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Inhaltsübersicht
1 Die Besteuerung von Kapitaleinkünften
1.1 Besteuerung zum persönlichen Steuersatz
1.2 Abzug von Abgeltungsteuer
2 Das System der Abgeltungsteuer
2.1 Steuerabzug an der Quelle
2.2 Kein Steuerabzug an der Quelle
2.3 Der Sparer-Pauschbetrag
2.4 Der Freistellungsauftrag
2.4.1 So funktioniert er
2.4.2 Freistellung gemeinsamer Konten
2.5 Die Nichtveranlagungs-Bescheinigung
2.6 Werbungskosten grundsätzlich nicht mehr abziehbar
2.7 Berechnung der Abgeltungsteuer
2.8 Die Berücksichtigung von Kirchensteuer
2.9 Verlustverrechnung
2.9.1 Verlustverrechnung während des Jahres
2.9.2 Verlustverrechnung zwischen verschiedenen Banken
2.9.3 Spekulationsverluste
2.9.4 Bestimmte Verluste sind nur noch beschränkt verrechenbar
2.9.5 Verluste aus anderen Einkunftsarten
2.10 Kein Altersentlastungsbetrag bei der Abgeltungsteuer
2.11 Schenkung und Erbschaft von Depotwerten
2.11.1 Schenkung
2.11.2 Erbschaft
2.12 Ausländische Quellensteuer
2.12.1 Anrechenbare Quellensteuer
2.12.2 Fiktive Quellensteuer
2.13 Kontenabruf
2.14 Auslandskonten
3 Kapitalerträge in der Steuererklärung
3.1 Wann die Anlage KAP Pflicht ist
3.1.1 Es wurde keine Abgeltungsteuer auf die Kapitaleinkünfte erhoben
3.1.2 Die Kapitalerträge werden individuell versteuert
3.1.3 Sie beantragen Sozialleistungen
3.1.4 Eine steuerbegünstigte Lebensversicherung wurde ausbezahlt
3.1.5 Kirchensteuerkorrekturen
3.2 Freiwillige Abgabe der Anlage KAP
3.2.1 Geringer persönlicher Steuersatz
3.2.2 Freistellungsaufträge sind ungünstig verteilt
3.2.3 Depotübertragung
3.2.4 Sie möchten Verluste verrechnen
3.2.5 Altersentlastungsbetrag durch Anlage KAP nutzen
3.2.6 Haushaltsnahe Dienstleistungen
3.3 Anlage KAP: Ausfüllhilfe
3.4 Anlage KAP-INV: Ausfüllhilfe
3.5 Anlage KAP-BET: Ausfüllhilfe
3.6 Anlage AUS: Ausfüllhilfe
4 Das ABC der Kapitalanlagen
4.1 Aktien
4.1.1 Ermittlung des Kapitalertrags
4.1.2 Berücksichtigung von Kaufspesen und Verwaltergebühren
4.1.3 Die Berechnung des Veräußerungserlöses
4.1.4 Sonderfälle
4.1.5 Sonstige Bezüge aus Aktien (z.B. Hapimag-Wohnrechte)
4.2 Anleihen
4.2.1 Stückzinsen
4.2.2 Zerobonds
4.3 Bausparverträge
4.4 Entschädigungen/Schadensersatz
4.5 Investmentfonds
4.6 Lebensversicherungen
4.7 Optionsscheine
4.8 Privatdarlehen
4.9 Rentenversicherungen
4.10 Stille Beteiligungen
4.11 Vermögenswirksame Leistungen
4.12 Zertifikate
4.12.1 Discount- und Bonus-Zertifikate
4.12.2 Gold-Fonds
4.12.3 Gold-Zertifikate
4.12.4 ADR/GDR/IDR
Abgeltungsteuer: So versteuern Sie Ihre Kapitalanlagen
1 Die Besteuerung von Kapitaleinkünften
Grundsätzlich werden Kapitaleinkünfte mit einem pauschalen Steuersatz von 25 % abgeltend besteuert. Die Steuer soll bereits bei Auszahlung der Erträge abgeführt werden. Das System ist einfach und nachvollziehbar, wären da nicht zahlreiche Ausnahmefälle, in denen eine pauschale Besteuerung nicht durchführbar oder aus anderen Gründen nicht möglich ist.
Denn: Nicht alle Einkünfte aus Kapitalvermögen werden einfach pauschal mit 25 % besteuert. Es gibt verschiedene Konstellationen, in denen eine Versteuerung zum persönlichen Steuersatz infrage kommt und für den Steuerpflichtigen die bessere Wahl ist.
In den nächsten Abschnitten erfahren Sie, welche Einkünfte auch weiterhin zum persönlichen Steuersatz versteuert werden und welche Einkünfte mit der pauschalen Abgeltungsteuer belegt werden. Dabei wird unterschieden in:
Kapitalerträge, die mit der Abgeltungsteuer abschließend und korrekt besteuert sind. Erzielen Sie nur solche Erträge, müssen Sie nur dann eine Anlage KAP mit der Steuererklärung abgeben, wenn Kirchensteuerkorrekturen notwendig sind oder Sie eine Günstigerprüfung beantragen möchten.
Kapitalerträge, bei denen die Abgeltungsteuer auf eine fiktive Bemessungsgrundlage erhoben wird. Hier müssen Sie die korrekte Besteuerung durch die Angaben in der Steuererklärung herstellen.
Kapitalerträge, bei denen keine Abgeltungsteuer erhoben werden kann. Auch diese müssen in der Steuererklärung einer Besteuerung unterworfen werden.
Kapitalerträge, die nicht der Abgeltungsteuer unterliegen. Erzielen Sie solche Kapitaleinnahmen, müssen Sie in der Steuererklärung eine Versteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuertarif durchführen lassen.
Ausländische Erträge. Hier muss über eine Anlage AUS die Besteuerung nach deutschem Steuerrecht herbeigeführt werden.
1.1 Besteuerung zum persönlichen Steuersatz
Bestimmte Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne unterliegen nicht der Abgeltungsteuer, sondern werden wie bisher in der Einkommensteuerveranlagung gemäß dem Grund- oder Splittingtarif versteuert. Trotzdem kann es sein, dass bei Zufluss der Erträge Abgeltungsteuer von 25 % einbehalten wurde. In diesem Fall gilt der Steuerabzug wie bisher nur als Steuervorauszahlung.
Die Anrechnung auf die tarifliche Einkommensteuer erfolgt im Einkommensteuerbescheid, wenn Sie den Steuerabzug in der Anlage KAP angeben und eine Steuerbescheinigung Ihrer Bank beilegen. Die Abgeltungsteuer wird darin als »Kapitalertragsteuer« bezeichnet. Mit dem persönlichen Steuersatz versteuert werden folgende Einkünfte:
Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, einer betrieblichen Altersvorsorge, aus Riester- oder Rürup-Rentenverträgen. Diese Renten zählen nicht zu den Kapitaleinkünften, sondern zu den sonstigen Einkünften (Anlage R). Eine Besteuerung erfolgt wie auch schon vor 2009 zum persönlichen Steuersatz.
Welcher Anteil der Rentenleistung der Besteuerung unterliegt, hängt von der Art der Rente ab und davon, wie die eingezahlten Beiträge besteuert wurden: So werden beispielsweise Rentenzahlungen aus einer privaten Leibrentenversicherung mit dem Ertragsanteil besteuert. Dagegen ist für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich der Besteuerungsanteil maßgebend;
Erträge aus Lebensversicherungen, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden und steuerbegünstigt sind. Damit eine Auszahlung steuerlich begünstigt ist, muss der Vertrag mindestens zwölf Jahre laufen und darf nicht vor dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden. Für Verträge, die nach dem 1.4.2009 abgeschlossen wurden, gelten weitere Bedingungen:
Bei laufender Beitragszahlung muss der Todesfallschutz mindestens 50 % der Beitragssumme über die gesamte Laufzeit betragen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 6 Bstb. a EStG).
Bei Einmaleinzahlung oder bei fondsgebundenen Lebensversicherungen muss der Todesfallschutz das Deckungskapital oder den Zeitwert der Versicherung spätestens fünf Jahre nach Vertragsabschluss um mindestens 10 % des Deckungskapitals, des Zeitwerts oder der Summe der gezahlten Beiträge übersteigen. Dieser Prozentsatz darf aber bis zum Ende der Vertragslaufzeit in jährlich gleichen Schritten sinken (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 6 Bstb. b EStG).
Bei Lebensversicherungsverträgen, die ab dem 1.1.2012 abgeschlossen werden, gilt folgende Verschärfung: Die Steuerbegünstigung gilt nur noch dann, wenn der Vertrag nicht vor dem 62. Lebensjahr ausgezahlt wird. Bisher ist – wie oben dargstellt – eine Auszahlung ab dem 60. Lebensjahr ohne steuerliche Nachteile möglich.
Verträge, die bis Ende 2011 abgeschlossen wurden, sind von dieser Änderung nicht betroffen. Hier reicht weiterhin eine Auszahlung nicht vor dem 60. Lebensjahr aus.
Zinsen aus Darlehen und Erträge aus stillen Beteiligungen zwischen nahestehenden Personen, wie z.B. Ehepartnern, Eltern und Kindern (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Bstb. a EStG). Die Zinsen werden nur dann der tariflichen Steuer unterworfen, wenn sie beim Darlehensnehmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten die Einkommensteuer verringern und die Beteiligten in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zueinander stehen.
Die Zinsen aus Darlehen, die zwischen Eltern und erwachsenen Kindern wie unter fremden Dritten abgeschlossen wurden, hat der BFH in mehreren Urteilen von der tariflichen Besteuerung freigestellt und der Abgeltungsteuer unterworfen (BFH-Urteil vom 29.4.2014, VIII R 9/13, BStBl. 2014 II S. 986; BFH-Urteil vom 29.4.2014, VIII R 35/13, BStBl. 2014 II S. 990; BFH-Urteil vom 29.4.2014, VIII R 44/13, BStBl. 2014 II S. 992).
Werden dagegen Darlehen von wirtschaftlich abhängigen Angehörigen aufgenommen, die zudem nicht dem Drittvergleich standhalten, unterliegen die Zinszahlungen auch nach Ansicht des BFH der tariflichen Einkommensteuer. Im entschiedenen Fall hatte die Ehefrau ohne eigenes Einkommen ein Darlehen bei ihrem Mann aufgenommen, um eine Mietimmobilie zu finanzieren. Eine Bankfinanzierung war aufgrund des fehlenden Einkommens nachweislich nicht möglich (BFH-Urteil vom 28.1.2015, VIII R 8/14, BFH/NV 2015 S. 585);
Erträge, die von einer AG oder GmbH an einen Anteilseigner gezahlt werden, der eine mindestens 10-prozentige Beteiligung hat (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Bstb. b EStG). Dies gilt auch, wenn die Zahlung an eine dem Anteilseigner nahestehende Person erfolgt;
Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne aus betrieblichen Festgeldkonten und Wertpapierdepots (§ 20 Abs. 8 EStG);
Erträge aus geschlossenen Fonds wie zum Beispiel geschlossene Immobilienfonds oder Schiffsfonds; dazu gehören auch Erträge aus der Rückabwicklung eines Fonds (BFH-Urteil vom 11.7.2017, IX R 27/16, BStBl. II 2018 S. 348).
Gewinne aus dem Verkauf einer Beteiligung von mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH), da diese Gewinne unabhängig von der Haltedauer der Beteiligung unter § 17 EStG fallen;
Zinsen aus Gesellschafterdarlehen, wenn der Gesellschafter (oder eine ihm nahestehende Person) zu mindestens 10 % an der das Darlehen erhaltenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Bstb. b EStG);
Zinsen auf Bausparguthaben, wenn der Bausparvertrag zur Ablösung eines Darlehens verwendet wird, mit dem eine vermietete Immobilie finanziert wurde. In diesem Fall gehören die Zinsen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
1.2 Abzug von Abgeltungsteuer
Mit Abgeltungsteuer belegt werden insbesondere die folgenden Erträge:
Zinsen aus Guthaben und Einlagen bei Banken und Sparkassen (Sparbuch, Festgeld, Tagesgeld, Termingeld usw.) sowie Bausparkassen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG);
Zinsen aus Wertpapieren wie Anleihen, Sparbriefe usw. (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) abzüglich gezahlter Stückzinsen (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG);
Erlöse aus der Veräußerung abgetrennter Zinskupons (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bstb. b EStG);
Zinsen aus Darlehensforderungen oder wiederkehrenden Geldleistungen, die mit einem Grundpfandrecht (Hypothek, Grundschuld, Rentenschuld) gesichert sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG);
ausgeschüttete Dividenden aus Aktien (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG);
Erlöse aus der Veräußerung von Dividendenscheinen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bstb. a EStG);
Ausschüttungen aus aktienähnlichen Genussrechten, GmbH-Anteilen und Genossenschaftsanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG);
Einnahmen aus typischen stillen Beteiligungen (stille Gesellschaft) und partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG), ferner Zahlungen über den Nominalwert bei Abtretung bzw. Beendigung der stillen Beteiligung oder bei Abtretung von Forderungen aus solchen Darlehen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG);
Gewinne aus dem Verkauf von Aktien, Bezugsrechten, aktienähnlichen Genussrechten und GmbH-Anteilen (sofern die Veräußerung nicht wegen einer mindestens 1-prozentigen Beteiligung am Stammkapital der GmbH unter § 17 EStG fällt) sowie Genossenschaftsanteilen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG);
Gewinne aus dem Verkauf, der Einlösung oder Rückgabe von Anleihen, Investmentfondsanteilen (einschließlich erhaltener Stückzinsen und Zwischengewinne), Finanzinnovationen und Zertifikaten (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG);
Gewinne aus Termingeschäften, z.B. Geschäfte mit Optionen, Contracts for Difference (CFDs) und Futures (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG);
bei Optionsgeschäften die Stillhalterprämie (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG);
Währungsgewinne bei Veräußerung von ausländischen Wertpapieren, da Kauf- und Verkaufskurse in Fremdwährung vor der Ermittlung des Gewinns zuerst in Euro umzurechnen sind (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG);
Gewinne aus der Übertragung von Grundpfandrechten, wie Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG);
von offenen Investmentfonds ausgeschüttete Zinsen, Dividenden, inländische Mieterträge;
die Erträge von Lebensversicherungen, die nicht begünstigt sind. Darunter fallen nicht nur die Auszahlungen der Versicherung bei Ablauf des Vertrages, sondern auch ein möglicher Verkaufserlös, falls der Vertrag vor dem Ablauf auf dem Zweitmarkt mit Gewinn verkauft wird.