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Vergessen Sie langes Grübeln, hören Sie auf zu hadern und begeben Sie sich in die Hände Ihrer Intuition! Denn Ihr Gehirn weiß mehr, als Sie denken!

Psychotherapeutin Andrea Jolander erklärt, warum spontane Entscheidungen meist die besseren sind und wie wir lernen, unsere Instinkte für uns zu nutzen.

Die Bedienungsanleitung für Ihr Unterbewusstsein.

ANDREA JOLANDER

DENKEN

SIE

JETZT

NICHTS!

Warum wir instinktiv

die besten Entscheidungen

treffen

pfeil-logo_HC-70.tif

Copyright © 2015 by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion: Angelika Lieke

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design

unter Verwendung von shutterstock/ufuk sezgen

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-15688-6

www.heyne.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Unser Unbewusstes – Helfer und Lebensretter

Was Sinne und Instinkt vermögen

Unser Supergedächtnis oder Wer ist Herr im Oberstübchen?

Und was ist mit dem Schweinehund …?

… und mit der Disziplin?

Im Würgegriff der Normen

Wenn normal nicht mehr normal ist

Von Katzen und Selbstgesprächen

Die auf die Normen pfeifen

Was sollen denn die Leute sagen?

Die inneren Archive

Kurzschluss im Unbewussten

Das Licht geht an

Wie entsteht, was uns leitet

Sicherheit, Unsicherheit und Chaos

Zwischendurch ein Ü-Ei

Die dunkle Seite

Fluch und Erlösung

Die zwölfte Fee

Inventur im Archiv

Warum wir so wenig über uns selbst wissen

Dank

Vorwort

Stellen Sie sich Folgendes vor: Ein Freund, eher mit zwei linken Händen ausgestattet, erzählt Ihnen, er habe endlich in seiner Wohnung Bilder aufgehängt. Er sei ja nun nicht so der Held mit dem Hammer, aber letzten Endes habe er es doch geschafft, für alle Bilder den passenden Platz zu finden. »Aber was ganz anderes«, sagt er und hält Ihnen seinen tiefblauen Daumennagel unter die Nase. »Hast du eine Ahnung, was das sein könnte?«

Eine Freundin hatte sich schon lange vorgenommen, endlich einmal etwas für sich zu tun, und hat sich zu einem Step-Aerobic-Kurs angemeldet. Zum Fortgeschrittenenkurs, denn es soll schließlich auch etwas bringen. Eineinhalb Stunden lang ist sie am Abend zuvor ununterbrochen auf den Stepper rauf- und wieder vom Stepper runtergestiegen. »Wie war es denn?«, fragen Sie und bekommen zur Antwort: »Es war schon anstrengend, aber gut. – Aber weißt du, was total doof ist? Da hab ich mich endlich aufgerafft, wieder Sport zu machen, und ausgerechnet jetzt werde ich krank. Seit heute Morgen habe ich entsetzliche Schmerzen in den Waden.«

Sie haben recht. Diese Szenen klingen ausgesprochen unglaubwürdig. Natürlich habe ich sie mir ausgedacht. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass wir, was unseren Körper betrifft, so wenig Ahnung von Ursache und Wirkung haben. Wer es beim Sport übertreibt, kriegt Muskelkater, und der Daumen wird blau, wenn man sich ein paarmal kräftig mit dem Hammer draufgeschlagen hat.

Allerdings sind wir bei körperlichen Beschwerden viel eher bereit zu glauben, dass sie dem anderen Kummer verursachen, als wenn es sich um seelische Nöte handelt. Jemand erzählt beispielsweise, er wache immer mitten in der Nacht davon auf, dass sein linker Fuß sich anfühle, als sei gerade ein Lkw darübergefahren, und er sei damit zum Arzt gegangen. Der habe sofort wissend genickt und der Sache einen sehr langen lateinischen Namen gegeben. Jetzt müsse der Geplagte ein bestimmtes, völlig nebenwirkungsfreies Präparat einnehmen, und wenn er das vergesse, kämen die Beschwerden sofort wieder. Wahrscheinlich würde der Gesprächspartner sagen: »Was es nicht alles gibt!« Aber er würde nicht eine Sekunde daran zweifeln, dass etwas Derartiges wirklich existiert.

Was die Psyche betrifft, sieht es bezüglich der Kenntnis des Prinzips von Ursache und Wirkung allerdings meist eher so aus wie in den nachfolgenden Beispielen:

Eine Freundin, die schon öfter mal Durchhänger hatte, unternimmt einen Selbstmordversuch, und ihr Umfeld fragt sich: Hat sie denn gar nicht an ihre Kinder gedacht?

Ein Politiker, der lange über einen untadeligen Ruf verfügte, gerät plötzlich ins Zwielicht, und anstatt eine überzeugende Erklärung abzugeben, verstrickt er sich immer mehr in Ausreden und Lügen. Warum gibt er sein Fehlverhalten nicht einfach zu?

Wir lesen in der Zeitung von Eltern, die ihr kleines Kind immer wieder quälten und es schließlich verhungern ließen. Wie können Menschen so wenig Mitgefühl besitzen?

Im Fernsehen wird vom Amoklauf eines bislang unauffälligen und scheinbar angepassten jungen Mannes berichtet. Menschen legen am Tatort Blumen nieder und Zettel, auf denen immer wieder die eine Frage steht: Warum?

In einer Psychotherapie lernen Menschen, woran es ganz speziell bei ihnen gelegen hat, dass sie Symptome entwickelt haben, die sie selbst nicht verstehen. Aber darüber hinaus begreifen sie auch viel darüber, wie unser aller Psyche funktioniert, und sie sehen die Welt zukünftig mit anderen Augen. So wie der Absolvent einer Kunstschule einen Baum völlig anders betrachtet als ein normaler Spaziergänger.

Natürlich ist es schön, dass gelungene Psychotherapie so wirksam ist, dass Menschen anschließend gesünder und zufriedener sind und die Krankenkassen damit erwiesenermaßen locker wieder einsparen, was die Behandlung sie gekostet hat. Aber es ist nicht einzusehen, warum man erst nach einer Psychotherapie wissen sollte, warum man tickt, wie man tickt, und warum unsere Umwelt wiederum so ganz anders tickt. Und warum man erst dadurch wieder Zugang zu den Kräften bekommt, die in uns allen vorhanden sind.

Ursprünglich steht uns eigentlich alles zur Verfügung, was uns psychisch gesund und leistungsfähig sein lässt. Wir werden wohl nie in vollem Ausmaß begreifen können, wozu wir wirklich imstande sind. Wichtig ist es aber, zumindest eine Ahnung davon zu bekommen, wie erstaunlich, kreativ und stützend das ist, was den innersten Kern unserer Psyche ausmacht, und wie selbst das, was wir als unverständlich, absurd oder störend empfinden, in Wahrheit mit den inneren Helfern in unserem Gehirn zusammenhängt, die unermüdlich, Tag und Nacht, bei der Arbeit sind, um uns zu stabilisieren und am Leben zu erhalten.

In diesem Buch möchte ich Ihnen etwas von dem vermitteln, was unsere Patienten über sich selbst und über die Welt lernen.

Ich habe in meiner langjährigen Arbeit als Psychotherapeutin immer wieder erlebt, wie allein das Wissen darüber, wie wir funktionieren, Patienten zu einer neuen, liebevolleren Einstellung sich selbst gegenüber verholfen hat. Sie haben begriffen, dass alles, was sie zuvor an sich ablehnten, einen Sinn ergibt und Ausdruck nicht der kränksten, sondern der gesündesten Teile in uns ist. Es ist nicht einzusehen, dass es sozusagen ein Geheimwissen sein sollte und dass man erst psychisch erkranken muss, um etwas davon zu erfahren.

Was Psychologen und Hirnforscher in den letzten Jahrzehnten herausgefunden haben, ist wahrlich revolutionär, denn es stellt alles auf den Kopf, was wir über uns zu wissen glaubten. Wenn etwas unser Weltbild infrage stellt, verunsichert uns das und macht möglicherweise zunächst sogar Angst. In der Tat schrieb der Leser eines Buches, das sich mit Hirnforschung beschäftigt, er habe einer Freundin begeistert davon erzählt, was er an spannenden Erkenntnissen über die gigantische Macht des Unbewussten gewonnen habe. Sie habe geantwortet, er solle sie bloß damit verschonen, ihr mache das alles Angst.

Aber keine Sorge: In dem, was ich Ihnen in diesem Buch aufzeigen möchte, liegt nichts Unheimliches. Angst ist völlig fehl am Platze, hier ist allenfalls Respekt vor uns selbst angesagt.

Ich erinnere mich, dass eine meiner allerersten Patientinnen mir vor vielen Jahren gegen Ende unserer Therapie am Rande eine kleine Episode erzählte.

»Ich wollte mir vor ein paar Tagen etwas zum Anziehen kaufen«, berichtete sie. »Bisher war das meistens eine frustrierende Angelegenheit. Bei jedem einzelnen Teil habe ich mir endlos überlegt: Passt das zu mir? Steht mir das? Dieses Mal bin ich in den Laden, habe diesen Rock gesehen und wusste sofort: Das ist er. Das ist mein Rock.«

Natürlich war die Patientin ursprünglich nicht wegen ihrer Shopping-Probleme zu mir gekommen, nicht einmal deshalb, weil sie generell große Schwierigkeiten gehabt hätte, Entscheidungen zu treffen. Die Rock-Geschichte war lediglich ein Abfallprodukt einer erfolgreichen Therapie. Im Laufe der Behandlung hatte sie gelernt, sich auf ihr Bauchgefühl zu verlassen und es nicht durch ständiges Grübeln infrage zu stellen.

Im ersten Teil des Buches werden wir uns mit diesem Thema befassen, und Sie werden anschließend nicht nur wissen, warum ein gutes Verhältnis zum Unbewussten Zeit beim Shoppen sparen kann, sondern Sie werden generell in Zukunft mehr Hochachtung vor den Teilen Ihres Denkapparats haben, die Sie bisher sträflich unterschätzt haben.

Im zweiten Teil möchte ich Ihnen zeigen, wie wichtig – und wie gesund und sogar lebensverlängernd – es ist, sich selbst nicht gegen den Strich zu bürsten, indem man sich Normen selbst da anpasst, wo niemand es verlangt. Denn sonst entfremden wir uns von dem gesunden Maßstab, den wir alle in uns tragen, dem besagten Bauchgefühl.

Eine wichtige Rolle in der Psychotherapie spielt die Ursachenforschung. Im dritten Teil werden wir uns damit beschäftigen, wie unser Unbewusstes entstanden ist und womit es zusammenhängt, dass unsere frühen Erfahrungen – unsere ganz, ganz frühen Erfahrungen – oft so prägend für unser Leben sind.

Im letzten Teil erfahren Sie, welche Möglichkeiten es schon heute für uns gibt, möglichst früh zu lernen, gesunde innere Impulse zu entwickeln, woher es kommt, dass dieses Wissen so wenig verbreitet ist, und warum Menschen tatsächlich oft erst psychisch erkranken müssen, um zu erfahren, was eigentlich jeder über sich wissen sollte.

Wie meine bisherigen Bücher wendet auch dieses sich in erster Linie an Menschen, die sich bislang in den Bereichen Psychologie, Psychotherapie und Hirnforschung noch nicht allzu ausgiebig getummelt haben. Aber selbst wenn Sie sich mit diesen Themen bereits intensiver befasst haben, ist unter Umständen die eine oder andere interessante neue Erkenntnis für Sie dabei.

Wer allerdings gern Sachbücher liest, die so stringent aufgebaut sind wie eine mathematische Formel, wird mit diesem Buch nicht unbedingt glücklich werden. Ich plaudere gern, mache zwischendurch auch mal einen Umweg oder bleibe an einer interessanten Wegmarke etwas länger stehen. Über zwei Drittel meines Lebens habe ich mich mit dem Unbewussten befasst. Das hinterlässt Spuren. Das Unbewusste hat es nicht so mit dem Strukturierten, es funktioniert eher assoziativ, also nach der Methode »ach, übrigens …«

Wenn Sie dieses Buch am Ende zugeklappt haben, werden Sie besser verstehen, warum die Menschen in Ihrem Umfeld und auch die, von denen Sie nur in der Zeitung lesen, sind, wie sie sind. Vor allem aber werden Sie dem, was Ihr Unbewusstes vermag, in Zukunft mit mehr Respekt begegnen. Und damit auch sich selbst.

Begleiten Sie mich also zunächst auf einen Besuch in Ihr faszinierendstes Körperteil: Ihr Gehirn.

Unser Unbewusstes – Helfer und Lebensretter