Die Autorin
Ella Maillart (1903–1997) wuchs in Genf auf und war in vielerlei Hinsicht eine Wegbereiterin. Die hervorragende Sportlerin vertrat 1924 die Schweiz an den Olympischen Spielen in Paris im Einhandsegeln. Von 1930 bis ins hohe Alter unternahm sie zahlreiche Reisen, u.a. in die Sowjetunion, nach Afghanistan, China, Tibet, Indien und Nepal.
Sie schrieb, fotografierte und hielt Vorträge über ihre Expeditionen. Mit ihren Werken Verbotene Reise und Turkestan Solo erlangte sie internationale Anerkennung als Asienkennerin, Reiseschriftstellerin und Fotografin.
Titel der französischen Originalausgabe:
Oasis interdites. De Pékin au Cachemire
Die französische Originalausgabe erschien 1937, die deutsche Erstausgabe 1938.
E-Book-Ausgabe 2015
Copyright © der deutschen Übersetzung
2003 by Lenos Verlag, Basel
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich
Coverfoto: Musée de l’Elysée, Lausanne
www.lenos.ch
ISBN 978 3 85787 587 8
Vorwort von Nicolas Bouvier
Erster Teil
Peking
Inner-China
Sian-Fu
Im Lastauto
Erste Schwierigkeiten mit den Behörden
Es lebe die Freiheit!
Unrast in Sining
Kumbum
Chinesisch-Wildwest
Westwärts
Bei dem Fürsten von Dzun am Kuku Nor
Karawanenleben
Im Land der Tanguten
Einzug im Tsaidam
Die Häuser am Ende der Welt
Das Tamariskenlager
Eintönigkeit
Zweiter Teil
Das Unvorhergesehene
Bei Borodischin
Verlorene Fährte
Die Leute am Ende der Welt
Karawane in Not
Adam djok! Adam bar?
Berühmtheiten in Tschertschen
Quer durch die Wüste Takla Makan
Wohlleben in Kerija
Sinkiang
Khotan, Hauptstadt der Dunganei
Unterm Zeichen der pot’ai
In der Kaschgarei
Die Stadt unserer Träume
Im Pamir
Adieu China
Indien
Die letzten acht Tage
Anmerkungen
Von Nicolas Bouvier
Wie hätten wir uns jemals anmassen können, ein literarisches Werk zu schreiben; wir haben lediglich versucht, mit schlichten Worten von unseren langen und beschwerlichen Wanderungen in Innerasien zu berichten.
Pater R. E. Huc
Pater Huc, der ein Jahrhundert vor Ella Maillart, und oft die gleichen Pisten entlang, die besten Jahre seines Lebens den Zentralprovinzen Chinas gewidmet hat, stellt hier sein Licht unter den Scheffel: Er war viel zu klug, um nicht zu wissen, dass die Meisterwerke der Reiseliteratur genau so geschrieben werden. Verbotene Reise gehört für mich zu diesen Meisterwerken. Die packende Frische der Wahrnehmung, eine äusserst präzise Sprache, ja eine Reisephilosophie, die der Autorin erlaubt, ihr Abenteuer zu erleben, ohne es gezielt zu steuern, ersetzen die »Anmassung, ein literarisches Werk« schreiben zu wollen, und bestätigen meine Ansicht, dass es oft von grösserem Nutzen ist, die Bücher schreibender Reisender zu lesen als die reisender Schriftsteller. Die wahre »Kenntnis des Ostens« findet sich nicht immer dort, wo man sie zu finden glaubt, und wenn es darum geht, ein Stück weit durch Asien zu reisen, ziehe ich bei weitem die Gesellschaft Ella Maillarts der Paul Claudels vor.
Vor allem, wenn es um die Reise geht, die uns hier geboten wird!
Im Februar 1935 verlässt die Autorin Peking in Richtung Zentralchina, zusammen mit ihrem Reisegefährten Peter Fleming, Korrespondent der Times, mit dem sie kurz zuvor Mandschukuo bereist hat. Fleming ist ein ausgezeichneter Schütze und ein geistreicher Mann, er spricht etwas Chinesisch und beherrscht die schwierige Kunst, mit unerbittlichen Provinzbeamten umzugehen. Ella Maillart kennt das Karawanenleben, denn sie hat es bereits im sowjetischen Turkestan erprobt, sie spricht ziemlich gut Russisch und versteht es, auf einem Gesträuchfeuer was für ein Feder- oder Haarwild auch immer zuzubereiten. Beide sind starke Charaktere, gewohnt, sich allein durchzuschlagen, beide lehnen sich dann und wann gegen die Abhängigkeit voneinander auf, doch zu zweit lässt sich ihr gemeinsames Vorhaben eher erfolgreich verwirklichen.
Es handelt sich darum, China von Osten nach Westen zu durchqueren, bis zu den »verbotenen« Oasen Sinkiangs, seit tausend Jahren Wiege einer alten Kultur iranischen Ursprungs, und von da aus auf den Saumtierpässen des Pamir und des Karakorum nach Kaschmir auf der anderen Seite des nordwestlichen Himalaja zu gelangen. Verbotenerweise, denn in Chinesisch-Turkestan, dessen Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist, herrschen Unruhen. Drei oder vier Parteien bekämpfen sich, von der UdSSR, England und sogar von Japan unterstützt. Die chinesische Kuomintang wiederum bekämpft sowohl die einen als auch die anderen, doch etliche ihrer Generäle, die sich zu »Warlords« ernannt haben, operieren auf eigene Rechnung und erpressen ihre Bürger. Kurzlebige Republiken drucken ihre eigene Währung auf Maulbeerrinde. Die Lage ändert sich von Tag zu Tag, Falschmeldungen zirkulieren, und die Karawanenverbindungen sind wegen der herrschenden Unsicherheit unterbrochen. Die Croisière Jaune, die Citroën-Expedition, die zwei Jahre zuvor in dieses Wespennest geraten ist, war drei Monate in Urumtschi gefangen, der Hauptstadt der Provinz, heisst es in Peking, wo man sonst aber sehr schlecht informiert ist. Die Lage ist äusserst verworren, aber China will keine ausländischen Augenzeugen in diesen entlegenen westlichen Territorien, wo es nichts mehr zu befehlen hat. Sämtliche Reisenden aus dem Osten werden in Urumtschi zurückgehalten. Weiter kommt man nur mit List.
Die Autorin und ihr Reisegefährte ersuchen daher um eine Bewilligung für die Region des Kuku Nor in Zentralchina unter dem Vorwand, Trappen und Graugänse jagen zu wollen. Von dort aus tauchen sie unter und reisen in Richtung Westen, durchqueren die Steppen des Tsaidambeckens, den südlichen Ausläufer der Wüste Takla Makan und gelangen längs des Tarim nach Kaschgar. Auf dieser Route, die zwischen der nördlichen und südlichen Nebenpiste der alten Seidenstrasse hindurchführt und sie am Fusse des Pamir erreicht, umgehen sie die Militärkontrollen und die Befugnisbereiche der grossen Warlords. Die extreme Kargheit der Hochplateaus, die Härte des Klimas, die Schwierigkeit, Kamele zu finden, die Räuberbanden der Tanguten, die sich dort verstecken: diese Route ist so gefährlich und beschwerlich, dass die Regierung nicht auf den Gedanken gekommen ist, sie zu schliessen. Sieben Monate nachdem sie Peking verlassen haben, erreichen die zwei Reisenden Indien (damals noch britisch), treffen wieder auf die unterwegs von unten gesehenen Himalajagipfel, auf das Glas in der Hand, auf die Zinkbadewanne, auf rotgeäderte Majore und sehnen sich nach dem »grenzenlosen Unbekannten, dem sie den Rücken gekehrt« und das sie so lange und so intensiv erlebt haben.
Ob Historiker, Philologe, Mystiker oder Pferdedieb – die lange Durchquerung von der chinesischen Küste zum mogulischen Indien ist zweifellos die schönste Reise, die man auf diesem Planeten machen kann. Nehmt die Weltkarte, und findet Schöneres! Vom chinesischen Gewimmel geht man zu Einsamkeit und Stille über, von den Küstenebenen zu so hohen Gipfeln, dass man den Pferden Blut an den Nüstern ablassen muss, damit sie atmen können. Selbst in den Steppen des Tsaidambeckens, wo der Mensch seltener ist als die Antilope, ist dieses »grenzenlose Unbekannte« nie monoton. Selbst auf einer Piste, die ausgestorben zu sein scheint, sind vor langer, langer Zeit zu viele Menschen vorbeigezogen und zu viele Dinge geschehen, als dass der geübte Blick nicht eine Spur entdeckt oder eine dieser kaum wahrnehmbaren Veränderungen – für die Ella Maillart ein ganz besonderes Gespür hat –, die den Übergang vom Buddhismus zum monotheistischen Islam ankünden. Eines Abends sehen die Reisenden von einer hohen Düne aus im Westen ein paar mit Yakschwänzen geschmückte Stangen, die im Wind knattern. Es ist ein muslimisches Grab. »Wir stehen am Rande eines neuen Abschnittes von Asien, mit neuen Sitten und neuen Rassen. Die Leichen werden hier nicht mehr den Raubvögeln überlassen, das Mehl wird nicht in den Tee gemischt, sondern zum Backen verwendet, und die Gebete steigen zum unsichtbaren Allah auf, statt dass man sie vor tönernen Buddhas murmelt.« Monate später, beim nächtlichen Fest, das der Gouverneur von Kaschgar ausrichtet, findet man sich inmitten einer timuridischen Miniatur. Und wenn es wirklich nichts anderes mehr gibt als die Berge, die Gerippe zurückgelassener Tiere und den Sand, erlangt der Tag um Tag zurückgelegte Weg, die grosse Drift der Reise, seinen eigentlichen Sinn und sondert für denjenigen, der sich ihm überlässt, ein ganz besonderes Glücksgefühl ab.
Ich habe lange im wohltuenden Schatten dieser Lektüre verharrt. Ich glaube, das grösste Verdienst dieses wunderbaren Buches besteht darin, dass es überdies ein glückliches Buch ist. In das Exemplar, das sie mir geschenkt hat, hat die Autorin geschrieben: »Eine Reise, in der nichts passiert, doch dieses Nichts wird mich mein ganzes Leben lang erfüllen.« Auch uns erfüllt es.
Aus dem Französischen von Giò Waeckerlin Induni
Dem Andenken meines Vaters
Januar 1935: Peking, ein Tag mit starkem Westwind, der eine undurchsichtige gelbe Sandwand vor sich hertreibt. Ich bin unterwegs, um Nachrichten zu sammeln, die zuerst nicht besonders ermutigend lauten.
Im chinesischen Geologischen Institut kann der Pater Teilhard de Chardin, der mit der Citroën-Expedition im Jahre 1931 Asien durchquert hat, meine Befürchtungen nur bestätigen.
Szetschuan, verwüstet durch den Bürgerkrieg, ist unzugänglich und Chinesisch-Turkestan mehr »tabu« denn je. Es ist unmöglich, ein Einreisevisum zu bekommen, und würde ich mich auf der Route der Karawanen einschmuggeln, so würde ich unweigerlich zur Küste abgeschoben werden wie so viele andere.
Übrigens können die wenigen Europäer, die sich in Urumtschi, der Hauptstadt der Provinz, befinden, trotz aller Bemühungen ihrer Gesandtschaften nicht heraus; die dortige Regierung macht sich ein boshaftes Vergnügen daraus, die paar Deutschen oder Schweden, die wegen irgendwelcher Geschäfte dorthin gereist sind, hinter Schloss und Riegel zu halten. Die Citroën-Expedition selber konnte von Glück sagen, dass sie, dank prächtiger Geschenke an den Gouverneur Tschin Shu-jen, nur drei Monate dort festgehalten worden war.
Was Sir Aurel Stein, diesen Fürsten der Archäologie in Zentralasien, betrifft, so war er gezwungen worden, Turkestan im Jahre 1931 zu verlassen, und er durfte nicht dorthin zurückkehren. Sogar der berühmte Sven Hedin, der gewandte Schwede, hatte mit den Leitern der Provinz ein Hühnchen zu rupfen gehabt. Er war im Auftrag der chinesischen Regierung, die Autostrassen bauen wollte, hingefahren und hatte dank diesem Vorwand seine Forschungen in Zentralasien fortsetzen können. Schliesslich ist auch noch der Italiener Orlandini, der bereits ein Jahr in China verbracht hat, soeben über die Grenze Sinkiangs (chinesische Bezeichnung für Turkestan) gejagt worden; er hat mit dem Fahrrad – ein ideales Verkehrsmittel in Zentralasien – grosse Strecken zurückgelegt und erzählt eine kuriose Geschichte, wonach man ihn in der Inneren Mongolei, weil man ihn für einen Spion hielt, zu vergiften versuchte.
Ein junger Deutscher, ein Strassenbaumeister, ist ebenfalls kürzlich in Peking angekommen. Mit Gewaltmärschen und auf Umwegen, nach mehreren missglückten Versuchen, ist er aus Urumtschi entronnen, verweigert aber jede Auskunft, solange es seinen zwei Landsleuten nicht geglückt ist, aus diesem Gefängnis auszubrechen.
Und seit ziemlich langer Zeit ist man ohne Nachrichten von dem jungen Hanneken, der wahrscheinlich während seiner Expedition im Süden von Hami in Sinkiang getötet worden ist.
Warum umgab eine solche »chinesische Mauer« diese Provinz? Ich erfuhr, dass es sich wieder einmal um eine Prestigefrage handelte. Die Staatslenker von Nanking halten daran fest, dass Sinkiang (der Name bedeutet »neue Grenze«) ihrer Regierung untersteht, und legen keinen Wert darauf, dass jemand an Ort und Stelle die Nichtigkeit ihrer Macht am eigenen Leibe erfährt. Da sie andererseits die Verantwortung für die in jenen fernen Regionen jederzeit möglichen Entführungen oder Ermordungen scheuen, verbieten sie lieber den Ausländern ganz das Reisen in den inneren Provinzen. Und dem Gouverneur von Sinkiang seinerseits liegt auch nichts daran, sich in die Methoden hineinschauen zu lassen, nach denen er eine chinesische Provinz regiert, ohne sich um die Verordnungen der Hauptstadt zu kümmern … Es liegt nicht so sehr an den eigentlichen Reiseschwierigkeiten, sondern vielmehr an der Politik der Männer, dass diese Gebiete so unzugänglich sind.
Endergebnis: Niemand weiss, was seit vier Jahren in Sinkiang vorgeht, dieser riesigen Provinz, die an Tibet, an Indien, an Afghanistan, an die UdSSR grenzt und wo die Interessen dieser Länder in geheimem und ständigem Kampf miteinander liegen.
Immer mehr drängte sich mir der Wunsch nach einer Expedition in dieses Gebiet auf, und allmählich wurde mir auch klar, nach welchen Grundsätzen sie zu verwirklichen sei.
Man musste vor allem die bekannten Wege meiden, wo man ganz bestimmt abgewiesen werden würde. Man musste unversehens nach Sinkiang vorstossen, an einer Stelle, wo es noch keine Verordnungen für Ausländer gab, musste dann möglichst schnell Kaschgar im Norden des Pamir erreichen und sich dort unter den Schutz des englischen Konsuls stellen, damit man nicht, wie alle Ausländer, als Spion behandelt und verhaftet wurde.
Konnten die grossen, ausgedehnten Wüsten des Tsaidam im Norden Tibets mir nicht einen Zugang auf Umwegen bieten?
Da machte ich die Bekanntschaft eines jungen Geologen, der ebenfalls am Institut arbeitete. Im Auftrag Sven Hedins hatte Erik Norin das Tarimbecken und den Norden Tibets mehrere Jahre lang bereist.
Er war in den südlichen Oasen Sinkiangs gewesen, als fanatische Muslime sich erhoben, auf ihrem Zug den Heiligen Krieg und den Fremdenhass predigten und jedermann zwangen, sich zum Islam zu bekehren. Norin, der notgedrungen fliehen musste, natürlich unter Vermeidung der bekannten Wege, gelangte in 3000 Meter Höhe auf das riesige Tsaidamplateau. Einen Monat später erreichte er die Stadt Sining in der Nähe des Kuku Nor, eines grossen Salzsees ohne Abfluss, und damit auch die Strasse nach China. Im Tsaidam, erzählte er, findet man jeden Abend Wasserstellen. Für ein paar Franken kann man dort auch Kamele mieten. Seinen Führer bezahlt man mit etlichen Ellen Stoff oder mit Teeziegeln.
Reichlich gerechnet brauchte ich sechs Monate bis nach Kaschgar. Der Neuschnee versperrt die Himalajapässe erst im Oktober. Jetzt haben wir Januar. In einem Monat, sagte ich mir sofort, muss ich schon unterwegs sein, wenn ich nicht in der Kaschgarei überwintern will.
Ich hatte aber erst acht Stunden Chinesischunterricht genommen und musste befürchten, dass mir meine Unkenntnis der Sprache unterwegs hinderlich sein würde. Da erzählte Erik Norin mir von einem russischen Ehepaar, das um dieselbe Zeit wie er aus dem Tsaidam habe fliehen müssen. Die Smigunows, die gern zu den Mongolen, unter denen sie gelebt hatten, zurückkehren wollten, würden mir als Führer und als Dolmetscher für Chinesisch, Mongolisch, Tibetanisch und Turkestanisch dienen … Er wollte ihnen sofort schreiben, dass sie sich mit mir in Verbindung setzen sollten.
Das Schicksal, so schien es, hatte für alles vorgesorgt. Peking, und was mich bisher interessiert hatte, rückte nun mit einemmal in den Hintergrund meiner Gedanken. Die einstige Hauptstadt, diese unvergleichliche Stadt, mochte vor dem behutsam tastenden Vorrücken der Japaner zittern oder es herbeisehnen – meine Freunde mochten Wunderdinge der Kunst, Reliquien der grossen Dynastien der Vergangenheit entdecken, die Botschaften mochten nach Nanking umziehen –, das ging mich nichts mehr an: alles in mir war jetzt eingestellt auf Zentralasien.
Obwohl Peking durch eine dreimonatige Karawanenreise von Urumtschi getrennt ist, liefen hier doch bis vor kurzem noch alle Berichte über Turkestan ein. Jetzt aber ist alles verändert, die Strassen sind gesperrt, und ich bekomme nur noch unzuverlässige und widerspruchsvolle Nachrichten zu hören. Wer kämpft dort gegen wen? Wer ist Sieger? Wer schürt die Unruhen? Sind es die Chinesen oder die Sowjets, die ihr Protektorat über diese unermesslichen Gebiete, die China nicht zu regieren vermag, auszudehnen trachten? Sind es die fanatischen Turkis, vielleicht in Englands Sold, oder die Dunganen1, die sich unter der Führung des jungen und gefürchteten Ma Tschung-jing empört haben? Und wohin ist dieser verschwunden, nachdem er die Gegend verwüstet hat? Und soll man wirklich glauben, dass seine Leute von einem japanischen panislamitischen Geheimbund unterstützt werden? Auf alle diese Fragen – keine Antwort. Nur eins ist gewiss: Der Gouverneur, der die Citroën-Expedition empfangen hat, ist gestürzt und sitzt im Gefängnis … Und die Hauptstadt selbst wäre um ein Haar den Rebellen in die Hände gefallen.
An der kleinen Bar des Hôtel du Nord, wo ich über meine Pläne nachgrübelte, lernte ich einen Schweden namens Tannberg kennen, der ganz in Leder gekleidet war, eine Pelzmütze trug und Chinesisch und Deutsch sprach. Seine Kameraden und er verschlangen literweise Bier vor dem Aufbruch ins Innere, wo dieses Getränk nicht zu haben ist. Von Sian ab, der Endstation der Eisenbahn, gedachte Tannberg mit fünf Lastautos weiterzufahren. Stolz, ein moderner Jason, rühmte er sich, der einzige zu sein, dem es gelingen werde, nach voraussichtlich wochenlanger Suche zwar nicht das Goldene Vlies, aber dafür eine wertvolle Ladung von Därmen2 heimzubringen, die von einer amerikanischen Gesellschaft aufgekauft und dann durch den Krieg irgendwo aufgehalten worden waren.
Tannberg sprach von den Oasen Kansus, als ob sie innerhalb der Bannmeile Pekings lägen.
»Schade, dass ich grundsätzlich nie Frauen mitnehme«, sagte er beim Abschied. »Aber Sie werden andere Wagen finden, die Sie bis Lantschau bringen werden. Und wenn Sie keine grauen Haare bekommen wollen, fahren Sie von Sian ab mit Popzoff und weisen chinesische Chauffeure ab … Ah, und vor allem darf Nanking nichts von Ihrem Vorhaben wissen, sonst wirft man Ihnen Knüppel in den Weg.«
Mein Plan klärte sich also. Ich würde mich nach Sian begeben, wie Tannberg, und dann in den Tsaidam. Dort würde ich, mit Hilfe der Smigunows, eine Möglichkeit ausfindig machen, nach Kaschgar zu gelangen.
Ich teilte das, was ich erfahren hatte, Peter Fleming mit, einem jungen Schriftsteller, den die Times sich für ein Bombenhonorar gesichert hatte, um die Zustände in Mandschukuo zu erkunden. Fleming war ein grosser Reisender; er hatte schon Brasilien unter den ungewöhnlichsten Umständen durchquert und vor zwei Jahren Südchina auf den Spuren der Kommunisten durchpirscht.
Er hatte ursprünglich von Peking durch die Mongolei und über Urumtschi nach Europa zurückkehren wollen, zum Teil angeregt durch das vortreffliche Buch von Owen Lattimore, dem letzten Ausländer, dem es im Jahre 1927 geglückt war, von China bis nach Indien zu gelangen. Nach einem Besuch in Shanghai und Tokio in Peking angekommen, hatte Fleming jedoch bald eingesehen, dass sein Reiseplan unausführbar war. Als er mich jetzt vom Tsaidam und von den Smigunows reden hörte, sagte er kaltblütig: »Ja, auf diesem Weg reise ich nach Europa zurück. Wenn Sie wollen, können Sie ja mitkommen …«
»Entschuldigen Sie«, antwortete ich, »das ist meine Route, und ich werde Sie mitnehmen, wenn ich das für vorteilhaft halte.«
Die Streitfrage ist bis heute noch nicht entschieden.
Vor sechs Monaten, als ich in London Informationen über China einzog, hatte ich Peter Fleming kennengelernt. Er hatte mir geraten, mich mit ein paar hundert Visitenkarten und Briefpapier mit pompösem Vordruck zu versehen, was sehr nützlich sei, wenn man an die Behörden eines kleinen Dorfes schreiben müsse.
Dann hatten wir uns in Charbin wieder getroffen. Fleming, von Wladiwostok kommend, war dort in äusserst schlechter Laune gelandet, weil es ihm nicht gelungen war, den sibirischen Tiger, den ihm der »Intourist« versprochen hatte, zu erlegen. Man hatte ihn sechs Tage lang in Dörfern umhergeführt, wo niemand ihm zu diesem Zeitvertreib verhelfen konnte.
In Mandschukuo, wo wir beide unserem Berichterstattergewerbe nachgingen, hatten die gleichen Fragen unser Interesse erregt, und da die Japaner uns die gleichen Einführungsschreiben mitgegeben hatten, hatten wir uns zusammengetan, um unter anderm zu erkunden, was eigentlich mit den Mongolen von Barga geschehen war. Ich hatte dabei Peters glänzende Intelligenz schätzen gelernt, seine Fähigkeit, alles zu essen und überall zu schlafen, sowie die Sicherheit, mit der er den Kern einer Situation, das Wesentliche einer Debatte erfasste. Noch mehr hatte ich seinen Abscheu gegen jegliche Entstellung der Tatsachen und die angeborene Sachlichkeit, mit der er sie darstellte, bewundern gelernt. Ich wusste auch, dass Fleming weder unter meinem Falschsingen noch unter meiner primitiven Kochkunst leiden würde. Ich wusste schliesslich, dass ich nicht unverträglich sein würde hinsichtlich der drei einzigen Fragen, die ihn aus der Ruhe bringen konnten: seine Pfeife, die Jagd und seine Ansichten übers Theater.
Aber würden wir uns auf die Dauer verstehen? Ich erinnerte mich, wie sehr ich mich, nachdem ich mit ihm die Mandschurei bereist, gefreut hatte bei dem Gedanken, nun wieder allein auf Weltentdeckung auszuziehen. Und Peter klärte mich darüber auf, dass seine affektierte Stimme, sein nöliger Oxforder Akzent seinen letzten Reisegefährten fast wahnsinnig gemacht hätten. Ich wiederum warnte ihn vor meiner Brummigkeit, die schon bei so mancher Segelfahrt meinen Kameraden auf die Nerven gegangen war …
Man musste diese Zweifel der Zukunft anheimstellen.
Ein ernsteres Bedenken ergab sich aus unseren Plänen. Peter wollte möglichst schnell reisen, weil verschiedene Verpflichtungen ihn nach England zurückriefen, und ich wollte nach meiner Gewohnheit trödeln, als wenn ich die Ewigkeit vor mir hätte.
Auch darüber mussten die kommenden Ereignisse entscheiden.
Die Abreise wurde also festgesetzt.
Wir wollten die Reisekosten der Smigunows und allenfalls auch die Unannehmlichkeiten der Gefangenschaft teilen. Meine Kenntnis des Russischen, die fortgeschrittener war als die Peters, konnte von Nutzen sein beim Umgang mit Führern, die keine europäische Sprache beherrschten. Dafür war es, falls wir Kaschgar erreichten, um dann über den Himalaja nach Indien vorzudringen, von grösstem Vorteil für mich, mit einem Engländer zu reisen.
Schliesslich – und das war ausschlaggebend für mich – war Peter nach allem, was ich von seinem Leben wusste, unter einem guten Stern geboren.
Unverzüglich kamen die Smigs (wie wir sie bald nannten) von Tientsin herbei. Nina, sehr rundlich, mit grossen grauen Augen, war charmant. Als Tochter eines russischen Arztes aus Urumtschi, ein echtes Kind der Steppe, hatte sie immer in Zentralasien gelebt; sie konnte Brot backen, die Pferde versorgen, ja sogar ein Zelt bauen, denn sie hatte viele Monate bei den Kirgisen verbracht, deren Sprache sie fliessend sprach.
Er, Stefan, ein ehemaliger Kosak, hatte nach dem Rückzug Annankows Zuflucht in Turkestan gesucht. Er hatte mehr als fünf Jahre im Tsaidam gelebt und Hunderte von Kilometern zurückgelegt, um Wolle und Pelze, die er exportierte, zu sammeln. Er freute sich darauf, dieses Leben, das er so liebte, wieder aufzunehmen. Um mich zu überzeugen, dass er der beste aller Führer sei, kramte er alles aus, was er wusste, und entflammte meine Phantasie. Seine gelben Augen funkelten, als er die unbekannten Täler Tibets heraufbeschwor, wo er den wilden Jak gejagt hatte; er kannte goldreiche Flüsse am Fuss gewaltiger Schnee- und Eisgebirge; er sprach sogar davon, Skier zu zimmern, falls wir eine Besteigung machen wollten; er war gut Freund mit den Mongolen und kannte alle ihre Legenden, die sie abends am Argolfeuer4 erzählen. Fast ohne Zögern schlug er sogar vor, uns bis an die Tore von Lhasa zu bringen, wenn sich herausstellen sollte, dass der Bürgerkrieg uns den Weg nach Westen versperrte.
Wir mussten dieses aufregende Gespräch aber abbrechen, um die Liste der Lebensmittel und der Gegenstände, die wir in den Provinzen des Inneren nicht bekommen würden, aufzustellen. Kaffee, Kakao, Marmelade, Schokolade, Curry, Makkaroni, Porridge, Mostrich, nicht zu vergessen sechs Flaschen guten Kognak für besonders kalte Tage oder für Stunden der Niedergeschlagenheit … und vier Riesenschachteln Tabak für die Pfeifen der Herren der Schöpfung.
Was unsere Lagerausrüstung und unsere Kleidung betrifft, so hatten wir schon Schlafsäcke, Pelzmützen, dicke Wollanzüge und schwere Wintermäntel; ich kaufte noch eine Lederweste – ein recht nützlicher Schutz gegen die tobenden Stürme Zentralasiens – und derbe Stiefel, um in den Tsaidam-Sümpfen herumpatschen zu können.
Inmitten dieser Vorbereitungen erteilte Smig seelenruhig allerlei Ratschläge, bei denen ich Augen und Mund aufsperrte: »Wir brauchen Brillen mit starken Gläsern, um unsere Augen vor den Kieselsteinen zu schützen, die der Wind aufwirbelt.«
Oder, als wir davon sprachen, das wirkliche Tibet zu erforschen: »Sie müssen einen Revolver bei sich haben, weil die Bären so neugierig sind, dass sie es einem morgens oft unmöglich machen, aus dem Zelt herauszutreten.« Ich bewaffnete mich demgemäss schon jeden Morgen im Hof der französischen Botschaft mit einem Colt, um ein Dutzend leere Flaschen zu köpfen.
Was die Medikamente, namentlich Baldrian zur Nervenstärkung, Amaratinktur gegen Bergkrankheit und Digitalis zur Anregung des Herzens, betrifft, so bemerkte er noch dazu: »Vergessen wir nicht Menthol zum Einatmen für die Pferde, damit sie leichter schnaufen können, wenn’s über einen Pass hinaufgeht.«
Ich wagte nicht, über irgend etwas mein Erstaunen zu äussern, denn ich hatte ihm, um etwaige Befürchtungen zu zerstreuen, frischweg erzählt, dass ich Zentralasien sehr gut kennte, weil ich unter den Kirgisen der Himmelsberge gelebt hätte.
Wir mussten auch noch an Geschenke für die Häuptlinge denken, von denen unser Schicksal oft abhängen würde. Wir hatten Feldstecher und ein Fernrohr, die wir auf dem Flohmarkt von Peking gekauft hatten, Taschenlampen und Taschenmesser, Füllfederhalter für die gebildeten Lamas, Halsketten, Spielkarten und Bonbons vorgesehen.
Ich kümmerte mich ferner um den Schutz unserer Gesundheit. Da das Ungeziefer mich während meiner mandschurischen Streifzüge nicht verschmäht hatte (Typhus wird durch Läuse übertragen), wollte ich diesmal nicht von der Gnade eines Parasiten abhängig sein, zumal ich damit rechnen musste, dass ich mich vielleicht länger in China aufhalten würde, als ich dachte.
Seit zwei Jahren werden die Missionare gegen den Exanthem-Typhus immun gemacht durch einen neuen Impfstoff, der ausschliesslich in Peking hergestellt wird.
Bevor ich mir von Doktor Tschang ungefähr vier oder fünf Milliarden Keime, gewonnen aus etwa zweihundert Läusen, in drei Behandlungen einspritzen liess, nahm ich mir die Musse, das Laboratorium der Fujen-Universität zu besichtigen. Es gelang mir nur mit grosser Mühe, Peter mitzuschleppen, denn er behauptete, dass niemals eine Laus wagen würde, seine Haut anzugreifen, die »hart wie Leder« sei. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich ihn, wenn er krank würde, pflegen müsste und dass er mir also Gehorsam in diesem Punkt schuldig sei.
Der Weigl-Impfstoff wird nach einem so sonderbaren Verfahren hergestellt, dass ich ein paar Worte darüber sagen möchte. Man spritzt einem Meerschweinchen das Blut eines Typhuskranken ein. Nach vierzehn Tagen, wenn das Meerschweinchen bereits sehr krank ist, betäubt man es, öffnet ihm die Hirnschale und nimmt die hochvirulante Gehirnmasse heraus.
Nun muss man die Krankheit aber noch auf Läuse übertragen, bevor man einen auf Menschen anwendbaren Impfstoff gewinnen kann, und deshalb besitzt das Laboratorium von Peking eine auf der ganzen Welt einzigartige Zucht dieser Insekten.
Zwecks Ernährung der Läuse kommen eine Anzahl Chinesen, die vom Typhus geheilt und folglich immun sind, zweimal am Tage hin, um dem Ungeziefer als Weide zu dienen. Eine halbe Stunde lang saugen die Läuse so viel Blut, wie sie brauchen. Jeder Mann füttert an seinen Beinen zweihundert Stück, verteilt in kleinen Schachteln mit einem Gazenetz an der Seite, mit der sie an der Haut anliegen. In diesen Schachteln, auf einem Stoffbezug, werden die Eier gelegt, die man sammelt, um eine gleichaltrige Brut zu erhalten.
»Diese Läusefütterer«, schreibt Pater Rutten, »sind oft Bettler in Lumpen; sie sind angenehm überrascht, dass sie jetzt auch noch Geld bekommen für die Ernährung von Parasiten, die sie früher Tag und Nacht unentgeltlich beherbergt hatten.«
Wenn die Läuse zehn Tage alt sind, ist es Zeit, sie zu infizieren. Mittels einer winzigen Kanüle spritzt man ihnen etwas Gehirnsubstanz von dem typhösen Meerschweinchen in den Darm ein; ein paar Tage später wimmelt es schon von Mikroben. Nun zerlegt man mit Hilfe eines Seziermessers die Läuse. Ihr Darm wird in Karbolwasser gelegt; die Flüssigkeit wird gerührt, geklärt, eine halbe Stunde auf 70 Grad gehalten … und der Impfstoff ist fertig.
Aber wir wollen zu unserer Reise zurückkehren. Wir mussten nun noch Waffen, Geld und Pässe besorgen.
Peter verschaffte sich von einem Freund in Shanghai einen kleinen Karabiner, Kaliber 22. Diese Waffe, aufgehalten durch eine Zugentgleisung, kam erst am Tag unserer Abreise an, was meinen Gefährten aber nicht hinderte, sich in einer Rekordzeit den nötigen Jagdschein zu besorgen. Um unsere Verproviantierung zu sichern, nahm er auch noch eine Winchesterbüchse Kaliber 44 mit.
Damit wir nicht eine schwere Last mexikanischer Silberdollars (die Münze, die in China in Umlauf ist) mit der Bahn und im Lastauto befördern mussten, besorgte Fleming beim Generalpostmeister einen Scheck auf das Postamt von Sining, der letzten Stadt vor den unbewohnten Gegenden des Kuku Nor. Was würden wir von da ab tun? Wir hatten keine Ahnung. Nach Owen Lattimore nehmen die indischen Kaufleute von Khotan, die ihr Kapital nicht ausführen dürfen, in Indien zahlbare Schecks mit Freuden an. Im letzten Augenblick, beim Gedanken an den Himalaja, kaufte ich indessen noch zehn Pfund Sterling, um nicht mit leeren Händen in Indien anzukommen …
Grundsätzlich sind nur die von Nanking ausgestellten Pässe gültig, aber da wir ja wegen des heimlichen Charakters unserer Reise unbemerkt durchschlüpfen wollten, konnten wir uns diesen Gang sparen. Bei den Verhören, die uns erwarteten, konnten wir ja immer die Passierscheine vorzeigen, welche die Gesandtschaften ihren Schutzbefohlenen aushändigen.
Als man mich auf der französischen Gesandtschaft (bei der ich zuständig war, da es keine Schweizer Gesandtschaft in Peking gibt) danach fragte, welche Provinzen in meinem Pass genannt werden sollten, beschränkte ich mich darauf, mit gleichgültiger Miene zu bitten, dass man möglichst viele angeben möge. Wie gross aber war mein Erstaunen, als ich entdeckte, dass man auch Sinkiang eingetragen hatte – den chinesischen Namen der verbotenen Provinz Turkestans! Das konnte mir vielleicht noch eines Tages dazu dienen, meinen Anspruch durch eine – echt chinesische! – Beweisführung zu erhärten.
Was Fleming betrifft, so weiss ich nicht, ob seine Botschaft besser über die bestehenden Verbote unterrichtet war, Sinkiang fehlte jedenfalls auf seinem Ausweis.
»Mein Lieber«, sagte ich lachend zu ihm, »ich sehe schon den höchst trauervollen Tag kommen, an dem ich Sie unterwegs werde verlassen müssen, weil Ihr Pass Ihnen die Weiterreise nicht gestattet.«
Mit den Smigunows war, wie wir glaubten, alles in Ordnung. Sie hatten nicht nur schon dort unten gelebt, sondern sie waren auch chinesische Untertanen, seit man ihr Gesuch um Naturalisierung in Urumtschi vor einigen Jahren genehmigt hatte …
Plötzlich ist der Abend der Abreise da.
Nachmittags habe ich von den kaiserlichen Palästen, diesen Wundern der »Verbotenen Stadt«, noch Abschied auf Nimmerwiedersehen genommen, denn eine Rückkehr nach Peking könnte nur eine Schlappe bedeuten, woran man nicht denken darf. Ich bin im Begriff, der Zivilisation den Rücken zu kehren, der Zivilisation und allem, was dazu gehört: Kunstschätze, Luxus, Komfort, Betten, Bäder, Zeitungen mit Nachrichten aus aller Welt, Klubsessel, Obst, Postboten, Ärzte, saubere Wäsche und feine Strümpfe. Ich breche ins Mittelalter auf, ja sogar ins Bronzezeitalter.
Ein Taxi, beladen mit unserem Gepäck, will nicht von der Stelle – ein böses Vorzeichen –, und wir schieben alle vier mit Leibeskräften. Ich bin sehr marode infolge einer Erkältung, noch dazu mit Fieber (sind das die Folgen der Impfung?); aber ich muss lächeln und mich bedanken bei unseren Freunden, die um elf Uhr nachts zum Bahnhof gekommen sind, trotz des Windes, der um die geschweiften Dächer der Stadt pfeift.
Da ist Norin, der mir seinen Wasserkompass bringt, den ich dankbar annehme; er hatte vergebens versucht, uns zu bewegen, ein Hypsometer, einen Theodoliten, was weiss ich, mitzunehmen. Er ist betrübt, weil wir nun nicht imstande sein werden, wissenschaftliche Beobachtungen anzustellen, und würde viel darum geben, wenn er mit uns fahren könnte.
Unsere Freunde haben gerade einen Kostümball für einen Moment verlassen, und ihre Apachenkostüme bringen eine heitere Note in die trübselige Stimmung des Bahnsteigs. Allerlei Witze werden gerissen. Man spottet darüber, dass Peters letztes Buch sich Mit mir allein und das meinige sich Turkestan Solo betitelt und dass wir also ganz gegen unsere Prinzipien zusammen reisen.
Aber die Tätigkeit meines Landsmanns Bosshard bringt mich auf andere Gedanken. Als Bildberichterstatter macht er unaufhörlich Blitzlichtaufnahmen von uns. Vielleicht sieht man uns hier das letztemal. Es ist schon öfter vorgekommen, dass abenteuerlustige Ausländer einfach verschwunden sind, nachdem sie die grossen Küstenstädte verlassen hatten …
Wir fahren angeblich auf Jagd und zum Photographieren nach dem Kuku Nor. Der Zug setzt sich in Bewegung.
Ein neues Leben beginnt.
Bei der Abfahrt überschlug jeder von uns die Aussichten der Reise. Peter sagte zu mir, wir könnten stolz sein, wenn wir jemals indischen Boden betreten würden. Dieses Ziel schien uns aber so illusorisch, dass wir nicht mehr davon sprachen bis zur turkestanischen Grenze. Fürs erste galt es nur, Tschengtschau und dann Sian mit der Bahn zu erreichen, hierauf Lantschau mit dem Lastauto, dann Sining auf Maultieren und schliesslich aufs Geratewohl mit Karawanen die Jurte der Smigunows im Innern des Tsaidam. Hinter dieser Etappe war alles ungewiss. Man darf nichts verstandesmässig vorausberechnen in China, wo das Sprichwort besagt: Herr Vielleicht hat Frau Nur-sachte geheiratet, und ihr Sohn heisst Wird-schon-gehen!
In der Nacht überqueren wir den Gelben Fluss. Wenn alles gut geht, werden wir ihn weiter oben wiedersehen, diesen 4500 Kilometer langen Strom, der durch seine Überschwemmungen und die Veränderungen seines Bettes manchmal Millionen von Menschen vernichtet. Aber augenblicklich sind wir erst in Tschengtschau. Auf dem Bahnsteig beauftragen wir die Kulis, unser Gepäck in den Sian-Express zu bringen. Wir haben nur ein paar Minuten Zeit zum Umsteigen. Und da wollen diese Schlingel uns einfach nicht verstehen und führen uns zum Ausgang. Von der Überführung aus sehen wir unseren Zug ohne uns davonrattern.
Unsere Chinesen, die offenbar im heimlichen Einverständnis mit dem Gastwirt stehen, sind entzückt und empfehlen uns sofort ein Hotel ganz in der Nähe. Aber Peter hasst Warten, und so werden wir ihnen den Gefallen nicht tun: Wir beschliessen, nachts mit dem Bummelzug zu fahren.
Smigunow flucht. Bisher hat Peter ihn walten lassen. Jetzt, da wir in Wind und Nacht auf unseren Koffern sitzen, räsonniert er: »Smig versteht nicht, mit Chinesen umzugehen … Er regt sich auf, und damit erreicht man nie bei ihnen, was man will. Eigentlich müssten wir doch jetzt beim Stationsvorsteher sitzen und Tee trinken, mit allen Ehren empfangen, wie es vornehmen Fremden gebührt.«
Und ich denke an Russland zurück. Wir hocken hier auf unseren Koffern nach russischer Manier, wie einfache Sowjetreisende am andern Ende des Kontinents. Smig dürfte das ganz natürlich finden.
In China haben die Weissen seit dem Chaos, seitdem der Krieg die europäische Solidarität zerstört hat, »das Gesicht verloren« – und verlieren es von Tag zu Tag mehr. Man fürchtet uns nicht, man macht sich über uns lustig. Was also tun in einem Land, wo die Leute lieber sterben, als »das Gesicht verlieren«!
Ein Zug fährt vorbei. Warten …
Der nächste, der mehr einem Güterzug gleicht, ist für uns. Die Wagen scheinen überfüllt, aber Peter schwingt sich hinein, entdeckt eine Ecke, bringt diejenigen, die er stört, irgendwie zum Lachen (sollten seine vier Worte Chinesisch tatsächlich verständlich sein?), und wir reichen ihm unsere Gepäckstücke.
Dieser Wagen dritter Klasse enthält vier der Länge nach aufgestellte Bänke, zwei an den Wänden und zwei in der Mitte, Rücken an Rücken. Vor Übermüdung schlafe ich, eng zusammengekuschelt, bis in den Morgen hinein.
Über mir ist ein kleines Schiebefenster wie ein Guckloch, und kniend betrachte ich die Landschaft. Die schokoladenfarbene Erde der Felder lässt schon – ein starker Kontrast – junge Triebe von tiefem Blaugrün hervorbrechen.
Halt in Lojang – der schöne Name einer alten Hauptstadt Chinas; aber diese Ruinen sind nicht für uns, denn wer in die Ferne will, hat keine Musse. Auf dem Bahnsteig tummelt sich das ewig gleiche China. Eine Frau in Hosen, mit wettergebräuntem Vollmondgesicht und straff zurückgekämmtem Haar, kommt mit kleinen, steifen Schritten auf ihren winzigen, dreieckigen Füssen angetrippelt; hinter ihr bauscht der Wind die wallenden Gewänder eines Mannes, der ein kleines, rundes schwarzes Seidenkäppchen trägt.
Wir sind in der Provinz Honan, schon weit entfernt von der Unendlichkeit der mandschurischen Ebenen. Der Boden steigt in Terrassen an. Am Ende jeder Abstufung gähnen die armseligen Wohnhöhlen von Bauern, aus denen der Herdrauch aufsteigt, das Felsgestein über dem Eingang schwärzend.
Von Zeit zu Zeit wird meine Betrachtung durch ein Gefühl von Unruhe gestört. Auf jedem Bahnhof sehen wir Züge voller Soldaten in dickgefütterter grauer Leinenuniform, mit der Kuomingtangsonne auf den Mützen. Es sind die Leute der Nankingregierung. In ihren Wagen sitzend, essen sie ihren Reis, und einer von ihnen wäscht sich sogar die Füsse in einer Schüssel. Die männliche Bevölkerung auf dem Bahnsteig stiert sie an. Einige Zuschauer tragen pelzgefütterte Seidenklappen über den Ohren, um sich vor Frostbeulen zu schützen.
Wohin man kommt, überall der drohende Krieg – selbst im Herzen des pazifistischen China, wo bisher der Soldatenberuf als der niedrigste galt! Der moderne Krieg, die Notwendigkeit, zu rüsten, das Land zu militarisieren, damit es seine Unabhängigkeit verteidigen kann, das ist das Geschenk, das der Westen dem Fernen Osten gebracht hat. Um vierhundert Millionen friedlicher Chinesen zu einigen, damit man sie dann wirksam militarisieren kann, muss man den Hass gegen ein Nachbarvolk säen, denn das ist der einzige Hebel, der mächtig genug ist … Ein schöner Fortschritt!
Fahren wir dem Kriege entgegen? fragen wir uns sorgenvoll. Ist der Weg vor uns versperrt? Sollten die chinesischen »Kommunisten«, die Herren von Szetschuan weit im Süden, bis hierher vorgedrungen sein?
Aber wie soll man irgend etwas herausbekommen? Bei wem sich erkundigen? Ach, diese Frage! Wir sollten sie uns nun monatelang jeden Tag stellen.
In unserem Wagen, wo wir an die siebzig sind, reisen zwei Soldaten mit ihren Essnäpfen und ihren spitzen Hüten aus geöltem Stroh.
»Wir ziehen in den Krieg gegen die tu-feis«, antworten sie uns.
Davon sind wir nicht klüger als zuvor; tu-fei bedeutet Räuber und kann sich auf jedermann beziehen.
Endlich eine Ablenkung. Der Kontrolleur hat zwei Taugenichtsen, die er in voller Fahrt aussen am Wagen festgeklammert erwischt hatte, die Tür geöffnet. Struppige Buben; die Kleider zerlumpt, die Hände schwarz, die blanken Augen funkelnd in schmutzigen Gesichtern. Zum zweitenmal haben sie sich heute erwischen lassen. Wie ein geprügelter Hund knabbert der jüngere an einem Stück Zuckerrohr, und alle betrachten ihn mitleidig. Väterlich zankt der Kontrolleur sie aus, wobei er den ganzen Wagen zum Lachen bringt, und ich denke schon, der Zwischenfall sei erledigt … Aber nein, die Lektion geht weiter: Man muss nach den Vorschriften des »Neuen Lebens« leben, muss sauber sein, muss sich den Verordnungen fügen – und unsere Jungen zahlen schliesslich eine kleine Scheinbusse.
Diese beiden Burschen sind die Zwillingsbrüder der russischen besprisorni. Übrigens erwecken alle in diesem Wagen zusammengepferchten Chinesen gewisse Erinnerungen an Russland: Sie haben über sich, in den Gepäcknetzen, ihre mit Bindfaden verschnürten Bündel und ihr zusammengerolltes Bettzeug, und bei jedem Aufenthalt laufen sie, notdürftig in ihre gestrickten Schals gehüllt, den Bahnsteig entlang, um sich etwas zum Essen zu holen, dampfende pao-tse, eine Art von gekochten Ravioli, die an die pelmenje des russischen Bauern erinnern.
Unsere chinesischen Mitreisenden, eine namenlose Masse, in der ich niemanden unterscheide, halten uns für Missionare. Das sind wohl die einzigen Fremden, die heutzutage noch in das Innere reisen.
Aber nun sitzen wir in Tungkuan fest. Oh, welche Überraschung, der Stationsvorsteher spricht französisch: »Le prochain train direct pour Sian ne part que demain après-midi.«5
Die Lunghai-Linie hier ist von französischen Ingenieuren gebaut worden.
Durch die Menschenmenge bringen unsere Rikschas uns in die alte, von einer viereckigen Mauer umschlossene Stadt hoch über dem Gelben Fluss. Das monumentale Festungstor wird überragt von einem fünfstöckigen, teilweise zerfallenen Turmbau, wo der Himmel durch die Reihen leerer Fenster blickt.
Im China Inland Travel, einem Gasthof europäischen Stils, vermag ein Portier mit einer Mütze, die der Firma Thomas Cook würdig wäre, nicht einmal den Streit mit unseren Kulis zu schlichten. Die kleinen Eisenbettstellen haben durchgelegene Matratzen, und der eiserne Ofen verbreitet nur eine illusorische Wärme.
Peter will, um Zeit zu sparen, den ersten Bummelzug nach Sian nehmen und dort den Arzt der baptistischen Mission aufsuchen, damit wir bei der Ankunft wenigstens gleich wissen, wo wir unterkommen können.
Ich gehe spazieren. Am Rande des breiten Gelben Flusses, der Eisschollen mitführt, ragt der Mastenwald der Dschunken in den farblosen Himmel. Meine Seemannsinstinkte regen sich; ich möchte eine solche Dschunke einmal betreten und sehen, wie sie gebaut ist. Da ich erst den sehr ausgedehnten Strand, der mich von den Booten trennt, überqueren muss, gehe ich flugs den Spuren nackter Füsse nach … aber beim ersten Schritt versinke ich bis an die Knöchel im weichen bläulichen Schlamm. Mit grosser Anstrengung und mit Herzklopfen arbeite ich mich heraus; meine Stiefel sind zentnerschwer vom Schlick. Zweifellos ist das Tauwetter schuld an diesem üblen Spass …
In der Hauptstrasse, wo jeder in einer Bude unter freiem Himmel sein Gewerbe ausübt, könnte ich fast glauben, ich sei in einer altfranzösischen Kleinstadt, wäre nicht die seltsame Schweifung der Ziegeldächer und zuweilen ein steinerner Löwe, ein Herdgott, der neben einer armseligen Schwelle wacht … oder auch irgendein Träger mit seiner Balancierstange auf den Schultern, die sich bei jedem Schritt zu einem Bogen krümmt, dessen Enden gegen den Himmel weisen.
Die Frauen haben schöne ebenmässige Gesichter und tragen um den Kopf einen turbanartig geschlungenen schwarzen Schleier. Sie gehen alle in derselben Richtung, und ich folge ihnen.
Beim Anblick ihrer verkrüppelten Füsse, die wie spitze Stümpfe aussehen und dumpf über den Boden tappen, krampft sich mir das Herz zusammen. Es wirkt beim Gehen fast so, als ob ihre Knie gelenklos seien; eine groteske Nachahmung von Spitzentänzerinnen.
Heute muss irgendein Feiertag sein, denn sie tragen alle ein Paket Räucherstäbchen in der Hand. Trotz der rundköpfigen Pflastersteine, von denen dieser steile Weg starrt, trippeln sie rasch auf zwei kleine Tempel zu, die hoch über der Stadt liegen.
Wie fern fühle ich mich hier oben von allem mir Bekannten. Ein kleiner zahnloser Priester in einem weiten, schmutzigen schwarzen Kimono bewundert von seiner Terrasse aus die Gebirgsaussicht und die zinnengekrönte Mauer, die im Zickzack über die Hügel läuft. Sein aufgesteckter Zopf ist verborgen unter einer brettartigen, schräg ansteigenden Kopfbedeckung, die er über seiner Mütze trägt. Er bittet mich in die kleine Stube neben dem Heiligtum mit den goldenen Buddhas; der K’ang (ein erhöhter Estrich, der als Lager dient), ein Tisch und zwei Stühle bilden die ganze Einrichtung; ein Stück Stoff ersetzt die Tür; an der Wand kleben rote Papierfetzen, Erinnerungen an erhaltene Geschenke, und unzählige, von den Fliegen beschmutzte Visitenkarten.
Wir trinken Tee in Gesellschaft eines trübsinnigen Soldaten, der mich überhaupt nicht beachtet. Das alte Männchen dagegen fragt mich allerlei, und ich empfinde die gegenseitige Sympathie, die unsere Geschicke für einen Augenblick vereint, als etwas sehr Schönes. Ich lache, da ich seine Worte nicht verstehen kann, und ich selbst kann ihm in seiner Sprache nur ein paar Brocken sagen: »Französin … Ja, ich komme aus Peking. Schöne Stadt, kennen Sie sie? Danke, keinen Tee mehr.«
Dann, nachdem ich ihm, meine Hände ineinander legend, den Höflichkeitsgruss erwiesen habe, überreiche ich ihm meine zweisprachige Visitenkarte, auf der mein Name als Ma Ja-ngan6 ins Chinesische übertragen ist, und nehme – vorschriftsmässig rückwärts gehend – Abschied.
Draussen im Hof legen die Frauen ihre Räucherstäbchen in die Bronzeurne, sinken auf die Knie und beten. Im geschützten Winkel sind zahlreiche Gottheiten mit verschiedenen Eigenschaften; der Gott der Fruchtbarkeit trägt ein ganzes Bündel rosiger Kindlein unter dem Arm.
Ringsherum tollt die wirkliche Kinderschar, und manches kleine Hinterteil guckt durch den klaffenden Hosenboden. Das Gesicht eines dieser Rangen ist tätowiert, ganz ohne Zweifel, damit die bösen Geister nicht sehen sollen, wie hübsch es ist. Er sieht aus, als sei sein Gesicht mit roten und weissen Zuckerplätzchen bestreut, und eine Kokarde von Troddeln macht sich prächtig an seiner Mütze.
Fast betäubt von den süsslichen Weihrauchschwaden, vergesse ich, dass die Zeit ja verfliegt, und muss nun zu den Smigs zurückeilen, so schnell mich meine grossen, durchaus unchinesischen Füsse tragen, damit wir nicht den Zug verpassen.
Beim Dunkelwerden treffen wir an der Endstation der Bahnlinie ein, auf freiem Feld, vor dem Stadttor, wo Peter schon auf uns wartet.
Kulis und Rikschaleute balgen sich um unser Gepäck.
Peter hat unterdessen, wie es der Brauch ist, seine Visitenkarte einem Soldaten überreichen lassen; dieser öffnet das massige Tor einen Spaltbreit, und wir ziehen in Sian ein. Oh, Überraschung! Hinter den Mauern sind wieder nur Felder und unbebaute Flächen.
Wir kommen aber bald zur Mission, einer ansehnlichen Gruppe von Häusern und Hospitälern, umhegt von einer neuerbauten Mauer, und hier werde ich von einer reizenden englischen Krankenschwester gastlich aufgenommen.
Die allgemeine Lage ist ernst; vor ein paar Tagen wäre die Stadt beinahe den Kommunisten in die Hände gefallen. Man ist ohne jede Nachricht von zwei Missionarsehepaaren, die im Frontabschnitt leben, und man kann nichts für sie tun … Diese Sorgen sind um so schwerer, als die Stadt schon unter der Hungersnot vor einigen Jahren schrecklich gelitten hat. Auf dem Feld hinter unserm Haus häuften sich damals die Leichen und machten die Gegend völlig unbewohnbar. Im Verlauf der sechs Monate währenden Belagerung sollen Hunderte von Toten täglich von den Ausgehungerten verspeist worden sein. Da der Bürgermeister nichts anderes sonst zu tun wusste, liess er das ganze Geld der Stadtkasse unter die Bevölkerung verteilen.
Ich lache viel an diesem Abend, während ich mit meiner Wirtin plaudere. Sie war entrüstet, als sie hörte, dass dieser Herr Fleming, mit dem ich angekommen war, niemand anderes sei als der Verfasser des Reisebuches Mit mir allein: »Und er besitzt noch die Unverfrorenheit«, sagte sie, »unsere Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, nachdem er die Missionare dermassen lächerlich gemacht hat!«
Der nächste Tag ist reichlich ausgefüllt. Wir müssen unbedingt ein Lastauto auftreiben, um Lantschau – mehr als sechshundert Kilometer entfernt – zu erreichen, bevor das Tauwetter die Lehmstrassen unbefahrbar macht.
Verschiedene Autobesitzer wollen mit der Ankündigung einer Abfahrt noch warten, bis Fahrgäste in ausreichender Zahl beisammen sind. Mit den Smigs zusammen besuchen wir eine ganze Anzahl Garagen und beschauen uns prüfend Räder und Motoren. Da Popzow, der einzige europäische Chauffeur, unterwegs ist, fordert Peter von einem Chinesen aus Siam einen Garantievertrag, demzufolge wir binnen sechs Tagen an Ort und Stelle gebracht werden sollen und ausserdem berechtigt sind, im Fall einer Panne einen andern Wagen zu nehmen. Der Platz kostet fünfundzwanzig mexikanische Dollar pro Person.