Freder van Holk

Eine Braut ist nie zu viel

Eine Braut ist nie zu viel

Ein heiter-romantischer Roman von

Freder van Holk


Der Umfang dieses Buchs entspricht 143 Taschenbuchseiten.


In der Männer-WG der zwei Münchener Junggesellen Paul und Flori herrscht Aufregung, denn Paul, der Architekt, bekam ein Schreiben von einem Schweizer Rechtsanwalt, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er von einem entfernten Onkel einhundertfünfzigtausend Franken geerbt habe mit der Bedingung, in absehbarer Zeit eine ordentliche Frau mit Erfahrung im Haushalt zu heiraten, ansonsten bekomme er sein Erbe nicht. Flori, der Künstler, versucht nun per Anzeige, die Geeignete zu finden. Doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht.



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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

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© Cover nach Motiven von Pixabay, 2018

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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1. Kapitel

P. Hiller & F. Beyfuß Architekten und Innenarchitekten

BDA BDIA

Es war ein schönes und ein großes Schild, mit Holzleisten gerahmt und liebevoll mit künstlerischen Buchstaben geschrieben. Trotzdem nützte es nicht viel, denn es hing im vierten Stock eines abgewohnten Schwabinger Mietshauses, in dem sich außer der Hausbesorgerin nur noch Postbote und Stromableser verliefen. Die Baulustigen, die unten auf der Straße vorbeiliefen, ahnten nicht einmal, dass hier die berühmtesten Architekten und Innenarchitekten der Zukunft bereit waren, für einige schäbige Prozente Traumhäuser in die Welt zu setzen.

Kein Wunder, dass Paul Hiller dem Schild einen melancholischen Blick widmete, während er den Wohnungsschlüssel aus der Tasche holte. Er arbeitete immer noch als Bauführer für sein tägliches Brot ...

Andererseits half ihm das Schild wie jeden Abend, innerlich umzuschalten. Sicher war es nicht so einfach, sich als freischaffender Architekt zu etablieren. Es genügte nicht, sich hinzusetzen und auf Kunden zu warten. Man musste inzwischen leben. Aber immerhin bedeutete das Schild Zukunft. Und dort drin wartete ein Zeichentisch mit einer halb fertigen Zeichnung, an der er heute wieder einige Stunden weiterarbeiten konnte und vielleicht bekam er doch auf seinen Entwurf einen Preis.

Er fühlte sich angenehm belebt, während er die Tür aufschloss, den finsteren Korridor überquerte und die Tür zum Atelier aufstieß, um nach seinem Freund und Teilhaber zu sehen.

Florian Beyfuß hockte auf dem Schemel vor seiner Staffelei. Auf dem Karton fristeten einige einsame Linien ihr Dasein. Er hielt in der rechten Hand einen startbereiten Pinsel und in der linken einen trockenen Brotkanten, an dem er kaute. Auf seinen Knien lag ein Briefbogen, den er studierte.

„Baumensch müsste man sein“, kaute er jetzt, ohne sich umzusehen. „Manchem wird es tatsächlich hinterher geworfen. Wasch dir wenigstens erst mal die Füße. Das ist eine historische Stunde.“

„Sieht so aus“, knurrte Paul Hiller. „Das ist seit Monaten das erste Mal, dass du um die Zeit an einer neuen Tapete arbeitest. Gewöhnlich bringst du deine Entwürfe früh um vier auf Bierdeckeln mit.“

„Tapete!“, stöhnte Flori schmerzlich. „Das sollte ein liegender Akt für die Kunstausstellung werden. Aber schließlich hast du Recht: Mehr als Tapete sind diese Kunstausstellungen nicht wert. Diese rahmenfüllenden Katastrophen, die man bei solchen Gelegenheiten an die Wände hängt ...“

„Aufgewaschen hast du auch nicht“, unterbrach Paul Hiller hastig. „Dabei hast du es heute morgen fest versprochen.“

„Früh um sechs! Um die Zeit bin ich nie zurechnungsfähig. Außerdem haben wir wirklich andere Sorgen, Du musst heiraten.“

Paul Hiller hängte seinen Trenchcoat an einen Haken und ging zur Küche. Sie gehörte ebenso zum Atelier wie zwei Wohnräume, die ihre privaten Bereiche darstellten. Ein dritter Raum, der vor der Wohnungstür separat lag, war als Büro gedacht, wurde aber, mangels Masse, zur Zeit noch nicht benutzt.

„Schon wieder blank?“, fragte er auf halbem Wege. „Tut mir leid, Flori, aber bei mir ist auch ziemlich Feierabend. Hast du dir den Kalender nicht angesehen? Wie war's mit arbeiten?“

„Heiraten!“, berichtigte Flori träumerisch. „Du Glücklicher! Ein Heim und ein treues Weib! Eigener Herd ist Goldes wert!“

„Du spinnst.“

„Habe ich auch erst gedacht“, erwiderte Flori lebhafter, „aber hier steht es schwarz auf weiß. Mann, mach mich bloß nicht nervös. Alberne Angewohnheit, in die Küche zu laufen und sich die Hände zu waschen. Du solltest lieber das Geschirr abwaschen. Ich habe noch keine Zeit dazu gehabt. Also komm schon endlich her und lass dich beglückwünschen.“

„Wozu?“, fragte Paul Hiller misstrauisch, während er sich der Staffelei näherte.

„Zur Heirat natürlich.“

„Bei dir piept's. Ich denke nicht daran, zu heiraten.“

Flori lächelte sanft.

„Du denkst daran, verlass dich drauf. Tag und Nacht wirst du daran denken. Hundertfünfzigtausend werden einem nicht alle Tage geboten.“

„Hä?“

„Bitte.“

Er nahm das Schreiben, das ihm sein Freund mit großer Geste hinhielt.

„An mich? Wie kommst du dazu, Briefe an mich ...“

„Sind wir eine Firma oder nicht? Ein Brief von einem Rechtsanwalt. Das war ein schöner Schreck! Lies lieber.“

Paul las schon.

„... und teilen wir Ihnen mit, dass Ihnen der Erblasser 150 000,— Franken (in Worten einhundertfünfzigtausend Schweizer Franken) hinterlassen hat unter der Voraussetzung, dass Sie bis zum Ende dieses Jahres erweislich verehelicht sind. Dabei macht der Erblasser zur Bedingung, dass die von Ihnen zu ehelichende Person nicht nur gut beleumundet und einwandfreien Charakters ist, sondern auch erweislich über alle Tugenden und Fähigkeiten verfügt, die zur einwandfreien und sauberen Führung eines bürgerlichen Haushalts für erforderlich erachtet werden. Besagte zu ehelichende weibliche Person muss . . .“

Paul wischte sich mit der freien Hand über die Augen.

„Moment mal, ich muss da etwas in der Leitung haben.“

„Zwinkern nützt nichts“, grinste Flori. „Ich habe das zehnmal gelesen, aber es kommt immer dasselbe heraus. Die Frage ist nur, ob sich der notarielle Scheich aus St. Gallen nicht in der Adresse geirrt hat. Ist dir dieser Amleitner ein Begriff?“

„Onkel Otto!“, murmelte Paul geistesabwesend, weil er nebenbei den Brief studierte. „Ein Familien-Fossil um drei Ecken herum. Ich habe ihn als halber Säugling einmal besucht.“

„Musst einen tollen Eindruck geschunden haben.”

„Hm, das weniger, aber ich bin der Rest von der Familie. Er hatte nur noch eine Schwester. Sie wohnte in einem kleinen Nest irgendwo dort in der Gegend — Teufel nochmal, hast du das gelesen?“

„Zehnmal.“

„Hundertfünfzigtausend Franken. Das sind rund hundertfünfzigtausend Mark! Mensch, damit können wir endlich ein richtiges Büro im Zentrum mit einer Marmortafel im Hauseingang und ...“

„Habe ich doch gesagt ... habe ich doch gesagt. Und eine Frau findest du im Handumdrehen. Kleinigkeit!“

„Wieso?“, schreckte Paul auf. „Du meinst doch nicht etwa — Moment, das muss ich erst noch einmal lesen. Eine zu ehelichende Person, die erweislich — das meint er doch hoffentlich nicht im Ernst?“

Flori hob die Schultern.

„Hm, vielleicht doch? Diese Schweizer sind ziemlich sture Kerle. Wenn dein Onkel Otto eine erweislich haushälterische Weibsperson an deiner Seite sehen will, wirst du dich eben hübsch unter den sogenannten Töchtern des Landes umsehen. Es wäre doch gelacht, wenn du bis Weihnachten keine finden würdest, die dir liegt und die gleichzeitig ein bisschen Ahnung vom Haushalt hat. Bald dreiviertel Jahr! In der Zeit kriegen andere Männer sogar Kinder. Pass auf, ich will dir die Situation mal von einem höheren Gesichtspunkt aus erklären. Du bist als Individium ...“

„Du kannst mir mal im Mondschein begegnen“, unterbrach Paul seinen Freund und ging nun doch in die Küche, um dann anschließend sein Zimmer aufzusuchen.

Als er wieder ins Atelier zurückkam, hatte er sich gewaschen und umgezogen, aber seine Laune war nicht wesentlich besser geworden.

„Und meinen Käse hast du auch gegessen“, sagte er mürrisch, während er sich an sein Zeichenbrett setzte.

„Deine Schuld!“, parierte Flori geistesabwesend, denn er pinselte eben fleißig. „Wenn du etwas Besseres in deinem Brotkörbchen gehabt hättest, wäre der Käse liegen geblieben, überhaupt eine Wirtschaft bei uns! Die Leute, die da seit Jahrhunderten von Hygiene reden, haben noch nie deinen Fresskorb gesehen. Sogar die Katzen schlagen einen Bogen um unser Dach, weil dein ganzes Fensterbrett nach Käse stinkt. Da steht heute was von Taubenmord in der 'Abendzeitung'. Ich will nicht unbedingt sagen, dass das auf dich geht, aber immerhin, wenn ich eine Taube wäre...“

„Eine Stumme wäre noch besser“, knurrte Paul, während er eine Teilzeichnung in seinen Papierkorb warf. „Spiel bei mir bloß nicht den Diplomaten. Wie ich dich kenne, willst du nicht bloß vom Käse, sondern auch von jedem anderen Stichwort aus aufs Heiraten kommen ... übrigens gehe ich jetzt schlafen ... Vielleicht fällt mir im Traume etwas ein!“


*


Paul Hiller gehörte nicht zu den Männern, die leichtsinnig auf ein kleines Vermögen verzichten. Diese hundertfünfzigtausend Franken hatten es in sich. Andererseits gehörte er noch viel weniger zu den Männern, die eine Frau aus finanziellen Gründen heiraten können. Er war in seinem innersten Herzen genau so bieder, wie es ein Märchenbuch der Liebe verlangt. Er konnte zwar nicht sagen, wie seine Zukünftige beschaffen sein sollte, aber er wusste ganz genau, dass er hin sein musste, restlos begeistert und gewissermaßen jenseits aller Vernunft. Vielleicht lief ihm in den nächsten Wochen doch noch genau das Mädchen über den Weg, das er suchte?

Er war naiv genug, darauf zu hoffen, während er wie gewöhnlich in seiner abgewetzten Kordhose auf den Bau ging.

Florian Beyfuß verließ sich weniger auf den glücklichen Zufall. Er war trotz seiner künstlerischen Leidenschaften skeptischer und umsichtiger als sein Freund Paul.

Paul Hiller fand ihn eine Woche später über einem Berg geöffneter Briefe, als er abends nach Hause kam.

„Sechsundachtzig“, teilte Florian befriedigt mit. „Und es sind ganz hübsche Typen darunter. Du hast die Auswahl. Hier, sieh dir die an. Das ist doch etwas, nicht?“

Paul betrachtete die Porträtaufnahme, die Florian ihm reichte. Sie zeigte ein nettes Gesicht, das ihn zwar nicht gerade ansprach, aber auch keinen üblen Eindruck machte.

„Hat die Haushaltsschule mit Erfolg besucht“, pickte ihm Flori die Rosinen aus dem Begleitschreiben. „Extrakurse als Säuglingsschwester, Wirtschafterin bei Herrn Versicherungsdirektor König, beste Zeugnisse, perfekt in jeder Hinsicht, Spezialität Königsberger Klopse, achtundzwanzig. Genau dein Alter. Das passt also ausgezeichnet zusammen. Und ein Sparkassenbuch hat sie auch noch. Was meinst du?“

„Wieso?“

„Wieso wieso? Oder wie wär's mit der hier? Die hat Sehnsucht nach einem treuen Mann. Wenn dich das nicht rührt ...“

Paul schob das Bild, das ihm hingehalten wurde, weg.

„Wovon redest du eigentlich? Du hast doch nicht etwa ...“

„Was denn sonst?“, fragte Flori überrascht und blickte auf. „Tu mir den einzigen Gefallen und guck nicht so blöde. Selbstverständlich habe ich eine Heiratsanzeige für dich aufgegeben. Sie hat mich rund zwanzig Eier gekostet, aber was tut man nicht alles für seine Freunde. Hier, das wäre auch noch etwas.“

Paul winkte ab und setzte sich auf den erreichbaren Schemel, auf dem ohnehin nur einige halb ausgedrückte Tuben herumlagen. Die Luft schien ihm zu fehlen.

„Du hast im Ernst ...“

„Natürlich im Ernst“, nickte Flori. „Hundertfünfzigtausend sind ja schließlich auch kein Spaß. Außerdem kann man in solchen Heiratsanzeigen überhaupt keine Witze machen. Soviel Humor hat keine Frau. Wenn es ums Heiraten geht, nehmen sie alles ernst. Ich habe das ganz bieder gemacht und es war gar nicht so leicht, das richtig hinzukriegen. Ich habe mit meinem ganzen Verein drei Stunden lang in der 'Hühnersteige' herumgeknobelt, bis wir ...“

„Du musst wahnsinnig sein!“, ächzte Paul. „Du hast meine privatesten Angelegenheiten mit deinen verluderten ...“

„Bitte keine Beleidigungen“, fing Flori würdig ab, „Selbstverständlich weiß kein Mensch, dass es sich um dich handelt. Ich habe ihnen bloß gesagt, dass da so ein geistig armer — also reden wir nicht davon, was ich ihnen gesagt habe. Jedenfalls brauchst du dich wegen der Anzeige nicht zu schämen. Hör zu: Architekt, 28/180, blond, Stier — das mit dem Stier verlangen die Leute heutzutage, verstehst du — also Stier, 150.000,— DM Barvermögen, sehnt sich nach treuem Eheweib, kein Luxusgeschöpf, sondern brave Haushälterin mit allen erweislichen Tugenden zwecks baldiger Ehe.“

„Allmächtiger!“

„Wieso?“, wunderte sich Flori. „Ich finde das großartig formuliert. Kurz und prägnant. Genau aufs Auge. Und der Erfolg spricht Bände. Ich habe dir gleich gesagt, dass es auch heutzutage, trotz Elvis Presley und Brigitte Bardot noch Frauen gibt, die den Unterschied zwischen Spiegeleiern und Rühreiern kennen. Du ahnst ja gar nicht, wie viel Tugend sich gelegentlich noch unter Pullovern und Slacks verbirgt. Hier ist zum Beispiel eine, die...“

„Hör auf!“, schrie Paul ihn an und verzichtete auf den Schemel. „Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, dass ich ein Mädchen auf eine Heiratsanzeige hin heirate — eine von diesen abgestandenen Dienstmädchen, die ...“

„Hausangestellte“, berichtigte Flori sanft. „Warum regst du dich eigentlich auf? Sei doch froh, dass ich ein bisschen nachhelfe! Heiraten musst du ohnehin und es liegt bei dir, abgesehen von den hundertfünfzigtausend. Oder hast du etwa die Absicht, dieser Karola Münster hundertfünfzigtausend Piepen in den Rachen zu werfen?“

„Ich muss nicht!“

„Du bist nicht Stier, sondern stur. Wie kann man sich nur so den einfachen Notwendigkeiten des Daseins verschließen? Setz dich wieder hin und sieh dir die Bilder an. Und lies die Briefe dazu. Im Mindestfalle geben sie dir den Glauben an die Menschheit zurück. Und wenn dir die Auswahl nicht ausreicht, können wir allemal noch eine neue Anzeige aufgeben.“

„Ich ...“

„Warte, Paulchen. Ein bisschen anständigen Charakter muss man schon zum Heiraten mitbringen. So geht das nicht, wie du das denkst. Du kannst diese braven Mädchen nicht einfach enttäuschen. Lies dir nur mal die Briefe laut vor. Allein schon die Poesie. Wenn ich nicht zufällig so hart verpackt wäre, hätte ich geheult wie ein Schlosshund. Gemüt! Das ist das richtige Wort. Wenn du auch nur eine Spur von Gemüt hast ...“

„Nun mach aber einen Punkt!“, knurrte Paul ihn an. „Such dir eine für dich selbst aus, Du hast es nötig.“

„Und wer gibt mir hundertfünfzigtausend dafür?“

„Dann schick das ganze Zeug zurück.“ Flori riss die Augen auf. „Zurückschicken? Bin ich verrückt? Sechsundachtzig Briefmarken für die Katz, ganz zu schweigen von der Arbeit? Nee, notfalls werde ich das Zeug an ein paar Freunde verteilen. Da hat jeder nur ein paar und kann sie sich erst einmal ansehen.“

„Nicht gerade ein feiner Zug.“

„Hm, stimmt auch wieder“, gab Flori zu, „aber soweit ist es ja schließlich noch nicht. Erst musst du dir einmal eine aussuchen.“

„Ich denke nicht daran. Such dir selbst eine aus“

Flori lächelte melancholisch.

„Du bist doch wirklich ein typischer Fall von jugendlichem Irresein. Begreifst du nicht den Unterschied? Du brauchst eine erweisliche Haushälterin und das...“

„Karola Münster?“, schnappte Paul. „Wer ist denn das nun wieder?“

„Die Konkurrenz“, teilte Flori leichthin mit, während er einen Brief aus dem Haufen herausfischte. „Dieser notarielle Scheich aus St. Gallen hat wieder geschrieben. Hier.“

„Eines Tages werde ich dich die Treppe hinunterwerfen“, versprach Paul beherrscht. „Ich habe dir schon oft genug gesagt, du sollst dich nicht an meiner Privatpost vergreifen.“

„Ich weiß, aber manchmal bin ich eben ein bisschen kurzsichtig,“

„Die einzige Entschuldigung für das, was du malst. Wenn du das Zeug selbst sehen müsstest — hm, also diese Karola Münster ist Miterbin und kriegt mein Geld auch noch, wenn ich nicht bis Ende des Jahres heirate. Hast du das gelesen?“

„Kein Wort“, behauptete Flori trocken. „Ich werde doch deine Privatbriefe nicht lesen. Den ganzen Grundbesitz und das Haus kriegt sie auch. Das kommt davon, wenn sich diese alten Kerle noch eine Liebste halten. Dafür scheint deine Tante Irma in den Eimer zu gucken.“

„Na wenn schon“, murmelte Paul geistesabwesend. „Sie wird es kaum nötig haben. Ich hätte nicht gedacht, dass Onkel Otto so gut dasteht. Hast du das gelesen? Die Beurteilung, ob der gewählten Ehefrau die geforderten hauswirtschaftlichen Qualitäten eignen, obliegt Herrn Notar Edward Hüsli als Testamentsvollstrecker in Gemeinschaft mit meiner Schwester, Fräulein Irma Amleitner. Ausgerechnet Tante Irma! Sie versteht vom Haushalt soviel wie du von der Kunst.“

Flori lächelte schmerzlich.

„Versuche dich um Himmels willen nicht mit der Ironie, sondern bedenke, dass du ein Deutscher bist. Im übrigen solltest du das nicht leicht nehmen. Diesen Notar könntest du vielleicht leimen, aber die Tante Irma ist gefährlich. Wenn sie vom Haushalt nichts versteht, wird sie angeben, als ob sie zehn Diplome hätte. Das ist genau so wie bei der Kunst. Die Leute, die nichts von ihr verstehen, reden am meisten sachverständig darüber.“

„Das sage ich. dir doch immer. Dein ganzer Verein ...“