EINS
Am 3. Dezember 1996 beging Mercedes Johanna Hollowell modischen Selbstmord. Schon jahrelang war Sadie kurz davor gewesen, hatte Dessins und Schottenmuster wild kombiniert und noch im September weiße Sandalen getragen. Doch als letzter Nagel in ihrem Modesarg, schlimmer noch als der Fauxpas mit den weißen Sandalen, sollte sich der Abend erweisen, an dem sie zum Weihnachtskotillon im Texas-Star-Hotel mit einer Frisur aufkreuzte, die so platt war wie ein überfahrenes Tier.
Je aufgeplusterter die Frisur, desto näher war man bei Gott – das wussten alle. Wäre es Gottes Wille, dass Frauen die Haare glatt trugen, hätte er die Menschheit nicht inspiriert, Schaumfestiger, Toupierkämme und Aqua-Net-Superhalt-Haarspray zu erfinden. Und genauso sicher, wie alle wussten, dass glatte Haare eine modische Abscheulichkeit darstellten, wussten sie auch, dass sie geradezu eine Sünde waren. Als ginge man angeschickert zum Sonntagsgottesdienst oder verabscheute Football.
Sadie war schon immer etwas … komisch gewesen. Anders eben. Aber nicht auf schrullige Art wie Mrs London, die allerlei Katzengetier um sich scharte, Zeitschriften hortete und ihren Rasen mit der Nagelschere bearbeitete. Sadie war eher versponnen. Wie damals mit sechs, als sie sich in den Kopf setzte, dass sie auf Gold stieße, wenn sie nur tief genug grub. Als hätte ihre Familie das Geld nötig. Oder als Teenie, als sie sich die Haare pink färbte und mit schwarzem Lippenstift rumlief. Das war etwa zu der Zeit, als sie auch mit Volleyball aufhörte. Obwohl alle wussten, dass Jungs, wenn eine Familie schon mit einem männlichen Nachkommen gesegnet war, ganz selbstverständlich Football spielten und Mädchen eben Volleyball. Das war ein ungeschriebenes Gesetz, eine Art elftes Gebot: Als Tochter sollst du Volleyball spielen oder die Verachtung der Texaner auf dich ziehen.
Ein andermal fand sie plötzlich die Uniformen des Tanzteams an der Lovett Highschool frauenfeindlich und reichte bei der Schulleitung eine Petition ein, den Trikotsaum der Beaverettes weiter nach unten zu versetzen. Als wären kurze Trikots skandalöser als glatte Haare.
Doch auch wenn Sadie versponnen und widerspenstig war, konnte es ihr keiner so recht verübeln. Sie war als Wunschkind einer »Spätgebärenden« zur Welt gekommen, als Tochter eines pragmatischen Viehzüchters namens Clive und seiner liebreizenden Frau Johanna Mae. Johanna Mae war eine echte Südstaaten-Lady, großzügig und liebenswürdig, und als sich herumsprach, dass sie ausgerechnet Clive auserwählt hatte, war nicht nur ihre Familie, sondern das ganze Städtchen Lovett leicht schockiert. Immerhin war Clive fünf Jahre älter und stur wie ein alter Maulesel. Er stammte zwar aus einer alteingesessenen, angesehenen Familie, aber um ehrlich zu sein, war er schon als Griesgram auf die Welt gekommen, und seine Umgangsformen ließen zu wünschen übrig. Ganz anders als Johanna Mae. Johanna Mae war Schönheitskönigin und hatte von »Little Miss Peanut« bis »Miss Texas« alle Titel abgeräumt, die es nur abzuräumen gab. Leider war sie bei der Wahl zur »Miss America« bloß Zweite geworden. Hätte Richter Nummer drei nicht mit der Frauenbewegung geliebäugelt, hätte sie sogar gewonnen.
Doch Johanna Mae war nicht nur schön, sondern auch clever. Für sie spielte es keine Rolle, ob ein Mann den Unterschied zwischen einer Suppenschüssel und einer Fingerschale kannte. Eine gute Ehefrau konnte das ihrem Mann jederzeit noch nahebringen. Wichtig war nur, dass er genug Geld für beides hatte, und Clive Hollowell konnte es sich allemal leisten, sie mit Wedgwood-Porzellan und Waterford-Kristall einzudecken.
Nach der Hochzeit hatte Johanna Mae sich in dem großen Haus auf der JH-Ranch häuslich eingerichtet und auf Nachwuchs gewartet, aber auch nach fünfzehn Jahren, in denen sie von der Knaus-Ogino-Methode bis hin zu künstlicher Befruchtung nichts unversucht gelassen hatten, war Johanna Mae immer noch nicht schwanger. Das Paar fand sich mit seiner kinderlosen Ehe ab, und Johanna Mae stürzte sich in ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten. Alle waren sich einig, dass sie geradezu eine Heilige war, und letzten Endes, im reifen Alter von vierzig Jahren, wurde sie mit ihrem »Wunderbaby« belohnt. Das Kind war einen Monat zu früh zur Welt gekommen, weil »Sadie es nicht abwarten konnte, aus dem Mutterleib zu flutschen und alle rumzukommandieren«, wie ihre Mutter es ausdrückte.
Johanna Mae las ihrem einzigen Kind jeden Wunsch von den Augen ab. Als Sadie sechs Monate alt war, meldete sie ihr Töchterchen beim ersten Schönheitswettbewerb an, und in den nächsten fünf Jahren sackte Sadie massenweise Krönchen und Schärpen ein. Doch aufgrund Sadies Hang, sich einen Tick zu schwungvoll zu drehen, einen Tick zu laut zu singen und nach einem Stepp-Tanzschritt von der Bühne zu fallen, erfüllte sie den Traum ihrer Mutter, einen wirklich bedeutenden Titel zu holen, niemals ganz. Mit fünfundvierzig Jahren starb Johanna Mae unerwartet an Herzversagen und mit ihr ihre Schönheitsköniginnen-Ambitionen für ihre Kleine. Sadies Erziehung blieb fortan Clive überlassen, der sich in der Gesellschaft von Hereford-Rindern und Rancharbeitern wohler fühlte als in der eines kleinen Mädchens, an dessen Schuhen statt Kuhmist Glitzersteine klebten.
Aber Clive hatte sein Bestes gegeben, um Sadie zu einer Lady zu erziehen. Er hatte sie auf Ms Naomis Benimmschule geschickt, um die Umgangsformen zu erlernen, an die heranzuführen er weder die Zeit noch die Fähigkeit hatte, doch der Unterricht ersetzte die Frau im Haus nicht. Während die anderen Mädchen das Gelernte zu Hause anwandten, feuerte Sadie ihr Kleid in die Ecke und machte, was sie wollte. Das Resultat dieser bunt zusammengewürfelten Erziehung war, dass Sadie zwar Walzer tanzen, einen Tisch hübsch eindecken und mit Gouverneuren plaudern konnte, aber auch wie ein Cowboy fluchen und spucken wie ein Rancharbeiter.
Kurz nach ihrem Abschluss an der Lovett High lud sie ihre Siebensachen in ihren Chevy, brach zu einer schicken Uni in Kalifornien auf und ließ ihren Vater und die schmuddeligen Kotillon-Handschuhe weit hinter sich. Seither hatte niemand mehr viel von Sadie gehört. Nicht einmal ihr armer Daddy, aber soweit man wusste, hatte sie nie geheiratet. Was ganz einfach traurig und unfassbar war, denn mal ehrlich, wie schwer konnte es sein, einen Kerl abzukriegen? Sogar Sarah Louise Baynard-Conseco, die das Pech gehabt hatte, mit derselben Figur auf die Welt zu kommen wie ihr Daddy, Big Buddy Baynard, hatte das hinbekommen. Zugegeben, Sarah Louise hatte ihren Göttergatten über prisoner.com kennengelernt, und Mr Consecos Wohnsitz lag gut zweitausend Kilometer entfernt in San Quentin, doch Sarah Louise war überzeugt, dass er an den Straftaten, für die man ihn zu Unrecht eingebuchtet hatte, völlig unschuldig war, und plante unbeirrt, mit ihm eine Familie zu gründen, wenn er in zehn Jahren den erhofften Hafturlaub bekam.
Die Arme.
Zugegeben, in einer Kleinstadt war die Auswahl oft begrenzt, aber deshalb gingen Mädchen ja aufs College. Alle wussten, dass der triftigste Grund für unverheiratete junge Damen, ein Studium aufzunehmen, nicht etwa die Vervollkommnung ihrer Bildung war, obwohl auch das durchaus wichtig war. Den Wert des urgroßmütterlichen Silbers berechnen zu können war immer wichtig, doch die höchste Priorität einer ledigen jungen Dame bestand darin, sich einen Mann zu angeln.
Und genau das hatte Tally Lynn Cooper, Sadie Jos zwanzigjährige Cousine mütterlicherseits, getan. Tally Lynn hatte ihren Zukünftigen auf der Texas A&M kennengelernt und sollte in nur wenigen Tagen mit ihm vor den Altar treten. Tally Lynns Mama hatte darauf bestanden, dass Sadie Jo ihre Brautjungfer wurde, was sich im Nachhinein als Fehler erweisen sollte. Mehr als für das Kleid, das sich Tally Lynn ausgesucht hatte, oder die Größe ihres Diamantrings oder ob Onkel Frasier ausnahmsweise das Saufen sein ließe und sich anständig benähme, interessierten sich schließlich alle brennend dafür, ob es Sadie Jo gelungen war, sich einen Kerl zu angeln, denn mal ehrlich, so schwer konnte das doch nicht sein. Auch nicht für ein versponnenes, widerspenstiges Mädchen mit glatten Haaren.
Sadie Hollowell betätigte den Knopf an der Türkonsole ihres Saab, und die Fensterscheibe glitt zwei Zentimeter nach unten. Warme Luft pfiff durch den Spalt, und sie drückte erneut auf den Knopf und öffnete das Fenster noch ein Stückchen weiter. Der Wind wehte in ihre glatten blonden Haare und blies sie ihr ins Gesicht.
»Sieh mal für mich in der Scottsdale-Auflistung nach«, sagte sie in den Blackberry, den sie sich mit der Schulter ans Ohr presste. »Nach dem Haus mit den drei Schlafzimmern in San Salvador.« Während ihre Assistentin Renee nach der Immobilie suchte, blickte Sadie aus dem Fenster auf die flachen Ebenen des texanischen Nordens. »Steht es schon drauf?« Manchmal warteten die Makleragenturen noch ein paar Tage, bevor sie schwebende Verkäufe auf die Liste setzten, weil sie hofften, dass noch ein anderer Makler einem Interessenten die Immobilie zeigte und ein bisschen mehr herausschlagen konnte. Raffinierte Mistkerle.
»Es ist gelistet.«
Erleichtert atmete sie auf. »Gut.« Bei der aktuellen Marktlage zählte jeder Verkauf. Selbst die kleinsten Vermittlungsprovisionen. »Ich melde mich morgen wieder bei dir.« Damit deponierte sie das Telefon schwungvoll im Getränkehalter.
Draußen vor dem Fenster glitten Schlieren aus Braun, Braun und nochmals Braun vorüber, nur von Reihen aus Windrädern in der Ferne unterbrochen, deren Propeller sich langsam im warmen texanischen Wind drehten. Kindheitserinnerungen und altvertraute Gefühle stiegen in ihr auf. Die altvertraute bunte Mischung aus Emotionen, die tief in ihr schlummerten, bis sie die texanische Grenze überquerte. Ein Wirrwarr aus Liebe und Sehnsucht, Enttäuschung und verpassten Gelegenheiten.
Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen war die an ihre Mutter, wie sie von ihr für einen Schönheitswettbewerb aufgebrezelt wurde. Im Laufe der Zeit waren diese Erinnerungen undeutlicher geworden, sodass die überkandidelten Schönheitswettbewerbskleidchen und die Unmengen falscher Haarteile, die mit Klammern an ihrem Kopf befestigt wurden, nur noch verblasste Bilder waren. Doch die Gefühle waren noch sehr präsent. Sie erinnerte sich an die freudige Erregung und an das beruhigende Streicheln ihrer Mutter. Sie erinnerte sich auch an das Lampenfieber, an den Wunsch, ihre Sache gut zu machen. Zu gefallen und dass sie es nie ganz auf die Reihe gekriegt hatte. Sie erinnerte sich an die Enttäuschung, die ihre Mutter trotz aller Bemühungen nicht hatte verbergen können, wenn ihr Töchterchen zwar den Preis für das niedlichste »Haustierfoto« oder das hübscheste Kleidchen gewann, es aber wieder nicht schaffte, die große Krone zu erringen. Mit jedem Wettbewerb hatte sich Sadie noch größere Mühe gegeben. Noch etwas lauter gesungen, die Hüften ein bisschen schneller geschüttelt oder einen zusätzlichen Schritt in ihre Choreo eingebaut, doch je mehr sie sich bemühte, desto eher verfehlte sie auch die Töne, den Takt oder den Bühnenrand. Ihre Schönheitswettbewerbstrainerin ermahnte sie stets, sich an das Einstudierte zu halten, dem Drehbuch zu folgen, aber das tat sie natürlich nie. Es war ihr schon immer schwergefallen, zu tun und zu lassen, was man ihr sagte.
An die Beerdigung ihrer Mutter erinnerte sie sich nur noch vage. An die Orgelmusik, die von den hölzernen Kirchenwänden widerhallte, und an die harten weißen Kirchenbänke. An das Kaffeetrinken auf der JH-Ranch nach der Trauerfeier und die nach Lavendel duftenden Busen ihrer Tanten. »Armes Waisenkind«, hatten sie gegurrt, während sie Käseplätzchen mampften. »Was soll jetzt aus dem armen verwaisten Baby meiner Schwester werden?« Dabei war sie weder ein Baby noch verwaist gewesen.
Die Erinnerungen an ihren Vater waren lebendiger und präziser. Sein strenges Profil vor dem unendlichen Blau des Sommerhimmels. Seine großen Hände, die sie in den Sattel warfen, und wie sie sich festklammerte, während sie hinter ihm herraste, um mit ihm mitzuhalten. Seine Hand auf ihrem Kopf, deren raue Haut an ihren Haaren hängen blieb, als sie vor dem weißen Sarg ihrer Mutter stand. Seine Schritte, die an ihrer Schlafzimmertür vorbeigingen, wenn sie sich in den Schlaf weinte.
Ihre Beziehung zu ihrem Vater war von jeher schwierig und verwirrend gewesen. Ein ewiges Hin und Her. Ein emotionales Tauziehen, das sie immer verlor. Je mehr Gefühle sie zeigte, je mehr sie versuchte, sich an ihn zu klammern, desto heftiger stieß er sie weg, bis sie schließlich aufgab.
Jahrelang hatte sie sich bemüht, den Erwartungen aller gerecht zu werden. Denen ihrer Mutter. Denen ihres Vaters. Denen einer ganzen Kleinstadt voller Einwohner, die immer von ihr erwartet hatten, ein liebreizendes, folgsames Mädchen zu sein. Eine Schönheitskönigin. Ein Mensch, auf den sie stolz sein konnten wie auf ihre Mutter oder zu dem sie aufblicken konnten wie zu ihrem Vater, doch als sie in die Mittelstufe kam, war sie dieser schweren Last überdrüssig. Sie hatte diese Bürde abgelegt und begonnen, einfach nur Sadie zu sein. Rückblickend musste sie zugeben, dass sie sich manchmal unmöglich aufgeführt hatte. Manchmal sogar mit Absicht. Wie mit den pink gefärbten Haaren und dem schwarzen Lippenstift. Das war kein Mode-Statement gewesen und auch kein Versuch, sich selbst zu finden. Sondern ein verzweifelter Schrei nach Aufmerksamkeit von dem einzigen Menschen auf der Welt, der ihr zwar Abend für Abend am Esstisch gegenübersaß, sie aber trotzdem nie zu bemerken schien.
Die schreckliche Frisur hatte nichts bewirkt, genauso wenig wie die zweifelhaften Freunde, die sie reihenweise anschleppte. Die meiste Zeit über hatte ihr Vater sie schlicht und ergreifend ignoriert.
Es war jetzt fünfzehn Jahre her, seit sie ihre Siebensachen ins Auto gepackt und ihre Heimatstadt Lovett weit hinter sich gelassen hatte. Sie war zurückgekommen, sooft sie konnte. Gelegentlich an Weihnachten. Ein paar Mal zu Thanksgiving und einmal zur Beerdigung ihrer Tante Ginger. Das war nun fünf Jahre her.
Sie drückte wieder auf den Knopf, und das Fenster glitt ganz nach unten. Schuldgefühle lasteten schwer auf ihr, und der Wind peitschte ihre Haare, während sie sich an die letzte Begegnung mit ihrem Vater erinnerte. Das war etwa vor drei Jahren gewesen, als sie noch in Denver gewohnt hatte. Damals hatte er sie anlässlich der National-Western-Viehschau besucht.
Erneut betätigte sie den Knopf, und das Fenster glitt wieder nach oben. So lange kam ihr das gar nicht vor, aber das musste daran liegen, dass sie schon kurz nach seinem Besuch nach Phoenix gezogen war.
Auf Außenstehende mochte sie sehr unstet wirken. In den letzten fünfzehn Jahren hatte sie in sieben verschiedenen Städten gelebt. Ihr Vater behauptete immer, sie bliebe nie lange am selben Ort, weil sie versuchte, auf harter Erde Wurzeln zu schlagen. Er wusste eben nicht, dass sie gar nicht versuchte, irgendwo Wurzeln zu schlagen. Es gefiel ihr ausnehmend gut, keine zu haben. Sie genoss die Freiheit, jederzeit ihre Sachen packen zu können und weiterzuziehen, und ihr gegenwärtiger Job ermöglichte ihr das. Nachdem sie jahrelang an ihrer Hochschulbildung gebastelt hatte, dafür von einer Uni zur anderen gezogen war, jedoch nie einen Abschluss gemacht hatte, war sie rein zufällig ins Immobiliengeschäft gerutscht. Inzwischen besaß sie die Zulassung für drei Staaten und liebte jede Minute, in der sie Wohnhäuser verkaufte. Nun ja, vielleicht nicht ganz. Sich mit Kreditvergabeinstituten herumzuärgern, trieb sie manchmal in den Wahnsinn.
Die Schilder am Straßenrand zählten die verbleibenden Meilen bis Lovett herunter, und sie drückte erneut auf den Fensterknopf. Irgendetwas daran, wieder zu Hause zu sein, machte sie ruhelos und kribbelig und löste in ihr den Wunsch aus, wieder wegzufahren, bevor sie überhaupt angekommen war. Aber das lag nicht an ihrem Vater. Mit ihrem schlechten Verhältnis zu ihm hatte sie sich schon vor Jahren abgefunden. Er würde nie den Daddy abgeben, den sie brauchte, und sie nie den Sohn, den er sich immer gewünscht hatte.
Es lag auch nicht unbedingt an der Kleinstadt selbst, dass sie kribbelig wurde, doch das letzte Mal, als sie nach Hause gekommen war, hatte sie sich schon wenige Minuten nach ihrer Ankunft in Lovett wie eine Versagerin gefühlt. Sie hatte beim Gas and Go gehalten, um zu tanken und sich eine Cola light zu kaufen. Die Besitzerin hinter dem Ladentisch, Mrs Luraleen Jinks, hatte nur einen Blick auf ihren nackten Ringfinger geworfen und nach Luft gerungen, was man für Entsetzen hätte halten können, wenn man nicht wusste, dass Luraleens Keuchen auf ihre fünfzigjährige Raucherkarriere mit einer Schachtel Zigaretten pro Tag zurückzuführen war.
»Bist du nicht verheiratet, Liebes?«
Sie hatte gelächelt. »Noch nicht, Mrs Jinks.«
Das Gas and Go gehörte Luraleen schon, solange Sadie denken konnte. Billiger Fusel und Nikotin hatten ihre runzelige Haut gegerbt wie einen alten Ledermantel. »Du findest schon noch jemanden. Du hast ja noch Zeit.«
Was im Grunde hieß, dass sie sich lieber sputen sollte. »Ich bin achtundzwanzig.« Mit achtundzwanzig war man immer noch jung. Sie würde ihr Leben schon noch auf die Reihe kriegen.
Luraleen hatte über den Tresen gegriffen und Sadies ringlose Hand getätschelt. »Ach, du Arme.«
In letzter Zeit hatte sie alles besser im Griff gehabt. Sie war gelassener gewesen, bis sie vor ein paar Monaten einen Anruf von ihrer Tante Bess mütterlicherseits erhalten hatte, die sie darüber informierte, dass sie an der Hochzeit ihrer jungen Cousine Tally Lynn teilnehmen sollte. Das war so kurzfristig gewesen, dass sich ihr die Frage geradezu aufgedrängt hatte, ob jemand anders abgesprungen war und sie als kurzfristiger Ersatz herhalten musste. Dabei kannte sie Tally Lynn nicht mal, doch Tally Lynn gehörte zur Familie, und sosehr Sadie auch den Anschein zu erwecken suchte, keine Wurzeln zu haben, und so zuwider ihr die Vorstellung auch war, an der Hochzeit ihrer jungen Cousine teilzunehmen, hatte sie es nicht über sich gebracht, nein zu sagen. Nicht einmal, als ihr das rosafarbene Brautjungfernkleid zum Anprobieren nach Hause geliefert wurde. Es war schulterfrei und hatte ein Korsett, und der kurze Taftrock mit Wölkchen-Raffung war so voluminös und aufgebauscht, dass ihre Hände im Stoff verschwanden, wenn sie sie sinken ließ. Wäre sie achtzehn gewesen und zu ihrem Abschlussball gegangen, wäre es nur halb so wild gewesen, aber ihre Highschool-Zeit war nur noch eine blasse Erinnerung, sie war dreiunddreißig und kam sich in ihrem Schulball-/Brautjungfernkleid ganz schön lächerlich vor.
Immer eine Brautjungfer, nie eine Braut. So würden alle sie sehen. Alle in ihrer Familie und alle in der Stadt. Sie würden sie bemitleiden, und das hasste sie. Sie hasste es, dass es sie immer noch tangierte. Dass sie momentan keinen Freund hatte, mit dem sie hingehen konnte. Hasste es so sehr, dass sie sogar mit dem Gedanken gespielt hatte, sich einen Begleiter zu mieten. Den größten, attraktivsten Hengst, den sie auftreiben konnte. Nur, um allen das Maul zu stopfen. Nur, damit sie das Tuscheln nicht zu hören, die schiefen Blicke nicht zu sehen und ihr derzeit männerloses Leben nicht zu rechtfertigen brauchte, doch die logistische Herausforderung, einen Mann in einem Staat zu mieten, um ihn dann in einen anderen zu verfrachten, hatte sich als nicht durchführbar erwiesen. Der moralische Aspekt störte Sadie nicht. Männer mieteten sich auch ständig Frauen.
Sechzehn Kilometer vor Lovett lockerten eine Wetterfahne und ein Stück alter Zaun die ganz in Brauntönen gehaltene Landschaft auf. Am Highway entlang verlief ein Stacheldrahtzaun zum rustikalen Einfahrtstor aus Holz und Schmiedeeisen und weiter bis hin zur Ranch. Das alles war ihr so vertraut, als wäre sie nie fort gewesen. Bis auf den schwarzen Truck am Straßenrand. Ein Mann lehnte lässig mit der Hüfte am Heckkotflügel; seine schwarzen Klamotten verschmolzen mit der Farbe des Wagens, und eine Baseballmütze schirmte sein Gesicht gegen die grelle texanische Sonne ab.
Sadie fuhr langsamer, um in die Zufahrt zur Ranch ihres Vaters abzubiegen. Vielleicht sollte sie anhalten und den Typen fragen, ob er Hilfe brauchte. Die offen stehende Motorhaube des Trucks war ein unübersehbarer Hinweis, aber sie war eine Frau, allein auf einer verlassenen Landstraße, und er so groß, dass es sie einschüchterte.
Er richtete sich auf und stieß sich vom Truck ab. Sein schwarzes T-Shirt spannte über seiner Brust und um seine Bizepse. Es käme schon noch jemand anders vorbei.
Irgendwann.
Sie bog in die unbefestigte Straße ein und fuhr durchs Tor. Er konnte auch zu Fuß bis in die Stadt laufen. Lovett lag nur sechzehn Kilometer weiter unten am Highway. Als sie einen Blick in den Rückspiegel warf, stemmte er die Hände in die Hüften und blickte entgeistert hinter ihren Rücklichtern her.
»Verdammt.« Sie trat auf die Bremse. Erst wenige Stunden wieder im Lande, und schon machte sich die gastfreundliche Texanerin in ihr wieder bemerkbar. Es war schon nach sechs. Die meisten Leute hier hatten längst Feierabend und saßen gemütlich zu Hause, sodass es Minuten, wenn nicht gar Stunden dauern könnte, bis sonst noch jemand vorbeifuhr.
Aber … Ein Handy hatte doch jeder. Oder etwa nicht? Vielleicht hatte er schon jemanden angerufen. Im Rückspiegel sah sie, wie er eine hilflose Geste machte. Vielleicht befand er sich in einem Funkloch. Sie überzeugte sich davon, dass ihre Türen verriegelt waren, und legte den Rückwärtsgang ein. Die frühe Abendsonne strömte durchs Heckfenster, als sie auf den Highway zurücksetzte und auf den großen Truck zufuhr.
Als der Mann auf sie zukam, war eine Hälfte seines Gesichts in das warme Licht getaucht. Er war einer von den Typen, die Sadie leichtes Unbehagen einflößten. Einer von denen, die Lederklamotten trugen, Bier tranken und dann die leere Dose an der Stirn zerdrückten. Die sie dazu veranlassten, sich gerader hinzustellen und die Brust rauszudrücken. Die sie mied wie Brownies mit heißer Karamellsauce, da sie ein Super-GAU für ihre Oberschenkel waren.
Sie hielt an und tippte auf den Knopf an ihrem Türgriff. Die Fensterscheibe senkte sich bis zur Hälfte, und sie blickte zu ihm auf. Vorbei an den harten Muskeln unter dem eng anliegenden schwarzen T-Shirt, den breiten Schultern und dem kräftigen Hals. Die Zeit des reinen Bartschattens war schon lange überschritten, sodass Bartstoppeln seine untere Gesichtshälfte und sein markantes Kinn verdunkelten. »Probleme?«
»Ja.« Seine Stimme war tief. Als käme sie ganz unten aus seiner Seele.
»Wie lange sitzen Sie schon hier fest?«
»Etwa eine Stunde.«
»Keinen Sprit mehr?«
»Doch«, widersprach er und klang verärgert, weil man ihn für einen Volldeppen hielt, dem der Sprit ausging. Als kränkte ihn das in seiner Männlichkeit. »Es liegt entweder an der Lichtmaschine oder am Zahnriemen.«
»Oder an der Benzinpumpe.«
Sein Mundwinkel zuckte. »Benzin kriegt er. Aber er hat keinen Antrieb.«
»Wohin wollen Sie denn?«
»Nach Lovett.«
Da es weiter unten an der Straße sonst nicht viel gab, hatte sie sich das schon gedacht. Auch wenn in Lovett nicht gerade der Bär los war. »Ich rufe Ihnen einen Abschleppwagen.«
Er sah auf und schaute den Highway hinunter. »Das wäre nett.«
Sie tippte die Nummer der Auskunft ein und wurde mit B. J. Hendersons Autowerkstatt verbunden. Mit B. J.s Sohn, B. J. junior, den alle nur Latte nannten, hatte sie früher die Schulbank gedrückt. Ja, Latte. Soweit sie wusste, arbeitete Latte jetzt für seinen Dad. Als der Anrufbeantworter ansprang, warf sie einen Blick auf die Uhr auf ihrem Armaturenbrett. Es war fünf Minuten nach sechs. Sie legte auf und machte sich gar nicht erst die Mühe, es noch woanders zu versuchen. Es war schon seit einer Stunde und fünf Minuten Zeit, ein Feierabendbierchen zu zischen, und Latte und die anderen Automechaniker saßen entweder gemütlich zu Hause oder kippten sich in einer Bar einen hinter die Binde.
Sie ließ den Blick über die fantastische Brust zum Gesicht des Mannes schweifen und schwankte zwischen zwei Alternativen. Sie konnte den Fremden mit zur Ranch ihres Daddys nehmen und ihn von einem der Männer in die Stadt fahren lassen oder ihn selbst hinbringen. Ihn zur Ranch zu kutschieren bedeutete zehn Minuten Holperfahrt über die unbefestigte Straße, ihn in die Stadt zu bringen zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten.
Sie starrte in den Schatten, der seitlich auf sein Gesicht fiel. Es war ihr nicht ganz geheuer, wenn Wildfremde wussten, wo sie wohnte. »Ich hab einen Elektroschocker.« Das war zwar gelogen, aber sie hatte sich schon immer einen anschaffen wollen.
Er erwiderte ihren Blick. »Wie bitte?«
»Ich hab einen Elektroschocker, und ich weiß auch, wie man ihn einsetzt.« Hastig trat er einen Schritt vom Wagen weg, und sie lächelte zufrieden. »Ich bin todbringend.«
»Ein Elektroschocker ist keine tödliche Waffe.«
»Und wenn ich ihn hoch genug ansetze?«
»Man kann ihn gar nicht hoch genug ansetzen, um zu töten, es sei denn, der Gegner ist gesundheitlich vorbelastet. Ich bin es jedenfalls nicht.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Ich hab mal beim Sicherheitsdienst gearbeitet.«
Aha. »Tja, es wird jedenfalls fies ziepen, wenn ich Ihnen einen vor den Latz knalle.«
»Ich will keinen vor den Latz geknallt kriegen, Lady. Ich brauch nur einen Abschleppwagen.«
»Die Autowerkstätten haben alle schon zu.« Sie deponierte ihr Handy im Getränkehalter. »Ich fahre Sie nach Lovett rein, aber vorher müssen Sie sich irgendwie ausweisen.«
Er zog sarkastisch einen Mundwinkel nach unten, während er in die Gesäßtasche seiner Levi’s griff, und ihr Blick fiel zum ersten Mal auf seinen Hosenschlitz mit Knopfleiste.
Gütiger Himmel.
Wortlos zog er seinen Führerschein hervor und reichte ihn ihr durchs Fenster.
Sadie hätte vielleicht Anlass gehabt, sich leicht pervers zu fühlen, weil sie so ungeniert auf sein imposantes Gehänge starrte, hätte ihr Fenster es nicht quasi eingerahmt. »Wunderbar.« Sie tippte eine Nummer in ihr Handy und wartete, bis Renee ranging. »Hallo, Renee. Hier ist noch mal Sadie. Hast du was zu schreiben?« Sie sah auf den Traum von Männergehänge vor ihr und wartete. »Ich fahre einen Typen mit einer Autopanne in die Stadt. Also notier dir das.« Sie gab ihrer Freundin die Washingtoner Führerscheinnummer durch und fügte hinzu: »Vincent James Haven. 4389 North Central Avenue, Kent, Washington. Haare: braun. Augen: grün. Eins dreiundachtzig groß und sechsundachtzig Kilo schwer. Hast du’s? Toll. Wenn du in einer Stunde nichts von mir hörst, ruf auf der Polizeiwache von Potter County in Texas an und sag denen, dass ich entführt wurde und du um mein Leben bangst. Leite ihnen die Informationen weiter, die ich dir gerade durchgegeben habe.« Damit klappte sie ihr Handy zu und reichte ihm den Ausweis zurück durchs Fenster. »Steigen Sie ein. Ich lasse Sie in Lovett raus.« Sie blickte in den Schatten seiner Schirmmütze auf. »Und zwingen Sie mich nicht, den Elektroschocker einzusetzen.«
»Nein, Ma’am.« Er lächelte schief, als er seinen Führerschein entgegennahm und ihn wieder in seiner Geldbörse verstaute. »Ich hole nur schnell meinen Seesack.«
Als er sich umdrehte und seine Geldbörse einsteckte, fiel ihr Blick auf die Gesäßtaschen seiner Jeans. Knackiger Hintern, fantastische Brustmuskeln, attraktives Gesicht. Wenn sie eins über Männer wusste, eins, das sie in den vielen Jahren als Single über sie gelernt hatte, dann, dass es verschiedene Männertypen gab. Kavaliere, Normalos, charmante Womanizer und Mistkerle. Die einzig wahren Kavaliere auf der Welt waren die reinsten Langeweiler, die nur Kavaliere waren, weil sie hofften, auf diese Weise doch noch zum Schuss zu kommen. Der Mann, der sich gerade seinen Seesack aus der Fahrerkabine seines Trucks schnappte, sah zu gut aus, um ein reinstes Irgendwas zu sein. Wahrscheinlich gehörte er zu den komplizierten Mischformen.
Sie entriegelte die Türen, und er warf den grünen Militär-Seesack auf den Rücksitz. Er stieg vorne ein, löste den Sicherheitsgurt-Alarm aus und nahm mit seinen breiten Schultern und dem nervtötenden Bong Bong Bong den gesamten Saab ein.
Sie legte den ersten Gang ein, wendete und fuhr wieder auf den Highway. »Schon mal in Lovett gewesen, Vincent?«
»Nein.«
»Dann machen Sie sich auf was gefasst.« Sie zog ihre Sonnenbrille heraus und trat aufs Gaspedal. »Schnallen Sie sich bitte an.«
»Wollen Sie mir eine mit dem Elektroschocker verpassen, wenn ich es nicht tue?«
»Schon möglich. Kommt drauf an, wie genervt ich zwischen hier und der Stadt vom Sicherheitsgurt-Alarm bin.« Sie rückte die goldene Fliegersonnenbrille auf ihrer Nase zurecht. »Ich sollte Sie warnen, denn ich bin schon den ganzen Tag unterwegs und sowieso genervt.«
Schmunzelnd schnallte er sich an. »Wollen Sie auch nach Lovett?«
»Leider ja.« Sie warf ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zu. »Ich bin hier geboren und aufgewachsen, aber mit achtzehn abgehauen.«
Er lüpfte den Schirm seiner Mütze und warf ihr einen Blick zu. Laut Führerschein waren seine Augen grün, und so war es auch. Ein helles Grün, das eigentlich nicht unheimlich war. Eher verwirrend, als er aus seinem sehr männlichen Gesicht ihren Blick erwiderte. »Was führt Sie dann hierher zurück?«, fragte er.
»Eine Hochzeit.« Eindeutig verwirrend. Auf eine Art, die Frauen dazu brachte, verträumt an ihren Haarsträhnen zu zwirbeln und roten Lipgloss aufzulegen. »Meine Cousine heiratet.« Ihre jüngere Cousine. »Ich bin ihre Brautjungfer.« Die anderen Brautjungfern waren bestimmt auch jünger. Sie kämen sicher alle in Begleitung. Sie wäre die Einzige, die Single war. Steinalt und Single. Ein »Willkommen in Lovett, Texas!«-Schild markierte die Stadtgrenzen. Seit ihrem letzten Besuch war es leuchtend blau gestrichen worden.
»Sie sehen nicht gerade begeistert aus.«
Wenn man ihr ihre »Noppen« anmerkte, war sie zu lange aus Texas weg gewesen. Laut ihrer Mutter waren »Noppen« alle Emotionen, die unfein waren. Als Mädchen durfte man sie zwar haben. Aber anmerken lassen durfte man sie sich nicht. »Das Kleid ist für eine Frau gedacht, die zehn Jahre jünger ist als ich, und kaugummirosa.« Sie sah aus dem Fenster auf der Fahrerseite. »Und was führt Sie nach Lovett?«
»Wie bitte?«
Sie wandte sich wieder zu ihm, während sie am Hof eines Gebrauchtwagenhändlers und einem mexikanischen Restaurant vorbeifuhren. »Was führt Sie nach Lovett?«
»Verwandte.«
»Wer sind denn Ihre Verwandten?«
»Ich hab hier nur eine.« Er deutete auf das Gas and Go auf der anderen Straßenseite. »Da drüben können Sie mich rauslassen.«
Sie kreuzte zwei Fahrspuren und fuhr auf den Parkplatz. »Freundin? Ehefrau?«
»Weder noch.« Mit zugekniffenen Augen spähte er durch die Windschutzscheibe zu dem Tankstellen-Shop. »Wollen Sie nicht Ihre Freundin Renee anrufen und ihr sagen, dass Sie noch am Leben sind?«
Sie hielt auf einem freien Parkplatz neben einem weißen Pick-up und griff in den Getränkehalter. »Sie wollen nicht, dass plötzlich der Sheriff vor Ihrer Tür steht?«
»Nicht gleich am ersten Abend.« Er schnallte sich ab und öffnete die Beifahrertür. Seine Füße trafen auf den Asphalt, und er stieg aus.
Während sie Renees Nummer wählte, konnte sie den Popcornduft aus dem Gas and Go praktisch riechen. Bis ihre Assistentin endlich ranging, dudelte Born This Way von Lady Gaga in ihrem Ohr. »Ich lebe noch.« Sadie schob sich ihre Sonnenbrille ins Haar. »Wir sehen uns dann am Montag im Büro.«
Die Hecktür öffnete sich, und Vince zog seinen Seesack heraus. Er lud ihn auf dem Asphalt ab und warf die Tür zu. Dann legte er die Hände aufs Wagendach, beugte sich vor und sah sie durchs Autofenster an. »Danke fürs Mitnehmen. Sehr nett von Ihnen. Wenn ich mich irgendwie revanchieren kann, lassen Sie es mich wissen.«
Das war einer der Sprüche, die die Leute klopften, ohne es ernst zu meinen. Wie wenn man fragte: »Wie geht’s?«, obwohl es keinen wirklich interessierte. Sie sah in seine hellgrünen Augen, in sein dunkles, männliches Gesicht. Alle in der Stadt hatten immer behauptet, dass sie mehr Mut hatte als Verstand. »Tja, ich wüsste da schon was.«