Abkürzungen

ÄD

ärztlicher Dienst

AHB

Anschlussheilbehandlung

AWR

Aufwachraum

AZ

Aufnahmezentrum

BA

Bundesagentur für Arbeit

BÄK

Bundesärztekammer

BFW

Basisfallwert

BG

Berufsgenossenschaft

BHR

Birmingham HIP™ Oberflächenersatzsystem

BPflV

Bundespflegesatzverordnung

BQS

Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH

BWK

Brustwirbelkörper

BWS

Brustwirbelsäule

CA

Chefarzt

CMS

Case-Management-Score

DBfK

Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe

DBSA

Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit

DGCC

Deutsche Gesellschaft für Care und Case Management

DGSA

Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit

DKG

Deutsche Krebsgesellschaft

DKI

Deutsches Krankenhaus Institut

DNQP

Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege

DRG

Diagnosis Related Groups

EK

Erythrozytenkonzentrat

ELM

Entlassungsmanagement

EP

elektive Patientenaufnahme

ePA-AC

ergebnisorientiertes PflegeAssessment Acute Care

GF

Geschäftsführung

GKV

gesetzliche Krankenversicherung

GKV-OrgWG

Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung

ICD

International Classification of Diseases

ITS

Intensivstation

InEK

Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus

KBV

Kassenärztliche Bundesvereinigung

KHEntgG

Krankenhausentgeltgesetz

KHG

Krankenhausfinanzierungsgesetz

KHK

koronare Herzkrankheit

KrTRL

Krankentransport-Richtlinien – Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten und Krankentransportleistungen

KTW

Krankentransportwagen

LWK

Lendenwirbelkörper

LWS

Lendenwirbelsäule

MA

Mitarbeiter

MBO

Musterberufsordnung für Ärzte

MDC

Hauptdiagnosegruppe

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenkassen

MIS

Minimal invasive Hüftchirurgie

MTS

Manchester-Triage-System/medizinische Triagierung

MVWD

mittlere Katalog-Verweildauer

NA

Notaufnahme

NAW

Notarztwagen

NEF

Notarzteinsatzfahrzeug

OA

Oberarzt

OGVD

obere Grenzverweildauer

OP

Operation

OPS

Operationen- und Prozedurenschlüssel – internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin

OR

OP-Saal (»operating room«) gebunden

OTA

Operationstechnischer Assistent

PCCL

Patient Clinical Complexity Level

PDL

Pflegedienstleitung

PG

Projektgruppe

POBE

perioperative Behandlungseinheit

RTH

Rettungshubschrauber

RTW

Rettungswagen

SGB

Sozialgesetzbuch

SPI

Selbst-Pflege-Index

StGB

Strafgesetzbuch

TEP

Totalendoprothese

UE

Unterrichtseinheit

UGVD

untere Grenzverweildauer

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VK

Vollkräfte

VWD

Verweildauer

WAZ

Wochenarbeitszeit

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization)

ZBM

Zentrales Belegungsmanagement

1 Grundlagen/Einführung

Die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser in Deutschland werden immer anspruchsvoller. Als Folge zahlreicher Gesundheitsreformen wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen, der für die Krankenhäuser große Herausforderungen mit sich gebracht hat. Insbesondere die pauschalen Fallgruppen und die nach abgeschlossener Konvergenzphase auf Landesbasisfallwerte vereinheitlichte Vergütung führten dazu, dass die Verweildauern der Kliniken zum kritischen Erfolgsfaktor wurden. Viele Einrichtungen haben sehr intensiv auf die Kodierqualität fokussiert und zu spät den Einstieg in eine prozessorientierte Organisationsstruktur geschafft. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind nicht selten Folge dieser Versäumnisse. Dieses Buch möchte Modelle und Ideen vorstellen, wie man durch konsequentes Fallmanagement, die Strukturen im Rahmen der stationären Patientenversorgung verbessern kann.

1.1 Krankenhausmanagement – Rahmenbedingungen

1.1.1 Krankenhaussektor in Deutschland

Mit 4,5 Millionen Beschäftigten und jährlich rund 254 Milliarden Euro Umsatz ist der Gesundheitsbereich die größte Wirtschaftsbranche in Deutschland, hiervon wiederum der Krankenhaussektor der größte Teilmarkt.1 In Deutschland gibt es rund 2.080 Kliniken mit insgesamt etwa 500.000 Betten und einer durchschnittlichen Bettenauslastung von 77,4 %. Die Krankenhäuser beschäftigten im Jahr 2010 knapp 798.000 Mitarbeiter, darunter über 128.000 Ärzte. Der größte Ausgabenträger im Gesundheitsmarkt ist die gesetzliche Krankenversicherung. Ihre Ausgaben betrugen ca. 118,58 Milliarden Euro, davon entfielen allein rund 52,6 Milliarden Euro auf die Krankenhausbehandlung. In der privaten Krankenversicherung betrugen die Ausgaben etwa 16,1 Milliarden Euro, hiervon entfielen rund 5,84 Milliarden Euro auf Behandlungen in Kliniken.2

Die Bundesländer stellten insgesamt 2,69 Milliarden Euro zur Investitionsförderung bereit. Im Vergleich zum Jahr 1998 entspricht dies einem realen Förderungsrückgang von 34,48 %. Der Anteil der Fördermittel der Bundesländer am Bruttoinlandsprodukt sank zwischen 1991 und 2008 um mehr als die Hälfte, von 0,24 auf 0,11 %.3 Seit 1991 hat u. a. das Ausbleiben der öffentlichen Mittel in den Krankenhäusern eine Investitionslücke von 16 Milliarden Euro verursacht. Mit ca. 7 Milliarden Euro konnte ein Teil dieser Lücke von den Einrichtungen aus eigenen Mitteln geschlossen werden. Viele Kliniken sind ohne produktivitätssteigernde Maßnahmen dennoch von einer Insolvenz bedroht. Es wurde damit gerechnet, dass die Folgen der Finanzkrise ab dem Jahr 2010 den Gesundheitsmarkt erreichen.4

Die fehlenden öffentlichen Mittel und der Druck zur Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen führen dazu, dass die Privatisierung von Krankenhäusern erheblich zunimmt. Während 2003 noch 689 Kliniken in öffentlicher Trägerschaft, 737 Krankenhäuser in freigemeinnütziger und 442 Kliniken in privater Trägerschaft standen, waren fünf Jahre später noch 571 öffentlich, 673 freigemeinnützig und bereits 537 Häuser privat geführt.5

1.1.2 Krankenhausfinanzierung

Im Jahr 1972 hat der Bund aufgrund seiner Zuständigkeit im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) erlassen. Zweck dieses Gesetzes war die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser. So sollte eine leistungsfähige und bedarfsgerechte Krankenversorgung erreicht werden. Die Finanzierung wurde auf zwei Säulen gestellt, um die Kosten für den Patienten als Beitragszahler so gering wie möglich zu halten. Während die Investitionskosten von der öffentlichen Hand, den Bundesländern, getragen werden, entfallen bei diesem sog. dualen Finanzierungssystem die Betriebskosten auf die Patienten und die Krankenkassen. Ergebnis der staatlichen Förderung der Investitionskosten war, dass die öffentliche Hand durch ihre jeweiligen Fördermaßnahmen bestimmte, ob und zu welchem Zeitpunkt Investitionen vorgenommen werden konnten. Zur Definition der Vergütung der Betriebskosten ist ergänzend zum KHG 1974 die Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in Kraft getreten, die eine Vergütung von Krankenhausleistungen mittels tagesbezogenen, krankenhausindividuellen Pflegesätze definierte.6

Mit dem KHG wurde neben dem dualen Finanzierungssystem auch die staatliche Krankenhausplanung eingeführt, die die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung regelt. Sie verpflichtet die einzelnen Bundesländer zur Aufstellung von Krankenhausplänen. Krankenhäuser dürfen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Behandlungen nur durchführen, wenn sie zur stationären Versorgung zugelassen sind. Dies erfolgt bei den meisten Kliniken durch Aufnahme in den Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes, alternativ durch einen Versorgungsvertrag mit den Kostenträgern.7

Maßgeblich bei der Krankenhausfinanzierung über Investitionskosten und Pflegesätze war das sog. Selbstkostendeckungsprinzip mit der Möglichkeit eines Gewinn- und Verlustausgleichs. Finanziert werden sollten jedoch nicht sämtliche Kosten, sondern nur die notwendigen und wirtschaftlichen Selbstkosten, diese aber wiederum vollständig. Das Selbstkostendeckungsprinzip leitete daher eine erhebliche Kostensteigerung im Krankenhauswesen ein. Diese Entwicklung führte im Jahr 1985 zu einer Budgetierung der Krankenhäuser durch die Neufassung des KHG und der BPflV. Implementiert wurden flexible individuelle Krankenhausbudgets, verbunden mit Ausgleichsverpflichtungen für Über- und Unterschreitungen. Ein weiterer Anstieg der Ausgaben führte zur endgültigen Aufgabe des Selbstkostendeckungsprinzips im Jahr 1992. Daraufhin folgte in den Jahren 1993 bis 1995 die Steigerung der Klinikbudgets grundsätzlich nur noch entsprechend der Grundlohnsummenentwicklung in Deutschland. So wurde das Budget der Krankenhäuser entsprechend nach oben begrenzt.8

Einen Paradigmenwechsel leitete dann im Jahr 2002 das Fallpauschalengesetz ein, mit dem der Gesetzgeber diagnosebezogene Fallpauschalen, sog. Diagnosis Related Groups (DRG), eingeführt und das bisherige System aus Pflegesätzen abgeschafft hat. Ziel der Einführung von Fallpauschalen war die leistungsorientierte Vergütung stationärer Krankenhausleistungen. Dies sollte die Qualität, Transparenz und Wirtschaftlichkeit der stationären Versorgung verbessern, gleichzeitig die Kosten im stationären Bereich senken und stabile Beiträge für die gesetzlich Krankenversicherten erreichen.9 Die Grundsätze des DRG-Systems wurden im neu gefassten KHG geregelt. Hier wurde bestimmt, dass für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen ist. Das daraufhin implementierte diagnosebezogene Fallgruppensystem orientierte sich bei seiner Einführung an einem australischen Vorgängermodell.10

Im DRG-System werden Patienten anhand medizinischer und demographischer Daten in Fallgruppen klassifiziert. Hierzu ist eine umfassende Dokumentation des Krankenhauses über behandelte Diagnosen und durchgeführte Prozeduren und Operationen erforderlich.11 Innerhalb der jeweiligen Fallgruppen soll der mit der Behandlung verbundene ökonomische Aufwand vergleichbar sein. Jeder Fallgruppe wird eine Bewertungsrelation zugeordnet, in der sich die unterschiedlichen Behandlungskosten der jeweiligen Gruppe widerspiegeln. Diese Bewertungsrelation bezieht sich auf einen Referenzfall mit einem Relativgewicht von eins. Im Verhältnis hierzu werden alle anderen Fallgruppen bewertet. Dann wird der Bewertungsrelation ein landesweit gültiger Kostenwert, der sog. Basisfallwert (BFW), zugeordnet. Die Vergütungshöhe ergibt sich durch Multiplikation der Bewertungsrelation der jeweiligen Fallgruppe mit dem landesweiten Basisfallwert. Sie ist damit für jede Fallgruppe in jedem Bundesland identisch.12 Dies bedeutet auch, dass – im Gegensatz zum Selbstkostendeckungsprinzip – die individuellen Kosten eines Krankenhauses im Rahmen der Behandlung des Patienten für die Höhe der Vergütung keine Rolle mehr spielen. Es ist also nicht gewährleistet, dass die Fallpauschalen, die das Krankenhaus als Vergütung erhält, immer kostendeckend sind. Vielmehr weichen aufgrund der DRG-Systematik die individuellen Behandlungskosten eines Krankenhauses regelmäßig von den DRG-Erlösen ab.13 Neben der Fallpauschale gibt es eine Regelung für Kurz- und Langlieger. Für jede Fallgruppe sind im DRG-Katalog eine Unter- und Obergrenze definiert, die sog. untere bzw. obere Grenzverweildauer, bei deren Unter- oder Überschreitung die Pauschale gekürzt bzw. durch nicht kostendeckende Zuschläge erhöht wird. Das Relativgewicht jeder DRG ist auf ihre durchschnittliche mittlere Katalog-Verweildauer kalkuliert.14

Die Einführung des DRG-Systems in den Krankenhäusern erfolgte in zwei Phasen. In der Einführungsphase (2003 bis 2004) war die Nutzung des Systems budgetneutral. Dies bedeutet, dass entsprechend den bisherigen Vorschriften der BPflV ein individuelles Krankenhausbudget vereinbart wurde. Aufgrund dieses Budgets wurde ein Basisfallwert für jede Einrichtung ermittelt, so dass es in diesen beiden Jahren (noch) krankenhausindividuelle Preise für die jeweiligen Fallgruppen gab. In der sog. Konvergenzphase (2005 bis 2010) erfolgte eine Angleichung der bisherigen krankenhausindividuellen Preise an den landesweiten Durchschnitt. Ziel war es, für alle Krankenhäuser eines Bundeslandes eine einheitliche Fallpauschale einzuführen. Für Krankenhäuser, deren Ausgangswert unter dem Zielwert lag, wurde das bereinigte Ausgangsbudget stufenweise in jährlichen Schritten angehoben. Für Krankenhäuser, deren Ausgangswert den Zielwert überschritt, wurde das Budget – allerdings mit einer Obergrenze – schrittweise abgesenkt.15 Die Kalkulation der DRG-Fallpauschalen erfolgt seit der Einführung jährlich durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). An dieser Kalkulation können Krankenhäuser freiwillig gegen Kostenerstattung teilnehmen. Von 1.704 Krankenhäusern haben 253 diese Möglichkeit für den Fallpauschalenkatalog des Jahres 2010 genutzt.16 So hat das InEK das DRG-System seit Einführung grundlegend überarbeitet und weiterentwickelt. Der erste DRG-Katalog für das Jahr 2003 umfasste noch lediglich 664 Fallgruppen17, seit 2010 aber bereits ca. 1.200 unterschiedliche Pauschalen.18

Durch die Einführung des DRG-Systems musste ein Umdenken in den Krankenhäusern erfolgen. Gab es unter tagesgleichen Pflegesätzen und dem Prinzip der Selbstkostendeckung noch einen ökonomischen Anreiz zu guter Bettenauslastung und hoher Verweildauer, besteht in einem fallpauschalierenden Vergütungssystem ein immanenter Druck, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung zu erhöhen.19 Dies verdeutlicht ► Abb. 1. Die strich-gepunktete Linie entspricht dem Verlauf der Erlöse aus tagesgleichen Pflegesätzen in Abhängigkeit zu der Verweildauer. Die durchgezogene Linie zeigt den DRG-Erlös, der zwischen der oberen und unteren Grenzverweildauer gleich bleibt. Mit der gepunkteten Linie sind die von der Verweildauer abhängigen Behandlungskosten dargestellt, vereinfacht linear. Zu erkennen ist, dass der bisherige Pflegesatz eine bestimmte Mindestverweildauer des Patienten im Krankenhaus vorgegeben hat, um kostendeckend wirtschaften zu können.

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Abb. 1: Verweildauer eines Patienten20

Die Gewinnschwelle liegt beim Schnittpunkt zwischen Pflegesatz und Behandlungskosten auf der rechten Senkrechten. Bei jeder Verweildauer rechts davon sind alle Kosten gedeckt. Mit der Einführung der Fallpauschale wird über den festen Satz, der für die jeweilige Erkrankung erstattet wird, eine wirtschaftliche Aufenthaltsdauer des Patienten vorgegeben. Diese Fallpauschale muss nun alle anfallenden Kosten decken. Die Gewinnschwelle verschiebt sich unter DRG-Bedingungen nach links zum Schnittpunkt der Linien DRG-Erlös und Behandlungskosten auf der linken Senkrechten. Jede Verweildauer rechts davon verursacht nicht gedeckte zusätzliche Kosten, die selbst durch die Zuschläge nach Überschreiten der oberen Grenzverweildauer nicht kompensiert werden.21

Neben der Verweildauerreduktion beschreibt die Literatur weitere Anreize für die Krankenhäuser, auf die pauschalierende Vergütung im DRG-System zu reagieren. Hierzu zählen die Fokussierung auf profitable Fallpauschalen, die Risikoselektion von Patienten, die Reduktion der Leistungsintensität innerhalb einer Fallpauschale sowie die Erhöhung der Leistungseffizienz.22 Unter DRG-Bedingungen verstärkt sich zudem der Anreiz, Behandlungen stärker zu fragmentieren und Fallzahlsteigerungen zu generieren. Um mehrere Fälle abrechnen zu können, werden statt einem längeren mehrere kurze Krankenhausaufenthalte durchgeführt. Da unter DRG-Bedingungen immer nur eine Hauptdiagnose pro Fallgruppe angerechnet werden kann, hat sich die Wirtschaftlichkeit bei der Behandlung mehrerer Erkrankungen eines Patienten während eines stationären Aufenthaltes deutlich verringert. Darüber hinaus kann die Einteilung in Haupt- und Nebendiagnosen dazu führen, dass Nebenerkrankungen weniger ernst genommen werden.23

Dem Anreiz zu einem Fallsplitting, das heißt der Aufteilung einer medizinischen Behandlung auf mehrere Aufenthalte zur Generierung mehrerer DRG-Fälle, wird durch rechtlich verbindliche Regeln entgegengewirkt. So müssen zwei Aufenthalte eines Patienten, die zeitlich nahe beieinander liegen, unter definierten Umständen abrechnungsrechtlich zu einem Fall zusammengefasst werden. Unterschieden werden drei Wiederaufnahmeregelungen, die zum einen auf eine Ähnlichkeit der beiden zur Abrechnung übermittelten DRG abzielen und sich zum anderen auf vom Krankenhaus zu verantwortende Komplikationen des ersten Klinikaufenthaltes beziehen. Daneben kann eine Fallzusammenführung entstehen, wenn Patienten zu früh entlassen und zeitnah wieder in das Krankenhaus aufgenommen werden. Je nach Regel umfassen die Zeiträume, in denen eine Fallzusammenführung vorzunehmen ist, 30 Tage zwischen Aufnahmedatum des ersten und Aufnahmedatum des zweiten Aufenthalts. Sie erfolgt auch bei einer Wiederaufnahme innerhalb der oberen Grenzverweildauer des ersten Aufenthalts.24

1.1.3 Grundlagen stationärer Behandlung

Die Grundlagen der stationären Krankenhausbehandlung sind im Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt. Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung haben unter zwei gesetzlich definierten Bedingungen einen Anspruch auf eine vollstationäre Krankenhausbehandlung. Zum einen muss die Klinik zugelassen, zum anderen muss die stationäre Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sein. Erforderlich meint in diesem Zusammenhang, dass das Behandlungsziel nicht durch teil-, vor- und nachstationäre, ambulante Behandlung oder häusliche Krankenpflege erreicht werden kann.25 Der Gesetzgeber hat damit dem Krankenhaus – und nicht etwa den Kostenträgern – die letzte Entscheidungskompetenz darüber gegeben, ob eine vollstationäre Krankenhausbehandlung für einen Patienten erforderlich ist. Die Leistungen von Kliniken unterliegen hierbei einem strengen Wirtschaftlichkeitsgebot. Sie müssen zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Ein Anspruch von Versicherten auf nicht notwendige oder unwirtschaftliche Leistungen besteht nicht.26

In Verbindung mit einer vollstationären Behandlung fallen häufig vor- und nachstationäre Aufenthalte an. Hierunter ist die Behandlung im Krankenhaus ohne Unterkunft und Verpflegung zu verstehen. Vorstationäre Kontakte sind vor allem dann die geeignete Behandlungsmethode, wenn es gilt, die Notwendigkeit einer vollstationären Versorgung abzuklären oder eine solche vorzubereiten. Die vorstationäre Krankenhausbehandlung ist auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor dem Beginn des eigentlichen, vollstationären Aufenthalts begrenzt.27 Eine eigene Pauschale für eine vorstationäre Behandlung wird nur bezahlt, wenn keine vollstationäre Versorgung mit Abrechnung über eine Fallpauschale erfolgt. Pauschalen für nachstationäre Behandlungen, die häufig bei Verbandswechseln und Nachkontrollen durchgeführt werden, kommen zur Abrechnung, sofern der voran gegangene vollstationäre Aufenthalt nicht über eine Fallpauschale abgerechnet wird oder die obere Grenzverweildauer der Fallpauschale überschritten ist.28

Bezüglich der Dringlichkeit der Aufnahme hat sich bereits vor einigen Jahren im angloamerikanischen Raum eine Patienteneinteilung etabliert. Diese Einstufung, die keine Auswirkung auf die Höhe der DRG-Abrechnung hat, hält zunehmend auch in deutsche Krankenhäuser Einzug. Grundsätzlich lassen sich drei Dringlichkeitsstufen unterscheiden: Notfall, dringend und elektiv.29 Bei einem Notfall handelt es sich um einen Patienten, der sofort ärztlich aufgenommen und einer weiteren Behandlung zugeführt werden muss. »Notfallpatienten sind Verletzte oder Kranke, die sich in Lebensgefahr befinden oder bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht unverzüglich die erforderliche medizinische Versorgung erhalten.«30 Im Jahr 2008 waren ca. 37 % aller Einweisungen ins Krankenhaus Notfälle. Unter den Krankheiten des Kreislaufsystems sind hierbei Herzinsuffizienz und Hirninfarkt die häufigsten Diagnosen, bei den Verletzungen wird das Schädel-/Hirntrauma am meisten diagnostiziert.31 Nicht alle Patienten, die sich als Notfall in der Notaufnahme vorstellen, müssen tatsächlich stationär aufgenommen werden. Von einer sofortigen stationären Aufnahme ist lediglich etwa ein Drittel betroffen, der Rest wird ambulant untersucht und versorgt.32

Als dringende Patienten werden solche klassifiziert, die zwar nicht sofort, aber innerhalb der nächsten 24 Stunden stationäre medizinische Versorgung benötigen da sonst schwere und bleibende gesundheitliche Schäden zu befürchten sind.33 Andere Definitionen dehnen den Zeitraum, bis zu dem eine stationäre Aufnahme durchgeführt werden muss, auf bis zu 72 Stunden aus.34

Bei einem Elektivpatienten findet sich nur eine bedingte zeitliche Dringlichkeit. Zwischen der Feststellung einer stationären Behandlungsnotwendigkeit und der konkreten Leistungserbringung steht dem Patienten und auch dem Krankenhaus daher ausreichend Zeit zur Verfügung, Informationen einzuholen bzw. die Krankenhausbehandlung und eine eventuelle Operation (OP) zu planen.35 Eine einheitliche Definition über den Zeitraum zwischen Feststellen der Behandlungsnotwendigkeit und Patientenaufnahme existiert nicht. Zum Teil kann der Zeitraum – in Abhängigkeit vom Beschwerdebild des Patienten – bis zu einem halben Jahr oder länger betragen. Zur Definition des Elektivpatienten greifen manche Autoren auf die Art des Zugangswegs in das Krankenhaus zurück. Bei einem Patienten, der selbstständig und nicht mit dem Rettungswagen das Krankenhaus aufsucht, handelt es sich i. d. R. um eine Elektivleistung.36 Beispiel für solche elektiven Fälle sind Patienten zum Hüftgelenksersatz.

1.2 Fallmanagement im Krankenhaus

Beim Fallmanagement im Krankenhaus handelt es sich um eine relativ junge Disziplin, aus welchem Grund in der Literatur noch keine einheitliche Definition zu finden ist. Vor der Formulierung einer eigenen Definition sollte daher zunächst versucht werden, die Handlungsfelder eines »Fallmanagements im Krankenhaus« darzustellen.

Aus den in vorangegangenen Abschnitten geschilderten Rahmen- und Abrechnungsbedingungen deutscher Krankenhäuser ergeben sich zahlreiche Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Dreh- und Angelpunkt stellt herbei aus mehreren Gründen die stationäre Verweildauer der Patienten dar:

Bereits vor Einführung der DRG-Fallpauschalen hat die Verweildauer eine rückläufige Tendenz, die sich durch das Fallpauschalensystem noch einmal deutlich verstärkt hat. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten in deutschen Krankenhäusern hat sich seit 1991 von rund 14 Tagen auf 7,9 Tage im Jahr 2010 verringert, die Anzahl der Krankenhausfälle hat sich im selben Zeit hingegen von 1.822 Fälle je 10.000 Einwohner auf 2.205 Fälle je 10.000 Einwohner erhöht.38

Darüber hinaus zeigt sich eine weitere Tendenz zur Behandlungsverdichtung, was nachfolgende Zahlen untermauern. Insgesamt wurden im Jahr 2008 bei den rund 17 Millionen vollstationär in Krankenhäusern versorgten Patientinnen und Patienten 41,8 Millionen Operationen und medizinische Prozeduren durchgeführt. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Zunahme um 5,2 %. Gegenüber 2005, dem »Jahr 2« nach DRG-Einführung entspricht dies sogar einem Anstieg um 15 %. Dieser Anstieg betrifft alle Prozeduren-Kategorien, was ► Abb. 239 verdeutlicht.

Es werden also mehr Leistungen bei immer kürzerer Verweildauer erbracht. Dies erhöht die Anforderungen an zentrale Bereiche und definiert unterschiedliche Notwendigkeiten:

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Abb. 2: Entwicklung Prozedurenkodierung im DRG-System

Die Art und Weise, mit den genannten Herausforderungen umzugehen, ist in den Krankenhäusern ebenfalls unterschiedlich, so dass sich über die Jahre entsprechende Strukturen und Berufsgruppen etabliert bzw. ausgeweitet haben:

Die Tätigkeiten werden zum Teil von Mitarbeitern bestehender Berufsgruppen (Verwaltung, Pflegedienst, Ärzte), zum Teil von eigenen, neuen Berufgruppen (z. B. »Case Managern«) und zum Teil auch von externen Kooperationspartnern durchgeführt.

Da das Bild der Problemlösung innerhalb der Krankenhauslandschaft sehr heterogen ausgebildet ist, muss eine Definition des Begriffs »Fallmanagement« einem besonderen Ansatz folgen und die Zielperspektive in den Vordergrund setzen. Subsumierend lässt sich daher folgende Definition ableiten:

Fallmanagement im Krankenhaus verbessert – insbesondere durch eine schnittstellenoptimierte und patientenbezogene Prozessorientierung (Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassungsmanagement) sowie durch den Einsatz unterschiedlicher Berufgruppen und Strukturen – die Organisation und Koordination der Patientenbehandlung mit den Ziel, die Verweildauer und die Kosten eines Krankenhausaufenthaltes zu reduzieren, die Patienten-, Angehörigen- und Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern und damit insgesamt die Wirtschaftlichkeit der Klinik bei positiver Außenwirkung nachhaltig zu erhöhen.

1.3 Prozessorientierung im Krankenhaus

Der Begriff Prozess hat seinen lateinischen Ursprung im Wort processus und kann mit Fortgang oder Verlauf übersetzt werden.40 In differierenden Erklärungskontexten und abhängig von der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin ist die betriebswirtschaftliche Definition eines Prozesses sehr unterschiedlich.41 Für die praktische Nutzbarmachung können statt einer Definition auch bestimmte Prozesscharakteristika als konstitutive Merkmale herangezogen werden, bspw. systematisierter und strukturierter Ablauf, messbare Wertschöpfung oder in Wechselbeziehung stehende Mittel und Tätigkeiten.42

Wesentliche Elemente der Prozessdefinition sind zum einen der Bezug auf die Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen, zum anderen der Gesichtspunkt der Wertschöpfung. Ein Geschäftsprozess umfasst eine Gruppe von verwandten Aufgaben, die zusammen für den Kunden ein Ergebnis von Wert ergeben sollen.43 Im Klinikbereich stehen Prozesse für »Abfolgen von Aktivitäten des Krankenhausleistungsgeschehens, die dadurch in einem logischen inneren Zusammenhang stehen, dass sie im Ergebnis zu einer Leistung führen, die vom Patienten nachgefragt wird.«44 »Ein Prozess ist die strukturierte Folge von Verrichtungen. Diese Verrichtungen stehen in ziel- und sinnorientierter Beziehung zueinander und sind nur zur Aufgabenerfüllung angelegt mit definierten Ein- und Ausgangsgrößen und monetärem oder nicht monetärem Mehrwert und Beachtung zeitlicher Gegebenheiten.«45 Bezogen auf die betriebswirtschaftliche Betrachtung werden Prozesse in Form von Abläufen dargestellt, die beschreiben, wie und durch welche Arten von Tätigkeiten die jeweilige Aufgabe erfüllt wird. Die Aufgabenerfüllung kann materieller oder immaterieller Art sein. Erstere erstellt ein Produkt, letztere erbringt eine Dienstleistung. Ausgangspunkt des Prozesses bildet die Kundenanforderung bzw. der Zeitpunkt, an dem Menschen oder Sachmittel erstmalig aktiv werden. Das Prozessende wird durch das Endprodukt oder das Ergebnis der Dienstleistung zu einem definierten Zeitpunkt bestimmt.46

Die prozessorientierte Organisation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ablauf von Prozessen den zentralen Schwerpunkt der Organisationsgestaltung bildet. Die Prozessorganisation wird als ein Zusammenspiel von Teilprozessen entlang der Wertschöpfungskette gesehen.47 Die organisatorische Analyse geht von Handlungsvorgängen aus, die Organisation ist eine integrative Struktur in sich abgeschlossener Prozesssegmente.48 Die Organisationsstrukturen im Krankenhaus weisen oft eine starke Fragmentierung auf und sind traditionell funktional orientiert.49 Häufig finden sich unkoordinierte Abläufe sowie eine hohe Anzahl von Schnittstellen im Patientenbehandlungsprozess.50 Eine Übertragung der Prozessorientierung auf die Krankenhauslandschaft findet erst seit wenigen Jahren statt und wurde insofern auch noch nicht in bestehende Managementsysteme eingebettet.51

Übersetzt auf das Krankenhaus stellt der Zeitraum von der Aufnahme bis zur Entlassung eines Patienten einen Gesamtprozess dar, der sich in mehrere Teilprozesse zerlegen lässt. Ein besonderes Charakteristikum des Krankenhauses ist hierbei, dass an den meisten Prozessen unterschiedliche Personen sowohl innerhalb einer medizinischen Fachabteilung, z. B. Ärzte, Krankenpflegekräfte, als auch bereichsübergreifend, z. B. Normalstation, Operationsbereich, Intensivstation, beteiligt sind.52535455