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2. überarbeitete Auflage
© 2021 Helmut Woll
Bild im Cover : Lutz Bolimius
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN:978-3-7534-3721-7

1.Auflage 1994 über Oldembourg Verlag, München erschienen

INHALTSVERZEICHNIS

  1. Die Frage nach dem Menschen: Viktor E. Frankl und Jeanne Hersch
  2. Arbeitsteilung und Sympathie: Adam Smith
  3. Die schöpferischen Kräfte: Friedrich List
  4. Das entfremdete Proletariat: Karl Marx
  5. Egoismus und Nutzenmaximierung: William S. Jevons
  6. Geschichte und Institutionen: Gustav Schmoller
  7. Der Geist im Wirtschaftsleben: Werner Sombart
  8. Der dynamische Unternehmer: Joseph Schumpeter
  9. Der technische Mensch: Heinricht Hardensett
  10. Spekulation und Kunst: John M. Keynes
  11. Der ganzheitliche Kulturmensch: Eduard Spranger
  12. Homo culturalis: Stephan Panther/ Hans G. Nutzinger
  13. Das Konzept der sittlichen Persönlichkeit: Wilhelm Röpke und Friedrich Schlieper
  14. Berufsbildung als Kern der Persönlichkeitsentwicklung: Michael Brater
  15. Arbeitendes Denken und innere Freiheit: Karl Jaspers
  16. Der dispositive Faktor: Erich Gutenberg
  17. Dass ganzheitliche Management: Hans Ulrich und Arnold Meyer-Faje
  18. Das informationstheoretische Argument: Hubert L. Dreyfus
  19. Homo digitalis: Frank Schirrmacher
  20. Psychologie und Ökonomie: Günter Schmölders
  21. Frauen- und Männerbild in der Arbeitswissenschaft: Getraude Krell
  22. Das Prinzip Verantwortung: Hans Jonas
  23. Homo sustinens: Bernd Siebenhüner
  24. Die konstruktivistische Kognitionstheorie: Humberto R. Maturana
  25. Die Grenzen der Freiheit: James Buchanan
  26. Humankapital und Individualität: Rudolf Goldscheid
  27. Kommunikation und ethische Vernunft: Peter Ulrich
  28. Homo Oeconomicus und evolutionäre Ökonomik: Gebhard Kirchgässner
  29. Liberaler Paternalismus: Richard H. Thaler
  30. Freiheit, die wir meinen

VORWORT

Das vorliegende Buch will die verschiedenen Menschenbilder in der Ökonomie herausarbeiten. Dabei wird ein umfassendes Menschenbild zugrunde gelegt. Auf dieser Basis werden die verschiedenen Ansätze charakterisiert und differenziert. Die einzelnen Ansätze werden möglichst objektiv dargestellt und auf ihre Stimmigkeit hin befragt.

Es geht natürlich um die Klassiker der Ökonomie mit den klassischen Hypothesen, um Eigennutz und Altruismus, um Entfremdung und Wahlmöglichkeiten, um Gewinnorientierung und das ökonomische Prinzip. Adam Smith, Karl Marx, Jevons, Schmoller, Sombart, Schumpeter, Keynes, Gutenberg und Buchanan werden eingehend zu ihrem Menschenbild befragt.

Aber auch ökologische Ansätze und technikaffine Positionen dürfen nicht fehlen. Es geht also um den homo oeconomicus, den homo technicus, homo digitalis und den homo sustinens. Es geht um Unternehmer und Verbraucher. Die Freiheitshypothese und die Grenzen der Freiheit sowie die Wirtschaftsethik und die Sachgerechtigkeit rücken damit ins Zentrum der Analyse.

Adam Smith hat das Menschenbild der Ökonomie grundlegend geprägt. Der Eigennutz führe zum Wohlstand aller. Diese Metapher bildet den Ausgangspunkt für eine bis heute andauernde Kontroverse: Wie ist der Satz gemeint? Wäre es nicht besser, den Begriff des Eigennutzes durch den Begriff des Selbstinteresses zu ersetzen? Bildet der Markt wirklich das gerechte Koordinierungsinstrument? Karl Marx hat die englische Klassik fundamental kritisiert, sie verschleiere nur die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Aber konnte denn Marx auf ein positives Menschenbild zurückgreifen, oder verblieb er in einer zynischen Kritik? Friedrich List hat ihm ein historisches Menschenbild entgegengesetzt. Die aufkommende Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts hat die ökonomische Theorie und ihr Verständnis vom Menschen einem totalen Wandel unterzogen. Das gleiche gilt für die Globalisierung und Digitalisierung. Heute müssen wir über die Ökonomie neu nachdenken. Es werden Wachstumsgrenzen am Horizont sichtbar und unübersehbar. Zukunft und Herkunft müssen neu verbunden werden. „Daß es so nicht weitergehen kann, haben zuerst die Ökologen eindrucksvoll herausgerufen und es mit einigem Erfolg uns ins Bewußtsein geschärft. Das Limit-Diktum ließe sich übersetzen ins Politische, Sittliche und gewiß auch Sozialökonomische. Die Grenzen der Freiheit und der Erlaubnis scheinen im Angerichteten deutlich hervorzutreten.“ (Botho Strauß)

Die klassische Frage der Ökonomie nach der Überwindung der Knappheit bleibt weiterhin bestehen. Wie können wir Hunger und Elend weltweit überwinden? Damit stellt sich auch die Frage nach der Wirtschaftsethik, nach Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Um diese Probleme angemessen zu interpretieren, sind wir auf grundlegende Kenntnisse der Dogmengeschichte der Ökonomie angewiesen. Viele glauben darauf verzichten zu können, oder sie instrumentalisieren die Theorie für politische Zwecke. Hier wird versucht, die Theorie mit einem spezifischen Blick zu verstehen. So stehen die Menschenbilder der Ökonomie im Vordergrund.

Es handelt sich hier um die zweite, erweiterte und verbesserte Auflage der ‚Menschenbilder in der Ökonomie‘ aus dem Oldenbourg Verlag, 1994. Die einzelnen Kapitel wurden besser strukturiert. Es kamen neue Themen hinzu: homo culturalis, homo technicus und homo digitalis. Auch wird die Humankapitaltheorie eingehend behandelt. Das grundlegende Konzept hat sich bewährt und wurde beibehalten. Es wurden einige größere Kapitel in kleinere Abschnitte aufgeteilt.

Ich danke Peter Schlefsky für die Hilfe bei der Manuskripterstellung.

Bremen, Mai 2021

Helmut Woll

1. DIE FRAGE NACH DEM MENSCHEN: VIKTOR E. FRANKL UND JEANNE HERSCH

Unser Denken über den Menschen ist eine wichtige Voraussetzung für unser soziales Leben. Das Wesen des Menschen hat vor allem die Gelehrten des 20. Jahrhunderts interessiert (vgl. Buber 1982, Frankl 1979, Jaspers 1951, Scheler 1955). Eng verbunden mit dieser Frage ist die Beurteilung der menschlichen Freiheit und die Frage nach der Wahrheit (Fromm 1977, Heidegger 1978). Kann der Mensch als freies Wesen wissenschaftlich bestimmt werden? (Steiner 1987) Worin besteht die Freiheit? Lässt sich Freiheit nicht nur denken, sondern auch verwirklichen?

Die Ökonomie gilt als das Reich der Notwendigkeit. Als Ausgangspunkt für ein gelungenes Leben. Gibt es nur so viel Freiheit wie die Ökonomie zulässt? Hier werden zentrale Fragen berührt: Was heißt überhaupt Ökonomie? Wie denkt die Ökonomie über das Menschsein?

Die Frage des Menschseins wurde nicht in der Ökonomie, sondern u.a. in der Höhenpsychologie und Existenzphilosophie gestellt. Sie können uns Anhaltspunkte geben über die Befindlichkeit des Denkens bezogen auf den Menschen.

Der Höhenpsychologe Viktor E. Frankl (1905 bis 1997; vgl. hierzu: Bresser 1986) hat versucht, ein umfassendes Menschenverständnis für die heutige Zeit herauszuarbeiten. Sein theoretischer Ansatzpunkt ist die allgemeine Orientierungslosigkeit und Sinnkrise. Der Mensch soll sich nach Frankl nach oben orientieren, in die Höhe, nach sinnvollen Ideen. Um dies erreichen zu können, muss sich der Mensch seiner ganzheitlichen Daseinsweise bewusst werden. Er ist kein Konsumwesen, welches nur seine körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen braucht, sondern hat drei Dimensionen: Körper – Seele – Geist.

Alle drei Dimensionen gehören zum Menschsein und bedürfen einer Beachtung und auch einer Hierarchie. Menschsein heißt nicht, nur Leib und Seele oder Leib und Psyche zu besitzen, Vielmehr sind auch die schöpferischen Fähigkeiten Wesenselemente des Menschen.

Frankl unterscheidet drei Erfahrungsbereiche des Menschen: Körper - Seele - Geist. Der Körper ist Inhalt unserer äußeren Anschauung des Individuums. Jeder Mensch hat einen je spezifischen Körperbau. Dieser ist einmalig. Die innere Seite des Menschen benennt Frankl mit dem Begriff der Seele. Der Mensch fühlt, denkt, hat Vorstellungen und Erinnerungen. Während der Körper sich wissenschaftlich relativ leicht begreifen lässt, ist die Seele schwerer erfassbar. „Diese Inhalte der inneren Anschauung, also alle seelischen Zustände und Vorgänge, lassen sich nicht messen oder exakt bestimmen, sondern nur qualitativ vergleichend oder unterscheidend präzisieren. Der zusammenfassende Ausdruck Seele umgreift das Ganze dieser Innenvorgänge, so wie der zusammenfassende Ausdruck Körper das Ganze der äußeren Erscheinung umgreift.“ (Bresser 1986, S.235) Körper und Seele sind eng miteinander verbunden und treten in Wechselwirkungen miteinander ein.

Der Geist bildet einen besonderen Bereich. Aus ihm fließen die schöpferischen Leistungen des Menschen: Literatur, Musik, Recht, Philosophie, Religion usw. „Anschaulich und erfahrbar wird das, was wir mit dem Begriff Geist bezeichnen, nicht unmittelbar in der äußeren und inneren Anschauung – wie Körperliches einerseits und Seelisches andererseits –, sondern erst in den gedanklichen und gestalterischen Schöpfungen, die wir als Werke und Leistungen unserer Kultur in der äußeren Anschauung verwirklicht sehen und zugleich mit den Erlebnisqualitäten eines Kunst-, Sinn- und Wertverständnisses als Ausdruck von Menschlichkeit und Größe aufzufassen vermögen.“ (Bresser 1986, S.236)

Der Mensch wird Mensch durch seine freien geistigen Leistungen. Sie überhöhen die Eigengesetzlichkeiten der körperlichen Abhängigkeiten und können die Dynamik seelischer Konfliktspannungen durchbrechen. „Der Mensch als moralisches Wesen ist ein Geschöpf mit geistiger Dimension. Der Mensch, dem wir Würde zusprechen, ist das über die niedere Natur hinausgewachsene geistige Wesen. Der Mensch kann den Anspruch auf Freiheit nur erheben, wenn er sich als geistiges Wesen versteht und wenn er generell den Menschen für fähig hält, sich über seine – in erster Linie auf Selbsterhaltung ausgerichtete – Natur hinauszuheben und eine das Zusammenleben immer auch bereichernde Kultur auszubauen.“ (Bresser 1986, S.237) Der Mensch ist also eine Art Doppelexistenz, Teil der Natur und eigenständiger Schöpfer, d.h. Kulturmensch. Die Kultur findet ihren Niederschlag in den kulturellen Werkschöpfungen und in den menschlichen Werten wie Verantwortung, Tugend, Kultur des Herzens etc. Die schöpferischen Taten beruhen immer auf der Leistung des Einzelnen.

Während wir körperlich gebundene Wesen sind, gibt es eine Offenheit des Geistes. Sie ermöglicht Menschlichkeit und Verantwortung. „Wenn wir die Rückkoppelung des Geistes im Innenraum der Seele mit dem Auge unserer inneren Anschauung zu lokalisieren suchen, dann stellen sich als Bereiche des Werterlebens, als 'Organe' für Menschlichkeit und Verantwortung, am ehesten jene Kristallisationspunkte einer seelischen Tiefendimension dar, die wir Gemüt oder Gewissen nennen.“ (Bresser 1986, S.239). Aufgrund seiner schöpferischen Fähigkeit ist der Mensch nach Frankl in der Lage, sich über seine niederen Anlagen hinwegzusetzen. Die 'Trotzmacht des Geistes' ermöglicht den Menschen, sogar inhumane Zustände in einer Art inneren Emigration in Würde zu überleben. Der Mensch braucht nach Frankl geistige Höhenflüge, um die Zukunft human zu gestalten.

Zusammenfassend kann das Menschenbild von Viktor E. Frankl wie folgt charakterisiert werden:

1) Der Mensch hat als Einzelwesen drei Dimensionen/ Erfahrungsbereiche: Körper, Seele, Geist.

2) Es gibt für uns eine Selbstverständlichkeit des Körpers. Er hat individuelle Merkmale und unterliegt biologischen Gesetzen. Der Körper ist Inhalt unserer äußeren Anschauung des Menschen und naturwissenschaftlich exakt bestimmbar.

3) Im Menschen existiert ein Erfahrungsbereich der inneren Anschauung: Fühlen, Denken, Vorstellen, Erinnern. Der Begriff Seele umfasst alle inneren Regungen: Sie sind nicht messbar, nur erfahrbar, qualitativ.

4) Körper und Seele sind untrennbar zusammengehörig.

5) Mit den Begriffen Körper und Seele sind nicht alle Erfahrungsbereiche vollständig erfasst. Werke der Kunst und des Geisteslebens sind Äußerungen des menschlichen Geistes.

6) Erfahrbar wird der Geist erst in den gedanklichen und gestalterischen Schöpfungen, die wir verwirklicht sehen – und welche wir mit den Erlebnisqualitäten eines Kunst-, Sinn- und Wertverständnisses als Ausdruck von Menschlichkeit und Größe aufzufassen vermögen.

7) Durch die geistigen Leistungen kann sich der Mensch über körperliche und seelische Grenzen hinwegsetzen.

8) Der Mensch kann den Anspruch auf Freiheit nur erheben, wenn er sich als geistiges Wesen versteht: Kultur des Herzens.

9) Das geistig-schöpferische Geschehen, die Wurzeln der Menschlichkeit sind unserem forschenden Blick nicht zugänglich.

10) Alle geistigen und schöpferischen Möglichkeiten bauen auf der eigenen Kraft des Individuums.

11) Die Rückkopplung des Geistes im Innenraum der Seele vollzieht eine innere Anschauung und bildet ein Verantwortungsbewusstsein.

12) Höhenpsychologie = Sinnfindung und Wertorientierung. Die bisherige Psychotherapie hat uns der geistigen Wirklichkeit des Menschen zu wenig ansichtig werden lassen.

13) Die Logotherapie will dem Einzelnen helfen, seine spezifische Aufgabe und seine eigenen Ideen zu finden und zu verwirklichen.

14) Körperliche Krankheit kann auch begriffen werden als ein Teil der Mangelhaftigkeit des menschlichen Lebens, mit der wir in besonderer Weise vor die existenzielle Sinnfrage gestellt werden.

Der Oldenburger Philosoph und Begründer des Existenzialismus, Karl Jaspers (1883 bis 1969), hat ebenfalls sein Lebenswerk der Frage nach dem Menschsein, nach dem Wesen und dem Ursprung der menschlichen Existenz gewidmet. Sein Menschenbild beruht auf der philosophischen Tradition der Aufklärung, auf Immanuel Kant.

Jaspers beschäftigt sich mit seinem emphatischen Wahrheitsbegriff nicht nur mit klassischen philosophischen Fragen, sondern er bemüht sich vor allem auch, politische Fragen aus der Perspektive des Menschseins zu begründen. Seine Schriften zur Schuldfrage der Deutschen am Naziterror, zur Verjährungsfrage, zur Atombombe, zur Wiedervereinigung sind ausgezeichnete Beispiele seiner Auffassung von Theoriebildung. Der Philosoph ist hier nicht weltabgewandt, aber auch kein Politiker oder praktischer Ökonom. Seine theoretischen Beiträge wollen nicht direkt eingreifen, aber als Gedankendurchdringung dienen, die der heutige Mensch quasi im Hinterkopf behalten soll. Der Philosoph möchte dem Politiker oder Ökonom mit seiner Denkungsart zugegen sein.

Theorie in diesem Sinne verhilft der praktischen Urteilskraft und Urteilsfähigkeit. „Aber man nutze die philosophische Denkungsart als Licht, mit dem in konkreter Situation über die wesentlichen Dinge die Orientierung besser gelingt. Die Motivationen werden heller, die Realitäten klarer. Philosophie denkt auf die höchsten Möglichkeiten hin, möchte das Gemeine überwältigen, möchte das Wesenlose des Betriebes durchdringen.“ (Jaspers 1990, S.14)

In diesem Sinne hat die Schrift von Karl Jaspers zur deutschen Wiedervereinigung aus dem Jahre 1960 und seine Schrift zur Atombombe (1958) sehr viel Klarheit geschaffen und realpolitisch erstaunlicherweise sehr viel bewirkt. Die deutsche Ostpolitik der 1970er-Jahre und die Anti-AKW-Bewegung haben hier entscheidende Denkanstöße erhalten. Beide Schriften beruhen auf einem sehr emphatischen Menschenbild und auf einem klaren Bekenntnis zum Humanismus und zur Freiheit des Menschen. Was heißt nun nach der Existenzphilosophie Jaspers'scher Prägung Menschsein?

Das Menschsein ist für Jaspers nicht ein abstraktes Postulat, sondern steht immer in der Welt. Er stellt also die Frage nach dem Menschsein unter der Bedingung der Bedrohung durch die Technik oder durch die Gefahr für die Freiheit durch Dogmatismus und Fanatismus. Das Menschsein muss also immer neu gedacht werden und sich quasi auch bewähren. Ohne Mühe, ohne Opfer, ohne wahrhaftige Gedankenarbeit gibt es auch keinen Sinn für die menschliche Existenz. Der Mensch ist nach Jaspers (vgl. 1951) nicht erschöpfbar im Gewusstsein, er entzieht sich der gegenständlichen Wissbarkeit, er ist Freiheit. „Aber der Mensch kann sich seiner selbst bewußt werden vor aller Natur im Ursprung seiner Herkunft, quer zur Geschichte in der Ewigkeit – und er wird sich dann gewiß, als Produkt der Natur und Geschichte nicht erschöpft zu sein. Der Mensch ist mehr, als er von sich wissen kann.“ (Jaspers 1951, S.25)

Aus diesem Grund unterscheidet Jaspers „das Wissen vom Menschen als Gegenstand, der ins Unendliche in seinem Objektwerden erforschbar ist, und dem Innewerden des Menschen im Umgreifenden, das wir sind und sein können auf dem unendlichen Wege unserer Freiheit“. (Jaspers 1951, S.25)

Der Mensch ist nach Jaspers nicht nur ein natürliches Gattungswesen, er ist nicht nur endlos, sondern auch unendlich, unfassbar. Versteht man nur den Menschen als Gegenstand ohne seine freiheitlichen, transzendenten Dimensionen, wird er planbar und beherrschbar.

Der Mensch hat sich in der Vorstellung der Existenzphilosophie nicht selbst erschaffen, er ist kein Selbstschöpfer aus dem Nichts. Wir sind in der Welt durch etwas, das wir nicht sind. „Wir sind nicht frei durch uns selbst, sondern im Grunde der Freiheit durch das, worin wir uns geschenkt werden.“ (Jaspers 1951, S.27) Der Mensch existiert nur bezogen auf eine Transzendenz, wir sind uns daher selbst nie genug, sind uns nie das ausschließliche Ziel. Der Mensch ist also mehr, wie er nun einmal ist. Dies eröffnet die Möglichkeit zur Freiheit; die Umkehr zum Guten, aber auch das Scheitern. Der Mensch ist nicht nur Naturnotwendigkeit, die Geschichte vollzieht sich nicht nur in Sachzwängen, sondern kann durch die menschliche Freiheit geprägt werden, wenn er sie ergreift. „Der Mensch findet sich bestimmt in seiner konkreten Umwelt, in seinem Volk, in der Menschheit, im Erdleben, im Weltall. Während er sich seiner Endlichkeit bewußt wird, gewinnt er im Endlichen Teil an der Unendlichkeit. Er ist das einzige Wesen, das umfassend auf alles gerichtet ist und das in seiner verschwimmenden Winzigkeit alles, was ist, auf irgendeine Weise sich zur Gegenwärtigkeit bringen kann. Er vermag seine Endlichkeit zu überschreiten, indem er sie ins Unendliche hinein mit neuen Inhalten erfüllt.“ (Jaspers 1951, S.29)

Daraus ergibt sich für Jaspers die Hoffnung für die Zukunft: Nichts ist abgeschlossen, der Prozess bleibt offen. Die Zukunft kommt nicht kausalnotwendig, sondern liegt in unserer Hand. Jaspers betont in diesem Zusammenhang die große Bedeutung der kleinen freien Handlungen. Er appelliert an unseren unbedingten Willen. Daraus ergibt sich die Hoffnung für unsere Existenz und unsere Weiterexistenz. „Gelingt uns die Vergewisserung des Menschseins im umgreifenden Rahmen seiner Möglichkeiten, so können wir nie endgültig am Menschen verzweifeln.“ (Jaspers 1951, S.30)

Die Philosophin und Karl-Jaspers-Schülerin Jeanne Hersch (1910 bis 2000) hat versucht, in einem philosophischen Essay den Begriff des Menschseins zu ergänzen. Sie spricht von der Hoffnung, ein Mensch zu sein. Sie wendet sich gegen die These, ein Mensch zu sein, sei in der heutigen Gesellschaft unmöglich. Sie argumentiert für die Hoffnung, eine Qualität, die der Mensch nie verlieren kann.

Menschsein heißt für Hersch nicht, wie es einige Ökonomen annehmen, das Streben nach Glück oder Wohlstand, sondern dass der Mensch seine Bedingtheit und sein Menschsein erkennt. Es geht nicht um die Abschaffung der Mühe oder des Opfers. Dies hält sie für unrealistisch und auch unmenschlich. Es geht nicht um Perfektion und Optimalität. „Man neigt heute dazu, alles als wertlos zu verwerfen, solange nicht optimale Bedingungen verwirklicht sind. Das ist unsinnig: Wäre nämlich all das verwirklicht, was das Menschwerden begünstigt, so stünden wir am Ende der Geschichte. Und das Ende der Geschichte wäre auch das Ende des Menschen, denn sein Menschsein fußt in seiner Freiheit, und Freiheit existiert nicht, wo ein Endzustand, wo Vollkommenheit erreicht worden ist. Das ist etwas, das selten begriffen wird: Die Hoffnung, Mensch zu sein, besteht nur dort, wo alles noch unfertig, wo nichts vollkommen, nichts an sein Ende gekommen ist.“ (Hersch 1991, S.64) Menschsein heißt in diesem Verständnis auch, mit dem Ungenügen zu leben.

Es geht also nach Hersch nicht um optimale Planung, da der Mensch sich meist im Planen verliert und sein Ziel aufgibt. Es tritt ein oft beobachteter Sinnenverlust ein, der die Qualität des Lebens entscheidend beeinträchtigt.

Natürlich ist Jeanne Hersch für die ökonomischen und sozialen Verbesserungen, vor allem in den Entwicklungsländern. Das Menschsein wird zerstört, wenn Hunger und Elend herrschen. Eine zweite Methode, das Menschsein zu zerstören, ist die Planung des Glücks, die Befriedigung aller Bedürfnisse. „Produktion und Verbrauch werden so programmiert, daß die Menschen auch in ihren Konsumbedürfnissen manipuliert und eingeplant sind. Nicht mehr die Menschen, sondern die Maschinen, die alles regeln, bestimmen die Geschichte.“ (Hersch 1991, S.65)

Die Zerstörung des Menschen geschieht durch Hunger, Analphabetismus und durch Überkonsum. Das anarchistische Paradies, das heute einige Ökonomen (z.B. Buchanan) als Utopie hinstellen, ist für Hersch von vornherein unrealistisch. „Als positive Theorie sind sie nicht ernst zu nehmen, aber als Symptom eines Unglücksgefühls sind sie es um so mehr, und darin muß man ihnen Verständnis entgegenbringen.“ (Hersch 1991, S.66)

Die Qualität des Lebens in der Industriegesellschaft hängt nach Hersch von der Produktion und der Konsumtion ab. Wir können sie durch die Qualität unserer Bedürfnisse beeinflussen. Dies ist in einem hohen Maße eine Frage der Erziehung. Man hat vergessen, dass auch in der Ökonomie soziale Beziehungen existieren und nicht nur monetäre Geschäfte. „Mir scheint, man habe den Sinn für den lebendigen Austausch in der Gesellschaft vergessen, den Sinn für die gegenseitige Arbeit. Man weiß nicht mehr, daß Arbeitszeit nur mit Arbeitszeit bezahlt wird, und mit nichts anderem. Würde man sich dessen wieder erinnern, dann würde auch diese starre Konsumwelt wieder verlebendigt, denn sie ist von menschlicher Zeit, von menschlicher Arbeit und Kraft durchdrungen.“ (Hersch 1991, S.69)

Um Mensch zu sein, muss man nach der Autorin die Gegebenheiten des Menschen annehmen. Dazu gehören seine körperliche Gebundenheit, seine Freiheit und Vernunft. Tod und Leiden gehören zur menschlichen Bedingtheit, Abschaffung des Leidens heißt auch Abschaffung des Menschen. „Zur Hoffnung, Mensch zu werden, gehört, wie gesagt, ein Minimum an materieller Sicherheit, und mehr und mehr Gerechtigkeit in dieser materiellen Sicherheit. Mehr und mehr – es gibt da keine Grenze.“ (Hersch 1991, S.70)

Der materielle Wohlstand ist notwendig für das Menschsein, jedoch kein Garant. Sehr viele humane Leistungen wurden in elenden Verhältnissen vollbracht. Das kann aber nicht heißen, dass wir die Katastrophe brauchen, um Mensch zu werden. Im Gegenteil: Die Vernunft soll uns vor der Katastrophe retten.

Zum Menschsein gehört nach Hersch, Jaspers und Frankl der Sinn, der Mensch braucht positive Ziele. Wir brauchen etwas Einfaches in uns. Hersch nennt dies eine Substanz. Sie ist der Garant für das Zerstörerische durch die Leere. „Der Mensch kann nur dann die Hoffnung haben, Mensch zu sein, wenn er etwas in sich weiß, das jenseits der Vernunft ist, das zur Freiheit selbst gehört.“ (Hersch 1991, S.71) Hersch nennt dies ein „inneres Freiheitsorgan“. Es macht den Menschen zum Menschen. Der Mensch besitzt in sich ein Organ für Freiheit und Hoffnung; nur dadurch können wir Menschen werden. Es ermöglicht dem Menschen, das Unmögliche zu wagen und zu tun. Dadurch gewinnt er seine Existenz und Würde.

Die Menschenbilder der Höhenpsychologie und des Existenzialismus sind humanistische Gedankenarbeiten des 20. Jahrhunderts. Mit Beginn der Aufklärung haben sich unzählige Wissenschaftler und Philosophen um ein vom Menschen erarbeitetes Menschenbild bemüht. Im Mittelalter war das Menschenbild Ergebnis der religiösen Offenbarung. Die Aufklärung forderte die Ablösung von der Religion, forderte menschliche Verhältnisse. Sie will den Menschen auf die eigenen Füße stellen (Kant). Durch Wissenschaft und Vernunft soll eine humane Entwicklung der Menschheit verwirklicht werden. Dies impliziert eine Ablösung vom Offenbarungsglauben, ein Entlassen des Menschen in die Freiheit. Der Mensch will freie Konsumwahl, Produzentensouveränität, politische Freiheit und Erkenntnisfreiheit.

Die Aufklärung entwickelte die These, dass der Mensch ein Mensch werde durch Arbeit (Hegel). Resultat der Arbeit ist die Ökonomie. Mit der Aufklärung bildet sich also sowohl ein Arbeits- als auch ein Ökonomiebegriff heraus. Beide benötigten eine Ausarbeitung des Begriffes vom Menschen. Wir beginnen unsere Analyse mit dem Vater der Ökonomie und seinem Menschenbild. Was heißt Ökonomie und Menschsein bei Adam Smith?

Literatur

Bresser, Paul Heinrich, Körper-Seele-Geist, in: Elisabeth Lukas, Von der Trotzmacht des Geistes, Freiburg 1986

Buber, Martin, Das Problem des Menschen, Heidelberg 1982

Frankl, Viktor E., Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, München 1979

Frankl, Viktor.E., Ärztliche Seelsorge. Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse, 10. Aufl., Wien 1982

Fromm, Erich, Die Furcht vor der Freiheit, Ffm 1977

Heidegger, Martin, Wegmarken, 2. Aufl., Ffm 1978, vor allem: Vom Wesen der Wahrheit (1930) und: Brief über den Humanismus (1946)

Hersch, Jeanne, Die Hoffnung, Mensch zu sein, 6. Aufl., Zürich 1991

Jaspers, Karl, Über Bedingungen und Möglichkeiten eines neuen Humanismus, München 1951

Jaspers, Karl, Die Atombombe und die Zukunft des Menschen, München 1958

Jaspers, Karl, Was ist Philosophie? 3. Aufl., München 1983

Jaspers, Karl, Freiheit und Wiedervereinigung, 2. Aufl., München 1990

Steiner, Rudolf, Die Philosophie der Freiheit (1894), 15. Aufl., Dornach 1987

Scheler, Max, Zur Idee des Menschen, Gesammelte Werke, Bd. 3, Bern 1955

2. ARBEITSTEILUNG UND SYMPATHIE: ADAM SMITH

Der schottische Moralphilosoph Adam Smith (1723 bis 1790) gilt als Vater der ökonomischen Theorie. Seine beiden Hauptwerke „An Inqiury into the Nature and Causes oft he Wealth of Nations“ (1776; im Folgenden abgekürzt: „Wealth of Nations“) und „The Theory of Moral Sentiments“ (1759) bilden zwar eine theoretische Einheit, aber „The Teory of Moral Sentiments“ sind das eigentliche Anliegen von Adam Smith (vgl. Woll 1987, S.63ff.). Dieses Werk hat er vor „The Wealth of Nations“ geschrieben und mehrfach bis zu seinem Tode überarbeitet. Es wurde zunächst viel beachtet, aber in unserer heutigen Zeit wird Smith meist mit „The Wealth of Nations“ identifiziert (vgl. Meyer-Faje 1991). Smith's geistiger Hintergrund ist die schottische Moralphilosophie von Francis Hutcheson und er ist geprägt von der Lehre David Humes (Hume 1739). „Hutcheson war ein Freigeist, unkonventionell, streitbar und standhaft.“ (Kurz 1991, S.13) Er trat für bürgerliche und religiöse Freiheit ein. Er wehrte sich gegen die vorherrschende religiöse Meinung. Durch seinen Frankreichaufenthalt im Jahre 1765 kam Smith auch mit der französischen Aufklärungsphilosophie (Voltaire) in Berührung. Er war sehr stark geprägt von der damaligen religiösen Strömung des optimistischen Deismus (zur Biografie von Smith siehe Eckstein, in: Smith 1985, S. XI ff.).

In „The Wealth of Nations“ grenzt sich Smith vom Menschenbild des Arztes und Philosophen Bernhard Mandeville (1670 bis 1733) ab. Mandeville verfasste 1705 eine satirische Flugschrift, in der das menschliche Verhalten schonungslos kritisiert wurde (Schweppenhäuser 1973). In dieser Streitschrift wurde die Frage nach der Ursache des gesellschaftlichen Reichtums gestellt. Seine Antwort besagte: „Nur Gewissenlosigkeit und Schlechtigkeit, das Laster der einzelnen, schaffen öffentlichen Wohlstand; je unehrlicher und betrügerischer sie seien, je rücksichtsloser und lasterhafter sie ihre Ziele und persönliche Bereicherung verfolgten, desto glänzender werde das öffentliche Leben und desto wohlhabender werde der Staat dastehen. Denn nur durch skrupellose Profitgier, der alle Mittel recht sind, würden der Reichtum und die Macht des Staates begründet.“ (Schweppenhäuser 1973, S.14) Mandevilles Satire löste in der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung aus.

Die Bienenfabelthese, wonach sich der Einzelne egoistisch verhalten solle und sich dieses Verhalten unbemerkt von den Subjekten zum Wohle aller führen würde, wurde im 20. Jahrhundert sehr häufig in dogmengeschichtlichen Werken als These von Adam Smith dargestellt. Man behauptete, dies sei vor allem eine Grundannahme in „The Wealth of Nations“, die dann in „The Theory of Moral Sentiments“ relativiert würde. Doch dem ist nicht so.

Die Arbeitsteilung als Basis des Wohlstandes

„The Wealth of Nations“ hat zum Ausgangspunkt nicht den Egoismus, sondern die Einsicht, dass der Wohlstand auf der menschlichen Arbeit und auf der geschickten Teilung der Arbeit beruht. „Die größte Vervollkommnung der Produktivkräfte und die vermehrte Geschicklichkeit, Fertigkeit und Einsicht, womit die Arbeit geleitet und verrichtet wird, scheint eine Wirkung der Arbeitsteilung gewesen zu sein.“ (Smith 1973, S.17)

Der Mensch unterscheidet sich nach Smith vom Tier dadurch, dass er auf seine Artgenossen angewiesen und in der Lage ist, den Reichtum mit ihnen zu teilen. Die Arbeitsteilung ist nach Smith nicht das Ergebnis der menschlichen Weisheit, sondern des natürlichen Hanges zu tauschen. „Diese Arbeitsteilung, aus welcher so viele Vorteile sich ergeben, ist nicht ursprünglich das Werk menschlicher Weisheit, welche die allgemeine Wohlhabenheit, zu der es führt, vorhergesehen und bezweckt hätte. Sie ist die notwendige, wiewohl sehr langsame und allmähliche Folge eines gewissen Hanges der menschlichen Natur, der keinen solch ausgiebigen Nutzen erstrebt, des Hanges zu tauschen, zu handeln und eine Sache gegen eine andere auszuwechseln.“ (Smith 1973, S.29)

Der Mensch existiert nur dadurch, dass es auch andere Menschen gibt. Der Austausch ist nach Smith eine natürliche Anlage des Menschen. Ein Egoist würde die Nahrung für sich behalten und nicht in den Austausch treten. Beim Menschen ist es umgekehrt. Das Tier hat nach Smith die Eigenschaft, seine Beute zu sichern und nicht zu verteilen, der menschliche Instinkt widerspricht diesem Verhalten. „Ob dieser Hang eines jener Urelemente der menschlichen Natur ist, von denen sich weiter keine Rechenschaft geben läßt, oder ob er, was mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, die notwendige Folge des Denk- und Sprachvermögens ist, das gehört nicht zu unserer Untersuchung. Er ist allen Menschen gemein und findet sich bei keiner Art von Tieren, die weder diese noch andere Verträge zu kennen scheinen. Zwei Windhunde, welche zusammen einen Hasen jagen, haben zuweilen den Anschein, als handelten sie nach einer Art von Einverständnis. Jeder jagt ihn seinem Gefährten zu oder versucht, wenn ihn sein Gefährte ihm zutreibt, ihn abzufangen. Das ist jedoch nicht die Wirkung eines Vertrages, sondern kommt von dem zufälligen Zusammentreffen ihrer gleichzeitigen Begierden bei demselben Objekte. Kein Mensch sah jemals einen Hund mit einem anderen einen gütlichen oder wohlbedachten Austausch eines Knochens gegen einen anderen machen.“ (Smith 1973, S. 29)

Smith begründet den Austausch nicht aus der Vernunft. Er lässt diese Frage offen. Er charakterisiert Mensch und Tier aus seiner Beobachtung. Der Mensch braucht fortwährend seine Mitmenschen. Wir können mit wenigen Freunden leben, aber die zivilisierte Gesellschaft ist über den Freundesbereich hinaus auf soziale Kommunikation angewiesen (Smith 1973, S.30). In der zivilisierten Gesellschaft sollte der Mensch nach Smith wissen, dass er seinem Nächsten den Vorschlag machen sollte: Gib mir, was ich will, und du sollst haben, was du willst. Wenn wir zum Bäcker, Fleischer und Brauer gehen, müssen wir nicht an seine absolute Zuneigung und Liebe appellieren, um Waren zu erhalten, sondern wir vertrauen auf seine Einsicht in die Arbeitsteilung. Jeder Beteiligte am Wirtschaftsprozess weiß, dass durch Teilung der Arbeit sich jeder besser stellt und der Einzelne seine besonderen Fähigkeiten einbringen kann.

In der Freundschaft vertrauen wir nach Smith auf Liebe und Zuneigung. Diese hohen Eigenschaften würden den Menschen im Wirtschaftsprozess überfordern. Der wirtschaftliche Prozess basiert auf dem Austausch von selbstständigen Wirtschaftseinheiten und Subjekten. Smith setzt also weder auf das Kollektiv noch auf Egoismus, sondern darauf, dass verantwortungsbewusste Subjekte, Handwerker und Gewerbetreibende Waren produzieren und nicht für sich horten, sondern an andere wertäquivalent weitergeben. „Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers und Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir wenden uns nicht an ihre Humanität, sondern an ihre Eigenliebe, und sprechen ihnen nie von unseren Bedürfnissen, sondern von ihren Vorteilen. Nur einem Bettler kann es passen, fast ganz von dem Wohlwollen seiner Mitbürger abzuhängen. Und selbst ein Bettler hängt nicht völlig davon ab. Die Mildtätigkeit gutherziger Leute verschafft ihm allerdings den ganzen Fonds seiner Subsistenz. Aber obgleich aus dieser Quelle alle seine Lebensbedürfnisse im ganzen befriedigt werden, so kann und will sie ihn doch nicht so versorgen, wie die Bedürfnisse sich gerade zeigen. Der größte Teil seines gelegentlichen Bedarfs wird bei ihm ebenso wie bei anderen Leuten beschafft, durch Übereinkommen, Tausch und Kauf.“ (Smith 1973, S.30/31)

Smith liefert keine tiefsinnige, wissenschaftliche Begründung der Ökonomie. Er beobachtet lediglich die gesellschaftlichen und individuellen Handlungen und charakterisiert diese. Seine Grundannahme ist, dass der Wohlstand auf der Arbeit des Handwerks, der Bauern, der Händler, der Ärzte und Lehrer beruht. Es ist sinnvoll, dass eine arbeitsteilige Organisation aufgebaut wird, die ihre Waren austauscht. Der Bettler kann nach Smith nicht das Ideal sein, da er keine Arbeit verrichtet und an das Mitleid appelliert. Der Bettler lässt seine Fähigkeiten verkümmern, Ökonomie heißt aber nach Smith Fähigkeitenbildung, Wunschäußerung und Austausch von Leistungen. Dadurch muss sich der Einzelne entwickeln und dadurch ergeben sich gesellschaftliche Verhältnisse.

Der Bettler arbeitet nicht und er äußert auch keine differenzierten Wünsche. Er nimmt alles, was sich erbetteln lässt. Außerdem trägt er keine Verantwortung für Waren, Produktion oder Personen. Smith sieht den Bettler aber auch im ökonomischen Geschehen. Das erbettelte Geld gelangt in den Wirtschaftskreislauf, wenn der Bettler Waren erwirbt. Smith setzt weder auf den Bettler noch auf den Egoisten. Smith steht damit im Gegensatz zur Bienenfabel von Mandeville. Nicht der Egoismus führt zum Wohle aller, sondern die Herausbildung von selbstständigen Fähigkeiten, von arbeitsteiliger Organisation und von Tauschprozessen.

Smith will die verschiedenen Fähigkeiten des Menschen durch die Arbeitsteilung nutzen. Außerdem ermöglicht die Arbeitsteilung wiederum, Fähigkeiten zu bündeln und neu zu erarbeiten. Die menschlichen Fähigkeiten werden dadurch aneinander angepasst (vgl. Smith 1973, S.32).

Smith sieht, dass der Mensch durch die Arbeitsteilung soziales Lernen realisieren kann. Tiere sind zu diesen Prozessen nicht in der Lage. „Viele Tiergeschlechter, die anerkannterweise zu derselben Gattung gehören, haben von Natur eine viel merklichere Verschiedenheit der Fähigkeiten, als diejenige ist, welche sich der Gewöhnung und Erziehung vorangehend unter den Menschen zeigt. Von Natur ist ein Philosoph nicht halb so sehr an Anlagen und Neigungen von einem Lastträger verschieden als ein Bullenbeißer von einem Windhund, oder ein Windhund von einem Hühnerhund, oder der letztere von einem Schäferhunde. Dennoch sind diese verschiedenen Tierarten, obgleich alle zu ein und derselben Gattung gehörig, einander kaum in irgend einer Weise nützlich. Die Stärke des Bullenbeißers wird nicht im geringsten durch die Schnelligkeit des Windhundes, die Spürkraft des Hühnerhundes oder die Gelehrigkeit des Schäferhundes unterstützt.“ (Smith 1973, S.33)

Durch eine systematische Arbeitsteilung können Berufe herausgebildet werden, die Wissen produzieren und weitergeben können. Die einzelnen Berufe ergänzen und unterstützen einander. Dadurch wird für Smith der Reichtum entwickelt und systematisiert gesteigert. Das Tier kann die verschiedenen Anlagen nicht nutzen, beim Menschen können die Fähigkeiten zu einem Gesamtvermögen entwickelt werden.

Smith sieht nicht den Einzelnen im Vordergrund, sondern die Arbeitsteilung als nützliches Prinzip. Er thematisiert nicht das Problem, dass der einzelne Mensch zu einem Rädchen im Getriebe einer arbeitsteiligen Welt wird. Der Begriff der Arbeitsteilung wird von Smith in einem rudimentären Sinne verstanden, eine völlig ausdifferenzierte Ökonomie, wie sie heute existiert, steht außerhalb seiner Betrachtung.

In der arbeitsteiligen Ökonomie agieren nach Smith vor allem Arbeiter, Unternehmer und Grundbesitzer. Seine harmonische Vorstellung geht davon aus, dass Kapital und Arbeit durch wirtschaftliches Wachstum sich beide kontinuierlich besserstellen, dass die Löhne zum Lebensunterhalt ausreichen. Die Nachfrage nach Menschen wird durch die Bevölkerungsentwicklung reguliert. „So geschieht es, daß die Nachfrage nach Menschen, gerade so wie die nach jeder anderen Ware, notwendig auch die Erzeugung der Menschen reguliert: sie beschleunigt, wenn sie zu langsam vor sich geht, und verzögert, wenn sie zu rasch fortschreitet.“ (Smith 1973, S.116)

Somit ist der Mensch einerseits an die natürlichen Bedingungen gebunden und andererseits in die Gesellschaft eingegliedert. Das Problem, dass der Mensch in der arbeitsteiligen Gesellschaft als Ware mit einem Preis gehandelt wird, sieht Smith nicht. Für ihn ist es maßgebend, dass der Arbeiter kein Sklave ist und über seine Arbeitskraft verfügen kann und einen einträglichen Lohn erhält (vgl. Smith 1973, S.173/174).

Da der arme Mann nur seine Geschicklichkeit hat, ist es für Smith selbstverständlich, dass er gut bezahlt werden muss für seine Arbeit. Hohe Löhne sind außerdem nach Smith für die Arbeiter ein Anreiz für gute Leistungen (vgl. Smith 1973, S.117/188)

Die Arbeiter brauchen nach Smith nicht nur hohe Löhne, sondern auch gute Arbeitsbedingungen, Vergnügen und Erholung. „Es ist die Stimme der Natur, die verlangt, daß man ihr zu Hilfe kommt durch etwas Schonung, oft nur durch Ruhe, oft aber auch durch Zerstreuung und Vergnügen. Wird ihr nicht entsprochen, so sind die Folgen oft gefährlich, manchmal verderblich und fast immer so, daß sie früher oder später zu der dem Gewerbe eigentümlichen Krankheit führen. Wenn die Arbeitgeber immer auf die Eingebung der Vernunft und Menschlichkeit hörten, so würden sie oft Veranlassung haben, den Fleiß von vielen ihrer Arbeiter eher zu mäßigen als anzufeuern. Es wird sich, wie ich glaube, bei jeder Art von Gewerbe herausstellen, daß ein Mensch, der mit so viel Mäßigung arbeitet, um ununterbrochen arbeiten zu können, nicht nur seine Gesundheit am längsten erhält, sondern auch im Verlaufe des Jahres das größte Arbeitsquantum verrichtet.“ (vgl. Smith 1973, S.119)

Smith appelliert also an die Vernunft und Menschlichkeit, die Arbeiter adäquat zu behandeln. Er betont dabei nicht die absolute Humanität, die totale Selbstlosigkeit, sondern auch die Nützlichkeit. Ein zufriedener Arbeiter leistet auf die Dauer mehr als ein geknechteter Arbeiter.

Der Lohn des Arbeiters hängt nicht nur von materiellen Faktoren ab, sondern auch von sozialen Bedingungen. „Die Ehre macht bei allen ehrenwerten Berufen ein guter Teil der Entlohnung aus. Was den Geldgewinn anbelangt, so werden sie, wie ich bald zu zeigen versuchen werde, im allgemeinen zu gering belohnt. Die Unehre hat die entgegengesetzte Wirkung. Das Geschäft eines Fleischers ist ein rohes und abstoßendes Geschäft; aber es ist an den meisten Orten gewinnbringender als der größte Teil der gewöhnlichen Gewerbe.“ (Smith 1973, S.143)

Maler und Bildhauer sollen aufgrund ihrer langen Ausbildung einen hohen Lohn erhalten. „Die Erziehung für die schöpferischen Künste und freien Berufsarten ist noch langwieriger und kostspieliger. Deshalb muß auch die Geldentlohnung der Maler und Bildhauer, der Juristen und Ärzte viel reichlicher sein: und sie ist es daher auch.“ (Smith 1973, S.147)

Auch Schauspieler, Opernsänger etc. sollen und werden nach Smith hoch bezahlt. Knappheit und Schönheit legitimieren riesige Gehälter. „Die riesigen Gehälter der Schauspieler, Opernsänger, Operntänzer usw. beruhen auf diesen zwei Momenten: der Seltenheit und Schönheit ihrer Fähigkeiten und der Geringschätzung, mit der man ihre Verwertung auf diese Art ansieht. Es scheint beim ersten Anblick absurd, daß wir ihre Persönlichkeiten verachten und doch ihre Fähigkeiten mit der verschwenderischsten Freigebigkeit belohnen.“ (Smith 1973, S.152)

Obwohl die beschriebenen Berufe hohe Löhne erhalten, werden sie nach Smith zu den unproduktiven Arbeiten gezählt. Der Manufakturarbeiter zählt zum produktiven Bereich, die Dienstboten zum unproduktiven Sektor. Die manufakturelle Arbeit ist beständig, die unproduktive Tätigkeit verschwindet durch die Verrichtung. „Zu der nämlichen Klasse müssen sowohl einige der wichtigsten Berufe gerechnet werden: Geistliche, Juristen, Ärzte, Gelehrte aller Art; Schauspieler, Possenreißer, Musiker, Opernsänger, Operntänzer usw. Die Arbeit der geringsten unter diesen hat einen bestimmten Wert, der sich ganz nach denselben Grundsätzen regelt, die den Wert jeder anderen Art von Arbeit regeln; und die der edelsten und nützlichsten unter ihnen bringt nichts hervor, wofür sich später eine gleiche Menge Arbeit kaufen und beschaffen ließe. Wie die Deklamation eines Schauspielers, der Vortrag eines Redners oder das Tonstück eines Musikers, so geht ihrer aller Leistung im Augenblick ihrer Produktion selber zugrunde.“ (Smith 1973, S.448)

Der Mensch hat zum Ziel, seine Lage zu verbessern. Der rohe Mensch befriedigt unmittelbar seine Bedürfnisse. Er lebt quasi von der Hand in den Mund. Der entwickelte Mensch bemüht sich um Vorratsbildung. Sparsamkeit ist deswegen die Triebfeder menschlichen Handelns (vgl. Smith 1973, S.462).

Das Menschenbild in „The Wealth of Nations“ wird nicht durch die Egois-musthese geprägt. Im Gegensatz zum Tier kann sich der Mensch in die Arbeitsteilung einfügen. Dies geschieht nicht aus absoluter Humanität, sondern aufgrund natürlichen Verhaltens, Vernunft und Nützlichkeitsüberlegungen. In der Arbeitsteilung muss der Einzelne eigenständige Beiträge liefern. Er kann sich nicht nur in der Gemeinschaft verstecken. Eigenständigkeit erlangt er durch Verfügung über seinen eigenen Körper und über sein Hab und Gut. Eigenständigkeit heißt aber nicht Egoismus, sondern ist die anfängliche Herausbildung von Individuen. Aus den mittelalterlichen, religiösen Gruppenwesen bildet sich allmählich eine Menschheit mit selbstständigen Individuen.

Der Mensch als sympathisches Gefühlswesen

Das Menschenbild von Smith wird ergänzt und ausformuliert in „The Theory of Moral Sentiments“. Hier thematisiert er die Frage nach den Grundprinzipien menschlichen Handelns und nach dem Zustandekommen von gesellschaftlichen Werten bzw. eines Gesellschaftsbegriffes (vgl. Woll 1987, S.63 ff).

Ausgangspunkt Smith'scher Überlegungen sind das Gefühl und die natürliche Eigenschaft des Menschen, vom anderen geliebt zu werden. Der Mensch ist ein Wesen, das Anteil nimmt am Wohlergehen des anderen. Nach Smith gibt es Prinzipien in der Natur des Menschen, die ihn dazu bestimmen, am Schicksal anderer Anteil zu nehmen: z.B. das Erbarmen, das Mitleid, das Gefühl für das Elend anderer.

Der Mensch empfindet Kummer, weil andere Menschen Kummer empfinden. Dieser Zusammenhang gilt für alle Menschen, sowohl für den Tugendhaften als auch für den Rohling. Den Kummer des anderen können wir nicht unmittelbar erfahren, wir können uns nur in den anderen hineinversetzen, ein Bild von ihm machen. „Wenn wir so seine Qualen gleichsam in uns aufnehmen, wenn wir sie ganz und gar zu unseren eigenen machen, dann werden sie schließlich anfangen, auf unser Gemüt einzuwirken, und wir werden zittern und erschauern bei dem Gedanken an das, was er jetzt fühlen mag.“ (Smith 1985, S.2)

Die Sympathie ist der Ausgangsbegriff des Smith'schen Menschenbildes. Sie bezeichnet unser Mitgefühl mit jeder Art von Affekten. Sind sie positiv, nennt Smith sie die sozialen Affekte, die negativen heißen unsoziale Affekte. Diejenigen, die wir in uns fühlen, sind die egoistischen Affekte. Ganz allgemein gesprochen, verstärkt Sympathie die Freude und erleichtert den Kummer, indem sie dem Herzen die einzige Empfindung einflößt, für die es in jenem Augenblick empfänglich ist. Deswegen wollen wir unseren Freunden von unseren unangenehmen Affekten Mitteilung machen. Wie erleichtert fühlen sich unglückliche Menschen, wenn sie jemand gefunden haben, dem sie die Ursache ihres Kummers mitteilen können. Doch durch das Erzählen des Kummers wird der Gram neu aufgerührt, und die Tränen fließen stärker.

Smith argumentiert gefühlsethisch bzw. aus der Natur des Menschen heraus, allerdings kommen auch in „The Theory of Moral Sentiments“ – genau wie „The Wealth of Nations“ – Vernunftgründe und Nützlichkeitsüberlegungen hinzu. Wir beziehen uns auf unseren Mitmenschen nach unseren natürlichen Gefühlen, vor allem auch dann, wenn wir die Gründe seiner Gefühlsäußerungen kennen. Wir haben für den Mitmenschen nicht nur absolute Sympathie, sondern wir wissen, dass ein positives Verhalten allen Menschen von Vorteil ist.

Smith postuliert nicht nur einen allgemeinen Sympathiebegriff, sondern er sieht es als natürlich an, wenn der Mensch auch an sich denkt bzw. an seine unmittelbaren Freunde. Er bestimmt die Sympathie zunächst sozial. Wichtig ist, daß der Mensch sich in die Lage des anderen versetzen kann, die Gesellschaft mit anderen gibt dem Gemüt Ruhe und den besten Schutz. „Menschen, die in Zurückgezogenheit leben und sich gerne ihren Betrachtungen hingeben, die zu Hause sitzen und über ihren Kummer oder ihr Vergeltungsgefühl zu brüten pflegen, mögen zwar oft mehr Menschlichkeit, größeren Edelmut und ein feineres Gefühl besitzen, aber sie werden selten im Besitze jener gleichmütigen Stimmung sein, die unter Männern von Welt so allgemein verbreitet ist.“ (Smith 1985, S.26)

Smith sieht die Gemeinschaft als ein wichtiges Erziehungsmittel, die Menschen vermitteln sich gegenseitig die gesellschaftlichen Normen. Sie bilden sich über das Gefühl und durch das ständige Einüben. Dadurch merkt der Mensch in einem sehr langen Prozess, was Vorteile für ihn bringt. Der Mensch kann die Gefühlsnormen kontrollieren durch einen unparteiischen Zuschauer in seiner Brust. Dieses Quasigewissen sagt ihm objektiver, ob sein Handeln richtig war. Die gelernten Normen können zu allgemeinen Regeln, zu Gesetzen ausformuliert werden.

Nach Smith soll der Mensch Sympathie für den anderen entwickeln, aber auch Sympathie für sich selbst. Smith spricht von egoistischen Affekten. „Kummer und Freude, sofern wir sie um unseres eigenen persönlichen Glücks oder Unglücks willen empfinden, bilden diese dritte Gattung von Affekten.“ (Smith 1985, S.55) Der Mensch soll sein Augenmerk auch auf sich selbst lenken. Der Emporkömmling soll in gehobener Position seine ursprüngliche Bescheidenheit bewahren. Der Einzelne soll sich vor allem um die kleinen Dinge des Lebens kümmern und sich daran erfreuen. Smith gebraucht den Begriff Egoismus im Sinne von Betrachtung des eigenen Lebensweges. Diese Betrachtungen sind für ihn ethisch erlaubt und notwendig.

Er wendet sich gegen die Interpretation des Begriffes Egoismus in Richtung Egozentrik und Eitelkeit. Hier kritisiert er explizit den Eitelkeitsbegriff von Mandeville. Für Smith ist Mandeville ein Purist, der jegliches Vergnügen als Laster aus Egoismus bzw. Eitelkeit begründet (vgl. Smith 1985, S.513).

Smith setzt sich sehr ausführlich mit dem Egoismusargument von Mandeville auseinander. Mandeville verbleibt im Negativen. Er diffamiert jede Bedürfnisbefriedigung des Menschen über ein absolutes Minimum hinaus. „Nach ihm ist alles Üppigkeit oder Schwelgerei, was über das zur Erhaltung des Menschen absolut Notwendige irgendwie hinausgeht, so daß schon im Gebrauch eines reinen Hemdes oder einer bequemen Wohnung ein Laster liegt.“ (Smith 1985, S.519)

Smith kritisiert hier explizit die Bienenfabel und verwirft ihre Grundannahme des menschlichen Verhaltens. Später übernimmt die Dogmengeschichte die Argumente Mandevilles und legt sie allerdings Smith in den Mund. Eine theoretische Fehlinterpretation mit großen praktischen Folgen.

Es wäre auch falsch, Adam Smith als den großen Theoretiker der Selbstlosigkeit, Sympathie und Menschlichkeit darzustellen. Dazu ist sein Ansatz viel zu pragmatisch. Er formuliert einen Mittelweg zwischen Humanität und Akzeptanz menschlicher Schwächen.