Mit Herz und scharfen Kurven
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Barbara Alberter
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2015 by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH
Deutsche Erstveröffentlichung
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
The Loving Daylights
Copyright © 2011 Lynsay Sands
erschienen bei: Avon Books, New York
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Published in arrangement with Lynsay Sands
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Mareike Müller
Titelabbildung: Thinkstock
ISBN eBook 978-3-95649-418-5
www.mira-taschenbuch.de
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Donnerstag, 13:40 Uhr
In zwanzig Minuten, Jane, D&C-Meeting!“
„Japp.“ Jane Spyrus erhob sich von ihrem Tisch und lächelte die große, blonde Frau an, die an der Tür zu ihrer Werkstatt stand. „Dann werde ich fertig sein. Aber danke, dass du mich daran erinnerst, Lizzy.“
„Kein Problem. Soll ich hereinschauen und dich abholen, wenn ich hinübergehe? Nur für den Fall, dass du über deiner Arbeit wieder einmal alles vergisst?“
Jane verübelte ihr das Angebot nicht. Sie war bekannt dafür, dass sie sich in ihre Projekte hineinsteigerte und zu den Konferenzen zu spät auftauchte. „Nein, ist schon in Ordnung. Ich muss nur noch ein paar Einstellungen vornehmen, dann mache ich mich gleich auf den Weg.“
Lizzy Hubert nickte und betrat langsam den Raum. „Woran genau arbeitest du eigentlich?“
Sofort stellte Jane sich so, dass sie ihr den Zugang zum Arbeitstisch versperrte. „Nein, nicht. Das wirst du noch früh genug zu Gesicht kriegen.“
„Du kannst einer Frau allerdings nicht vorwerfen, dass sie es versucht.“ Lachend zuckte die Blondine mit den Schultern. „In zwanzig Minuten also. Ich halte dir einen Platz frei.“
Jane wartete, bis die Tür hinter Lizzy ins Schloss gefallen war, bevor sie sich entspannte und wieder den Dingen auf ihrem Tisch zuwandte. Sie schüttelte den Kopf.
Es war dumm von ihr, dass ihr dieses letzte Projekt peinlich war, denn es war eine brillante Idee. Zumindest war das ihre Meinung. Schließlich schämte sie sich ja auch nicht für die B.L.I.S.S.-Tampon-Tracker, die sie heute ebenfalls vorstellen wollte. Na ja, jedenfalls nicht ganz so sehr. Doch diese Mini-Raketenwerfer trieben ihr schon irgendwie die Röte in die Wangen, und sie fühlte sich unwohl, sobald sie nur daran dachte, sie vorzuführen. Hinzu kam, dass die Präsentation ohnehin ein Aspekt ihres Jobs war, den sie nicht mochte. Jane bereitete es großen Spaß, neue Waffen für B.L.I.S.S. zu erfinden, aber sie hasste es, sie bei den monatlichen Meetings der Entwicklungsabteilung „Development and Creation“ vorzustellen, denn ihre Talente als Rednerin waren eher bescheiden. Stotternd und stammelnd kämpfte sie dann mit den Worten, und ihr war klar, dass sie häufig wie eine Idiotin klang. Umso erstaunlicher war es für sie, dass Y ihre sämtlichen Erfindungen für die Produktion abgesegnet hatte.
Bei dem Gedanken an die Chefin von B.L.I.S.S. zog sie die Augenbrauen zusammen. Y war eine knallharte Exagentin, die den Eindruck vermittelte, alles zu wissen und alles zu sehen. Sie war die einschüchterndste Person, der Jane je begegnet war. Man konnte nie sicher sein, was diese Frau dachte, weil ihre Miene einfach nichts verriet. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb es so schwerfiel, ihr Alter zu schätzen. Ihr Gesicht war auffällig faltenlos, und dennoch war sie schon ewig bei B.L.I.S.S. … behauptete jedenfalls Janes Großmutter.
Und ihre Gran musste es wissen. Auf die eine oder andere Weise war Janes gesamte Familie beim Geheimdienst tätig, meist als Spione im Außendienst. Gran selbst war eine Exagentin, die zur selben Zeit aktiv gewesen war wie Ys und Janes Eltern. James und Elizabeth Spyrus waren beide für B.L.I.S.S. tätig, als sie starben – ihre Mutter als Topagentin mit der höchsten Aufklärungsrate und ihr Vater als Wissenschaftler in der D&C. Sie waren umgekommen, als ihr Wagen auf dem Weg zu einer Firmenfeier explodierte. Damals war Jane erst fünf Jahre alt gewesen. Später hatte sich herausgestellt, dass eine andere Agentin die Seiten gewechselt und die Namen ihrer Mitarbeiter an ein Syndikat verkauft hatte, dessen Ziel es war, B.L.I.S.S. auszuschalten. James, Elizabeth und vier weitere Kollegen waren umgebracht worden, bevor der Dienst die Sache hatte aufklären können.
Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Jane bei ihrer Großmutter gelebt, und Maggie Spyrus, James’ Mutter, hatte dafür gesorgt, dass Jane jeden Unterricht erhielt, der notwendig war, damit aus ihr eine gute Agentin wurde: Fremdsprachen, Kampfsportarten, Schießtraining. Letztendlich hatte Jane allerdings beschlossen, lieber in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten und in der D&C zu arbeiten, weil sie sich einfach nicht für den risikofreudigen Typ hielt. Dem Adrenalinstoß eines Geheimdienstlers bei lebensgefährlichen Heldentaten zog sie staubige alte Bücher und das Basteln an irgendwelchen technischen Geräten vor. Dabei stellte sie sich allerdings gern vor, dass das Entwickeln innovativer Waffen und sonstiger Apparaturen ebenso wichtig war.
Mit einem winzigen Schraubenzieher nahm Jane die letzte von mehreren notwendigen Justierungen an einem Prototyp des BMRW vor. Das Ganze dauerte nur zwei Sekunden. Anschließend richtete sie sich auf, seufzte zufrieden, setzte ihre Brille ab und betrachtete ihre Schöpfung. Für einen ahnungslosen Betrachter sah dieser BMRW – der B.L.I.S.S.-Mini-Raketenwerfer – nicht bedrohlicher aus als ein neonrosafarbener Vibrator. Was natürlich beabsichtigt war. Es war die perfekte Tarnung, und keiner würde je auf die Idee kommen, ihn näher zu untersuchen.
Grinsend begann Jane, alles in ihre Aktentasche zu packen. Anschließend griff sie über den Tisch und schaltete das Radio ein, das sie auf einen Sender eingestellt hatte, der Achtzigerjahre-Hits spielte. „Whip It“ von Devo schallte durch den Raum. Bei den ersten Takten hielt sie inne. Der Song hatte etwas, obwohl Jane ihn eigentlich nicht besonders mochte. Aber verdammt, jedes Mal, wenn er lief, unterbrach sie, was immer sie gerade machte, drehte die Lautstärke auf und bewegte sich im Rhythmus dazu. So wie jetzt. Den BMRW-Vibrator noch in der Hand, begann Jane wie wild durch die Werkstatt zu tanzen, und als der Chor einsetzte – die einzigen Worte, die sie auswendig kannte –, hielt sie sich ihr Werk vor den Mund und sang hinein.
„Kann es sein, dass ich störe?“
Jane erstarrte, wobei sie sich den leuchtend rosafarbenen BMRW weiterhin vor den offenen Mund hielt. Sowie ihr Blick darauffiel, wünschte sie, der Boden würde sich unter ihr auftun und sie verschlucken. Es war Richard Hedde, genannt Dick, der da in der Tür zu ihrem Arbeitsraum stand. Wer auch sonst? Sein Grinsen war so breit, dass ihr das Gesicht schon beim Anblick allein schmerzte. Doch sie hatte nicht die Absicht, sich vor Richard eine Blöße zu geben.
Sie versuchte zu ignorieren, dass sie gerade rot wie eine Tomate war, ließ das provisorische Mikrofon sinken, stellte scheinbar ruhig das Radio ab und wandte sich der einzigen Person zu, die sie in der D&C absolut nicht leiden konnte. „Keineswegs. Ich habe nur gerade meine neueste Erfindung ge…t…testet.“
Gut möglich, dass es das Dümmste war, was sie je im Leben gesagt hatte. Jedenfalls war es nichts, was Richard großzügig überhören konnte. „Also wirklich, Jane, mir war ja immer klar, dass du in sozialen Dingen zurückgeblieben bist, doch wenn du nicht einmal weißt, wie man dieses Ding richtig testet, bist du ein noch hoffnungsloserer Fall, als ich dachte.“
Jane hätte es sich nicht vorstellen können, aber ihr Gesicht glühte nun sogar noch mehr. Sie kniff den Mund zusammen und legte den BMRW zusammen mit einem anderen, den sie bereits zuvor justiert hatte, in ihre Tasche. „Gibt es etwas, was ich für dich tun kann, Dick?“
„Ich wollte dich nur daran erinnern, dass das D&C-Meeting um …“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „… in fünf Minuten beginnt. Wir wollen doch nicht zu spät kommen. Schon wieder.“
Gereizt knirschte Jane mit den Zähnen, schloss aber ihre Aktentasche, nahm sie in die Hand und durchquerte den Raum mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte. „Ich wollte gerade dorthin.“
„Sicher wolltest du das. Nachdem du deine Erfindung ausprobiert hast, richtig?“ Er lachte, während sie sich ihren Mantel vom Haken neben der Tür schnappte und auf den Flur hinaustrat. Richard folgte ihr und zog die Tür hinter sich zu. „Übrigens, Jane. Ich will dir nur ungern eine weitere Illusion rauben, aber dein kleiner Prototyp da wurde schon vor Jahren von jemand anderem erfunden. Er hat sogar einen Namen. Ich glaube, man nennt ihn Vibrator.“
„Haha.“ Jane beschleunigte ihre Schritte, um ihren Kollegen abzuhängen. „Danke dafür, dass du mir diese Neuigkeit mitteilst.“
„Immer gern!“, rief er ihr hinterher. Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte und sich nicht umdrehen wollte, wusste sie, dass er die Situation extrem genoss. Nichts schien Richard mehr Vergnügen zu bereiten, als sie zu demütigen. „Ich freue mich immer, wenn ich helfen kann.“
Noch ein paar unschöne Ausdrücke vor sich hin murmelnd, setzte Jane ihren Weg über den Korridor zum Konferenzraum fort. Erleichtert stellte sie fest, dass beinahe alle versammelt waren, was bedeutete, dass Richard den Mund halten würde. Zumindest fürs Erste.
„Jane!“ Lizzy saß auf der linken Seite des Tisches, und Jane eilte auf ihre Freundin zu.
Anders als Richard war Lizzy die Einzige in der D&C, die etwa in Janes Alter war. Alle übrigen Mitglieder der Abteilung waren älter. Man hatte sie bei der Gründung von B.L.I.S.S. angeworben, und ein Job in der D&C bei B.L.I.S.S. war ein Job fürs Leben. Die Geheimsachen waren einfach zu bedeutend, als dass noch eine andere berufliche Herausforderung darauf folgen konnte. Jedem, der in Erwägung zog, dort anzufangen, wurde dies unmissverständlich deutlich gemacht, bevor er unterschrieb. Niemand kam bei B.L.I.S.S. in die D&C und ging dann wieder. Jane hatte zwar keine Ahnung, was geschehen würde, falls jemand es dennoch versuchen sollte, aber sie hatte den Verdacht, dass es nichts Gutes sein könnte. Soweit ihr bekannt, war es noch nie geschehen. Niemand war dumm genug, es zu probieren oder auch nur den Wunsch danach zu verspüren. Schließlich war es ein großartiger Arbeitsplatz mit nahezu unbegrenzten Freiheiten.
„Ich kann gar nicht glauben, dass du es zur Abwechslung einmal rechtzeitig geschafft hast“, neckte Lizzy sie freundlich, während Jane ihren Mantel über die Rückenlehne des Stuhls hängte, den ihr die Kollegin frei gehalten hatte.
Jane lächelte leicht gezwungen und ließ sich nieder, wobei sie sich sehr bewusst war, dass Richard nach ihr den Raum betrat. Zu ihrer großen Erleichterung gab er keinen weiteren Kommentar ab, sondern marschierte einfach zu einem der beiden Stühle am unteren Tischende, wo er mit dem Rücken zu den Fenstern saß.
„Y wird beeindruckt sein, dich hier anzutreffen. Sonst sieht sie dich erst hereinstolpern, nachdem sie die Sitzung bereits eröffnet hat“, fuhr Lizzy fort.
Jane stöhnte. Y schien sich über ihre Verspätungen nie aufzuregen, sondern rechnete offenbar schon damit. Jane vermutete, dass es zum Teil an dieser Nachsichtigkeit lag, dass Richard so gemein zu ihr war. Während Y sie zu mögen schien und sich angesichts ihrer Unpünktlichkeit sehr geduldig zeigte, wurde Richard nicht dieselbe Behandlung zuteil. Auch sonst mochte ihn niemand besonders gern.
Als hätte Jane sie mit ihren Gedanken herbeigerufen, öffnete sich plötzlich die Tür und Y sowie Janes Vorgesetzter kamen rein. Y war die Chefin von B.L.I.S.S., aber Ira Manetrue war Chef der D&C. Er war ein Gentleman – und eine alte Flamme ihrer Großmutter –, der Jane vom ersten Tag an unter seine Fittiche genommen hatte und sich als ihren Mentor betrachtete. Noch etwas, was Richard erboste. Diesen Aspekt seiner Unzufriedenheit konnte Jane beinahe verstehen, allerdings war Richard selbst schuld an seinen Problemen. Wäre er respektvoll und kein so schmieriger Schleimer, hätte er es weiter gebracht. Aber sein Verhalten war extrem unangenehm, auch wenn Jane es nicht schaffte, ihm das an den Kopf zu werfen. Meistens ignorierte sie ihn einfach, so wie alle anderen es taten. Besser gesagt, sie versuchte es.
„Schönen Tag, alle miteinander“, grüßte Mr Manetrue, während Y und er ihre Plätze am oberen Ende des Tisches einnahmen. Er legte sich Notizblock und Stift zurecht und fragte: „Wer will heute beginnen?“
Dabei schaute er Jane an, doch sie hielt den Blick auf den Kugelschreiber in ihren Fingern gesenkt, mit dem sie herumspielte. Irgendwann würde sie ihre Präsentation halten müssen, aber sie hatte nicht den Mut, sich freiwillig dafür zu melden … oder die Erste zu sein. Zum Glück waren die anderen weniger scheu, und einige hoben die Hand. Erleichtert atmete Jane auf, sobald Mr Manetrue einem von ihnen mit einer Geste bedeutete, aufzustehen.
Die Zeit verflog, während die anderen ihre Modelle vorführten und erklärten, doch Jane fiel es schwer, aufmerksam zuzuhören. Viel zu sehr war sie sich der Tatsache bewusst, dass mit jeder abgeschlossenen Präsentation der Zeitpunkt näher rückte, an dem sie an der Reihe war. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was sie erzählen wollte. Jedes Mal bereitete sie für diese Sitzungen eine Art Rede vor, die sie auswendig lernte … und wenn sie dann dran war, hatte sie jedes Mal jedes einzelne Wort vergessen. Diesmal hatten sich die Worte anscheinend sogar noch früher verflüchtigt als sonst. Ihr Hirn war wie leer gefegt.
„Jane?“ Die Stimme von Mr Manetrue riss sie aus ihren panischen Gedanken. Sowie sie den Kopf hob, bemerkte sie, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren, und augenblicklich rutschte ihr das Herz in die Hose. Jetzt war sie dran.
Jane schluckte nervös, griff nach ihrer Aktentasche und packte sie auf den Tisch. Anschließend erhob sie sich, öffnete sie und begann, ihre Erfindungen herauszuholen. Wie in Trance bemerkte sie, dass ihre Hände zitterten, und wieder einmal wünschte sie sich, sie wäre keine so schlechte Rednerin. Jane schloss die Tasche und hielt dann zwei kleine silberfarbene Kästchen hoch.
„Ich … ähem …“ Sie brach ab und räusperte sich, danach versuchte sie es aufs Neue. „Im letzten Monat haben wir eine unserer Agentinnen verloren, weil sie gezwungen wurde, sich komplett auszuziehen, ihren Schmuck abzulegen … und auch ihre Armbanduhr mit dem Peilsender, die im Einsatz zur Standardausrüstung gehört. Später wurde die Frau tot aufgefunden.“ Jane machte eine kurze Pause und trank nervös einen Schluck Wasser. Sie zwang sich zu einem schwachen Lächeln und fuhr fort: „Dieser Vorfall hat mich über einen Tracker nachdenken lassen, der unauffindbar ist.“
„Und dann bist du auf ein Zigarettenetui gekommen?“, fragte Richard grinsend.
„Das ist kein Zigarettenetui.“ Jane drehte es so, dass er erkennen konnte, wie dick das Kästchen war. „Abgesehen davon ist nicht das Kästchen der Tracker.“ Sie klappte den Deckel auf, damit alle die langen weißen Gegenstände darin anschauen konnten. „Das hier sind die BTT, die B.L.I.S.S.-Tampon-Tracker.“
Jane drehte sich der Magen um, sowie sie die Mienen der anderen bemerkte. Schließlich war es Y, die sie fragte: „Darf ich das so verstehen, dass es sich dabei um richtige Tampons handelt?“
Jane biss sich auf die Unterlippe. Y klang zwar nicht verärgert, allerdings auch nicht sonderlich beeindruckt. „Also, ja. Sie können auch als richtige Tampons verwendet werden. Doch in der Mitte befindet sich ein Peilsender mit einem Radius von …“
„Aber was ist, wenn die Agentin nicht gerade menstruiert?“, erkundigte sich Y ruhig. Richard starrte sie entsetzt an, aber die Leiterin von B.L.I.S.S. wirkte angesichts der Erfindung keineswegs erschüttert, und ihre sachliche Art hatte eine beruhigende Wirkung auf Jane.
„Oh, nun, daran habe ich gedacht. Es gibt eine Sorte mit und eine ohne Gleitmittel.“ Sie hielt das zweite Kästchen hoch und öffnete es. Darin befanden sich weitere Tampons, die sich von den anderen nur dadurch unterschieden, dass sie gebrochen weiß waren. „Dank des Gleitmittels lassen sie sich leicht einführen und wieder herausziehen. Diese hier dienen ausschließlich Ortungszwecken, während die ohne Gleitmittel saugfähig sind und …“
„Ich darf doch annehmen, dass das Aufspürgerät wasserdicht verpackt ist?“, unterbrach Y sie erneut.
„Ja. Es steckt im Inneren des Tampons und ist fest versiegelt. Das Schaltsystem hat eine geschätzte Lebensdauer von zwei Jahren.“
Y nickte und lehnte sich ohne weiteren Kommentar zurück. Niemand sagte etwas. Die meisten der älteren D&C-Mitglieder beäugten die BTT nachdenklich und nickten. Lizzy lächelte Jane aufmunternd zu. Richard … nun ja, er grinste gemein und wartete offenbar auf eine andere Gelegenheit, über sie herzufallen.
Jane beschloss, ihm keine Chance dazu zu geben und dass sie fürs Erste genug zu dem Thema erzählt hatte. Sie legte die beiden silbernen Kästchen wieder zurück in ihre Aktentasche, atmete tief durch und zog zwei weitere Gegenstände hervor. Dabei handelte es sich zum einen um ein etwa fünfundzwanzig Quadratzentimeter großes flaches Holzbrett, in dem ein langer Kugelschreiber steckte, und zum anderen um eine Banane. Sie stellte das Holzbrett auf die Tischplatte, sodass der Stift nach oben ragte, und spießte die Banane in der Schale darauf auf. Als Nächstes fischte sie mehrere Folienpäckchen aus ihrer Tasche. Die folgende Erfindung hatte sie – mit einer gewissen hämischen Freude – genial gefunden, während sie daran gearbeitet hatte. Doch jetzt, da alle Kollegen sie ansahen, schien sie das Idiotischste zu sein, was sie je konstruiert hatte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?
Gar nichts. Das lag auf der Hand. Kurz entschlossen warf sie die kleinen Päckchen wieder zurück in ihre Aktentasche.
Sowie sie nach der Banane und dem Stiftbrett griff, wollte Y schneidend wissen: „Was haben Sie vor?“
Jane hielt inne und lief rot an. „Ich habe beschlossen, diesen Punkt zu überspringen. Es ist eine ziemlich verrückte Idee, und ich habe mich entschieden, mit etwas anderem weiterzumachen und …“
„Hier wird nichts übersprungen“, erklärte Y bestimmt.
Mr Manetrue nickte. „Selbst wenn sich diese Idee als unbrauchbar erweisen sollte, Jane, kann sie immer noch einem Kollegen oder auch Ihnen selbst als Inspiration dienen. Genau darum geht es bei diesen Meetings, schon vergessen?“
Unglücklich stieß Jane die Luft aus, stellte die aufgespießte Banane wieder auf den Tisch und holte die kleinen Folienpäckchen aus der Tasche. „Diese Idee … Also, meine Gran hatte mir mal von einer befreundeten Agentin erzählt, die bei einem Einsatz vergewaltigt wurde. Deshalb, nun ja … ich dachte …“ Ihr Gesicht war feuerrot, und doch blieb ihr nichts anderes übrig, als fortzufahren. Sie straffte die Schultern und platzte heraus: „Also, das hat mich auf das B.L.I.S.S.-Schrumpffolien-Kondom gebracht.“
Diesmal war Richard nicht der Einzige, der lachte, allerdings klang es bei den meisten anderen eher wie ein verlegenes Gekicher. Jane versuchte, es zu ignorieren, schritt zu Y und Mr Manetrue hinüber und überreichte beiden je eines der Präservative. Danach kehrte sie an ihren Platz zurück und riss ein weiteres Kondompäckchen auf.
„Wie Sie sehen, besagt die Aufschrift, dass das Kondom eine viagraähnliche Substanz enthält, die Ausdauer, Sensibilität und Vergnügen steigert.“ Sie sprach undeutlich und wünschte, sie hätte das dumme Verhütungsmittel nie erfunden. „Damit soll es für potenzielle Benutzer attraktiv werden und Zielpersonen verlocken, die sonst vielleicht kein Präservativ benutzen würden.“
Sie zog den Latexring aus dem Päckchen und streifte ihn mühsam über die Banane, wobei sie Richards lautes, unkontrolliertes Gelächter ausblendete. „Sobald das Kondom ausgerollt ist, reagiert es auf menschliche Körperflüssigkeiten. Kommt es in Kontakt mit ihnen, zieht es sich zusammen. Ich habe die Banane vorher mit einer Creme bestrichen, die diesen Flüssigkeiten entspricht, und wie Sie erkennen können, reagiert das Kondom ziemlich schnell.“
Plötzlich herrschte Stille im Raum. Selbst Richard hatte aufgehört zu lachen. Das Präservativ zog sich um die Banane zusammen und zwang sie, gleichfalls zu schrumpfen. Als die Schale dann tatsächlich platzte und eine breiige Masse am unteren Ende des Kondoms aus der Banane spritzte, verzog er – wie auch die meisten anderen Männer im Raum – das Gesicht und schlug die Beine übereinander.
„Wie Sie sich vorstellen können, dürfte dies jegliches sexuelle Interesse signifikant senken und damit auch die Möglichkeit, dass es zu einer Vergewaltigung kommt.“
Zu ihrem großen Erstaunen prustete Y vor Lachen los. Die Frau musterte das Bananenmus, das aus dem nunmehr bleistiftdünnen Kondom gequollen war und sich auf dem Tisch ausbreitete. „Das ist diabolisch“, bemerkte sie. „Allerdings ließe es sich wahrscheinlich besser als Folterwerkzeug einsetzen, um Informationen aus Doppelagenten herauszupressen oder Ähnliches. Ich bezweifle, dass sich viele Männer, die auf eine Vergewaltigung sinnen, die Zeit nehmen werden, ein Kondom überzustreifen“, gab sie freundlich zu bedenken. „Besteht die Möglichkeit, es aufzuhalten, wenn es einmal aktiviert ist?“
„Ja.“ Jane holte einen kleinen Glasbehälter mit einer Creme aus ihrer Tasche. „Das hier entspannt das Latex sofort wieder.“
Sie öffnete das Glas und strich etwas Creme über das geschrumpfte Präservativ. Wie angekündigt, löste sich das Gummi auf der Stelle von der verschrumpelten Bananenschale.
Zufrieden nickte Y. „Haben Sie noch etwas anderes für uns, Ms Spyrus?“
Jane lächelte erleichtert. Sie wischte die Schweinerei auf, die ihr Experiment hinterlassen hatte, und warf alles in den Papierkorb. Anschließend wandte sie sich ihren beiden letzten Gegenständen zu: den BMRWs.
Wieder wurde sie von Entsetzen gepackt. Als sie die neonrosafarbenen Vibrator-Raketenwerfer erblickte, wurde ihr plötzlich klar, dass jeder einzelne Gegenstand, den sie heute präsentieren wollte, etwas mit Sexualität zu tun hatte. Selbst die Tracking-Tampons hingen mit den Fortpflanzungsorganen zusammen! Sie musste sich fragen, was das zu bedeuten hatte. War sie verzweifelt? Einsam? Es stimmte, dass sie den größten Teil ihrer Zeit allein in ihrer Werkstatt verbrachte. Ein erwähnenswertes Sozialleben hatte sie nicht wirklich. Gelegentlich ging sie mit ihrer Nachbarin Edie mal Kaffee trinken oder Pizza essen und selten genug mit Lizzy zum Lunch. Aber einen Freund hatte sie schon ziemlich lange nicht mehr gehabt. Seit sie die Universität abgeschlossen hatte, schien es keine Zeit mehr dafür zu geben. Wirkte sich ihre verdrängte Libido jetzt etwa auf ihre Erfindungen aus?
Gleich nach ihrer Promotion hatte Jane angefangen, bei B.L.I.S.S. zu arbeiten. Während der ersten zwei Jahre hatte sie viele Überstunden geschoben, um sich zu beweisen. Die meiste Zeit war sie allein in ihrer Werkstatt in der D&C gewesen oder hatte sich nachts und an den Wochenenden in dem Arbeitszimmer aufgehalten, das sie sich in ihrer Wohnung eingerichtet hatte. Auf diese Weise war es nicht nötig gewesen, für Gran eine Nachtschwester zu organisieren, und Jane konnte dennoch weiter an ihren Erfindungen tüfteln. Inzwischen ging es ihr längst nicht mehr darum, jemanden zu beeindrucken. Es machte ihr einfach Spaß, so zu leben. Jane hatte eine Leidenschaft für ihren Job entwickelt und eigentlich gar kein Bedürfnis nach weiterer Gesellschaft … und schon gar nicht, wenn die das emotionale Chaos einer Mann-Frau-Beziehung mit sich brachte.
Bewusst hatte sie sich dafür allerdings nicht entschieden. Aber jetzt, während sie dort stand und den Inhalt ihrer Aktentasche anstarrte, kam Jane der Verdacht, dass sie sich vielleicht tief in ihrem Inneren auch noch nach etwas anderem sehnte. Und dieses Etwas hatte vielleicht mit Gefühlen zu tun, ziemlich eindeutig aber mit Sex.
„Jane?“, half Ira Manetrue ihr auf die Sprünge, und erst da merkte sie, dass sie schon furchtbar lange schweigend dort stand und über die Möglichkeit sinnierte, dass sie … nun ja … im Grunde ging es darum, dass sie Sex brauchte.
Seufzend schob sie ihre Sorgen beiseite und zog einen der BMRW aus der Tasche. Die Unruhe, die sich im Raum ausgebreitet hatte, fand augenblicklich ein Ende. Jane ignorierte die plötzliche Stille und trug ihre Erfindung ans obere Ende des Tischs, wo sie sie Y überreichte.
„Allmächtiger.“ Die Frau betrachtete das Objekt von allen Seiten. „Ich wage kaum zu fragen, was es ist.“
„Ein Mikrofon!“, rief Richard lachend. Nachdem Jane an ihren Platz zurückgekehrt war und sich den zweiten BMRW gegriffen hatte, fügte er hinzu: „Zumindest schien sie das Ding entsprechend zu benutzen, während ich bei ihr hereinschaute, um sie an die heutige Sitzung zu erinnern, damit sie sich nicht schon wieder verspätet.“
Zähneknirschend drehte Jane den Vibrator in ihren Händen.
„Wohlgemerkt“, fuhr Richard fort, „sie hat gemeint, dass sie dabei sei, ihn zu testen. Doch vielleicht hat sie ihn ja auch aus einem völlig anderen Grund vor den Mund gehalten.“ Anzüglich wackelte er mit den Augenbrauen.
„Das ist der B.L.I.S.S.-Mini-Raketenwerfer“, verkündete Jane. Sie zwang sich, ruhiger zu sprechen, und fuhr fort: „Er scheint nichts weiter zu sein als ein ganz gewöhnlicher Vibrator.“
„Die sind also gewöhnlich neonrosafarben, Jane?“, mischte Richard sich erneut ein. „Und so groß?“
Janes Finger schlossen sich fester um ihre Erfindung, wobei sie aus Versehen den Schalter betätigte. Der Zylinder begann zu brummen. Erschrocken ließ sie den Vibrator fallen, konnte ihn allerdings zum Glück auffangen, bevor er auf der Tischplatte aufschlug. Kaum dass Richard schallend loslachte, breitete sich das Rot auf ihren Wangen noch weiter aus und sie probierte, das Gerät wieder auszuschalten. Dabei drückte sie in ihrer Aufregung unglücklicherweise den Schalter ganz nach unten, anstatt ihn zu kippen. Zu ihrem großen Entsetzen tat der BMRW einen Ruck in ihrer Hand.
Und die Rakete schoss heraus.
Sie segelte direkt über Richards Kopf hinweg, wobei der Luftzug seine Haare genau in der Mitte teilte. Es klirrte, als die Rakete hinter ihm durchs Fenster schoss, aber im Vergleich zu dem anschließenden lauten Knall war das kaum zu hören. Jane blieb wie angewurzelt stehen und hielt die Luft an. Mr Manetrue erhob sich und ging gelassen zum Fenster, um hinauszuschauen. Im Geiste sah Jane schon zahlreiche Leichen, die überall hinter dem Gebäude verstreut auf dem Boden lagen.
„Guter Schuss, Jane. Sie haben genau in die Grube getroffen, in der wir die Explosionstests durchführen“, verkündete Manetrue, drehte sich wieder um und schaute sie neugierig an. „Das ist offensichtlich kein Mikrofon, und es verfügt über ein ausgezeichnetes Zielsystem.“
In Jane breitete sich Erleichterung aus. Ihr Herz begann wieder zu schlagen und ließ das Blut durch ihre Venen strömen. Sie konnte sogar wieder atmen.
Niemand war verletzt. Gott sei Dank!
„Nein. Kein Mikrofon“, bestätigte Y trocken.
Jane sah, wie die Chefin von B.L.I.S.S. den anderen neonrosafarbenen BMRW nun in der Hand hielt, als rechnete sie damit, dass er jeden Augenblick explodieren könnte. Jane verzog das Gesicht und beeilte sich, ihn ihr abzunehmen.
Kommentarlos überließ Y ihr das Gerät, und schweigend kehrte Jane zu ihrem Stuhl zurück. Dankbar registrierte sie Lizzys mitfühlenden Blick. Heute ist einfach nicht mein Tag, dachte sie. Obwohl, wenn man es aus einer anderen Perspektive betrachtete, war es vielleicht doch ihr Tag. Niemand war verletzt worden, als der BMRW die Fehlzündung hatte. Und es war zweifellos eine Fehlzündung. Sie hatte eine Sicherung eingebaut, die hätte verhindern müssen, dass er unter solchen Umständen losschoss.
Jane ließ den Blick über den Tisch zu Richard wandern, dem das Grinsen vergangen war. Er war ganz still geworden und sah blass aus.
So hatte alles auch seine guten Seiten.
„Fahren Sie fort, Jane. Erklären Sie uns Ihre Erfindung“, schlug Mr Manetrue vor und ging wieder an seinen Platz zurück. Es schien ihn nicht im Geringsten zu beunruhigen, dass sie beinahe einem ihrer Kollegen den Kopf abgerissen und ein Loch ins Fenster geschossen hatte. Diese Rakete hätte sie alle umbringen können, trotzdem schien er sich ein Lächeln zu verkneifen.
„Äh … ja, Sir.“ Sie räusperte sich und hielt den unbenutzten Raketenwerfer in die Höhe. „Der … äh … B.L.I.S.S.-Mini-Raketenwerfer hat ein absolut harmloses Erscheinungsbild und lässt sich ohne Weiteres im Gepäck in fremde Länder transportieren. Da er größtenteils aus Polymerschaum besteht, wird er am Flughafen keinen Alarm auslösen. Selbst wenn er bei einer von Hand durchgeführten Gepäckdurchsuchung gefunden wird, dürfte er kaum Besorgnis erregen. Tatsächlich wird es den meisten Menschen viel zu peinlich sein, genauer hinzuschauen. Aber falls doch, lässt sich lediglich feststellen, dass es ein funktionierender Vibrator ist.“ Sie hatte sich an die Rede erinnert, die sie vorbereitet hatte, war ihr gefolgt und wollte gerade den BMRW anstellen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, die sie zögern ließ.
Richard war endlich aus seiner Erstarrung aufgeschreckt und hatte sich unter dem Tisch aus der Schusslinie der Rakete gebracht, die sie unbedacht in seine Richtung hielt. Jane biss sich auf die Lippen. Ein Teil von ihr wollte über diesen unausstehlichen Schwachkopf lächeln, der auf diese Weise auf den Knien landete. Der größere, bessere Teil von ihr fühlte sich allerdings leicht schuldig.
„Äh … ich schätze, das müssen Sie nicht noch einmal sehen“, bemerkte sie leise und sah zu Mr Manetrue und Y hinüber. „Ich hatte allerdings eine Sicherheitsvorkehrung eingebaut. Eigentlich sollte keine Zündung erfolgen, solange man nicht das untere und obere Teil des Geräts in entgegengesetzte Richtungen dreht und dann erst auf den Knopf drückt. Dieser Sicherheitsmechanismus muss versagt haben.“
„Sie hatten an Sockel und Spitze gedreht, während Sie gesprochen haben“, bemerkte Y freundlich. „Aber das bedeutet lediglich, dass ein etwas komplizierterer Sicherheitsmechanismus gefunden werden muss. Ansonsten ist es eine ausgezeichnete Idee.“
„Ja, ja.“ Ira Manetrue wirkte begeistert. „Es wird uns Probleme mit dem Zoll ersparen, vor allem bei Ländern, die sich weigern, mit uns zu kooperieren.“
„Beim nächsten Meeting erwarte ich von Ihnen einige Ideen zu neuen Sicherheitslösungen, Jane. Und ich möchte auch, dass Sie sich mit mir über das endgültige Design beraten. Nun, wenn das jetzt alles ist, nehme ich an, dass wir uns vertagen können.“
Um sich zu vergewissern, dass niemand mehr etwas zu sagen hatte, wartete Y einen Augenblick, stand dann auf und verließ den Raum. Mr Manetrue folgte ihr. Sowie sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, herrschte allgemeine Geschäftigkeit. Alle packten gleichzeitig ihre Sachen zusammen und machten sich bereit zu gehen.
Jane holte tief Luft und schüttelte den Kopf, vor allem aus Erleichterung darüber, dass sie wieder einmal eine der monatlichen Präsentationen überstanden hatte. Dann öffnete sie die Aktentasche und legte ihre BMRW – verbraucht und unverbraucht – hinein.
„Also, ich finde, es ist gut gelaufen“, sagte Lizzy munter, als sie aufstand.
„Haha“, murmelte Jane.
Ihre Freundin grinste. „Nein. Im Ernst. Du hattest zwar ein Problemchen mit dem Ding da, diesem BM-was-auch-immer.“
„BMRW“, erklärte Jane und schlüpfte in ihren Mantel. „Und wenn man einem Kollegen fast den Kopf abreißt, ist das wohl kaum ein Problemchen zu nennen.“
„Wenn’s um Dick geht, schon.“
Jane blickte zu dem leeren Platz am Tisch, an dem Richard gesessen hatte. „Ist er schon gegangen?“, fragte sie hoffnungsvoll. Sie hatte zwar das Gefühl, sich bei ihm entschuldigen zu müssen, hätte aber nichts dagegen gehabt, wenn er schon weg gewesen wäre.
„Ich glaube, er hockt noch immer unter dem Tisch. In Embryonalstellung mit dem Daumen im Mund.“
Jane klappte der Mund auf, und rasch bückte sie sich, um unter dem Tisch nachzuschauen. Richard war nicht dort.
„Janie, Schätzchen, du bist so leichtgläubig!“ Lizzy lachte gutmütig.
Jane richtete sich wieder auf, verzog das Gesicht und ließ ihre Tasche zuschnappen. „Das gehört zu meinem Charme.“
„Ja, stimmt.“ Lizzy grinste. „Hast du Lust, unterwegs noch irgendwo etwas trinken zu gehen? Vielleicht auch auf eine Pizza?“ Sie gingen zur Tür.
„Ich kann nicht. Jill muss heute früher weg, um ihre Tochter am Bahnhof abzuholen. Die schwänzt ihre Freitagskurse an der Uni, um das Wochenende bei ihrer Familie verbringen zu können. Ich muss sofort nach Hause.“ Jill war die Frau, die sich um Janes Gran kümmerte, und Jane war der Meinung, dass sie mit Gold nicht aufzuwiegen war. Sie arbeitete hart und war immer pünktlich. Sie war nie krank, und was noch wichtiger war, sie konnte mit Janes Großmutter umgehen. Und das war nicht leicht, denn Maggie Spyrus konnte störrischer als ein Esel sein.
Jane warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und runzelte die Stirn. „Ich sollte mich lieber beeilen. Der Zug ihrer Tochter kommt um siebzehn Uhr dreißig an, und es ist schon fünf.“ Sie machte ein langes Gesicht. „Klar, dass ausgerechnet diese Sitzung eine Ewigkeit dauern musste.“
„Mhm.“ Lizzy nickte. „So ist das meistens. Es wäre schneller gegangen, wenn Lipschitz nicht eine Stunde lang über seinen Knock-out-Lippenstift geschwafelt hätte.“
„Knock-out-Lippenstift?“, fragte Jane. Sie gingen über den Flur. Jane hatte bei der Präsentation ihres Kollegen nicht aufgepasst. Genauso wenig wie bei allen anderen. Wegen ihrer Hemmungen, vor Publikum zu reden, musste sie sich unbedingt mal professionellen Rat holen.
„Ja.“ Lizzy zog eine kleine Röhre aus der Tasche und reichte sie ihr. „Das ist der Prototyp. Er hat ein paar davon herumgereicht. Wir sollten ihn wieder zurückgeben, aber als er sich setzte und du deine Aktentasche aufgemacht hast, habe ich es vergessen. Ich konnte es nicht fassen, als du diese Vibratoren hervorgeholt hast.“ Sie schüttelte den Kopf und lachte.
Jane lächelte leicht, nahm das Musterstück und schaffte es, mit einer Hand die Kappe abzuziehen. Die Farbe war ein leuchtendes Rot. Der Traum eines jeden Mannes, vermutete sie. „Wie funktioniert er?“
„Am anderen Ende befindet sich ein farbloser Stift. Den trägt man auf wie eine Grundierung, und die Farbe kommt obendrauf. Küss einen Mann, und paff!“ Sie schnippte mit Daumen und Zeigefinger. „Laut Lipschitz ist er kaltgestellt, und dir geht es gut.“
Jane zog die Augenbrauen zusammen. „Ich frage mich, ob er ihn selbst ausprobiert hat … Und wenn ja, ob er dann der Küsser oder der Geküsste war.“
„Lieber Himmel, ich hoffe, er war der Geküsste! Lipschitz mit Lippenstift ist einfach etwas, was ich mir nicht vorstellen will.“
Jane lachte. Sie verschloss das farbige Ende des Lippenstifts, drehte ihn um und öffnete die andere Seite. Interessiert betrachtete sie das farblose, glänzende Röhrchen darunter. „Ist diese Grundierung ein Gegengift, oder verhindert sie nur, dass die Droge mit der Haut der Trägerin in Kontakt kommt?“
„Ich bin mir nicht sicher. Diesen Teil seiner extrem langen Erklärung habe ich nicht mitbekommen. Nach den ersten fünfzehn Minuten habe ich quasi abgeschaltet.“ Schulterzuckend wechselte Lizzy das Thema. „Wer kümmert sich denn morgen um deine Großmutter, wenn Jills Tochter zu Hause ist?“
„Das übernehme ich“, antwortete Jane, ohne ein langes Gesicht zu machen. „Ich habe mir morgen freigenommen.“
„Freigenommen?“ Lizzy lächelte. „Dass ich nicht lache! Du meinst, du wirst zu Hause arbeiten. Wie immer.“
„Ja, also …“
„Lizzy!“ Sie blieben beide stehen und sahen sich um. Joan Higate, eine der drei Sekretärinnen, die in der D&C arbeiteten, lief ihnen über den Flur hinterher. „Da ist ein Anruf für dich. Ein Mr Armstrong.“
„Verdammt. Das Gespräch muss ich annehmen“, meinte Lizzy. „Also, ich ruf dich am Wochenende mal an.“ Sie drehte sich um und lief zurück zu den Telefonen.
„Oh, warte! Der Lippenstift.“ Jane wollte ihrer Freundin schon nachlaufen, blieb jedoch stehen, als Lizzy abwinkte und ihr zu verstehen gab, dass sie sich deshalb keine Sorgen machen sollte.
Achselzuckend wandte Jane sich wieder dem Ausgang zu, schob die Kappe auf den Lippenstift zurück und steckte ihn in die Tasche. Sie würde ihn am Montag zurückgeben. Jetzt musste sie wirklich nach Hause. Das Letzte, was Jane wollte, war, Jill zu verärgern. Wer sollte sich sonst um ihre Gran kümmern?
Noch sechs Jahre zuvor war Maggie Spyrus eine aktive Agentin mit messerscharfem Verstand gewesen. Und dann war ein Einsatz schiefgelaufen, nach vierundfünfzig Jahren im Geschäft und ein Jahr, bevor sie sich zur Ruhe setzen wollte. Sie hatte eine Anfängerin ausgebildet, die einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Ein Fehler, der das Mädchen das Leben gekostet und Maggie an den Rollstuhl gefesselt hatte. Diesen Schicksalsschlag hatte Maggie nicht gut verkraftet. Sie vermisste die Action und die Abenteuer, die ihr ehemaliger Job mit sich gebracht hatte. Sie vermisste es, Kopf und Körper gleichermaßen einzusetzen. Und sie geriet durch ihre Behinderung immer wieder in schwierige Situationen, bis endlich Jill in ihr Leben trat.
Jill war die sechste Pflegerin, die Maggie Spyrus in dem ersten Jahr nach dem Unglück gehabt hatte, und sie war die letzte geblieben. Irgendwann einmal hatte sie Jane das Geheimnis ihres Erfolges verraten: Jill verbarg jedes Mitgefühl, das sie für die alte Dame empfand. Wenn sich die ehemalige Agentin schlecht benahm, warf sie ihr vor, eine böse alte Hexe zu sein, die sich nur selbst bemitleidete. Und das war offenbar, was Gran brauchte. Sie wollte kein Mitleid oder behandelt werden wie ein seniler Krüppel. Von daher war Jills Haltung ihr gegenüber einfach perfekt. Gleichzeitig stellte sich Gran den Anforderungen, die Jill an sie hatte. Sie erwartete von Gran, dass sie sich bemühte, soweit es ihr möglich war, und dass sie sich gut benahm. Und für Jill war Gran bereit, das zu tun.
Am Ende des Flurs blieb Jane vor einer Tür stehen, tippte einen Code in die Tastatur, legte den Daumen auf eine andere Taste, die ihren Abdruck scannte, und drückte ein Auge an den Retina-Scanner. Es folgte ein Summen, und die Tür sprang auf. Sofort stieß Jane sie ganz auf und betrat eine kleine Lobby, die in einem angenehmen Blau gestrichen war. Der Raum war vielleicht sechs Meter breit, und an der gegenüberliegenden Wand befanden sich drei Fahrstühle. Zu beiden Seiten standen kleine Tresen, hinter ihnen jeweils ein Mann vom Sicherheitsdienst.
Lächelnd erwiderte Jane ihren Gruß mit einem Winken. Als sie das kurze Stück zum ersten der drei Fahrstühle zurückgelegt hatte, glitten die Türen, die einer der Wachleute bediente, auf.
Jane betrat den Fahrstuhl. Seine Benutzung war ausschließlich den Mitarbeitern der D&C vorbehalten. Die beiden anderen Aufzüge führten in die höher gelegenen Stockwerke und Abteilungen des B.L.I.S.S.-Gebäudes. Der erste Fahrstuhl fuhr ausschließlich ins erste oder zweite Kellergeschoss, wo die wirklich interessanten und gefährlicheren Experimente durchgeführt wurden. Von daher waren die Sicherheitsvorkehrungen sehr streng.
Hinter Jane fuhren die Türen klickend zusammen und schlossen sie in der spiegelgetäfelten Fahrstuhlkabine ein. Es dauerte einen Moment, in dem sie durchleuchtet und das, was sie bei sich trug, protokolliert wurde. Dann ging es nach unten, und schon glitten die Türen wieder auseinander.
Jane trat hinaus und durchquerte die große Eingangshalle, in der es von B.L.I.S.S.-Mitarbeitern wimmelte. Sie schob sich durch die Drehtür am Haupteingang nach draußen und eilte über den asphaltierten Gehweg. Als sie an dem großen Schild „Tots Toy Development“ vorbeikam, musste sie lachen. Es war eine Attrappe. Eine Tarnung. In diesem Gebäude gab es sehr wenig, was mit Kindern zu tun hatte, es sei denn, man hielt Waffen im Kampf gegen Terroristen oder feindliche Agenten für interessantes Kinderspielzeug.
Sie freute sich über den Anblick ihres kleinen weißen Miata-Sportwagens, öffnete die Tür, warf ihre Aktentasche hinein und glitt hinters Lenkrad.
Als sie im Rückspiegel einen kurzen Blick auf ihr Gesicht warf, schnitt sie eine Grimasse. Von dem leichten Gesichtspuder und dem rosafarbenen Lippenstift, die sie am Morgen aufgetragen hatte, war längst nichts mehr zu sehen, und große grüne Augen sahen ihr entgegen. Ihre langen rotbraunen Haare, wie üblich zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, ließen sie einige Jahre jünger wirken als achtundzwanzig. Irgendwann würde sie wahrscheinlich genauso alt aussehen, wie sie war. Aber dann würde sie es sich vermutlich nicht mehr wünschen, wie sie es jetzt noch tat.
Jane sah kurz zu dem Cabrioverdeck hoch und überlegte, ob sie es runterlassen sollte. Es war zwar November, aber für die Jahreszeit war das Wetter ungewöhnlich freundlich, und es machte ihr Spaß, mit offenem Dach zu fahren. Allerdings war es schon relativ spät, und manchmal funktionierte die Entriegelung nicht richtig. Also ließ sie nur das Fenster herunter, schnallte sich an und startete den Motor. Sie stellte sich vor, Rennfahrerin zu sein, legte den Gang ein und fuhr vom Parkplatz.
Die Fahrt vom B.L.I.S.S.-Gebäude bis zu der Wohnung, die sie sich mit ihrer Großmutter teilte, dauerte normalerweise etwa zwanzig Minuten. Heute schaffte sie es in sechzehn. Sie schnappte sich ihre Aktentasche, stieg aus dem Wagen und lief in das Gebäude, das wie ein rechtwinkliges C angelegt war. Jane und ihre Großmutter wohnten im ersten Stock auf der rechten Seite. Von der Wohnung aus konnte man auf die Straße sehen, deshalb überraschte es sie nicht, Jill im Mantel an der offenen Tür anzutreffen.
„Tut mir leid“, entschuldigte sich Jane, während sie auf sie zulief. „Ich wollte eher hier sein, aber das Meeting hat länger gedauert als sonst.“
„Ist schon in Ordnung. Ich habe Sie kommen gesehen und mich schon mal fertig gemacht“, erklärte die schlanke, brünette Frau um die fünfzig. Sie hielt ihr die Wohnungstür auf, sodass Jane ihren Schlüssel nicht brauchte. „Ich werde rechtzeitig dort sein.“
Erleichtert seufzte Jane auf. „Gut. Danke, Jill. Wir sehen uns Montag.“ Mit einer Hand hielt nun sie die Tür auf und sah Jill hinterher, die über den Flur eilte. Sie trat ein, stieß die Tür hinter sich zu, ließ ihre Aktentasche fallen, um die Tür abzuschließen, und zog sich ihren Mantel aus.
„Janie?“
„Ja, Gran, ich bin’s. Ich komme gleich.“ Sie hängte den Mantel an den Haken neben der Tür, hob ihre Tasche auf und ging ins Wohnzimmer.
Maggie Spyrus, die mit ihren siebzig Jahren noch immer fantastisch aussah, lächelte ihr entgegen, als sie hereinkam. „Wie ist das Meeting gelaufen, Liebes?“
„Abgesehen davon, dass ich meinen BMRW gezündet habe und Dick beinahe den Kopf abgerissen hätte, glaube ich, dass es ziemlich gut war.“
Grans Augenbrauen schossen nach oben. „Du hast den BMRW … Was hat Y dazu gesagt?“
„Nichts davon, dass ich Dick damit fast umgebracht hätte. Doch sie hat gesagt, dass sie den BMRW genial findet.“
„Genial? Meine Güte!“ Gran staunte. „Bei ihr ist das ein großes Lob.“
„Ja, und die Schrumpffolien-Kondome fand sie diabolisch. Sie meinte aber, dass sie eher dafür geeignet wären, feindliche Spione zu foltern. Zu den Tampon-Trackern hat sie nicht viel gesagt … aber sie hat mir einige Fragen dazu gestellt.“
„Dann gefallen sie ihr“, stellte Gran zufrieden fest. Gedankenverloren streichelte sie den kleinen weißen Yorkshireterrier auf ihrem Schoß.
Jane zuckte nur mit den Schultern. Jetzt, da sie zu Hause war, überfiel sie die Müdigkeit. Der Stress des Tages lag hinter ihr. Jetzt wollte sie mit ihrer Großmutter nur noch etwas Leichtes zu Abend essen und dann vielleicht einen Film anschauen. Morgen würde sie anfangen, sich über eine neue Sicherungsvorkehrung für den BMRW Gedanken zu machen. „Wie war dein Tag?“
„Oh, nun ja … ich bin zwar nicht gestorben, aber wir können immer noch auf morgen hoffen.“
„Ja“, stimmte Jane ihr lächelnd zu. „Ich gehe mal und ziehe mir etwas Bequemeres an. Dann kümmre ich mich ums Abendessen.“ Es war der beste Weg, mit Grans Depressionen umzugehen, wenn man sie so gut es ging ignorierte.
„Jill hat eine leckere Lasagne gemacht und dazu Salat. Sie hat gesagt, dass sie alles in den Kühlschrank stellt und die Lasagne nur fünfzehn Minuten bei mittlerer Hitze in den Ofen soll, um warm zu werden.“
„Jill ist ein Goldstück. Bin gleich wieder da.“
Sie ließ ihre Gran, die sich die Gerichtsshow „Judge Judy“ ansah, allein und ging durch die Diele ins Badezimmer. Erst als sie es betrat, fiel ihr auf, dass sie noch immer die Aktentasche in der Hand hielt. Sie verdrehte die Augen, stellte die Tasche auf die Ablage neben dem Waschbecken und begann, die Taschen ihres Blazers zu leeren. Ein kleiner Schraubenzieher, ein Bleistiftstumpf, ein Kuli, Kleenex und ein Stück zusammengeknüllte Plastikfolie von der Verpackung ihres Mittagessens kamen zum Vorschein. Als Letztes hielt sie Lipschitz’ Lippenstift in der Hand. Beim Anblick des schlichten silberfarbenen Röhrchens runzelte sie die Stirn, öffnete den Schnappverschluss ihrer Aktentasche und warf den Lippenstift hinein. Sie durfte nicht vergessen, ihn Montag wieder mit zur Arbeit zu nehmen.
Nachdem sie ihre Jackentaschen ausgeräumt hatte, schlüpfte Jane schnell aus ihren Kleidern, zog das elastische Haarband aus den Haaren und stellte die Dusche an. Sie regelte die Wassertemperatur und trat seufzend unter die Brause. Eine Weile blieb sie einfach unter dem pulsierenden Wasserstrahl stehen und genoss das prasselnde Gefühl auf ihrer Haut. Schließlich griff sie nach Shampoo und Seife.
Einige Zeit später stellte sie das Wasser ab und nahm sich zwei Handtücher von der Ablage. Das erste wickelte sie wie einen Turban um ihre langen Haare und trocknete sich dann rasch mit dem zweiten ab. Erst als sie auf die Fußmatte trat, fiel ihr ein, dass sie sich gar nichts zum Umziehen mitgenommen hatte.
Also hüllte sie sich in das Handtuch, mit dem sie sich abgetrocknet hatte, hob ihre getragenen Sachen auf und wandte sich zur Tür. Unglücklicherweise blieb ihre Blazerjacke an der offen stehenden Aktentasche hängen und ließ diese krachend auf den Boden fallen, wobei sich der gesamte Inhalt auf den Marmorfliesen verteilte. Entsetzt starrte Jane auf das Chaos, das sie angerichtet hatte, während ihr einer der Tracker vor die Füße kullerte. Das silberne Kästchen, in dem sie gelegen hatten, war bei dem Aufprall aufgesprungen. Es lagen nur noch zwei Stück darin, die anderen waren überall auf dem Boden verstreut.
Jane bückte sich, um sie aufzuheben, entschloss sich aber im nächsten Moment dagegen. Sie war nackt, fror und hatte Hunger. Das Durcheinander konnte warten.
Sie verließ ein dampfendes Bad und eilte in ihr Zimmer, wo sie das Handtuch fallen ließ. In der Schublade fand sie eine saubere Jogginghose, in die sie hineinschlüpfte, und ein Sweatshirt.
„Jane?“
„Ich komme, Gran!“, rief Jane zurück, schob den Kopf durch das Sweatshirt und zog es nach unten, während sie bereits über die Diele ins Wohnzimmer lief. „Gibt es ein Problem?“
„Tinkle muss Gassi gehen, Liebes.“
Resigniert sah Jane sich den Hund an. Das Tierchen winselte und drehte sich auf Grans Schoß im Kreis – ein sicheres Signal, dass es sich erleichtern musste.
„Ich weiß nicht, was mit dem dummen Tier los ist“, sagte Gran beunruhigt. „Jill ist erst vor einer Stunde mit ihr draußen gewesen, damit sie ihr Geschäft erledigen kann. Ich hoffe, sie hat keine Blaseninfektion.“