Inhalt

Widmung

Wie alles anfing

 

Hast du das gesehen?

Zwei Herren aus Pepper Hill

Vom Millionär zum Tellerwäscher

Hinaus!

Haltet den Dieb!

Im Gefängnis

Humbug!

Eine furchtbare Geschichte

Die drei Geister

Eine Weihnachtsgeschichte

Gaben für die Welt

 

Alle „Baumhaus-Bände“ auf einen Blick

Über die Autorin und die Illustratorin

Weitere Infos

Impressum

 

 

 

 

 

Für Jack
und Cathy Desroches

WIE ALLES ANFING

Eines sonnigen Tages tauchte ein geheimnisvolles Baumhaus im Wald von Pepper Hill in Pennsylvania auf. Die beiden Geschwister Philipp und Anne fanden schnell heraus, dass in diesem Baumhaus Zauberkräfte schlummerten, denn sie konnten damit nicht nur zu allen Orten der Welt reisen, sondern auch kreuz und quer durch die Zeit. Das Baumhaus gehörte der Zauberin Morgan. Sie war Bibliothekarin am Hofe von Camelot, im sagenhaften Königreich des berühmten Königs Artus. In Morgans Auftrag bestanden Philipp und Anne viele Abenteuer. Später dann schickte sie der mächtige Zauberer Merlin mit dem Baumhaus auf neue Reisen. Unterstützt wurden sie dabei von den beiden jungen Zauberlehrlingen Kathrein und Teddy.

Nachdem Anne und Philipp Merlin bewiesen hatten, dass sie Magie und Zauberkraft klug einzusetzen wussten, verlieh er ihnen den Dianthus-Zauberstab. Mithilfe dieses Zauberstabs war es Philipp und Anne gelungen, die vier Geheimnisse des Glücks zu finden, die Merlin geholfen haben, als er in großen Schwierigkeiten steckte.

Nun möchte Merlin, dass Philipp und Anne auch anderen Freude schenken — indem sie vier Künstler finden und ihnen dabei helfen, ihre besondere Begabung der Welt zu offenbaren. Den ersten dreien haben sie bereits geholfen: Wolfgang Amadeus Mozart, Louis Armstrong und Lady Augusta Gregory. Jetzt sind Philipp und Anne bereit, das letzte Wunderkind zu finden …

Hast du das gesehen?

Anne und Philipp kamen gerade vom Fußballtraining und waren auf dem Weg nach Hause. Es war halb fünf am Nachmittag und die Sonne ging schon unter.

„Im November sind die Tage echt kurz“, sagte Philipp.

„Stimmt, aber dafür sieht der Himmel oft richtig schön aus“, erwiderte Anne.

Orangefarbenes Abendrot glühte am Horizont. Plötzlich erstrahlte über dem Wald von Pepper Hill ein helles Licht.

„Wahnsinn!“, rief Philipp. „Hast du das gesehen?!“

„Was denn?“, wollte Anne wissen.

„Ein Lichtstrahl! Wie von einer Sternschnuppe!“

„Über dem Wald?“, bohrte Anne nach.

„Ja, genau!“, sagte Philipp und rannte los.

Gemeinsam sprinteten die beiden den Gehsteig entlang und in den Wald von Pepper Hill. Herabgefallene Blätter raschelten unter ihren Füßen, als sie durch die Schatten der Bäume liefen. Schließlich kamen sie an die höchste Eiche im ganzen Wald. Hoch oben in den Zweigen saß das magische Baumhaus.

Teddy und Kathrein steckten die Köpfe zum Fenster heraus. Im Licht der untergehenden Sonne schienen die beiden jungen Zauberer zu leuchten. Teddy winkte ihnen grinsend zu. Kathreins langes dunkles Haar wehte in einer leichten Brise.

„Hallo!“, rief Teddy.

„Selber hallo!“, rief Anne zurück.

„Kommt hoch!“, lud Kathrein sie ein.

Schnell kletterten Philipp und Anne die Hängeleiter hinauf. Sie stiegen ins Baumhaus und umarmten die beiden Zauberlehrlinge.

„Wir haben euch ja schon ewig nicht mehr gesehen!“, sagte Philipp. „Was habt ihr die ganze Zeit getrieben?“

„Ach, weißt du, noch mehr Zaubersprüche gelernt und sie ausprobiert“, erzählte Teddy. „Zum Beispiel, wie man Frösche in Jungs verwandelt.“

„Und Jungs in Frösche“, ergänzte Kathrein und grinste Teddy an.

„Ja, und ich fand es eigentlich ganz witzig, einen Tag lang mal ein Frosch zu sein“, sagte Teddy.

Philipp und Anne lachten.

„Wir haben euch vermisst!“, meinte Anne.

„Ja, wir euch auch“, sagte Kathrein. „Wir haben uns richtig gefreut, als Merlin uns den Auftrag gegeben hat, euch auf eine neue Reise zu schicken.“

„Sollen wir noch einem großen Künstler dabei helfen, der Welt sein Talent zu schenken?“, riet Philipp.

„Ganz genau“, bestätigte Teddy. „Bisher habt ihr schon Wolfgang Amadeus Mozart, Louis Armstrong und Lady Augusta Gregory geholfen. Diesmal sollt ihr ins England des 19. Jahrhunderts reisen und Charles Dickens unter die Arme greifen.“

„Der Name kommt mir bekannt vor“, meinte Philipp. „Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, woher.“

„Geht mir genauso“, stimmte Anne zu.

„Wenn ihr wiederkommt, wisst ihr bestimmt eine ganze Menge über ihn“, sagte Kathrein. „Bis dahin kann euch das hier weiterhelfen.“ Sie griff in die Falten ihrer Robe und zog ein Buch hervor.

Auf dem Umschlag waren zwei Mädchen zu sehen, die lange Kleider und auf dem Kopf große Hauben trugen. Die Mädchen gingen auf einem Weg zwischen ein paar Bäumen spazieren. Hinter den Bäumen sah man Gebäude mit kleinen Türmchen und hohen Rauchschloten.

„London“, las Philipp erstaunt vor. „Das ist doch die Stadt in England, wo wir William Shakespeare getroffen haben!”

„Stimmt, aber Charles Dickens lebte zweihundert Jahre nach Shakespeare“, erklärte Kathrein. „Nämlich im 19. Jahrhundert, im sogenannten Viktorianischen Zeitalter.“

„Was ist denn das Viktorianische Zeitalter?“, wollte Anne wissen.

„So nennt man die Jahre, in denen Königin Viktoria das britische Königreich regiert hat“, erklärte Teddy.

„Wahnsinn, eine Königin!“, sagte Anne. „Aber, auf dem Buch hier sind Mädchen in langen Reifröcken abgebildet. So einen hab ich auch getragen, als wir Mozart in seiner Zeit besucht haben. Mit diesem Ding konnte man echt schwer rennen und sich bewegen. Kann ich diesmal bitte was anderes anziehen?“

Teddy lachte. „Ja, ich glaube, diesmal können wir dir etwas Bequemeres zum Anziehen organisieren. Aber dann musst du so tun, als wärst du ein Junge.“

„Kein Problem“, antwortete Anne.

„Bekommen wir für diesen Auftrag auch wieder ein magisches Instrument?“, wollte Philipp wissen.

„Aber klar“, sagte Kathrein. „Um Mozart zu helfen, haben wir euch eine Zauberflöte gegeben. Bei Louis Armstrong war es eine magische Trompete und bei Lady Augusta Gregory eine verzauberte irische Pfeife. Habt ihr die noch?“

„Aber ja, wir haben sie hiergelassen“, sagte Anne. Sie holte die Pfeife aus einer Ecke des Baumhauses und gab sie Kathrein.

„Danke.“ Kathrein warf die Pfeife in die Luft. Dort drehte sie sich ein paarmal schnell im Kreis. Ein blauer Blitz erstrahlte. Dann war die Pfeife verschwunden. Stattdessen schwebte am selben Platz nun eine Geige mitsamt einem Bogen. Kathrein griff danach und holte sie herunter.

„Hier habt ihr eine verzauberte Geige, die euch auf eurer Reise helfen soll“, sagte Kathrein.

„Geigenmusik finde ich klasse“, sagte Philipp.

„Umso besser.“ Kathrein lächelte und reichte Philipp Geige und Bogen. „Dann solltest diesmal vielleicht du spielen, während Anne sich ein Lied ausdenkt.“

„Kein Problem!“, sagte Anne. „Und alles, was ich singe, wird wahr, stimmt’s?“

„Ganz genau“, bestätigte Teddy.

„Habt ihr sonst noch Fragen?“, wollte Kathrein wissen.

„Nein“, meinte Anne.

Philipp hatte eigentlich noch Fragen. Aber noch bevor er sie stellen konnte, zeigte Anne auf das Buch.

„Ich wünschte, wir könnten dahin!“

Wind kam auf.

Das Baumhaus fing an sich zu drehen.

Es drehte sich schneller und immer schneller.

Dann war alles wieder still.

Totenstill.

Zwei Herren aus Pepper Hill

Philipp und Anne trugen beide braun-grüne Samtmäntel und dunkle Hosen. Auf ihren Köpfen saßen weite Wollmützen und an ihren Füßen glänzende neue Stiefel. Philipps Rucksack hatte sich in eine grüne Umhängetasche aus Samt mit einer Blechschnalle als Verschluss verwandelt.

„Abgefahrene Klamotten!“, sagte Philipp.

„Na ja, wenigstens trage ich nicht so ein riesiges Kleid wie damals in Wien“, sagte Anne.

„Ja, und diese Stiefel hier sind nicht völlig durchlöchert wie die, die wir in Irland hatten“, stellte Philipp fest.

„Also, wo sind wir hier?“, fragte sich Anne. Sie und Philipp warfen einen Blick aus dem Fenster.

Das Baumhaus war in einer Eiche inmitten einer Reihe großer Bäume gelandet. Dahinter war ein grüner Park mit Gärten und Gehwegen zu sehen.

Neben dem Park verlief eine geschäftige Straße voller Pferdekutschen. Auf die Dächer ringsum, die Gauben und Kirchtürme schien die Herbstsonne. Und aus Hunderten von Schornsteinen erhob sich schwarzer Rauch.

„London sieht toll aus“, sagte Anne. „Also dann los, suchen wir Charles Dickens!“

„Warte mal. Zuerst will ich mir das Buch anschauen“, bremste Philipp sie.

Er schlug im Verzeichnis des Buches nach und fand dort Charles Dickens. Dann blätterte er zu einer Seite mit einem Foto von einem gut aussehenden Mann mit braunen Locken und großen Augen. Philipp las vor:

Charles Dickens wurde 1812 in England geboren. Er zählt zu den bekanntesten Schriftstellern aller Zeiten.

„Aller Zeiten?“, hakte Anne nach. „Dann sollte er ja nicht schwer zu finden sein.“

„Vielleicht ist er im Moment ja noch gar nicht so berühmt“, meinte Philipp. „Wenn er schon Erfolg hätte, dann müssten wir ihm nicht helfen, oder?“

„Gute Frage“, sagte Anne. „Lass uns der Sache auf den Grund gehen!“

„Einverstanden. Aber zuerst solltest du deine Haare verstecken“, sagte Philipp.

„Oh, stimmt. Ich muss ja aussehen wie ein Junge.“ Anne ließ ihre Locken unter der Mütze verschwinden. „Wie sehe ich aus?“

„Gut“, sagte Philipp.