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Zum Buch

Die 36-jährige Hope Anderson steht vor unangenehmen Entscheidungen. Sie ist bereits seit sechs Jahren mit ihrem Partner Josh zusammen, weiß aber nicht, ob er wirklich die Liebe ihres Lebens ist. Zusätzlich wurde bei ihrem Vater vor Kurzem eine tödliche Krankheit diagnostiziert, was schwierige Fragen für ihre eigene Zukunft aufwirft. Eine Woche im idyllischen Strandhaus der Familie will Hope dazu nutzen, wieder Klarheit in ihr Leben zu bringen.

Dort, in Sunset Beach, trifft sie den sympathischen Safari-Guide Tru Walls, und plötzlich ist alles anders. Beide verlieben sich Hals über Kopf ineinander, erkennen sich als wahre Seelenverwandte. Aber können sie den zahlreichen familiären Verpflichtungen standhalten, die an ihnen zerren? Sie haben nur wenige Tage des Glücks, bevor Tru nach Simbabwe zurückreisen wird. Und bevor Hope eine Entscheidung für ihr Leben treffen muss.

Zum Autor

Nicholas Sparks, 1965 in Nebraska geboren, lebt in North Carolina. Mit seinen Romanen, die ausnahmslos die Bestsellerlisten eroberten und weltweit in über 50 Sprachen erscheinen, gilt Sparks als einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Mehrere seiner Bestseller wurden erfolgreich verfilmt. Alle seine Bücher sind bei Heyne erschienen.

Große Autorenwebsite auf: www.nicholas-sparks.de

NICHOLAS

SPARKS

WO WIR

UNS FINDEN

ROMAN

Aus dem Amerikanischen

von Astrid Finke

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel EVERY BREATH bei Grand Central Publishing/Hachette Book Group USA, New York

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Copyright © 2018 by Willow Holdings, Inc.

Copyright © 2018 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Lüra – Klemt & Mues GbR

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München, unter Verwendung eines Fotos von Tim Dahl / Alamy Stock Photo

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-22805-7
V007

www.heyne.de

Für Victoria Vodar

Seelenverwandte

Es gibt Geschichten, die geheimnisvolle, unbekannte Ursprünge haben, und andere, die entdeckt werden, die ein Geschenk sind. Eine solche ist diese. An einem kühlen und böigen Tag gegen Ende des Frühlings 2016 fuhr ich nach Sunset Beach, North Carolina, einem Städtchen auf einer von vielen kleinen Inseln zwischen Wilmington und der Grenze zu South Carolina. Ich parkte meinen Pick-up in der Nähe des Piers und wanderte zum Strand hinunter zu einem unbewohnten Naturschutzgebiet, einem Teil von Bird Island. Einheimische hatten mir erzählt, es gebe dort etwas, das ich sehen müsse; vielleicht finde der Ort sogar Eingang in einen meiner Romane. Ich solle Ausschau nach einer amerikanischen Flagge halten. Als ich diese also in der Ferne ausmachte, wusste ich, dass es nicht mehr weit war.

Daraufhin sah ich mich aufmerksam um. Ich suchte nach einem Briefkasten mit der Aufschrift »Seelenverwandte« (Kindred Spirits). Den Briefkasten – montiert auf einen Pfosten aus verwittertem Treibholz nahe einer von Dünengras bewachsenen Düne – gibt es seit 1983, er gehört allen und niemandem. Jeder darf einen Brief oder eine Postkarte dort hinterlegen, und jeder darf lesen, was er in dem Kasten findet. Tausende tun das auch jedes Jahr. Im Laufe der Zeit wurde »Seelenverwandte« zu einem Hort der Hoffnungen und Träume in schriftlicher Form … und immer sind dort Liebesgeschichten zu finden.

Der Strand war leer. Als ich mich dem Briefkasten näherte, entdeckte ich daneben eine Holzbank. Es war der perfekte Rastplatz, ein Ort der Besinnung.

In dem Briefkasten fand ich zwei Postkarten, etliche bereits geöffnete Briefe, ein Rezept für einen Brunswick-Eintopf, ein offenbar auf Deutsch verfasstes Tagebuch und einen dicken braunen DIN-A4-Umschlag. Es gab Stifte und Briefpapier, vermutlich für jeden, der sich angeregt fühlte, den vorhandenen Geschichten seine eigene hinzuzufügen. Ich setzte mich auf die Bank und las die Postkarten und das Rezept, bevor ich mich den Briefen zuwandte. Schon bald fiel mir auf, dass niemand Nachnamen nannte. In manchen Berichten wurden die Handelnden beim Vornamen genannt, in anderen standen nur Anfangsbuchstaben, und einige waren gänzlich anonym gehalten, was ihre mysteriöse Ausstrahlung noch unterstrich.

Anonymität ermöglicht offenbar aufrichtiges Besinnen. Ich las von einer Frau, die nach einem Kampf gegen den Krebs in einem christlichen Buchladen dem Mann ihrer Träume begegnet war, aber befürchtete, nicht gut genug für ihn zu sein. Ich las von einem Kind, das eines Tages Astronaut zu werden hoffte. Es gab einen Text von einem jungen Mann, der vorhatte, seiner Liebsten in einem Heißluftballon einen Antrag zu machen, und einen weiteren von einem, der sich aus Angst vor Zurückweisung nicht traute, seine Nachbarin zum Essen einzuladen. Ein Brief stammte von jemandem, der kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden war und sich nichts sehnlicher wünschte, als sein Leben neu beginnen zu können. Das letzte Schreiben war von einem Mann, dessen Hund Teddy vor nicht langer Zeit eingeschläfert worden war. Er trauerte immer noch, und ich betrachtete das Foto von einem schwarzen Labrador mit freundlichen Augen und ergrauter Schnauze, das mit in dem Umschlag steckte. Der Mann hatte mit A. K. unterschrieben, und ich hoffte unwillkürlich, dass er einen Weg finden werde, die durch Teddys Fehlen entstandene Leere zu füllen.

Inzwischen wehte der Wind stetig, und die Wolken verdunkelten sich. Ein Gewitter war im Anmarsch. Ich legte das Rezept, die Postkarten und die Briefe in den Kasten zurück und überlegte, ob ich den großen braunen Umschlag öffnen sollte. Sein Volumen deutete auf eine beträchtliche Anzahl von Seiten hin, aber ich hatte eigentlich keine Lust, auf dem Rückweg zum Auto nass zu werden. Während ich noch nachdachte, drehte ich den Umschlag um und entdeckte, dass jemand außen auf das Papier geschrieben hatte: Die tollste Geschichte aller Zeiten!

Eine Bitte um Anerkennung? Eine Herausforderung? Vom Verfasser oder von jemandem, der sich mit dem Inhalt befasst hatte? Ich war nicht sicher, aber wie konnte ich da widerstehen?

Ich öffnete die Klappe. In dem Umschlag befanden sich ungefähr zehn Blätter, Kopien von drei Briefen und von einigen Zeichnungen von einem Mann und einer Frau, die sehr ineinander verliebt aussahen. Diese legte ich beiseite und widmete mich der Geschichte. Die erste Zeile ließ mich kurz innehalten.

Am meisten wird das Leben eines Menschen durch die Liebe bestimmt.

Der Ton las sich anders als der in den bisherigen Berichten, er verhieß etwas Besonderes, schien mir. Ich begann zu lesen. Nach einer Seite verwandelte sich Neugier in Interesse, nach einigen weiteren konnte ich den Text nicht mehr aus der Hand legen. In der nächsten halben Stunde lachte ich und spürte gleichzeitig einen Kloß im Hals. Ich kümmerte mich nicht um die fast schon pechschwarzen Wolken. Blitz und Donner hatten bereits das gegenüberliegende Ende der Insel erreicht, als ich staunend die letzten Sätze las.

In dem Moment hätte ich gehen sollen. Ich sah eine Regenwand über die Wellen auf mich zu wandern, aber stattdessen las ich die Geschichte ein zweites Mal. Jetzt konnte ich die Stimmen der Figuren klar und deutlich im Kopf hören. Während ich auch die Briefe las und die Zeichnungen betrachtete, nahm allmählich die Idee Gestalt an, irgendwie den Urheber der Seiten aufzuspüren und ihn darauf anzusprechen, dass man aus seiner Geschichte ein Buch machen könnte.

Allerdings würde es nicht einfach sein, diesen Menschen zu finden. Die meisten Ereignisse hatten sich vor langer Zeit zugetragen, vor einem Vierteljahrhundert, und es wurden keine Namen genannt, nur Anfangsbuchstaben. Selbst in den Briefen waren die Namen vor dem Kopieren geschwärzt worden. Nichts deutete darauf hin, wer der Verfasser oder Zeichner gewesen sein mochte.

Wobei – ein paar Anhaltspunkte gab es doch. In dem Teil, der 1990 spielte, wurde ein Restaurant mit einer Terrasse und einem Kamin erwähnt, den eine angeblich von Blackbeards Schiffen stammende Kanonenkugel zierte. Außerdem kam ein Cottage auf einer Insel vor der Küste North Carolinas vor, und zwar in Laufweite des Restaurants. Und auf den offenbar zuletzt geschriebenen Seiten wurde von Renovierungen an einem Strandhaus auf einer ganz anderen Insel gesprochen. Ich hatte keine Ahnung, ob der Bau inzwischen fertiggestellt war, aber irgendwo würde ich anfangen müssen. Obwohl Jahre vergangen waren, hoffte ich, dass die Zeichnungen mir letztlich halfen, die Beteiligten zu identifizieren. Und natürlich gab es noch den Briefkasten, neben dem ich gerade saß und der eine zentrale Rolle in der Geschichte spielte.

Mittlerweile sah der Himmel geradezu bedrohlich aus. Ich schob die Blätter zurück in den Umschlag, legte ihn in den Kasten und hastete zu meinem Wagen. Ich erreichte ihn gerade noch, bevor der Wolkenbruch alles unter Wasser setzte, und obwohl die Scheibenwischer auf höchster Stufe liefen, konnte ich kaum die Straße erkennen. Ich fuhr nach Hause, kochte mir ein spätes Mittagessen und starrte aus dem Fenster, in Gedanken immer noch bei dem Pärchen, von dem ich gelesen hatte. Abends wusste ich bereits, dass ich zum Briefkasten zurückkehren und den Bericht noch einmal genau durchforsten wollte, doch das Wetter und eine Geschäftsreise hinderten mich fast eine Woche lang daran.

Als ich es endlich schaffte, waren die anderen Briefe, das Rezept und das Tagebuch noch da, der braune Umschlag aber nicht mehr. Ich fragte mich, was wohl damit geschehen war. War ein anderer Besucher ebenso bewegt davon gewesen wie ich und hatte ihn mitgenommen? Oder gab es vielleicht eine Art Verwalter, der den Briefkasten hin und wieder ausmistete? Doch ich fragte mich auch, ob dem Verfasser Bedenken gekommen waren und er den Umschlag selbst wieder abgeholt hatte.

Diese Entwicklung steigerte meinen Wunsch, mit ihm zu reden, sogar noch, allerdings hielten mich Familie und Arbeit einen weiteren Monat auf Trab, sodass ich erst im Juni die Zeit fand, meine Suche zu beginnen. Ich möchte nicht mit den ganzen Einzelheiten langweilen – jedenfalls investierte ich annähernd eine Woche, zahllose Telefonate, Besuche bei mehreren Handelskammern und Landratsämtern, in denen Baugenehmigungen registriert waren, und Hunderte von Kilometern im Auto. Da der erste Teil der Geschichte Jahrzehnte her war, gab es einige der Orientierungspunkte schon längst nicht mehr. Es gelang mir immerhin, den Standort des damaligen Restaurants ausfindig zu machen – nun ein schickes Fischlokal mit weißen Tischdecken –, und von dort aus unternahm ich Erkundungstouren, um ein Gefühl für die Gegend zu bekommen. Im Anschluss folgte ich der Spur der Baugenehmigungen, suchte eine Insel nach der anderen auf und hörte eines Tages bei einer meiner vielen Strandwanderungen ein Hämmern und Bohren – keine Seltenheit bei den von Salz und Witterung angegriffenen Häusern an der Küste. Als ich aber einen älteren Mann auf einer von der Düne zum Strand hinunterführenden Rampe arbeiten sah, durchfuhr mich ein Ruck. Ich erinnerte mich an die Zeichnungen und ahnte selbst aus einiger Entfernung, dass ich eine Figur der Geschichte gefunden hatte.

Ich ging auf ihn zu und stellte mich vor. Von Nahem war ich mir noch sicherer, dass er es war. Ich bemerkte an ihm die stille Eindringlichkeit, von der ich gelesen hatte, und genau die aufmerksamen blauen Augen, von denen in einem der Briefe die Rede war. Zudem schätzte ich ihn auf Ende sechzig, also passte auch sein Alter. Nach etwas Small Talk fragte ich ihn unumwunden, ob er die Geschichte geschrieben habe, die ich im Briefkasten gefunden hatte. Daraufhin wandte er bedächtig das Gesicht dem Meer zu und schwieg für viele Sekunden. Als er mich wieder ansah, sagte er, er werde meine Frage am Nachmittag des nächsten Tages beantworten, aber nur, wenn ich bereit sei, ihm bei seiner Arbeit zur Hand zu gehen.

Am nächsten Morgen erschien ich mit einem Werkzeugkasten, der sich schnell als überflüssig erwies. Denn der Mann ließ mich Sperrholzplatten, Kanthölzer und druckimprägnierte Balken vom Haus über die Düne zum Strand schleppen. Der Stapel an Material war riesig, und durch das anstrengende Gehen im Sand erschien mir jede Ladung doppelt so schwer. Ich brauchte fast den ganzen Tag, und abgesehen von Anweisungen, wo ich das Holz abzulegen hatte, sprach der Mann nicht mit mir. Den ganzen Tag lang bohrte und nagelte und rackerte er unter der sengenden Frühsommersonne, mehr an der Qualität seiner Arbeit als an meiner Anwesenheit interessiert.

Kurz nachdem ich die letzte Ladung an den Strand getragen hatte, bedeutete er mir, mich auf die Düne zu setzen, und öffnete eine Kühlbox. Aus einer Thermoskanne goss er zwei Plastikbecher voll mit Eistee.

»Ja«, sagte er schließlich. »Das habe ich geschrieben.«

»Ist die Geschichte denn wahr?«

Er blinzelte, als wollte er mich einschätzen.

»Manches davon ja«, räumte er ein. Er sprach mit dem Akzent, der in der Geschichte beschrieben worden war. »Der ein oder andere mag die Tatsachen bestreiten, aber bei Erinnerungen geht es eben nicht immer um Tatsachen.«

Ich erklärte ihm, dass ich glaube, die Geschichte könne ein faszinierendes Buch ergeben, und setzte zu einer leidenschaftlichen Argumentation an. Wortlos und mit undurchdringlicher Miene lauschte er mir. Aus unerfindlichen Gründen war ich nervös, versuchte beinahe verzweifelt, ihn zu überzeugen. Nachdem ich geendet hatte, entstand eine unbehagliche Stille, während der er meinen Vorschlag abzuwägen schien. Schließlich sprach er. Er sei bereit, die Idee zu besprechen und vielleicht sogar meiner Bitte nachzugeben, allerdings nur unter der Bedingung, dass er das Manuskript als Erster lesen dürfe. Sollte es ihm nicht gefallen, dürfe ich es nicht veröffentlichen. Ich wand mich. Einen Roman zu schreiben bedeutet monatelange, wenn nicht gar jahrelange Anstrengung – doch er ließ nicht locker. Am Ende willigte ich ein. Um ehrlich zu sein, konnte ich seinen Wunsch nachvollziehen. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich dasselbe verlangt.

Daraufhin gingen wir in das Haus. Ich stellte Fragen und bekam Antworten. Erneut erhielt ich eine Kopie der Schilderung und durfte mir die originalen Zeichnungen und Briefe ansehen, die die Vergangenheit noch lebendiger machten.

Der Mann erzählte die Geschichte weiter und sparte sich sogar das Beste bis zum Schluss auf. Gegen Abend zeigte er mir ein mit Liebe zusammengestelltes Erinnerungsstück, durch das ich mir die Ereignisse so detailliert und klar vorstellen konnte, als wäre ich selbst Zeuge gewesen. Ich sah sogar nach und nach schon die Worte vor mir, wie sie auf dem Papier erscheinen würden, so als schriebe die Geschichte sich selbst und meine Rolle bestünde lediglich darin, sie auf Papier festzuhalten.

Bevor ich ging, bat er mich noch, keine echten Namen zu verwenden. Er hatte nicht den Wunsch, berühmt zu werden, da er ein eher zurückhaltender Mensch war. Vor allem aber wusste er, dass die Geschichte alte und neue Wunden aufreißen konnte. Einige Beteiligte lebten noch, und mancher wäre vielleicht aufgebracht oder bestürzt über die Enthüllungen. Dieser Bitte habe ich entsprochen, weil die Geschichte meiner Ansicht nach eine höhere Bedeutung besaß.

Bald nach jenem ersten gemeinsamen Abend begann ich mit der Arbeit an dem Roman. Wann immer ich im folgenden Jahr Fragen hatte, rief ich den Mann an oder fuhr vorbei. Ich besichtigte die Schauplätze, zumindest diejenigen, die noch existierten. Ich durchsuchte Zeitungsarchive und prüfte mehr als fünfundzwanzig Jahre alte Fotos. Um mehr Details ausarbeiten zu können, verbrachte ich eine Woche in einer Pension in einem Küstenstädtchen im Osten North Carolinas und flog sogar nach Afrika. Mein Glück war, dass die Zeit in beiden Gegenden langsamer voranzuschreiten scheint; es gab Augenblicke, in denen ich das Gefühl hatte, tatsächlich tief in die Vergangenheit gereist zu sein.

Mein Aufenthalt in Simbabwe war besonders hilfreich. In diesem Land war ich noch nie gewesen, und ich war überwältigt von der spektakulären Tierwelt. Früher einmal wurde Simbabwe die Kornkammer Afrikas genannt, aber zur Zeit meines Besuchs war, hauptsächlich aus politischen Gründen, ein Großteil der landwirtschaftlichen Infrastruktur verfallen, und die Ökonomie war zusammengebrochen. Ich lief an baufälligen Bauernhäusern und brachliegenden Äckern vorbei und konnte mir nur vorstellen, wie grün das Land einst, als die Geschichte begann, gewesen war. Außerdem verbrachte ich drei Wochen auf verschiedenen Safaris, wo ich alles um mich herum aufsaugte. Ich unterhielt mich mit Guides und Fahrern, informierte mich über ihre Ausbildung und ihren Alltag. Ich begriff, wie schwierig es für sie sein musste, ein Familienleben zu haben, da sie den Großteil ihrer Zeit im Busch verbringen. Ich muss gestehen, dass ich Afrika extrem verführerisch fand. Seit diesen Reisen habe ich oft den Drang gespürt zurückzukehren, und das werde ich auch bestimmt bald tun.

Trotz all dieser Recherche bleibt weiterhin vieles im Ungewissen. Siebenundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit, und ein längst vergangenes Gespräch zwischen zwei Menschen im Wortlaut zu rekonstruieren ist unmöglich. Unmöglich, jeden Schritt eines Menschen exakt nachzuvollziehen oder die Konstellation der Wolken am Himmel oder den Rhythmus der ans Ufer schlagenden Wellen. Was ich sagen kann, ist, dass der folgende Text angesichts dieser Einschränkungen das Beste ist, was ich hervorzubringen vermochte. Da ich zum Schutz der Privatsphäre der Beteiligten noch weitere Änderungen vorgenommen habe, kann ich dieses Buch guten Gewissens als Roman bezeichnen und nicht als Tatsachenbericht.

Seine Entstehung gehört zu den unvergesslichsten Erfahrungen meines Lebens. In mancherlei Hinsicht hat es meine Einstellung zur Liebe verändert. Ich vermute, dass die meisten Menschen hin und wieder überlegen: »Was, wenn ich meinem Herzen gefolgt wäre?«, und die wahre Antwort darauf wird man nie erfahren. Denn ein Leben ist ja letzten Endes eine Abfolge kleiner Leben, von einem Tag nach dem anderen, und jeder einzelne Tag verlangt Entscheidungen und hat Konsequenzen. Stück für Stück formen diese den Menschen, der man wird.

Wenn es um Liebe geht, wird es immer Zweifler geben. Sich zu verlieben ist der einfache Teil; die Gefühle trotz der unterschiedlichen Herausforderungen des Lebens dauerhaft zu gestalten bleibt für viele ein schwer zu erfüllender Traum. Aber wenn Sie diese Geschichte mit dem gleichen Staunen lesen, das ich beim Schreiben empfand, dann wird Ihr Glaube an die unheimlichen Kräfte, die die Liebe auf das Leben von Menschen ausüben kann, vielleicht wieder gestärkt. Möglicherweise machen Sie sich sogar eines Tages selbst auf den Weg zum Briefkasten »Seelenverwandte«, mit einer eigenen Geschichte … einer, die die Macht besitzt, das Leben eines anderen auf eine Art und Weise zu verändern, die Sie nie für möglich gehalten hätten.

Nicholas Sparks, 2. September 2017

Teil 1