden?
Es geht auch ohne Strategie, aber...
…in diesem Fall muss man als Praxisinhaber auf mehr als ein Drittel Praxisgewinn verzichten. Dieses Durchschnitts- Resultat ergibt sich, wenn man die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse vergleichbarer Praxisbetriebe einander gegenüberstellt, die über eine Unternehmensplanung verfügen bzw. nicht.
Die Gründe
Praxisinhabern, die für ihre Arbeit keinen Orientierungsrahmen entwickeln,
fehlt es an einer optimierten Leistungsstruktur und -tiefe,
die Ressourcen werden falsch dimensioniert und inadäquat eingesetzt,
ein Monitoring und Controlling von In- und Output ist nicht möglich,
Erfolgsfaktoren sind deshalb nicht identifizierbar, Defizite können nicht konsequent beseitigt werden.
Weniger Stress
Das Gefühl von Arbeitsdruck und Stress ist bei Nicht-Planern überproportional höher als bei ihren mit System arbeitenden Kollegen, Team-Zusammenhalt, Arbeitsmotivation und Produktivität der Medizinischen Fachangestellten besser ausgeprägt. Und nicht zuletzt wird ein deutlich größerer Anteil der Patientenanforderungen auch nachhaltig erfüllt.
Strategie-Hilfe SWOT
Ein zur Identifizierung der für die Strategie-Entwicklung einer Praxis relevanten Fragen einfach einzusetzendes, aber bislang von weniger als 10% der Ärzte verwendetes Instrument ist die SWOT-Analyse. „S“ steht dabei für „Strengths“, „W“ für „Weaknesses“. Hinzu kommt eine Erweiterung um eine perspektivische Beurteilung der Chancen eines Unternehmens („O“ steht für „Opportunities“) sowie seiner potentiellen Bedrohungen („T“ steht für „Threats“).
Die Angaben über Stärken und Schwächen sind auf die Gegenwart und auf alle durch ein Praxisteam veränderbaren Dinge bezogen, die Annahmen über Chancen und Bedrohungen sind auf die Zukunft und die Punkte, die außerhalb der direkten Einflussmöglichkeit liegen, gerichtet. Die SWOT-Analyse ist deshalb so beliebt, weil sie nicht nur durch die Form eines Aufschreibe-Verfahrens sehr leicht anzuwenden ist – man notiert die auf die eigene Praxis zutreffenden Aspekte einfach, sondern vor allem, weil sie demjenigen, der sie für sein Praxisunternehmen anwendet, ins Nachdenken bringt. Ziel der SWOT-Analyse ist, dass die Praxisarbeit einmal in ihrer Gesamtheit und aus einer Distanz betrachtet wird. Besonders aussagekräftig wird die Analyse, wenn auch die Medizinischen Fachangestellten gebeten werden, SWOT-Aspekte aufzulisten, um so zu einer Gesamtsicht zu gelangen.
Gefahr Fließband-Betrieb
Das gilt allerdings nur dann, wenn die operative Umsetzung der Strategie genügend Freiräume für eine individuelle Patientenorientierung lässt, denn in manchen Fällen wird die Planungsintensität so weit entwickelt, dass sie den Patientenbezug als Leitprinzip verdrängt. Derartige Praxen arbeiten zwar immer noch deutlich profitabler als Betriebe ohne Strategie, haben jedoch eine sehr hohe Patientenfluktuation, die durch ihre Unkalkulierbarkeit deutlichen Einfluss auf die Produktivität hat.
Unter der Positionierung Ihrer Praxis versteht man die Identität, mit Hilfe derer Sie sich in den Augen Ihrer Patienten von an-deren Praxen unterscheiden möchten. Sie besteht aus materiellen Bausteinen – z. B. die Art des Leistungsangebots oder die Gestaltung der Praxisräume – und immateriellen Elementen, z. B. der Freundlichkeit Ihres Personals oder der Intensität Ihrer Patientengespräche.
Zielgruppen sind die mit Ihrem Leistungsangebot anzusprechenden Patientenkreise. Sie können medizinisch definiert sein, z. B. nach Krankheitsbildern, aber auch demographisch (Rentner, junge Patienten) oder nach anderen Kriterien (Bereitschaft zur Selbstzahlung, Interesse an Naturheilverfahren etc.). Je genauer Ihre Zielgruppen definiert sind, desto besser können Sie Ihre Praxisstrategie hiernach ausrichten.
Der Untersuchungsbereich „Patientenmanagement“ wird durch die Arzt-Patienten-Kommunikation dominiert, für die vier Best-Practice-Gestaltungsdimensionen relevant sind:
I Gesprächsrahmen
Der Gesprächsrahmen umfasst die Faktoren, die das Umfeld der Arzt-Patienten-Kommunikation bestimmen:
Organisation: Wartezeit bis zum Gespräch, Länge des Gesprächs, Ungestörtheit
Ambiente: Einrichtung, Atmosphäre, Gesprächsposition
II Gesprächsinhalt
Der Gesprächsinhalt bezeichnet den konkreten Inhalt der Arzt-Patienten-Kommunikation:
Befunde: Erhebung, Erklärung
Beratung: Umfang, Verständlichkeit, Anwendbarkeit
III Gesprächstechnik
Die Gesprächstechnik beinhaltet alle Instrumente, die dazu beitragen können, die Kommunikation möglichst optimal für Arzt und Patient zu gestalten:
Rhetorik
Non-verbale Kommunikation
Verwendung von Gesprächshilfen (Schaubilder, Informationsblätter etc.)
IV Gesprächsverhalten
Zum Bereich „Gesprächsverhalten“ zählen die sog. „weichen“ Kommunikationsfaktoren, mit deren Hilfe die Gesprächsatmosphäre erzeugt wird:
Emotionale Grundstimmung
Offenheit
Ruhe
Sympathie
Empathie
Aus medizinischer und betriebswirtschaftlicher Sicht geht es bei der Arzt-Patienten-Kommunikation darum, die o.a. Gestaltungsdimensionen so auszurichten, dass unter Beachtung des individuell notwendigen Vorgehens je Patient die für die Kommunikation aufzuwendende Zeit minimiert und gleichzeitig der Informationsaustausch so maximiert wird, dass sowohl die Arzt- als auch die Patientenziele erreicht werden.
Doch wie kommuniziert man in diesem Sinne effizient? Die folgenden Punkte zeigen Ihnen die im Zusammenhang mit der Patientenkommunikation am häufigsten zu beobachtenden Fehler und die Best-Practice-Maßnahmen, um diese zu vermeiden: