Eoin Colfer
Artemis Fowl
Der Atlantis-Komplex
Roman
Aus dem Englischen
von Claudia Feldmann
L i s t
Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel
Artemis Fowl and the Atlantis Complex
beim Verlag Puffin Books, London.
Wir danken Nikolaus Heidelbach
für die Gestaltung von Vor- und Nachsatz.
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa
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List ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH
ISBN 978-3-8437-0006-1
© 2010 by Eoin Colfer
© der deutschsprachigen Ausgabe
Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011
Alle Rechte vorbehalten.
Satz: Leingärtner, Nabburg
eBook: LVD GmbH, Berlin
Für Ciarán,
auf den viele Rugby-Geschichten warten
Artemis Fowl: So weit, so übel
Es gab einmal einen irischen Jungen, der unbedingt alles wissen wollte, was es zu wissen gab, weshalb er ein Buch nach dem anderen las, bis sein Gehirn vollgestopft war mit Astronomie, Mathematik, Quantenphysik, Liebeslyrik, Kriminaltechnik, Anthropologie und dem Wissen Hunderter weiterer Fachgebiete. Sein Lieblingsbuch jedoch war ein schmaler Band, den er noch nie selbst gelesen hatte. Es war ein altes Buch, aus dem sein Vater ihm oft abends vor dem Einschlafen vorlas. Es hieß Der goldene Hort und handelte von einem habgierigen Jungen, der einen Leprechaun entführt, um an dessen Gold heranzukommen, was ihm jedoch nicht gelingt.
Als der Vater das letzte Wort auf der letzten Seite vorgelesen hatte − es lautete ENDE −, klappte er das alte, in Leder gebundene Buch zu und sagte mit einem Lächeln von oben herab: »Der Junge hatte die richtige Idee. Hätte er besser geplant, er hätte es geschafft.« Was für eine ungewöhnliche Äußerung für einen Vater. Zumindest für einen verantwortungsbewussten Vater. Doch dieser Mann war nicht der typische verantwortungsbewusste Vater − er war schließlich Artemis Fowl senior, der Herrscher über eines der größten Verbrecherimperien der Welt. Und der Sohn war auch kein typischer kleiner Junge, sondern Artemis Fowl der Zweite, der bald selbst ein berüchtigter Verbrecher werden sollte, in der Welt der Menschen wie auch in der des Erdvolks.
Bessere Planung, dachte Artemis junior, während sein Vater ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Hätte er nur ein bisschen besser geplant.
Und dann schlief er ein und träumte von Gold.
Der kleine Artemis wurde älter, doch er dachte noch oft an das alte Buch Der goldene Hort. Er ging sogar so weit, während der Unterrichtszeit in der Schule ein wenig nachzuforschen, und zu seiner Überraschung fand er etliche glaubwürdige Hinweise darauf, dass es das Erdvolk wirklich gab. Diese Studien waren für den Jungen nichts weiter als ein amüsanter Zeitvertreib, bis sein Vater nach einem »Missverständnis« mit der russischen Mafija in der Arktis verschwand, das Fowl’sche Imperium in sich zusammenbrach, und aus allen Ecken Gläubiger hervorkrochen, während die Schuldner auf Nimmerwiedersehen verschwanden.
Jetzt ist es an mir, unser Vermögen wieder aufzubauen und Vater zu finden, dachte Artemis.
Und so holte er den Erdvolk-Ordner wieder heraus. Er würde einen Unterirdischen entführen und ihn nur gegen Gold wieder freigeben.
Nur ein jugendliches Genie kann einen solchen Plan erfolgreich durchführen, erkannte Artemis zu Recht. Jemand, der alt genug ist, um die Grundprinzipien des Handelns zu verstehen, und jung genug, um noch an Magie zu glauben.
Mit Hilfe seines überaus fähigen Leibwächters Butler gelang es dem zwölfjährigen Artemis tatsächlich, ein unterirdisches Wesen zu entführen und es im einbruchssicheren Keller von Fowl Manor gefangen zu halten. Doch dieses Wesen war keine niedere Kreatur, sondern eine Elfe, und noch dazu eine, die erstaunlich menschenähnlich aussah, so dass Artemis das unangenehme Gefühl hatte, ein Mädchen als Geisel genommen zu haben.
Und es gab noch mehr Komplikationen: Diese Unterirdischen, mit denen er es zu tun bekam, waren nicht die albernen Wesen, wie man sie aus Märchenbüchern kennt, sondern hochintelligente, mit allen technischen Schikanen ausgerüstete Mitglieder einer Elitetruppe, genauer gesagt: einer Aufklärungseinheit der Zentralen Untergrund-Polizei, kurz ZUP genannt. Und Artemis hatte ausgerechnet Holly Short entführt, den ersten weiblichen Captain in der Geschichte der ZUP-Aufklärung − eine Tat, mit der er sich bei den gutbewaffneten Unterirdischen nicht gerade beliebt gemacht hatte.
Doch trotz seiner leisen Gewissensbisse und zahlreicher Versuche seitens der ZUP, seinen Plan zu durchkreuzen, war es Artemis gelungen, das Elfengold zu ergattern, und so hatte er im Gegenzug Captain Holly Short freigelassen.
Ende gut, alles gut?
Weit gefehlt.
Kaum hatte sich die Erde vom ersten Zusammenstoß zwischen Erdvolk und Menschenwesen seit Ewigkeiten erholt, entdeckte die ZUP, dass jemand die aufständischen Kobolde mit Akkus für ihre Softnose-Lasergewehre versorgte. Ihr Hauptverdächtiger war − Artemis Fowl. Holly Short schnappte sich den irischen Jungen und verfrachtete ihn zum Verhör nach Haven City. Zu ihrer Überraschung musste sie jedoch feststellen, dass Artemis Fowl ausnahmsweise tatsächlich unschuldig war. Widerwillig verbündeten sich die beiden: Artemis willigte ein, den Zulieferer der Kobolde zu finden, und Holly versprach im Gegenzug, ihm zu helfen, seinen Vater aus den Händen der russischen Mafija zu befreien. Beide hielten sich an die Abmachung, und im Verlauf der Ereignisse wuchsen zwischen ihnen Respekt und Vertrauen, als sie beide entdeckten, dass sie einen recht ähnlichen, bissigen Sinn für Humor hatten.
So war es zumindest bisher gewesen. Allerdings hatte sich in letzter Zeit einiges verändert. In mancherlei Hinsicht ist Artemis immer noch genauso intelligent wie eh und je, doch ein Schatten hat sich über seinen Verstand gebreitet.
Einst sah Artemis Dinge, die niemand sonst sehen konnte, aber jetzt sieht er Dinge, die es gar nicht gibt …
Kapitel 1
Eiskalte Überraschung
Vatnajökull, Island
Der Vatnajökull ist mit seinen über achttausend bläulich weißen Quadratkilometern der größte Gletscher Europas. Außerdem ist er größtenteils unbewohnt und verlassen. Aus diesem Grund und wegen seiner besonderen Lage und Beschaffenheit hatte ihn Artemis Fowl ausgesucht, um dem Erdvolk zu demonstrieren, auf welche Weise er die Erde zu retten beabsichtigte – abgesehen davon hat ein bisschen dramatisches Drumherum einer Präsentation noch nie geschadet.
Eines der wenigen Gebiete am Vatnajökull, in denen tatsächlich so etwas wie Betrieb herrscht, ist das Restaurant »Zur Raubmöwe« am Ufer der Gletscherlagune, das von Mai bis August für Ausflügler und Touristen geöffnet ist. Mit dem Inhaber dieses Etablissements hatte Artemis ein Treffen vereinbart, und zwar am ersten Tag nach Saisonende, am Morgen des 1. September, genauer gesagt: an seinem fünfzehnten Geburtstag.
Artemis steuerte das gemietete Schneemobil über das zerfurchte Ufer der Lagune, in deren schwarzem Wasser riesige, bizarr geformte Eisbrocken trieben. Der Wind heulte wie die johlende Menge in einem Stadion und trieb ihm pfeilscharfe Graupeln in Mund und Nase. Die Gegend war einsam und unbarmherzig, und Artemis wusste, dass eine Verletzung allein in dieser Tundra zu einem schnellen, qualvollen Tod führen würde − oder zumindest zu einer überaus peinlichen Demütigung, falls irgendwelche verspäteten Touristen ihn mit ihren Kameras erwischten. Das war zwar nicht ganz so qualvoll wie ein qualvoller Tod, aber dafür dauerte die Qual länger.
Der Besitzer der »Raubmöwe«, ein stämmiger Isländer, den nicht nur ein Schnauzbart von der Flügelspanne eines ausgewachsenen Kormorans schmückte, sondern der auch auf den unglaublichen Namen Adam Adamsson hörte, stand auf der Veranda des Restaurants, schnippte stumm im Takt einer Melodie mit den Fingern und verfolgte amüsiert Artemis’ mühsame Anreise.
»Erstklassige Vorstellung«, sagte Adamsson zur Begrüßung, als Artemis mit dem Schneemobil gegen die hölzerne Veranda krachte. »Hard-ur mad-ur. Sie sind echt ein harter Kerl. Hab nicht mehr so gelacht, seit mein Hund versucht hat, sein eigenes Spiegelbild zu fressen.«
Artemis lächelte säuerlich und stieg mit einem missmutigen Knurren von dem Schneemobil, steif wie ein Cowboy, dessen Pferd ihm unter dem Sattel weggestorben ist und der den Rest des Wegs auf der breitesten Kuh der Herde zurückgelegt hat. Der alte Mann lachte keckernd. »Jetzt klingen Sie sogar wie mein Hund.«
Ein derart entwürdigender Auftritt entsprach nicht gerade Artemis Fowls Gewohnheit, aber da sein Leibwächter Butler ihn nicht begleitete, hatte er notgedrungen auf die eigenen Fahrkünste zurückgreifen müssen – und die waren so unterentwickelt wie seine sportlichen Fähigkeiten. Einer dieser Klugscheißer aus seiner Klasse in der Saint Bartleby’s School, seines Zeichens der Erbe eines Hotelimperiums, hatte Artemis nur Der-mit-den-zwei-linken-Füßen genannt, weil er sich beim Fußball so ungeschickt anstellte. Artemis hatte sich diesen Spitznamen etwa eine Woche lang angehört, dann hatte er die Hotelkette des jungen Erben aufgekauft. Damit hatte die Lästerei schlagartig ein Ende.
»Ich hoffe, alles ist bereit?«, sagte Artemis und bewegte die Finger in den patentierten Solarhandschuhen. Ihm fiel auf, dass die eine Hand unangenehm warm war. Das Thermostat hatte wohl einen Schlag abbekommen, als er ein paar hundert Meter die Küste hinunter einen Eis-Obelisken geschrammt hatte. Mit den Zähnen zog er das Stromkabel aus dem Handschuh. Schließlich bestand kaum die Gefahr einer Unterkühlung. Die herbstlichen Temperaturen lagen nur knapp unter null.
»Schönen Tag auch«, sagte Adamsson. »Nett, Sie endlich persönlich kennenzulernen, junger Mann. Ich hoffe, Ihre Anreise war nicht zu stürmisch?«
Artemis biss nicht auf den Lass-mich-dein-Freund-sein-Köder an, den Adamsson ihm hinwarf. In seinem Leben war derzeit kein Platz für weitere Freunde, denen er nicht vertraute. »Ich habe nicht vor, um die Hand Ihrer Tochter anzuhalten, Mister Adamsson, Sie brauchen also keinerlei Versuche zu unternehmen, das Eis zu brechen. Alles bereit?«
Adam Adamsson schluckte den nächsten Eisbrecher hinunter, der ihm schon auf der Zunge lag, und nickte ein halbes Dutzend Mal. »Jawohl. Ihre komische Kiste steht hinter dem Haus. Ich habe ein vegetarisches Buffet zusammengestellt und die Tüten mit Pröbchen von Blue Lagoon wie gewünscht organisiert. Ein Tisch ist auch gedeckt, wie Sie es in Ihrer ausgesprochen knappen E-Mail verlangt hatten. Aber von Ihren Gästen ist noch keiner aufgetaucht, und das nach all der Arbeit, die ich mir gemacht habe.«
Artemis holte einen Aktenkoffer aus Aluminium aus dem Gepäckfach des Schneemobils. »Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen, Mister Adamsson. Warum fahren Sie nicht nach Reykjavík und verprassen einen Teil der exorbitanten Summe, die Sie mir für die zweistündige Nutzung Ihres drittklassigen Restaurants in Rechnung gestellt haben? Vielleicht finden Sie ja auch einen einsamen Baumstumpf, dem Sie Ihr Herz ausschütten können.«
Zweistündig. Drittklassig. Zwei plus drei macht fünf. Gut.
Jetzt war es Adamsson, der ein Knurren ausstieß, dass die Spitzen seines gewaltigen Schnauzbarts zitterten. »Kein Grund, sich so aufzuspielen, Mister Fowl. Männer wie wir respektieren einander doch.«
»Ach, wirklich? Vielleicht sollten wir mal die Wale fragen, wie viel Respekt Sie verdienen. Oder die Nerze in der Gegend.«
Adamsson zog eine Grimasse, und sein windgegerbtes Gesicht wurde runzelig wie eine Dörrpflaume. »Schon gut, schon gut, ich habe verstanden. Aber warum wollen Sie mich für alle Verbrechen der Menschheit verantwortlich machen? Ihr Teenager seid doch alle gleich. Mal abwarten, ob eure Generation besser mit dem Planeten umgeht.«
Artemis ließ das Schloss seines Aktenkoffers exakt zwanzigmal auf- und zuschnappen, bevor er das Restaurant betrat. »Eins können Sie mir glauben, wir Teenager sind nicht alle gleich«, sagte er, als er an Adamsson vorbeiging. »Und ich habe die Absicht, einiges besser zu machen.«
Im Restaurant standen mehr als ein Dutzend Tische, alle mit den Stühlen obenauf − bis auf einen, der für fünf Personen gedeckt war, mit einem Leinentuch, in Flaschen abgefülltem Gletscherwasser und an jedem Platz eine Tüte mit Pröbchen von Blue Lagoon.
Fünf, dachte Artemis. Eine gute Zahl. Solide. Verlässlich. Vier mal fünf macht zwanzig.
Vor kurzem hatte Artemis beschlossen, dass die Fünf seine Zahl war. Wenn die Fünf auftauchte, geschah immer etwas Gutes. Der Logiker in ihm wusste, dass das Unsinn war, aber die Tragödien in seinem Leben waren nun mal alle in Jahren passiert, in denen keine Fünf vorkam und die man auch nicht durch fünf teilen konnte: Sein Vater war entführt worden und hatte sein Bein verloren, und Commander Julius Root von der ZUP war von der berüchtigten Wichtelin Opal Koboi ermordet worden. Er selbst war eins fünfundsechzig groß und wog fünfundfünfzig Kilo. Wenn er etwas fünfmal berührte oder ein Mehrfaches davon, dann konnte er sich auf diese Sache verlassen. Eine Tür beispielsweise blieb dann geschlossen, oder ein Andenken beschützte den Eingang, wie es sich gehörte.
Dieser Tag stand unter guten Vorzeichen. Er war jetzt fünfzehn Jahre alt. Dreimal fünf. Und sein Hotelzimmer in Reykjavík hatte die Nummer fünfundvierzig gehabt. Sogar das Schneemobil, mit dem er unbeschadet hierhergekommen war, trug ein Kennzeichen, dessen Zahl durch fünf teilbar war, und hatte obendrein noch einen 50-Kubik-Motor. Alles bestens. Zu dem Treffen waren nur vier Gäste eingeladen, aber zusammen mit ihm machte das fünf. Also kein Grund zur Panik.
Ein Teil von Artemis war entsetzt über diesen neuen Aberglauben, was Zahlen anging.
Reiß dich zusammen. Du bist ein Fowl. Wir verlassen uns nicht auf das Glück − sieh zu, dass du diesen albernen Tick schnell wieder loswirst.
Erneut ließ Artemis das Schloss seines Koffers auf- und zuschnappen, um die Zahlengötter zu besänftigen − zwanzigmal, vier mal fünf −, und er spürte, wie sein Herzschlag sich beruhigte.
Morgen, wenn dieses Projekt erledigt ist, höre ich damit auf.
Er blieb beim Empfangstresen stehen, bis Adamsson mit seinem Motorschlitten hinter einer Schneewehe verschwunden war, die aussah wie das Rückgrat eines Wals, und das Dröhnen des Fahrzeugs nur noch klang wie der Husten eines alten Rauchers. Sehr gut. Jetzt ist Zeit, ein paar Geschäfte zu erledigen.
Artemis stieg die fünf Holzstufen zum Gastraum hinunter – ausgezeichnet, gutes Omen – und ging an einer Reihe von Säulen, die mit Nachbildungen der Stóra-Borg-Maske geschmückt waren, vorbei bis zum Kopfende des gedeckten Tisches. Die Stühle standen so, dass sie auf ihn ausgerichtet waren, und über dem Tisch hing ein leichtes Flirren in der Luft, wie an einem heißen Tag über dem Asphalt.
»Guten Morgen, liebe Freunde«, sagte Artemis auf Gnomisch, um einen selbstbewussten, beinahe jovialen Tonfall bemüht. »Heute ist der Tag, an dem wir die Welt retten werden.«
Das Flirren verstärkte sich, und es begann zu knistern. Neonweiße Lichtblitze zuckten auf, und verschwommen zeichneten sich Gesichter ab, wie Geister in einem Traum. Dann verfestigten sich die Gesichter, und die dazugehörigen Körper wurden sichtbar. Drei kleine Gestalten tauchten auf, wie Kinder. Aber es waren keine Kinder, sondern Repräsentanten des Erdvolks, und unter ihnen waren vielleicht die einzigen Freunde, die Artemis hatte.
»Die Welt retten?«, sagte Captain Holly Short von der ZUP-Aufklärung. »Typisch Artemis Fowl − und das meine ich ironisch, denn die Welt retten ist ja sonst nicht so dein Ding.«
Artemis wusste, er sollte lächeln, doch es gelang ihm nicht. Stattdessen wich er auf Kritik aus, eine Verhaltensweise, die durchaus zu ihm passte und keinen Verdacht wecken würde. »Sie brauchen einen neuen Verstärker, Foaly«, sagte er zu dem Zentauren, der ein wenig ungeschickt auf dem für Menschen gedachten Stuhl balancierte. »Das Flimmern war schon von der Veranda aus zu sehen. Und Sie bezeichnen sich als Technikprofi? Wie alt ist das Modell, das Sie verwenden?«
Foaly stampfte mit dem Huf auf − eine lästige Angewohnheit von ihm und der Grund, weshalb er beim Kartenspielen immer verlor. »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Menschenjunge.«
»Und? Wie alt ist es?«
»Keine Ahnung. Vielleicht vier Jahre.«
»Vier. Na bitte, kein Wunder bei der Zahl.«
Foaly schob die Unterlippe vor. »Was hast du gegen die Zahl, Artemis? Der Verstärker tut’s noch die nächsten hundert Jahre. Vielleicht muss er mal neu eingestellt werden, aber das ist auch alles.«
Holly stand auf und ging zum Kopfende des Tisches. »Müsst ihr zwei denn gleich wieder mit dem Hickhack anfangen? Ist das nach all den Jahren nicht ein bisschen albern? Ihr seid wie zwei Hunde, die ihr Revier markieren.« Sie legte ihre schlanken Finger auf Artemis’ Unterarm. »Lass ihn, Artemis. Du weißt doch, wie sensibel Zentauren sind.«
Artemis konnte ihr nicht in die Augen sehen. In seinem linken Snowboot wippte er zwanzigmal mit den Zehen. »Meinetwegen. Wechseln wir das Thema.«
»Gute Idee«, sagte das dritte unterirdische Wesen im Raum. »Wir sind Ihretwegen extra aus Russland gekommen, Fowl. Wenn wir uns also dem Anlass dieses Treffens zuwenden könnten …«
Commander Raine Vinyáya gefiel es offensichtlich gar nicht, so weit weg von ihrem geliebten Polizeipräsidium zu sein. Sie war seit ein paar Jahren oberste ZUP-Chefin und legte großen Wert darauf, über jede laufende Mission im Bilde zu sein. »Da unten wartet genug Arbeit auf mich, Artemis. Die Wichtel proben den Aufstand und fordern Opal Kobois Freilassung, und wir haben schon wieder eine Fluchkröten-Epidemie. Also seien Sie so gut und kommen Sie zur Sache.«
Artemis nickte. Vinyáya machte keinen Hehl aus ihrer Gereiztheit, und diesem Gefühl konnte man vertrauen − es sei denn, das Ganze war ein Bluff und Commander Vinyáya schwärmte heimlich für ihn. Oder es war ein doppelter Bluff, und sie war wirklich gereizt.
Klingt verrückt, dachte Artemis. Selbst für mich.
Obwohl sie nur knapp einen Meter maß, war Commander Vinyáya eine beeindruckende Persönlichkeit, und Artemis war nicht so leichtsinnig, sie zu unterschätzen. Nach der Zählung des Erdvolks war sie schon fast vierhundert Jahre alt, was jedoch höchstens einem Menschenalter von vierzig Jahren entsprach, und sie war eine auffallende Erscheinung: schlank und blass, mit beweglichen, katzenartigen Pupillen, wie sie bei Elfen bisweilen vorkamen. Doch selbst diese Besonderheit war nicht ihr auffallendstes Merkmal. Raine Vinyáya hatte eine Mähne silbernen Haars, das jeden Lichtstrahl einzufangen schien und wie eine funkelnde Welle um ihre Schultern spielte.
Artemis räusperte sich und wandte seine Aufmerksamkeit dem Projekt zu, oder genauer gesagt, dem Großen Projekt, wie er es im Stillen nannte. Denn letzten Endes war dies der einzige Plan, der zählte.
Holly knuffte ihn leicht in die Schulter. »Du siehst blass aus. Sogar noch blasser als sonst. Alles in Ordnung, Geburtstagskind?«
Nun gelang es Artemis endlich, ihr in die Augen zu sehen − ein blaues und ein braunes, umrahmt von einer hohen Stirn und ein paar kastanienbraunen Ponyfransen, die Holly aus ihrem sonstigen Kurzhaarschnitt hatte herauswachsen lassen.
»Fünfzehn werde ich heute«, murmelte er. »Dreimal fünf. Das ist gut.«
Holly blinzelte.
Artemis Fowl murmelte vor sich hin? Und hatte keinen Kommentar zu ihrer neuen Frisur abgegeben? Normalerweise bemerkte er jede äußerliche Veränderung sofort.
»Äh, ja … wenn du meinst. Wo ist Butler? Auf Erkundungstour im Gelände?«, sagte Holly.
»Nein. Nein, ich habe ihn weggeschickt. Juliet brauchte ihn dringender.«
»Nichts Ernstes, hoffe ich?«
»Nein, nicht wirklich ernst, aber sehr wichtig. Eine Familienangelegenheit. Er verlässt sich wohl ganz darauf, dass du auf mich aufpasst.«
Holly presste die Lippen zusammen, als hätte sie auf etwas Saures gebissen. »Er verlässt sich darauf, dass jemand anders seinen Schützling bewacht? Bist du sicher, dass wir hier über Butler reden?«
»Natürlich. Es ist besser, dass er nicht hier ist. Immer, wenn bei meinen Plänen etwas schiefgeht, ist er in der Nähe. Und es ist wichtig, äußerst wichtig, dass dieses Treffen ohne Störungen und Zwischenfälle abläuft.«
Vor Überraschung klappte Holly buchstäblich die Kinnlade herunter. Es war beinahe zum Lachen. Wenn sie Artemis richtig verstanden hatte, gab er Butler die Schuld am Scheitern einiger Pläne – ausgerechnet seinem treuesten Verbündeten.
»Gut, dann lasst uns anfangen. Wir vier werden das Kind schon schaukeln.«
Das kam von Foaly, der die gefürchtete Zahl ohne jeden Gedanken an die Folgen ausgesprochen hatte.
Vier. Die schlimmste Zahl überhaupt. Die Chinesen hassen die Zahl, weil sie genauso klingt wie ihr Wort für Tod. Doch fast noch schlimmer, als die Zahl auszusprechen, war die Tatsache, dass sich nur vier Personen im Raum befanden. Offenbar hatte Commander Trouble Kelp es nicht geschafft zu kommen. Trotz ihrer langjährigen gegenseitigen Abneigung hätte Artemis den Commander jetzt gerne hier gehabt.
»Wo ist Commander Kelp, Holly? Ich dachte, er wäre heute hier. Wir könnten Schutz gebrauchen.«
Holly stand pfeilgerade aufgerichtet am Tisch, in ihrem blauen Overall mit dem funkelnden Eichelabzeichen auf der Brust. »Trouble … Commander Kelp hat genug im Polizeipräsidium zu tun, aber keine Sorge. Über uns schwebt ein Shuttle mit einem kompletten ZUP-Einsatzkommando – mit Sichtschild natürlich. Nicht einmal ein Schneefuchs könnte sich hier reinschleichen, ohne dass er sich die Schwanzspitze verkohlt.«
Artemis zog seine Handschuhe und die Daunenjacke aus. »Danke, Holly. Deine Umsicht beruhigt mich. Nur aus Neugier: Wie viele Elfen umfasst ein ZUP-Einsatzkommando?«
»Vierzehn«, erwiderte Holly mit hochgezogener Augenbraue.
»Vierzehn. Hmm. Das ist nicht gerade −« Dann eine plötzliche Eingebung. »Und ein Pilot, oder?«
»Vierzehn einschließlich des Piloten. Das genügt, um jede beliebige Menscheneinheit lahmzulegen.«
Einen Moment sah es so aus, als würde Artemis Fowl auf dem Absatz kehrtmachen und vor dem Treffen davonlaufen, das er selbst einberufen hatte. An seinem Hals trat eine Sehne hervor, und sein Zeigefinger tippte auf die hölzerne Stuhllehne.
Schließlich schluckte er einen offenbar ziemlich großen Frosch hinunter und nickte nervös. »Gut. Dann eben vierzehn. Bitte setz dich, Holly. Ich werde euch von dem Projekt erzählen.«
Langsam ließ Holly sich auf einen Stuhl sinken. Sie musterte Artemis forschend, suchte nach der Überheblichkeit, die sonst stets in sein selbstgefälliges Gesicht geschrieben stand. Doch diesmal war davon nichts zu sehen.
Was immer das für ein Projekt sein mag, dachte Holly, es muss etwas Großes sein.
Artemis legte seinen Aktenkoffer auf den Tisch, klappte ihn auf und drehte den Deckel herum, in den ein Bildschirm eingebaut war. Für einen kurzen Moment gewann seine Freude an technischen Spielereien die Oberhand, und er sandte sogar ein verhaltenes Lächeln in Foalys Richtung. Nun ja, die Mundwinkel verzogen sich um immerhin einen Zentimeter.
»Sehen Sie her. Diese kleine Kiste wird Ihnen allen gefallen«, begann er.
Foaly kicherte spöttisch. »Gütige Sterne! Nicht zu glauben − ist das womöglich ein Laptop? Du beschämst uns mit deiner Genialität, Arty.«
Foalys Sarkasmus rief allgemeines Stöhnen hervor.
»Was denn?«, protestierte er. »Das ist ein Laptop. Selbst Menschenwesen können doch nicht erwarten, dass irgendwer sich von einem Laptop beeindrucken lässt.«
»Wie ich Artemis kenne«, sagte Holly, »wird aber gleich etwas Beeindruckendes passieren. Oder etwa nicht?«
»In diesem Fall urteilt selbst«, sagte Artemis und legte seinen Daumen auf einen eingebauten Scanner.
Der Scanner leuchtete auf, prüfte den Daumen und gab mit einem grünen Blinken sein Einverständnis. Ein paar Sekunden passierte gar nichts, dann erklang ein leises Summen, als läge im Innern des Koffers eine zufriedene kleine Katze.
»Ein Motor«, sagte Foaly. »Wirklich toll.«
Plötzlich lösten sich mit einem leichten Knall die metallverstärkten Ecken des Deckels und bohrten sich in die Zimmerdecke. Gleichzeitig entfaltete sich der Bildschirm auf eine Größe von über einem Quadratmeter, samt Lautsprechern an den Seiten.
»Okay, es ist ein großer Bildschirm«, sagte Foaly. »Aber das ist bloß Angeberei. Ein paar V-Goggles hätten es auch getan.«
Artemis drückte auf eine weitere Taste des Koffers, und die Metallecken in der Decke entpuppten sich als Projektoren, deren Datenströme sich in der Mitte des Raumes trafen und ein rotierendes 3-D-Modell der Erde erstehen ließen. Auf dem Bildschirm erschien das Fowl’sche Firmenlogo, umrahmt von mehreren Dateiordnern.
»Ein holographischer Koffer«, sagte Foaly, der es sichtlich genoss, weiterhin offensichtlich unbeeindruckt zu sein. »Die haben wir schon seit Jahren.«
»Das ist kein holographischer Koffer − der Koffer ist vollkommen real«, korrigierte Artemis ihn. »Aber die Bilder, die Sie gleich sehen werden, sind holographisch. Ich habe mir erlaubt, das ZUP-System ein wenig zu verbessern. Der Koffer ist mit diversen Satelliten synchronisiert, und die eingebauten Computer können Echtzeitbilder von Objekten konstruieren, die sich außerhalb der Reichweite der Sensoren befinden.«
»So was habe ich zu Hause«, murmelte der Zentaur. »Für die Spielkonsole meiner Kinder.«
»Und das System verfügt natürlich auch über intelligente interaktive Funktionen, so dass ich auch Modelle von Hand konstruieren oder verändern kann, sofern ich V-Gloves trage«, fuhr Artemis fort.
Foaly zog eine Schmollmiene. »Okay, Menschenjunge. Das ist gut«, sagte er, konnte sich jedoch nicht verkneifen hinzuzufügen: »Für einen Oberirdischen.«
Vinyáyas Pupillen verengten sich im Licht der Projektoren. »Das ist ja alles sehr hübsch, Fowl, aber wir wissen immer noch nicht, was der Zweck dieses Treffens ist.«
Artemis trat in das Hologramm und schob seine Hände in zwei V-Gloves, die über Australien schwebten. Die Handschuhe waren aus einem leicht transparenten, schaumstoffartigen Material. Wieder flackerte der Sensor des Koffers ein paarmal, bevor er sich dazu entschloss, Artemis’ Hände zu akzeptieren. Mit einem leisen Piepen schlossen sich die Handschuhe, deren Fingerspitzen mit einem DigiPointer versehen waren, wie eine zweite Haut um seine Finger.
»Die Erde«, begann er und unterdrückte den Impuls, sein Skript aufzuschlagen und die Wörter zu zählen. Er hatte seinen Vortrag im Kopf.
»Unser Zuhause. Sie nährt uns, und sie schützt uns. Ihre Schwerkraft verhindert, dass wir ins All stürzen und zu einem Eisblock erstarren, bevor wir dann wieder auftauen und von der Sonne verkohlt werden − was aber nebensächlich ist, da wir bis dahin längst erstickt wären.« Artemis legte eine Pause für das Gelächter ein und war überrascht, als keines kam. »Das war ein kleiner Scherz. In einem Ratgeber für Präsentationen habe ich gelesen, dass ein Scherz oft gut geeignet ist, um das Eis zu brechen. Und da hier so viel Eis um uns herum ist, dachte ich, das könnte nicht schaden.«
»Das war ein Scherz?«, sagte Vinyáya. »Ich habe schon Officer für weniger vors Kriegsgericht gestellt.«
»Wenn ich faule Tomaten hätte, würde ich sie werfen«, fügte Foaly hinzu. »Warum beschränkst du dich nicht auf das Wissenschaftliche und überlässt die Scherze Leuten, die sich damit auskennen?«
Artemis runzelte die Stirn. Seine ungeplanten Äußerungen brachten ihn aus dem Konzept. Er wusste nicht einmal mehr, wie viele Wörter seine Präsentation hatte. Falls er mit einem Vielfachen von vier endete, das nicht zugleich auch ein Vielfaches von fünf war, konnte das üble Folgen haben. Vielleicht sollte er noch einmal von vorne beginnen? Aber das wäre Schummelei, außerdem würden die Zahlengötter einfach alles zusammenzählen, und dann wäre er auch nicht besser dran.
Ist das kompliziert, da nicht den Faden zu verlieren. Selbst für ein Genie wie mich.
Doch er würde fortfahren, denn es war äußerst wichtig, dass er sein Großes Projekt heute vorstellte, damit das Produkt umgehend in die Herstellung gehen konnte. Also schob Artemis seine Unsicherheit beiseite und stürzte sich voller Elan in seinen Vortrag, wobei er sich kaum Zeit ließ, Luft zu holen, aus Angst, ihn könnte der Mut verlassen.
»Die größte Bedrohung für die Erde ist der Mensch. Wir rauben dem Planeten nicht nur seine fossilen Brennstoffe, sondern gefährden ihn noch zusätzlich, indem wir mit den Abfallprodukten dieser Brennstoffe erheblich weiter zur globalen Erwärmung beitragen.« Er richtete den DigiPointer an seinem Zeigefinger auf den vergrößerten Bildschirm und öffnete nacheinander mehrere Videodateien. »Die Gletscher der Erde verlieren jedes Jahr zwei Meter ihrer gesamten Eisschicht, und das entspricht allein im Nordpolarmeer einer Fläche von immerhin 1,3 Millionen Quadratkilometern in den letzten dreißig Jahren.« Hinter ihm zeigten die Videos einige der Folgen der globalen Erwärmung.
»Die Erde muss ohne Frage gerettet werden«, sagte Artemis. »Und jetzt endlich ist mir klargeworden, dass es meine Aufgabe ist, sie zu retten. Das ist der Grund, weshalb ich ein Genie bin. Meine wahre raison d’être.«
Vinyáya tippte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »In Haven City gibt es eine ziemlich starke Lobby, die dafür ist, nichts gegen die globale Erwärmung zu unternehmen. Die Oberirdischen werden sich selbst vernichten, und dann können wir uns den Planeten zurückerobern.«
Auf diesen Einwand war Artemis vorbereitet. »Ein naheliegendes Argument, Commander, aber die Erwärmung betrifft ja nicht nur die Menschen, nicht wahr?« Er öffnete noch ein paar Videodateien, und auf dem Bildschirm erschienen abgemagerte Eisbären, die hilflos auf Eisschollen trieben, Elche in Michigan, die von massiven Mückenschwärmen bei lebendigem Leib ausgesaugt wurden, und ausgeblichene Korallenriffe, in denen keine Spur von Leben mehr zu finden war.
»Das Problem betrifft sämtliche Lebewesen auf und unter der Erde.«
Foaly wirkte ziemlich verärgert. »Glaubst du vielleicht, darüber hätten wir noch nicht nachgedacht, Menschenjunge? Was meinst du, womit unsere sämtlichen Wissenschaftler von Haven City bis Atlantis sich beschäftigen? Ehrlich gesagt, finde ich deinen Vortrag ziemlich selbstgefällig.«
Artemis zuckte die Achseln. »Ihre Gefühle zählen dabei nicht, ebenso wenig wie meine. Die Erde muss einfach gerettet werden.«
Holly setzte sich auf. »Sag nicht, du hast die Lösung gefunden.«
»Doch. Doch, ich glaube schon.«
Foaly schnaubte. »Ach, wirklich? Lass mich raten. Die Eisberge einpacken? Oder Linsen in die Atmosphäre schießen, die die Strahlen brechen? Oder wie wär’s mit maßgeschneiderten Wolkenschichten?«
»So absurd, wie es aus Ihrem Mund klingt, ist das gar nicht.« Artemis gab dem Erd-Hologramm mit einer Hand Schwung und ließ es kreisen wie einen Basketball. »Alle diese Lösungen könnten − mit gewissen Modifizierungen − funktionieren. Aber dafür wäre eine ganze Menge staatsübergreifender Zusammenarbeit nötig, und wie wir alle wissen, sind die Regierungen der Menschen nicht sehr gut darin, ihre Spielzeuge mit anderen zu teilen. Mag sein, dass das in fünfzig Jahren anders aussieht, aber dann ist es zu spät.«
Commander Vinyáya war immer stolz auf ihr Gespür für Situationen gewesen, und jetzt rauschten ihre Instinkte so laut wie die Wogen des Pazifiks. Dies war ein historischer Moment. Selbst die Luft war wie aufgeladen. »Nur zu, Oberirdischer«, sagte sie ruhig, aber voller Autorität. »Fahren Sie fort.«
Mit Hilfe der V-Gloves markierte Artemis die eisbedeckten Flächen der Erde und ordnete sie zu einem Rechteck an. »Die Gletscher abzudecken ist eine ausgezeichnete Idee, doch selbst wenn die Topographie so einfach wäre wie hier − ein ebenmäßiges Rechteck −, würde man mehrere Armeen und ein halbes Jahrhundert brauchen, das zu schaffen.«
»Ach, ich weiß nicht«, sagte Foaly. »Eure Holzfäller-Maschinen fräsen sich doch ziemlich fix durch den Regenwald.«
»Wer sich am Rand des Gesetzes bewegt, ist schneller als derjenige, der sich daran hält. Da komme ich ins Spiel.«
Foaly schlug seine Vorderbeine übereinander, was für einen Zentauren auf einem Stuhl nicht einfach ist. »Dann erzähl mal. Ich bin ganz Ohr.«
»Das habe ich vor«, sagte Artemis. »Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich die üblichen Ausrufe des Entsetzens und Unglaubens verkneifen würden, bis ich fertig bin. Ihre ständigen Zwischenbemerkungen sind ausgesprochen lästig und stören mich dauernd beim Zählen der Wörter.«
»Große Götter!«, rief Foaly aus. »Das ist doch nicht zu fassen!«
Raine Vinyáya warf dem Zentauren einen warnenden Blick zu. »Hören Sie auf, sich wie ein Trollbulle zu benehmen, Foaly. Ich bin von weit her gekommen, um mir das hier anzuhören.«
»Soll ich ihn in eins von seinen Nervenzentren zwicken, um ihn ruhigzustellen?«, fragte Holly mit der Andeutung eines Lächelns. »Ich habe einen Spezialkurs belegt und weiß, wie man Zentauren und Menschen außer Gefecht setzt. Nur für den Fall, dass wir es mal brauchen. Mit einem Finger oder meinem soliden Stift kann ich jeden hier im Raum ausschalten.«
Foaly war zu achtzig Prozent sicher, dass Holly bluffte, aber er legte vorsichtshalber trotzdem die Hände über die empfindlichen Stellen hinter seinen Ohren. »Ist ja gut. Ich bin ganz still.«
»Wunderbar. Dann schieß los, Artemis.«
»Danke. Aber behalte deinen Stift in Reichweite, Holly. Ich habe so eine Ahnung, dass meine Ausführungen einiges Erstaunen hervorrufen werden.«
Mit einem Zwinkern klopfte Holly auf ihre Uniformtasche. »2-B-Graphit. Bestens geeignet für einen schnellen Knockout.«
Holly scherzte, aber sie war nicht mit dem Herzen dabei. Artemis spürte, dass sie die flapsigen Bemerkungen nur vorschob. Warum aber war sie so unruhig? Er warf ihr einen verstohlenen Seitenblick zu. Holly hatte die Stirn gerunzelt, und ihre Augen blickten besorgt.
Sie weiß Bescheid, dachte Artemis, aber er hätte nicht sagen können, was sie nun genau wusste. Und sie weiß, dass irgendetwas anders ist, dass die geraden Zahlen sich gegen mich verschworen haben. Zwei mal zwei macht vier Unterirdische, die meinen Plänen Unglück bringen.
Dann ging er seinen letzten Gedanken noch einmal durch, und für einen kurzen Moment wurde ihm bewusst, wie verrückt selbst seine Gedanken klangen, zumal im Raum ja nur drei Unterirdische waren und nicht vier, wie ursprünglich geplant. Panik lauerte wie eine dicke, zusammengerollte Schlange in seinem Magen.
Habe ich etwa einen Gehirntumor?, überlegte er. Das würde die Zwangshandlungen, die Halluzinationen und den Verfolgungswahn erklären. Oder ist es einfach eine Zwangsneurose? Der große Artemis Fowl, Opfer einer verbreiteten psychischen Störung.
Artemis hielt einen Moment inne, um einen alten Hypnosetrick auszuprobieren.
Stell dir vor, Artemis, du bist an einem schönen Ort. Irgendwo, wo selbst du, Artemis, dich glücklich und geborgen fühlst.
Glücklich und geborgen? Das war schon eine Weile her, dass er sich so gefühlt hatte.
In Gedanken wanderte er zurück und fand sich auf einem kleinen Hocker in der Werkstatt seines Großvaters wieder. Sein Großvater sah ein wenig hinterhältiger aus, als Artemis ihn in Erinnerung hatte, und sagte mit einem Zwinkern zu seinem fünfjährigen Enkel: Weißt du, wie viele Beine dieser Hocker hat, Arty? Drei. Nur drei, und das ist keine gute Zahl für dich. Ganz und gar nicht. Drei ist fast so schlimm wie vier, und wir wissen doch alle, wonach vier auf Chinesisch klingt, nicht wahr?
Artemis erschauderte. Diese Krankheit infizierte sogar seine Erinnerungen. Er presste den Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand zusammen, bis die Haut weiß wurde − eine Technik, die er sich selbst beigebracht hatte, um sich zu beruhigen, wenn die Zahlenpanik zu stark wurde, doch der Trick funktionierte immer seltener und in diesem Fall überhaupt nicht, zumal er noch die V-Gloves trug.
Ich verliere noch meine Haltung, dachte er mit stiller Verzweiflung. Die Krankheit wird immer stärker.
Foalys Räuspern riss Artemis aus seinen Gedanken. »Hallo? Menschenjunge? Hier sitzen ein paar wichtige Leute und warten.«
Und Holly fragte: »Ist alles in Ordnung, Artemis? Brauchst du eine Pause?«
Beinahe hätte Artemis gelacht. Eine Pause? Artemis Fowl? Während einer Präsentation? Da könnte er sich genauso gut ein T-Shirt mit der Aufschrift Loser anziehen.
»Nein, mir geht’s gut. Das hier ist ein großes Projekt. Ich will sicher sein, dass meine Präsentation absolut perfekt ist.«
Foaly beugte sich vor, bis sein ohnehin wackeliger Stuhl gefährlich zu kippeln begann. »Du siehst aber nicht so aus, als ob es dir gutginge. Du wirkst eher …« Der Zentaur saugte an seiner Unterlippe, während er nach dem passenden Wort suchte. »Erschöpft. Ja, Artemis, du wirkst erschöpft.«
Etwas Besseres hätte er gar nicht sagen können.
Artemis richtete sich auf. »Ich glaube, Foaly, Ihnen fehlt das Gespür für menschliche Gesichtsausdrücke. Ich bin keineswegs erschöpft. Ich wäge nur jedes Wort ab.«
»Vielleicht solltest du etwas schneller abwägen«, mahnte Holly sanft. »Wir sind hier ziemlich ungeschützt.«
Artemis schloss die Augen, um sich zu sammeln.
Vinyáya trommelte erneut mit den Fingern auf die Tischplatte. »Keine weiteren Verzögerungen, Oberirdischer. Mir kommt langsam der Verdacht, dass Sie uns in einen Ihrer berüchtigten Pläne einspannen wollen.«
»Nein. Dies ist ein echtes Angebot. Bitte hören Sie zu.«
»Das versuche ich ja. Ich habe einen weiten Weg zurückgelegt, um Ihnen zuzuhören. Aber bisher haben Sie nichts anderes getan, als mit Ihrem Koffer anzugeben.«
Artemis hob die Hände auf Schulterhöhe, um die V-Gloves wieder zu aktivieren, und tippte auf den Gletscher.
Dann begann er mit seiner Präsentation.
»Was wir tun müssen, ist, einen erheblichen Teil der Gletscher auf unserem Planeten mit einer reflektierenden Schicht abzudecken, um das Schmelzen aufzuhalten. An den Rändern, wo das Eis schneller schmilzt, müsste die Schicht dicker sein. Und es wäre schön, wenn wir zumindest die größeren Vertiefungen abdichten könnten.«
»In einer perfekten Welt wäre vieles schön«, sagte Foaly und brach damit erneut sein Schweigegelübde. »Meinst du nicht, dass deine Leute ein wenig irritiert wären, wenn plötzlich kleine Wesen in UFOs aus der Erde auftauchten und anfingen, den Garten des Weihnachtsmanns mit Alufolie abzudecken?«
»Ja, das wären sie … wir. Und deshalb muss diese Operation auch unbedingt heimlich durchgeführt werden.«
»Heimlich die Gletscher der Erde abdecken? Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»Das habe ich ja eben. Und ich dachte, wir hätten uns geeinigt, dass Sie schweigen. Diese ständigen Unterbrechungen sind ermüdend.«
Holly zwinkerte Foaly zu und rollte vielsagend den Stift zwischen ihren Fingern.
»Das größte Problem bei der Frage der Abdeckung der Eisflächen war schon immer, wie man die reflektierende Folie auslegen soll«, fuhr Artemis fort. »Die einzige Möglichkeit schien bisher, sie wie einen Teppich auszurollen, entweder von Hand oder mit Hilfe irgendwelcher spezieller Schneemobile.«
»Eine Operation, die kaum geheim bleiben würde«, bemerkte Foaly.
»Genau. Aber was, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, eine reflektierende Schicht aufzubringen? Eine Schicht, die wirklich ganz natürlich wirkt?«
»Du meinst, die Natur zu Hilfe nehmen?«
»Ja, Foaly. Die Natur ist unser Vorbild, warum also nicht dabei bleiben?«
Der Raum schien sich aufzuheizen, während Artemis auf seine große Enthüllung zusteuerte.
»Die menschlichen Wissenschaftler haben schon lange daran gearbeitet, eine solche Folie einerseits möglichst dünn zu machen, um damit arbeiten zu können, und andererseits fest genug, damit sie den Elementen standhält.«
»Idiotisch.«
»Nein, Foaly, nur nicht zu Ende gedacht. Schließlich steht in Ihren eigenen Unterlagen zum Thema −«
»Ja, ich habe das mit der Folie kurz in Erwägung gezogen. Halt mal, woher weißt du, was in meinen Unterlagen steht?«
Das war keine echte Frage. Foaly hatte sich schon lange mit der Tatsache abgefunden, dass Artemis Fowl ein mindestens ebenso ausgefuchster Hacker war wie er selbst.
»Die Grundidee von Ihnen ist doch gut: ein reflektierendes Polymer.«
Nachdenklich kaute Foaly an seinen Fingerknöcheln. »Die Natur. Die Natur zu Hilfe nehmen.«
»Was ist hier das Natürlichste?«, fragte Artemis, um ihm einen kleinen Tipp zu geben.
»Eis«, sagte Holly. »Eis und −«
»Schnee«, flüsterte der Zentaur beinahe ehrfürchtig. »Natürlich! D’Arvit, warum bin ich nicht selbst … Du meinst Schnee, stimmt’s?«
Artemis hob die Hände in den V-Gloves und ließ holographische Schneeflocken auf sie niederrieseln.
»Ja, Schnee«, sagte er, vom Flockengestöber umschwirrt. »Niemand würde sich über Schnee wundern, der fällt.«
Foaly sprang auf. »Vergrößern«, befahl er. »Vergrößern und scharf stellen.«
Artemis tippte eine holographische Schneeflocke an, so dass sie mitten im Raum stehen blieb. Mit ein paar Bewegungen vergrößerte er die unechte Flocke, bis ihre Besonderheit sichtbar wurde: Sie war ebenso perfekt wie ihr echtes Vorbild, aber rund.
»Ein Nanoplättchen«, sagte Foaly und vergaß ausnahmsweise zu verbergen, wie beeindruckt er war. »Ein götterverdammtes Nanoplättchen. Intelligent?«
»Und wie«, bestätigte Artemis. »Intelligent genug, um zu wissen, wo oben ist, wenn es landet, und sich so zu konfigurieren, dass es das Eis isoliert und die Sonne reflektiert, wenn sie scheint.«
»Das heißt, wir füttern die Wolken mit Nanoplättchen?«
»Ja, genau, bis zur Sättigung.«
Foaly trabte durch das holographische Schneegestöber. »Und wenn sie gesättigt sind, kommt alles als Schnee herunter.«
»Natürlich nicht überall gleichmäßig, aber es wird ausreichen. Quasi natürlich.«
»Meinen Respekt, Menschenjunge.«
Artemis lächelte, und für einen Moment war er wieder ganz der Alte. »Das wurde aber auch Zeit.«
Vinyáya unterbrach das wissenschaftliche Geplänkel. »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. Man schießt diese Plättchen in die Wolken, und dann kommen sie mit dem Schnee wieder herunter?«
»Genau. In problematischen Fällen könnten wir sie direkt auf die Oberfläche schießen, aber dann wäre es aus Sicherheitsgründen am besten, wenn die Verteiler mit aktiviertem Sichtschutz oberhalb der Wolkendecke blieben.«
»Und das könnten Sie tun?«
»Wir könnten das gemeinsam tun. Dazu müsste der Rat des Erdvolks allerdings eine ganze Flotte Spezialshuttles sowie eine Kontrollstation genehmigen.«
Holly fiel etwas ein. »Diese Plättchen sehen nicht aus wie richtige Schneeflocken. Früher oder später wird irgendein Oberirdischer mit einem Mikroskop den Unterschied bemerken.«
»Gut erkannt, Holly. Vielleicht sollte ich dich in Sachen Intelligenz nicht mit dem Rest der ZUP in einen Topf werfen.«
»Ich nehme das jetzt mal als Kompliment …«
»Wenn die Plättchen entdeckt werden, was kaum zu verhindern sein wird, werde ich im Internet eine Nachrichtenkampagne loslassen, in der ich sie als Abfallprodukt einer Chemiefabrik in Russland darstelle. Darüber hinaus werde ich erklären, dass dieser Müll ausnahmsweise mal der Umwelt nützt und dass ich bereit bin, ein Programm zur Ausweitung ihrer Produktion zu finanzieren.«
»Schaden die Plättchen der Umwelt?«, fragte Vinyáya.
»Sie sind biologisch vollständig abbaubar.«
Foaly trabte aufgeregt durch das Hologramm und musterte das vergrößerte Plättchen eingehend. »Es klingt gut. Aber ist es das wirklich? Du kannst nicht erwarten, dass das Erdvolk ein solches Projekt mit einem riesigen Budget unterstützt, ohne irgendeinen Beweis zu haben, Artemis. Schließlich könnte dies hier genauso gut eine von deinen Tricksereien sein.«
Artemis öffnete eine Datei auf dem Bildschirm. »Hier ist die komplette Aufstellung meines Vermögens. Ich bin sicher, sie ist korrekt, denn ich habe sie von Ihrem Server, Foaly.«
Foaly machte sich nicht einmal die Mühe zu erröten. »Die Zahlen dürften ungefähr stimmen.«
»Ich bin bereit, alles, was ich habe, in dieses Projekt zu investieren. Das dürfte reichen, um fünf Shuttles für ein paar Jahre in der Luft zu halten. Natürlich werde ich auch etwas daran verdienen, wenn die Plättchen in Produktion gehen. Unterm Strich sollte ich meine Investition wieder herausbekommen, und vielleicht mache ich am Ende sogar noch einen ganz ordentlichen Gewinn.«
Beinahe hätte Foaly sich verschluckt. Artemis Fowl wollte sein ganzes Geld in ein Projekt stecken. Unglaublich.
»Natürlich erwarte ich nicht, dass das Erdvolk mir einfach so vertraut. Schließlich war ich früher« − Artemis räusperte sich − »nicht allzu großzügig mit Informationen.«
Vinyáya lachte kühl. »Nicht allzu großzügig? Das finde ich reichlich untertrieben für einen Entführer und Erpresser, Master Fowl. Ich persönlich glaube Ihnen, was dieses Projekt betrifft, aber nicht jeder im Rat ist Ihnen so wohlgesonnen.«
»Ich akzeptiere Ihre Kritik und Ihre Skepsis, und deshalb habe ich eine kleine Demonstration vorbereitet.«
»Ausgezeichnet«, sagte Foaly voller Eifer. »Natürlich gibt es eine Demonstration. Warum hättest du uns sonst hierherbestellen sollen?«
»Genau.«
»Vielleicht für eine neue Entführung und Erpressung?«, bemerkte Vinyáya mit leisem Spott.
»Das ist lange her«, rief Holly in einem Ton, den sie normalerweise nicht gegenüber einem Vorgesetzten verwendet hätte. »Ich meine … das ist lange her … Commander. Artemis hat sich dem Erdvolk gegenüber als guter Freund erwiesen.«
Sie dachte dabei vor allem an eine gefährliche Situation während des Kobold-Aufstands, als Artemis’ Einsatz ihr selbst und vielen anderen das Leben gerettet hatte.
Auch Vinyáya schien sich an den Kobold-Aufstand zu erinnern. »Also gut, Fowl. Im Zweifel für den Angeklagten. Sie haben zwanzig Minuten, um uns zu überzeugen.«
Artemis klopfte fünfmal auf seine Brusttasche, um sich zu vergewissern, dass sein Handy noch da war.
»Zehn dürften hier wohl ausreichen«, sagte er.
Holly Short war als Unterhändlerin bei Geiselnahmen ausgebildet und merkte, dass ihre Aufmerksamkeit trotz der Bedeutsamkeit der Situation mehr und mehr von den Nanoplättchen zu Artemis’ merkwürdigem Verhalten wanderte. Zwar gab sie im Verlauf der Demonstration gelegentlich einen Kommentar ab, doch die ganze Zeit über hätte sie am liebsten mit ihren Händen Artemis’ Gesicht umfasst und ihn gefragt, was los war.
Ich müsste mich auf einen Stuhl stellen, um an sein Gesicht heranzukommen, wurde ihr plötzlich bewusst. Mein Freund ist fast schon ein richtiger Mann. Ein ausgewachsener Oberirdischer. Vielleicht ringt er mit seinen angeborenen blutrünstigen Neigungen, und der Konflikt treibt ihn in den Wahnsinn.
Holly musterte Artemis eingehend. Er war blass, noch blasser als sonst, fast wie ein Wesen der Nacht. Wie ein Schneewolf zum Beispiel. Die ausgeprägten Wangenknochen und das schmale, dreieckige Gesicht verstärkten diesen Eindruck noch. Und vielleicht lag es am Frost, aber sie meinte, einen grauen Schimmer an seinen Schläfen zu sehen.
Er wirkt alt. Foaly hatte recht: Artemis sieht erschöpft aus.
Dann dieser Tick mit den Zahlen. Und die Berührungen. Artemis’ Finger waren unablässig in Bewegung. Auf den ersten Blick wirkte es wie zufällig, doch aus einer Eingebung heraus zählte Holly die Bewegungen, und bald war das Muster klar. Fünf oder ein Vielfaches von fünf.
D’Arvit, dachte sie. Der Atlantis-Komplex.
Eine schnelle Suche bei Wiccapedia lieferte ihr folgende Kurzbeschreibung:
Atlantis-Komplex: eine Form der Psychose, besonders verbreitet unter Verbrechern, die von Schuldgefühlen geplagt werden; erstmals diagnostiziert durch Dr. E. Dypess von der Gehirnerforschungsklinik in Atlantis. Zu den Symptomen gehören zwanghafte Verhaltensstörungen, Paranoia, Wahnvorstellungen bis hin zur Spaltung der Persönlichkeit in schweren Fällen. Dr. E. Dypess wurde außerdem bekannt durch seinen Hit »Ich bin viele und niemals allein«.
Holly nahm an, dass der letzte Satz wohl dem wiccatypischen Humor zuzuschreiben war.
Foaly war zu dem gleichen Ergebnis gekommen, was Artemis’ Zustand betraf, und schickte ihr eine entsprechende SMS in den Helm, der vor ihr auf dem Tisch lag.
Holly tippte das Visier an, um die Darstellung umzudrehen, und las den Text.
Unser junger Freund hat ’nen Tick. A-K?
Holly aktivierte die virtuelle Tastatur auf dem Visier und tippte unauffällig, damit es niemand mitbekam.
Kann sein. Fünfen? Sie tippte auf Senden.
Ja, Fünfen. Klassisches Symptom.
Zehn Sekunden später: Eine Demonstration! Genial. Ich B Demonstrationen.