»Die Katze kennt ihre Aufgabe in der Menschenwelt sehr genau: sie macht das Alleinsein erträglich, sie verzeiht uns und kann uns so viel lehren: nicht als Kindersatz, nicht als Freundersatz, einfach als Katze.«
Eva Demskis Katzengeschichten zeigen die Katze, wie sie ist: listig, wachsam, hungrig, schmusig, intelligent und immer auf der Hut. Die eigens zu diesem Buch gezeichneten Katzen stellen die »elegante, gutangezogene Gesellschaft« so vor, wie es nur einer kann: Tomi Ungerer.
Katzenbuch
Mit Zeichnungen von Tomi Ungerer
Insel Verlag
Umschlagabbildung und Illustrationen im Innenteil: Tomi Ungerer
Copyright © Tomi Ungerer und Diogenes Verlag AG Zürich
Abdruck mit freundlicher Genehmigung
eBook Insel Verlag Berlin 2012
© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH, Frankfurt am Main 1992
Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Verlagsanstalt GmbH, Frankfurt am Main
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus
eISBN 978-3-458-73435-2
www.insel-verlag.de
Tinos Morgentoilette
Einfach als Katze
Jule
Emma
Das Märchen vom Kater mit der goldenen Pfote
An Lulu
Nathan oder Der verlorene Sohn
Galerie der Katzen
Der Kater leckt sich seine Pfote
Erst seine weiße. Dann die rote
Darauf das linke Hinterbein
Das vierte Bein, das läßt er sein.
Er wäscht die ohren ziemlich gründlich
Denn Katerohren sind empfindlich
Dann putzt er lange seinen Bauch
Und seinen Rücken putzt er auch.
Zur Habhaftmachung seines Schwanzes
Bedarf es eines kleinen Tanzes
Erst links-, dann rechtsherum im Kreis.
Der Schwanz ist rot. Die Spitze weiß.
Nach heftiger Wäsche weiß wie Daunen
Und auch so weich, man kann nur staunen
Nun, voller Unschuld wie ein Schäfchen
Rollt er sich ein und hält ein Schläfchen.
Zwei Stunden später wäscht er sein
Vergessenes rechtes Hinterbein.
Da sagte die Feldmaus zur Stadtmaus: »Ich neide dir die guten Dinge nicht, die du alle Tage essen kannst. Bist du doch eingesperrt und lernst nicht die Freiheit auf den Feldern kennen. Ich will lieber wieder dahin zurückgehen, auch wenn ich hungern muß.« Wir haben Maus und Katze einander ähnlich gemacht. Wenigstens die freiheitsliebende Märchenmaus und die Katzen, die wir beobachten, wie sie sich in den steinernen, ordentlichen Dschungeln, die wir für uns gebaut haben, zurechtfinden.
Ein Bild: An einer Straßenbahnhaltestelle gibt es für die Wartenden nichts zu sehen, das ihnen das Warten verkürzen könnte. Da steht nur ein Wohnblock, unzählige Vierecke die Fenster, ein Raster, an dem nichts den Blick festhält, eine stillstehende Maschine, an der sich nichts bewegt. Doch: Acht Viereckreihen von unten herauf und sechs Vierecke von der Seite her gezählt, findet sich etwas, das die Blicke einfängt, alle Blicke derer, die auf die Bahn warten. Einer nach dem anderen legt den Kopf in den Nacken und schaut auf das einzig Lebendige inmitten Hunderter unbelebter Vierecke: Da ist etwas. Ein Hase? Ein Stofftier? Aber es bewegt sich, träge und anmutig, und ist eine Katze, Stockwerk acht, Appartement sechs, die aus dem Fenster schaut. Was sieht sie? Uns. Kein Anlaß zur Freude. Was sehen wir? Sie. Und es hat sich an der Öde ein bißchen was verändert, oder man empfindet die Öde um so deutlicher, weil etwas sie für kurze Zeit unterbrochen hat. Wie sie da oben wohl lebt, die Stadtmaus mit dem gutgefüllten Kühlschrank und den wenigen Vögeln, die manchmal an der Fassade entlangschweben, eine kurze Unterbrechung des Katzenblicks auf eine Außenwelt, die sie nicht kennt?
Großstadtkatzen leben in Wohnungen, manchmal im Freien. Da überqueren sie die Straßen und sitzen meditierend auf Gartenpfosten, da jammern sie hinter stets verschlossenen Fenstern den unerreichbaren Vögeln nach – sie ziehen unermüdlich Junge in Kellerlöchern und Abbruchhäusern groß und jagen Mäuse und Vögel ohne Unterschied, denn den machen nur die Menschen. Manchmal findet man eine von ihnen verletzt in einem Gebüsch, den Blick vor Angst und Mißtrauen dunkel. Und in den zweifelhaften Asylen der Tierliebe, den stets überfüllten »Heimen« am Stadtrand, sitzen sie dösend in ihren Boxen und hoffen auf nichts mehr, soweit wir fähig sind, in ihren Blicken zu lesen. Manche Menschen hassen sie und nennen sie im gleichen Atemzug mit Ungeziefer (das sind die gleichen Menschen, für die auch Tauben, Glühwürmchen, Nachtfalter und Maulwürfe Ungeziefer sind). Andere, meist alleinstehende Frauen, verfolgen die Abenteuerkatzen mit nimmermüder Liebe, fangen schwangere ein und lassen sie sterilisieren, entmannen die streunenden Stadtkater, suchen Pflegeplätze und vermitteln Asyle und würden am liebsten jede einzelne, die da ihre eigenen Wege durch Tage und Nächte geht, einem geordneten bürgerlichen Leben zuführen. Diesen Frauen muß man wohl dankbar sein, und ihr soziales Gemüt wird nie davon verdunkelt werden, daß die vierfüßigen Ziele ihrer Wohltätigkeit es oft an Dankbarkeit fehlen lassen!
Die Städte wären ärmer ohne jene Tiere, die man »Kulturfolger« nennt – die Katze ist das, was heute Reh und Bussard, Amsel und Steinmarder sind, schon lange. Sie hat sich seit ein paar tausend Jahren mit dem Menschen arrangiert, sicher verwundert über das Maß an Zumutungen, zu dem Menschen sich und anderen gegenüber fähig sind.
Konnte er nicht einen gemütlichen Holzzaun dahin machen? fragt mich der mächtige, rotblonde Kater, der keinen Namen hat und alle paar Tage bei mir zum Essen auftaucht. Er meint den Stacheldrahtzaun, den ein um alles mögliche besorgter Nachbar um seinen Garten gezogen hat.
Ein Zaun stört mich nicht besonders, sagt der Kater, das weißt du ja. Aber dieser ist ausgesprochen unangenehm, und man ruiniert sich den Pelz, wenn man nicht aufpaßt. Ich gebe ihm recht. Wer mag schon Stacheldraht? Später sehe ich den Rotblonden oben auf dem Garagendach in der Sonne sitzen und sich die Pfoten waschen. Er achtet sehr auf sein Äußeres, das tun sie alle, eine elegante, gutangezogene Gesellschaft. Wenn sich eine davon gehenläßt, struppig und trübe wird, kann man sicher sein, daß ihr etwas fehlt. Meist ist es in der Stadt nicht das Futter, da gibt es viele Plätze, die eine große Katzengesellschaft ernähren.
Es ist dir ja selber klar, was sie alles wegwerfen! sagt die ewig eilige Schwarzweiße, die fast immer zur gleichen Zeit, morgens, gleichsam außer Atem im Vorgarten auftaucht, um nachzusehen, ob, wie immer, Futter dasteht. Noch in zehn Jahren würde sie sich nicht darauf verlassen. Sie frißt eilig, aber sie versichert mir, daß sie genügend Ersatzplätze kennt.
Nur Dosen kann ich nicht leiden, sagt sie. Unmengen von gutaussehenden Dosen liegen hinter dem Supermarkt. Aber wie soll man da drankommen? Da braucht man wieder einen von euch.
Es scheint sie zu ärgern, daß sie unsereinen doch braucht, manchmal wenigstens, als letzte Möglichkeit.
Ich gebe zu, sagt sie, als ich das mit der Bauchwunde hatte, warst du ganz praktisch. Aber in ein Auto gehe ich dir trotzdem nie wieder!
Es ist gar nicht einfach, ihnen zu helfen, wenn sie krank sind. Mit dem Sterben verschonen sie uns sowieso meistens und machen sich für ihre letzten Stunden unsichtbar.