Seit dem Inkrafttreten des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) am 1. 5. 2008 hat jeder Bürger, und damit auch jeder Leser dieses Kommentars, freien Zugang zu allen bei den Überwachungsbehörden vorhandenen Daten im Zusammenhang mit Erzeugnissen im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Begleitet wurden die neuen Regelungen von großen Versprechen an die Verbraucher und hohen Erwartungen von den Verbrauchern hinsichtlich spürbarer Verbesserungen für die Verbraucherinformation. Gut ein Jahr nach Eintreten der Gesetzeskraft lässt sich festhalten: Die Mehrzahl der gestellten Erwartungen konnte das VIG nicht erfüllen, sie waren schlichtweg zu hoch. Ob das VIG – in der Normalität des Umweltinformationsgesetzes (UIG) und diverser Informationsfreiheitsgesetze (IFG) in Bund und Ländern angekommen – seinen Beitrag zu einem verbesserten Verbraucherschutz leisten kann, wird die Zukunft zeigen.
Dieser Kommentar will bei einem objektiven Umgang aller Beteiligten mit dem Anspruch des Verbrauchers auf Informationen helfen:
Den in der Lebensmittelüberwachung tätigen Mitarbeitern möchte dieses Werk eine Richtschnur bieten, wie sie dem Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf mehr Transparenz durch mehr Information über die konsumierten Lebensmittel gerecht werden können, ohne die berechtigten Interessen der Unternehmen, die diese Lebensmittel herstellen, behandeln oder in den Verkehr bringen, unnötig zu beeinträchtigen. Es soll der Behörde helfen im Spannungsfeld zwischen Verbrauchererwartung und Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Den Verbraucherinnen und Verbrauchern will dieses Buch eine realistische Einschätzung ermöglichen, was das VIG in ihrem Interesse leisten kann. Die betroffenen Unternehmen wiederum soll es mit dem nötigen Wissen versorgen, auf welche Informationen die Verbraucher einen berechtigten Anspruch haben. Nur so können sie die Belange des Verbraucherschutzes frühzeitig in ihr unternehmerisches Handeln einbeziehen und entscheiden, inwieweit Verwaltungsverfahren nach dem VIG durch eigene Information der Öffentlichkeit vermieden werden können.
Potsdam, im März 2009 |
Rita Beck |
AktG |
Aktiengesetz |
Alt. |
Alternative |
AO |
Abgabenordnung |
BBG |
Bundesbeamtengesetz |
BDSG |
Bundesdatenschutzgesetz |
BfR |
Bundesinstitut für Risikobewertung |
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. |
Bundesgesetzblatt |
BLE |
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung |
BLL |
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. |
BMELV |
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz |
BR-Drs. |
Bundesratsdrucksache |
BRRG |
Beamtenrechtsrahmengesetz |
bspw. |
beispielsweise |
BStatG |
Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke – Bundesstatistikgesetz |
BT-Drs. |
Bundestagsdrucksache |
BVerwG |
Bundesverwaltungsgericht |
BVL |
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel |
d. h. |
das heißt |
GG |
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland |
GWB |
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen |
IFG |
Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz) |
LFGB |
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) |
LMKV |
Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung) |
MRRG |
Melderechtsrahmengesetz |
NJOZ |
Neue Juristische Online-Zeitschrift |
NJW |
Neue Juristische Wochenschrift |
NuR |
Natur und Recht |
NVwZ |
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht |
o. Ä. |
oder Ähnliches |
OWiG |
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten |
PM |
Pressemitteilung |
SGB |
Sozialgesetzbuch |
s. |
siehe |
S. |
Seite |
s. o. |
siehe oben |
sog. |
sogenannt |
StGB |
Strafgesetzbuch |
StPO |
Strafprozessordnung |
SÜG |
Sicherheitsprüfungsgesetz |
u. Ä. |
und Ähnliches |
UIG |
Umweltinformationsgesetz |
VO (EG) Nr. 178/2002 |
Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit |
VO (EG) Nr. 2073/2005 |
Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 der Kommission vom 15. November 2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel |
VO (EG) Nr. 852/2004 |
Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene |
VO (EG) Nr. 853/2004 |
Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs |
VO (EG) Nr. 854/2004 |
Verordnung (EG) Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs |
VO (EG) Nr. 882/2004 |
Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz |
VwGO |
Verwaltungsgerichtsordnung |
VwVfG |
Verwaltungsverfahrensgesetz |
WeinG |
Weingesetz |
ZLR |
Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht |
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), Leitfaden Verbraucherinformationsgesetz, 2008
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007
Domeier/Matthes, Verbraucherinformationsgesetz, Kommentar, 2008
Epping/Hillgruber, Beck’scher Online Kommentar zum Grundgesetz, Stand Oktober 2008
Förster/Jäde, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 1982
foodwatch-Report über den Praxistest des Verbraucherinformationsgesetzes, 2008
Gassner, Umweltinformationsgesetz, Kommentar, 2006
Gola/Schomerus, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 2007
Grube/Weyland, Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation – Verbraucherinformationsgesetz, Kommentar, 2008
Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, Kommentar, 2007
Joecks, Münchener Kommentar zum StGB, Band 3, 2003
Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 2008
Kugelmann, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2007
Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar, 2007
Landmann/Rohmer, Umweltrecht, UIG Kommentar, Band III, 2007
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Schmitz/Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, 984
Schoch, Der Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes, NVwZ 2006, 872
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2008
Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 2008
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Wustmann, „VIG-Klappe-die Vierte“ Dauerbrenner Verbraucherinformation, ZLR 2007, 242
Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, LFGB Kommentar, Band II, C 102, Stand September 2008
vom 5. November 2007 (BGBl. I S. 2558)
(1) 1Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über
(Informationen), die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 unabhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind. 2Der Anspruch nach Satz 1 besteht insoweit, als kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 2 vorliegt.
(2) 1Stelle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist
2Satz 1 gilt im Fall einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes nur, wenn der Gemeinde oder dem Gemeindeverband die Aufgaben nach diesem Gesetz durch Landesrecht übertragen worden sind.
(3) Zu den Stellen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 gehören nicht die obersten Bundes- und Landesbehörden, soweit sie im Rahmen der Gesetzgebung oder beim Erlass von Rechtsverordnungen tätig werden, unabhängige Organe der Finanzkontrolle sowie Gerichte, Justizvollzugsbehörden, Strafverfolgungs- und Disziplinarbehörden und diesen vorgesetzte Dienststellen.
(4) Bestimmungen über den Informationszugang und Informationspflichten aufgrund anderer Gesetze sowie die gesetzlichen Vorschriften über Geheimhaltungspflichten, Amts- und Berufsgeheimnisse bleiben unberührt.
1Der Anspruch nach § 1 besteht wegen
aa) nachteilige Auswirkungen haben kann auf internationale |
Beziehungen oder militärische und sonstige |
sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr oder |
bb) die Vertraulichkeit der Beratung von Behörden berührt oder, |
eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit |
verursachen kann; |
2Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe a gilt § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 und 4 des Informationsfreiheitsgesetzes entsprechend. 3Nicht unter ein in Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c genanntes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis oder eine dort genannte sonstige wettbewerbsrelevante Information fallen Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
(1) 1Die Information wird auf schriftlichen Antrag erteilt. 2Der Antrag muss hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. 3Zuständig ist
4Abweichend von Satz 3 Nr. 1 ist im Fall einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts für die Bescheidung des Antrags die Aufsicht führende Behörde zuständig.
(2) 1Informationspflichtig ist jeweils die nach Maßgabe des Absatzes 1 Satz 3 auch in Verbindung mit Satz 4 zuständige Stelle. 2Diese ist nicht dazu verpflichtet, Informationen, die bei ihr nicht vorhanden sind oder aufgrund von Rechtsvorschriften nicht verfügbar gehalten werden müssen, zu beschaffen.
(3) Der Antrag soll abgelehnt werden,
(4) 1Ein missbräuchlich gestellter Antrag ist abzulehnen. 2Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt.
(5) 1Wenn der Antragsteller sich die begehrten Informationen in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann, kann der Antrag abgelehnt und der Antragsteller auf diese Quellen hingewiesen werden. 2Die Voraussetzungen nach Satz 1 sind insbesondere dann erfüllt, wenn die Stelle den Informationszugang bereits nach § 5 Abs. 1 Satz 2 gewährt.
(1) 1Die nach § 3 Abs. 1 zuständige Behörde gibt Dritten, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang betroffen sind, vor ihrer Entscheidung schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats. 2Die Behörde hat in der Regel von der Betroffenheit einer oder eines Dritten auszugehen, soweit
3Die Behörde entscheidet unter Abwägung der Interessen, wenn der oder die Dritte nicht Stellung nimmt oder die Akteneinsicht ablehnt.
(2) 1Der Antrag ist in der Regel innerhalb einer Frist von einem Monat zu bescheiden. 2Wird dem Antrag stattgegeben, sind Ort, Zeit und Art des Informationszugangs mitzuteilen. 3Im Fall der vollständigen oder teilweisen Ablehnung des Antrags ist mitzuteilen, ob und gegebenenfalls wann der Informationszugang ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist.
(3) 1Soweit eine Beteiligung Dritter im Sinne des Absatzes 1 stattgefunden hat, verlängert sich die Frist des Absatzes 2 auf zwei Monate; der Antragsteller ist hierüber zu unterrichten. 2Die Entscheidung über den Antrag, einschließlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung, ist auch dem oder der Dritten bekannt zu geben. 3Der Informationszugang darf erst erfolgen, wenn die Entscheidung bestandskräftig ist oder zwei Wochen nach Anordnung der sofortigen Vollziehung.
(4) 1Im Fall einer Entscheidung über den Antrag auf Informationszugang findet ein Vorverfahren (§ 68 der Verwaltungsgerichtsordnung) auch dann statt, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erlassen worden ist. 2Widerspruchsbehörde ist die oberste Bundes- oder Landesbehörde.
(5) Bei Anfragen, die von mehr als 20 Personen auf Unterschriftenlisten unterzeichnet oder in Form vervielfältigter Texte eingereicht werden, gelten die §§ 17 und 19 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend.
(1) 1Die informationspflichtige Stelle kann den Informationszugang durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise eröffnen. 2Die informationspflichtige Stelle kann Informationen, zu denen Zugang zu gewähren ist, auch unabhängig von einem Antrag nach § 3 Abs. 1 über das Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher Weise zugänglich machen; § 4 Abs. 1 gilt entsprechend. 3Die Informationen sollen für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich dargestellt werden.
(2) 1Soweit der informationspflichtigen Stelle keine Erkenntnisse über ein im Antrag nach § 3 Abs. 1 konkret bezeichnetes Erzeugnis vorliegen, teilt sie dies dem Antragsteller mit und weist, soweit ihr dies bekannt und möglich ist, auf eine andere Stelle hin, bei der diese Informationen vorhanden sind. 2Sie kann die Anfrage auch an die andere Stelle weiterleiten; in diesem Fall unterrichtet sie den Antragsteller über die Weiterleitung.
(3) 1Die informationspflichtige Stelle ist nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu überprüfen, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. 2Der informationspflichtigen Stelle bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit sind mitzuteilen.
(1) 1Für Amtshandlungen nach diesem Gesetz der Behörden nach § 1 Abs. 2 oder § 3 Abs. 1 Satz 3 auch in Verbindung mit Satz 4 werden vorbehaltlich des Satzes 2 kostendeckende Gebühren und Auslagen erhoben. 2Der Zugang zu Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist kostenfrei.
(2) Die nach Absatz 1 kostenpflichtigen Tatbestände werden durch Landesrecht bestimmt, soweit die Amtshandlungen nicht durch Behörden des Bundes vorgenommen werden.
(3) 1Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührenhöhe zu bestimmen, soweit dieses Gesetz durch Stellen des Bundes ausgeführt wird. 2§ 15 Abs. 2 des Verwaltungskostengesetzes findet keine Anwendung.
vom 5. November 2007 (BGBl. I S. 2558)
Übersicht |
Seite |
|
1. |
Zweck des Gesetzes |
7 |
2. |
Entstehungsgeschichte |
9 |
3. |
Gesetzgebungskompetenzen |
10 |
4. |
Evaluation |
11 |
Ein Gesetzeszweck wird im VIG selbst nicht benannt. Die Gesetzesbegründung führt für das Gesetz verschiedene Gründe an. Zum einen nennt sie als Ziel, das VIG solle ein zentraler Baustein zur Vorbeugung und raschen Eindämmung von Lebensmittelskandalen sein.1
Dabei bleibt offen, wie ein Gesetz, das dem Bürger grundsätzlich freien Zugang zu den bei den Lebensmittelbehörden vorhandenen Informationen über Lebensmittelerzeugnisse einräumt, sog. Skandale in der Lebensmittelbranche2 verhüten oder eindämmen können soll. Kennzeichnend für die Ereignisse um verdorbene Lebensmittel, insbesondere „vergammeltes“ Fleisch, waren kriminelle Energie auf Seiten der Täter und mangelnde Kenntnis von den Vorgängen auf Seiten der Behörden. Sind aber auch den zuständigen Behörden die Tatsachen nicht bekannt, die einen Verstoß gegen die einschlägigen lebens- und futtermittelrechtlichen Bestimmungen begründen oder begründen könnten, kann auch die Herausgabe solcher Informationen an den Bürger nicht gelingen: Was der Behörde selbst nicht bekannt ist, kann sie auch nicht auf Antrag eines Verbrauchers herausgeben. Liegen der Überwachungsbehörde jedoch entsprechende Informationen über einen Rechtsverstoß vor, ist es ihre – regelmäßig wahrgenommene – Pflicht, gegen den für den Rechtsverstoß Verantwortlichen mit dem Instrumentarium des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) vorzugehen. Besteht eine Gefahr für die Verbraucher ist ein sofortiges Handeln der staatlichen Stellen ohnehin Pflicht. Eine „Eindämmung“ des pflichtwidrigen Umgangs mit Lebens- oder Futtermitteln durch das VIG ist also weder nötig noch möglich, angesichts des schwerfälligen Verwaltungsverfahrens nach dem VIG ohnehin auch nicht empfehlenswert.
Weiter soll das VIG laut Begründung der Verbesserung der Verbraucherinformationsrechte dienen.3 Dieses Ziel soll zugleich das bessere Funktionieren der Märkte sicherstellen, weil „im extremen Fall ... Informationsdefizite zum weitgehenden Zusammenbruch von Märkten führen und erhebliche volkswirtschaftliche Schäden zur Folge haben“ können.4 Ein solcher Zweck ist legitim, an der Zielerreichung durch ein Verbraucherinformationsgesetz sind jedoch Zweifel angebracht. Wenn aus Sicht des Gesetzgebers Lücken in der bestehenden Rechtslage zur Verbraucherinformation bestehen, die sogar zu einer Ge?fährdung der Märkte beitragen können, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, jeden Verbraucher über Kennzeichnungspflichten, Qualitätsvorschriften u. Ä. die für eine Kaufentscheidung wichtigen Informationen zukommen zu lassen und nicht zu warten, bis Einzelne diese Informationen mittels schriftlichen Antrages einfordern.
Als ein weiteres Ziel nennt die Gesetzesbegründung das gesteigerte Interesse der Verbraucher an Informationen, welches das VIG mit seinem Informationszugangsanspruch fördere.5 Ein Jahr nach Inkrafttreten des VIG ist allerdings festzustellen: Sollte es ein gesteigertes Interesse geben, drückt es sich jedenfalls nicht in einer entsprechenden Anzahl von Anfragen nach dem VIG aus. Im Land Brandenburg gab es bspw. in diesem Zeitraum lediglich zwei Anfragen von Verbraucherschutzorganisationen und zwei Anfragen von Privatpersonen.
Nach den Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG)6 und dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)7 war auch nicht zu erwarten, dass Hauptnutzer des VIG der Normalbürger sein würde, sondern wie beim UIG und IFG auch Presse und Interessenorganisationen – eben diejenigen, die am deutlichsten nach dem Erlass der Gesetze verlangt hatten.8 Ob es ratsam war, das VIG mit entsprechenden Versprechungen auf den Weg zu geben („Meilenstein der Verbraucherpolitik“, „Durchbruch hin zu mehr Information und Transparenz“, „spürbare Verbesserung der Verbraucherinformation“9) darf bezweifelt werden. Zumal die Verbraucherschutzorganisation foodwatch e. V. in Auswertung ihrer sechsmonatigen Erfahrungen mit dem VIG und den dafür zuständigen Behörden bisher eine negative Bilanz zieht.10 Beim Bürger, für den die Organisation ja tätig wird, dürfte statt der Menge an Informationen lediglich die Politikverdrossenheit zunehmen, wenn solche Gesetzesversprechen in der Praxis nicht eingehalten werden können.
Es kann andererseits nicht behauptet werden, das VIG könne die ihm gestellten Ziele insgesamt nur verfehlen. Für ein Informationszugangsgesetz ist es ein schlicht nicht zu erreichendes Ziel, Rechtsverstöße zu verhindern.11 Das VIG kann aber allein durch seine Existenz zu einem allgemeinen Bewusstseinswandel führen und damit auch zu einer modernen Informationszugangs- und Verbraucherpolitik: Behörden werden ihre bisher restriktiv gehandhabte Informationspolitik aufgeben müssen, wenn ein Anspruch nach dem VIG auf Informationszugang besteht. Die betroffenen Unternehmen wiederum werden sich – noch mehr – bemühen, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Denn sie wissen, dass sie anderenfalls in die öffentliche Kritik geraten, weil Verbraucherschutzorganisationen die über sie erhaltenen Daten öffentlich zugänglich machen.
Die fehlende Festlegung von Zwecken und Zielen im VIG selbst erschwert allerdings die nach dem Gesetz zu treffenden Abwägungs- und Ermessensentscheidungen. Der Antragsteller braucht seine Interessen am Informationszugang nicht darzulegen. Bei der Entscheidung, ob dem Informationszugang öffentliche oder private Belange entgegenstehen, wäre es für die zuständige Behörden hilfreich gewesen, auf im Gesetz genannte Prinzipien zurückgreifen zu können.
Schon im Jahr 2002 wurde infolge der sog. BSE-Krise ein erster Anlauf unternommen, den Verbrauchern ein gesetzlich verankertes Recht auf möglichst umfassende Informationen einzuräumen.12 Der Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung scheiterte jedoch mangels Zustimmung des Bundesrates. Die nach der Bundestagswahl 2005 gebildete große Koalition hielt an der Idee eines Verbraucherinformationsgesetzes im Koalitionsvertrag fest. Zur konkreten Umsetzung kam es jedoch erst im Zuge der sog. Gammelfleischskandale. Als Reaktion auf die pflichtwidrige Verwendung verdorbener Lebensmittel für den menschlichen Verbrauch wurde im Mai 2006 ein Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD zunächst im deutschen Bundestag eingebracht. Diesmal stimmte der Bundesrat der Vorlage zu. Bundespräsident Köhler lehnte im Dezember 2006 jedoch die Ausfertigung wegen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ab. Nach dem erst im Zuge der Föderalismusreform im selben Jahr geschaffenen Durchgriffsverbot des Art. 84 Abs. 1 GG dürfen Gemeinden nur durch Landesgesetze Aufgaben zugewiesen werden, nicht aber durch Bundesgesetze. Die Vorschrift soll die Anwendung des in den Landesverfassungen verankerten strikten Konnexitätsprinzips sicherstellen, wonach das Land Aufgabenübertragungen an die Kommunen nur bei Zahlung der damit verbunden Kosten vornehmen kann. Der Bundespräsident sah dieses Verbot verletzt durch die ursprünglich vorgesehene unmittelbare Verpflichtung der kommunalen Behörden, Anträge nach dem VIG zu prüfen und zu bescheiden. Der Gesetzgeber nahm die Kritik auf und überarbeitete das Gesetz. Die novellierte Fassung wurde als Artikel 1 des „Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Verbraucherinformation“ verabschiedet und trat am 1. 5. 2008 in Kraft.
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