Ebook Edition

Mathias Richling

Das Virus Demokratie?

Eine Abschätzung

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ISBN 978-3-86489-829-7

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2021,

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin.

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

PROLOG
1 Was geschah bisher?
2 Grundgelegte Fakten
3 Interview 1 zur Lage der eigenen Situation
4 Lothar Wielers mögliches Redeprotokoll
5 Gegner ungleich Leugner
6 Kritik der unreinen Vernunft
7 Darf man über Corona lachen?
VORSPIEL – Die Welt vor Corona
8 Wie leyend man sich Skandale?
9 Ein Erbe für AKK
10 Friedrich Merzens denkbares Redeprotokoll
11 Wann war unsere Monarchie noch mal zu Ende?
12 SPD und SPD gesellt sich gern
13 Der SPD-Vorsitzende ist immer der Gärtner
14 Die Halb-Vorsitzende
15 Saskia Eskens potenzielles Redeprotokoll
16 Vierzig Jahre Grüne und kein bisschen Klima
17 Kinder an die Macht oder auf die Straße?
18 Gehören auch unsere Organe dem Staat?
19 Interview 2 zur Sage der gemeinsamen Not
1. AKT Die Welt in Corona – Wir machen alles richtig
20 Psychologische Kriegsführung gegen Corona
21 Geistige und seelische Diät gegen Corona
22 Beethoven litt an der Welt, wir leiden an uns
23 Karl Lauterbachs imaginables Redeprotokoll
24 Für China gibt es nur Vorteile
25 Rudi Cernes eventuelle »XY«-Moderation
26 Schul- und Bildungsfasten gegen Corona
27 Interview 3 zur vagen Zukunft
2. AKT Die Welt in Corona – Die machen alles falsch
28 Impfstoff Trump
29 Donald Trumps vorstellbare Rede
30 Der Wahrheitsgehalt der Lüge
31 Elon Musks ungeäußerte Illusionen
3. AKT Die Welt in Corona – Kreative Rede ersetzt kreative Pläne
32 Interview 4 zu Fragen nach Fragen
33 Markus Söders nie gesagte Antworten
34 Judith Williams nicht veröffentlichte Ideen
35 Ursula von der Leyens fiktive Ausreden
36 Die Verantwortung der nachfolgenden Generation
37 Armin Laschets träumerische Realitäten
4. AKT Die Welt in Corona – Irreleitungen im Volk
38 Des Wendlers fast gepostete Tatsachen
39 Andreas Gabaliers fast gesprochene Verteidigung
5. AKT Die Welt in Corona – Irreleitungen in der Regierung
40 Wie willkürlich reagiert man auf eine Pandemie?
41 Interview 5 zur Klage der Gegenwart
EPILOG – Die Welt nach Corona
42 Alte Themen – neue Sprachen
43 Jung*In, Divers*In, Queer*In, Frau*In
44 Saskia Eskens ungedachter Einwand
45 Nebenschausätze
46 Kommentiere, was Du nie gehört hast!
47 Höre nicht zu, wenn Du bereits kommentiert hast!
48 Wie macht man ›Rasse‹ zur Formsache?
49 Habeck oder Nichtsein
50 Baerbock stellt gar keine Frage
51 Wert des Lebens oder lebenswert?
52 Wen gefährden wir, um wen zu retten?
53 Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv!
54 Triage real
55 Interview 6 zur Plage der Vision

PROLOG

1 Was geschah bisher?

Kaum war die neue Zeit des Corona angebrochen und ein paar Wochen ins Land gegangen, ergoss sich wieder mal einer von etlichen Shitstorms über Deutschland. Die Hater im Netz äußerten sich fassungs- und stillos. Wie üblich in gemeinsamem Mental-Orgasmus. Ohne die Argumente gegeneinander aufzuwiegen. Da Feinwaagen ohnedies in einer Gesellschaft grob gezimmerter Ansichten und großzügig verteilter Vorverurteilungen nicht mehr sehr häufig in Gebrauch sind.

War was passiert? Möglicherweise!

Bei »Maischberger – Die Woche« (ARD/13.5.2020)

schreckte ein Satiriker

– im Vertrauen: Es war der Autor – mit Thesen zu COVID-19 (seinerzeit noch unmutiert) und zu den verbeamteten Lockdown-Befürwortern wie Angela Merkel, Karl Lauterbach und Lothar Wieler auf. Zu Letzterem merkte der »SPIEGEL« in seiner Ausgabe vom 1.5.2020 an:

»Widersprüche und falsche Empfehlungen –

Das überforderte Robert Koch-Institut«

(Von Gunther Latsch, Cornelia Schmergal, Andreas Wassermann und Antje Windmann)

»R-Faktor, Verdopplungszahl, Maskenpflicht: Die Aussagen von RKI-Präsident Wieler sind in vielen Fällen nicht eindeutig (…). Seit Corona hat die Republik neue Rituale. Das morgendliche Pressebriefing des Robert Koch-Instituts (RKI) gehört dazu. Da sitzt dann der Präsident Lothar Wieler, 59, (…) und verkündet Neues zum Virus und das, was sein Institut für berichtenswert hält. (…) Vorfälle offenbaren nicht nur, mit welchen Unsicherheiten zuweilen die Daten behaftet sind, mit denen das RKI und ihr Präsident hantieren, sondern auch, wie ungeschickt die Behörde kommuniziert. (…) Je länger diese das Land im Griff hat, desto stärker mehren sich die Hinweise, dass diese Bundesbehörde mit der Krise überfordert ist und widersprüchlich agiert. (…) Das RKI ist kein Hort der Spitzenforschung, es ist eine Bundesbehörde, die in weniger infektiösen Zeiten etwa in derselben Liga spielt wie die Bundesanstalt für Materialforschung (…).«

Nichts Anderes hatte der Autor im Gespräch mit Sandra Maischberger behauptet als das sich täglich Widersprechende und anscheinend Wichtigmachende an den Herren Wieler und Lauterbach.Das hinderte den SPIEGEL nicht, in Gestalt einer vorlauten freien Mitarbeiterin oder Volontärin oder Sekretärin, den Autor ausgesprochen untergriffig zu attackieren. Indem sie seine Argumentationen aus den Ängsten der Bevölkerung heraus und auf der Basis der von der Bundesregierung selbst herausgegebenen Fakten diffamierte als teils ›krude Ideen‹. Mit durchgehenden Unterstellungen und Falsch-Interpretationen, die nahelegten, dass sie selbst stark unterbrochenen Lieferketten für Fakten und Tatsachen ausgesetzt war. Offenbar auch ohne den Artikel ihres eigenen Arbeitgebers gelesen zu haben.

2 Grundgelegte Fakten

Vor diesem Hintergrund ist es zwar selbstverständlich, aber gleichwohl unbedingt angebracht, nachdrücklich zu betonen – gerade aufgrund der allgemeinen öffentlichen Stimmung insgesamt, nur noch auf Reizworte zu reagieren und missverstehen zu wollen –, dass

alles Folgende gesagt und geschrieben ist

ausschließlich auf der Basis der Informationen,

die Robert Koch-Institut,

Weltgesundheitsorganisation

und deutsche Bundesregierung

bekannt gaben und auch seit Beginn der Pandemie

bis heute ständig wiederholen.

Nämlich:

Dass 85 Prozent der Infektiösen

keine Symptome hätten.

Dass die Letalität, also das Sterberisiko derer,

die infiziert sind,

je nach Nation,

zwischen 0,01 Prozent und 1,8 Prozent liege.

Dass es also bei den restlichen 15 Prozent

leichte, mittlere und schwere Ausbrüche

der Krankheit gebe.

Und dass es demgemäß dramatische Verläufe

bei circa 5 Prozent der Infizierten gibt.

Die für die Betroffenen furchtbar sind.

Aber dramatische Verläufe gibt es bei AIDS, bei Malaria, bei TBC ebenso. Deswegen ergibt sich die Frage seither für jeden, der durch die Rundum-Sorgen-Pakete der Regierung in seiner Existenz bedroht oder schon vernichtet ist, wie hoch der Wert eines Menschenlebens ist? Oder wie viel von seinem Hab und Gut oder von seiner Lebensqualität oder von seinem Leben oder seiner Freiheit oder seiner Grundrechte schlechthin man hergeben muss, damit ein anderer überlebt.

Gleichwohl:

Um den anonymen Proteststürmen im Netz entgegenzuwirken, die sich stets daraus ergeben, wenn irritierte Mitbürger rational einer irritierenden Maßnahmenpolitik der Bundes- und Landesregierungen widersprechen oder sie infrage stellen oder nur eine Frage dazu stellen, gab es dazu im Mai 2020 mit sachlicheren Medien wie etwa der Stuttgarter Zeitung und Uwe Bogen die eine und andere Richtigstellung der anhaltenden Unterstellungen:

4 Lothar Wielers mögliches Redeprotokoll

Lesen wir darüber hinaus dazu,

was in Dauerschleifen dieser angesprochene Lothar Wieler als Chef des Robert Koch-Institutes (RKI) seit März 2020 so gut wie täglich in Ausführlichkeit verlauten ließ, während er den Eindruck vermittelte, jeden einzelnen Infizierten am liebsten persönlich vorstellen zu wollen. Und den inzwischen der deutsche Zuschauer beinahe besser kennt als die deutsche Bundeskanzlerin.

Oder ist Lothar Wieler bereits Bundeskanzler?

Jedenfalls ist er, wie Frau Merkel, Wissenschaftler.

Zwar kein Physiker wie sie.

Wohl aber, und das macht seine fachliche Qualifikation in dieser Corona-Krise besonders pikant, ist er Veterinär-Mediziner.

Das heißt, er ist Tierarzt.

Und so erklärt sich auch, dass er die Deutschen in dieser Zeit sichtbar behandelt wie eine Kuhherde. Respektive wie ein Volk von Rindviechern. Auch bei Maul- und Klauenseuchen wird nicht individuell nach jedem einzelnen Tier geschaut. Es wird der ganze Bauernhof dichtgemacht. Deutschland wie einen befallenen Gutshof ganz dichtzumachen, war immer der große Traum von Lothar Wieler. Vor allem, weil immer mehr Bürger sich nicht gegen alle Maßnahmen, wohl aber gegen die irrationalen dieser Maßnahmen mit Maul und Klauen wehren.

Achtung!

Das hat Lothar Wieler Anfang April 2020 nie gesagt.

Aber so klang es.

»Meine sehr verehrten Damen und Herren,

da ich Chef bin des Robert Koch-Instituts, abgekürzt RKI, bin ich durch Kompetenz befugt, Ihnen zur laufenden Krise, die ausgelöst wurde durch COVID-19, kurz genannt Corona-Virus, die aktuellen Zahlen zu benennen, um Ihnen die Sicherheit zu nehmen, die im Rahmen der allgemeinen Leichtsinnigkeit in Deutschland regional und personell immer noch in unterschiedlicher Weise anzutreffen ist.Und zwar gehe ich da davon aus, dass wir etwas wissen, was wir schon lange wissen. Aber das wissen wir nur insofern schon lange, als wir es als Wissen nicht wissentlich wahrgenommen haben.

Wenn ich verstehe, was ich meine.

Ich habe jedenfalls meine Aussagen zur Ungefährlichkeit des Corona-Virus für Deutschland, die ich im Januar 2020 von mir gegeben habe, in puncto Falldefinition und Flussschema angepasst. Und angepasst habe ich auch die Maßnahmen den epidemiologischen Gegebenheiten als Differentialdiagnose.

Die Dunkelziffer meiner Aussagen ist mir unbekannt.

Ich kann nicht sagen, wie viel mir noch dazu einfällt.

Wir haben inzwischen trotz der Empfehlungen des RKI keine Veränderungen im Verhalten des Virus feststellen können. Im Gegenteil stellt sich die Situation so dar, dass hochgerechnet für ganz Deutschland, wenn wir alle einzelnen Landkreise und Bundesländer zusammen addieren, in den akuten ersten drei Wochen der Krise insgesamt 25 100 tote Deutsche zu verzeichnen waren in Deutschland, und an Infizierten 10 Millionen deutsche Infizierte. Das soziale und wirtschaftliche Leben in Deutschland deswegen lahmzulegen, halten wir für nicht nötig und …

Oh, Moment!

Das sind die Unterlagen und Anweisungen und Zahlen –

zur Grippe-Virus-Krise 2017/2018.

Also möchte ich zur aktuellen Lage noch einmal betonen:

Wir sind erst am Anfang der demokratischen Veränderungen.

Ääh. Entschuldigen Sie den Versprecher:

Wir sind erst am Anfang der epidemischen Veränderungen, war gemeint.

Wenn die Zukunft schon nicht vorhersehbar ist,

müssen wir den Menschen vorhersehbar machen.

Die Gesellschaft muss auf Sicht fahren.

Theater, Konzerte und Veranstaltungen können nur noch spontan durchgeführt werden und sind nicht planbar über Monate, Wochen oder Tage im Voraus. Es dürfen auch nur diejenigen außer Haus, die nicht Risikogruppe sind. Wobei sich die Risikogruppen verändern. Das können auch mal junge, trainierte Menschen sein. Das wissen wir aber jetzt nicht.

Also bleiben am besten alle zuhause.

Denn es ergibt sich die Tatsache, dass ganz aktuell durch saisonale Wellen allein von gestern auf heute regional und legionell unterschiedlichste Infektionsraten zu verzeichnen sind.

Und zwar sind da landesweit starke Unterschiede,

die mit anderen Landesweiten nicht vergleichbar sind.

So sind zum Beispiel in Esslingen von gestern auf heute statt 12 jetzt 13 Personen infiziert, was einer Steigerung entspricht von circa genau 8,34 Prozent. In Albstadt sind von gestern 14 heute 16 Personen infiziert. Das sind 14,3 Prozent mehr. Wenn Sie das hochrechnen, sind es bald 18 Infizierte in Albstadt. In Aachen sind es 11 Infizierte statt gestern 10. Sind 10 Prozent. Sie können auf unserer Website alle Quoten der Städte, Dörfer und Gemeinden abrufen. Und auch, was die jeweilige prozentuale Steigerung bedeutet, wenn sie auf ganz Deutschland hochgerechnet wird.

Das wären also bei Esslingen mit einer Einwohnerzahl von 93 500 und 12 Infizierten ein Anteil von 0,053 Prozent. Und das wären dann für Gesamtdeutschland 4 399 Infizierte. Wenn Sie das steigern um die 8,34 Prozent, die Esslingen von gestern auf heute mehr hatte, kommen Sie im Bund an einem Tag auf 366,87 Infizierte mehr.

Nehmen Sie aber Aachen als Maßstab für den Bund mit 247 500 Einwohnern, sieht die Sache schon wieder dramatischer aus. Denn dann sind wir bei 10 Infizierten bei 0,0405 Prozent der Aachener. Und hätten so im Bund bei 83 Millionen Deutschen eine Infiziertenquote von 336,15. Wenn Sie das steigern um 10 Prozent, haben Sie am Tag 33,61 Infizierte mehr – im Bund. Allerdings nur bezogen auf Aachen.

Es ist wichtig, dass sich jeder diese Zahlen vor Augen führt und mit sich trägt und auf Verlangen vorweisen kann, um sich die Gefährlichkeit der Situation permanent vor Augen zu führen.

Deswegen habe ich als Präsident des RKI als nächsten Schritt vor, dass wir die Historie jedes einzelnen Infizierten anonymisiert der Öffentlichkeit darstellen, um Parallelitäten möglicher kommender Opfer rechtzeitig erkennen zu können.

Wir müssen konstatieren,

dass das Leben bei den meisten zu kurz ist,

um mit der Krise fertig zu werden.

Rein statistisch kann man aber gegen diese Krise etwas tun. Und zwar jeder Einzelne: Wer bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt und das Corona-Virus in sich trägt, gilt als nicht an Corona verstorben. Also tun Sie da bitte etwas gegen die Alarmisierung durch die Statistik, indem Sie die Sterbeart für sich rechtzeitig ändern, bevor Corona, wenn Sie es haben, Ihnen etwas anhaben kann.

Es ist mir bekannt, dass die Zahl der Infizierten in China zurückgegangen ist, und zwar drastisch. Aber ich weise darauf hin, dass das vor allem nach unserem Wissensstand geschehen konnte durch einen Lockdown mit großen sozialen Verwerfungen durch die chinesische Regierung.

Das heißt im Umkehrschluss:

Wenn China wirklich keine oder wenig neue Infizierte hat, wovon wir – da wir keine anderen Informationen haben – ausgehen müssen, müssen wir einsehen,

dass Demokratie hinderlich ist.

Was im Umkehrschluss weiterführend dazu führt, zu der Erkenntnis zu kommen, dass Demokratie für die Gesundheit insgesamt hinderlich ist.

Und deshalb bin ich froh, dass die Bundesregierung sich den Empfehlungen des RKI von Anfang an bedingungslos unterworfen hat.

Demokratisch beherrscht man ein Land erst,

wenn es von politischer Seite her

unregierbar geworden ist.

Wir haben daher empfohlen, die Regierung künftig sogleich in die Hände von Medizinern und Virologen zu legen. Weil Viren und Krankheiten wie Krebs, AIDS oder Krankenhauskeime immer zahlreicher und virulenter werden. Und Regierungen ohnedies immer bei uns nachfragen, was sie jetzt machen sollen.

Da können wir es gleich selbst machen.

Wir wissen nicht, was an Viren noch in uns lungert. Und welche noch gar nicht zum Ausbruch gekommen sind. Deswegen empfehlen wir vom RKI sogar,

den Notstands-Staat zum Dauerzustand zu machen.

Um auch Viren, die es noch gar nicht gibt,

keine Chance zu geben, dass sie es gibt.

Wichtig bleibt – Abstand halten.

Auch zur Demokratie.

In der Summe heißt das:

Die Empfehlungen von uns Virologen sind existentiell vorrangig. Es ist jetzt entscheidend, dass Menschen leben.

Auch wenn sie künftig nicht wissen, wovon.«

3 Interview 1 zur Lage der eigenen Situation

Mit Uwe Bogen in der »Stuttgarter Zeitung« im Mai 2020.

UB Ein Kabarettist ohne Shitstorm hat wohl was falsch gemacht? Sie haben nach Ihrem Auftritt bei Maischberger heftige Angriffe abbekommen. Wie schmerzhaft sind die für Sie? Fühlen Sie sich falsch verstanden?

MR Schmerzhaft sind solche Angriffe für unsereins schon deswegen nicht, weil man es als Satiriker gewohnt sein muss, falsch verstanden zu werden. Das regt übrigens auch die Diskussion an und das eigene Weiterdenken.

Im Fall meines Besuches bei Sandra Maischberger hat sich aber gezeigt, dass ein Satiriker in einem anderen Rahmen als seiner eigenen Satire-Sendung offenbar nicht als solcher wahrgenommen wird, sondern als reiner Kommentator, als Fachmann für irgendein Thema oder sogar als Politiker. Wenn es dann noch um ein so ernstes Thema wie diese Corona-Krise geht in einer solchen Sendung, tut man sich aber schwer, dort kabarettistisch launige Bemerkungen dazu zu machen.

Und das war offenbar das Problem:

Ich war zum Thema nicht distanziert genug,

wie ich es in meinen Sendungen von mir gewohnt bin.

Aber das ist kein Wunder:

Denn diese Krise ist allumfassend für die meisten Menschen in diesem Lande. Und zwar eben nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich und psychisch.

Ich spreche nicht für mich. Mir geht es gut. In jeder dieser Hinsichten. Weil ich für mich alleine arbeite: Ich schreibe zuhause. Und ich habe mich immer für eine gewisse Zeit auf Notfälle vorbereitet.Nein, ich wollte sprechen für unzählige Kollegen, Freunde, Bekannte und Unbekannte, die nicht nur in Angst vor Ansteckung leben, sondern zusätzlich noch viel mehr in Angst vor der Zukunft in Arbeitslosigkeit, vor vielleicht einem Währungsschnitt, vor Existenznöten. Und wenn Sandra fragte, ob unsere Regierung alles richtig gemacht hat, und meine Antwort nein war, heißt das NICHT, dass diese Regierung alles falsch gemacht hat. Es heißt nur, dass ich persönlich aufgrund der anderen Ängste der Menschen der Ansicht bin, dass ich zum Beispiel das schwedische Modell des nur teilweisen Herunterfahrens des öffentlichen Lebens für erträglicher halte. Um eben die anderen Ängste außer der gesundheitlichen nicht ins Uferlose laufen zu lassen. Daraus zu machen, ich leugnete Corona, ist ein leider nicht selten gewordener Schwachsinn.

UB Von Boris Palmer wissen wir, dass er was Provokatives raushaut und dann zurückrudert. Rudern Sie nun auch zurück? Sind Sie der Palmer des Kabaretts?

MR Nein, natürlich rudere ich nicht zurück.

Ich weiß nur, dass man aus Respekt vor den anderen Gästen in einer solchen Sendung, die genauso lange zu Wort kommen wollen, nur punktuell und ausschnittweise und zusammengerafft seine Vorstellungen darlegen kann. Das führt automatisch zu Missverständnissen. Wobei ich sagen muss, dass ich für alles, was ich bei Sandra Maischberger gesagt habe, von doch etlichen Zuschauern höchste Unterstützung und Dank gesagt und geschrieben bekommen habe. Und glauben Sie mir, in der Art und Weise, wie diese Zuschauer sich geäußert haben, waren da keine Radikalen egal aus welcher Richtung dabei.

Also habe ich nicht zurückzurudern.

Aber ich bin gerne bereit, auch in meiner nächsten Sendung beim SWR, dies immer wieder und ausführlicher zu erläutern.

Denn ich kann es nur noch mal sagen:

Meine Sorge und leider meine Gewissheit sind, dass die Angst vor Corona ablenkt von viel, viel größeren Ängsten, die die Menschen zusätzlich haben.

Insofern bin ich auch nicht der Palmer des Kabaretts. Boris Palmer ist der Kabarettist der Politik. Der Politiker des Kabaretts bin ich aber nicht. Ich beleuchte die Politik nur.

UB Sie zählen von Ihrem Alter her zur Risikogruppe. Haben Sie keine Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus?

MR Nein, ich habe keine Angst.

Erstens habe ich keine Vorerkrankung und zweitens wurde ich schon von so vielen Leuten mit allem Möglichen angesteckt, was zwar vergleichsweise harmloser war, aber durch mehr Distanz auch gut hätte vermieden werden können.

Denn das ist das – wenn ich das anmerken darf, ohne gleich wieder gescholten zu werden, ich betrachtete Corona als etwas Positives und leugnete damit die Gefährlichkeit, hüstel, hüstel – , was ich als Positives aus der Bewältigung der Krise mitnehme:

Die gnadenlose Distanzlosigkeit der Menschen wird endlich überwunden. Die geht mir seit Jahren auf die Nerven. Jedem Kassierer an der Tankstelle oder im Supermarkt hätte ich schon vor Jahrzehnten eine Plexiglasscheibe gegönnt, damit der sich nicht dauernd anspucken lassen muss, wenn der Kunde mit Zischlauten raus posaunt:

»Isch brauchch nochchh Zzzzzigaretthhen.«

UB Sind Sie im Nachhinein glücklich mit Ihrem Auftritt bei Maischberger? Oder haben Sie was falsch gemacht?

MR Erstens bin ich nicht unzufrieden. Weil es auch so viele positive Reaktionen gegeben hat. Und zweitens nein. Ich habe nichts falsch gemacht. Ich habe vielleicht nur zu verkürzt sprechen können. Das liegt, wie gesagt, in der Natur der Sendung. Aber ich habe versucht, mich an das zu halten, was offensichtlich ist. Und es ist NICHT krude, wenn ich Lothar Wieler vom RKI für überfordert halte und ihm unrichtige, ständig wechselnde Empfehlungen vorwerfe. Damit habe ich ausschließlich ein hochgeachtetes Wochenmagazin wörtlich zitiert. Wenn der »SPIEGEL« dann eine Vorstadtkommentatorin mich deswegen in peinlicher Weise in Abrede stellen lässt, lässt der »SPIEGEL« es zu, sich selbst zu torpedieren. Ein unsäglicher Vorgang. Und die Dame sollte vielleicht künftig doch besser nur den Gesangsverein ›Frohlust‹ begutachten oder ähnliche Freizeitbeschäftigungen.

UB Corona spaltet die Gesellschaft. In Stuttgart gibt es Wutbürger und Aluhutbürger. Zu welcher Gruppe gehören Sie?

MR Ich gehöre de facto zu keiner Gruppe. Aber ich bemühe mich, die Wut der Bürger, die ich oft teilen kann, unter keinen Aluhut zu bringen. Denn auch hier ist immer darauf zu achten, dass aus Wut nicht Radikalität wird. Wer Demokratie fordert, muss sie selbstverständlich auch leisten. Auch wenn die Magenkuhle schmerzt dabei.

UB Halten Sie Corona wirklich für eine Grippe? Fast alle Experten sagen, dies sei nicht so. Lassen Sie sich nicht von Ergebnissen der Wissenschaft beeindrucken?

MR Das tue ich NICHT!!!!

Ich habe bei Sandra Maischberger Corona NICHT für eine Grippe gehalten. Zu mir hat sich auch rumgesprochen, dass die Gefährlichkeit von Corona gut vier bis fünf Mal so hoch ist, dass man die Spätfolgen nicht kennt, und so weiter. Ich habe lediglich die altbekannte Wahrheit gewagt, anzumerken, dass es bei der letzten Virusgrippe (2017/2018) 10 Millionen Infizierte gab und 25 100 Tote. Und dass der Impfstoff damals auch nicht hinreichend wirkungsvoll war. Und ich wollte gefragt haben, warum man damals in keinster Weise auch nur im Entferntesten ebenso Abstandsmaßnahmen eingeführt hat? Weil es nicht ganz so gefährlich war? Damit stelle ich doch nicht die Wissenschaft hinsichtlich Corona infrage.

UB Wie wird es mit Deutschland weitergehen, wenn das Corona-Virus uns die nächsten Monate begleitet?

MR Das wissen wir ja eben nicht. Es ist nur zu hoffen, dass man mehr darauf achtet, die Menschen mitzunehmen. Nicht allein in puncto Gesundheit, sondern auch seelisch.

5 Gegner ungleich Leugner

Das trieb also Deutschland um in dieser Zeit.

Es gab kein anderes Thema.

Zumal jede einzelne Nachrichtensendung zu jeder vollen Stunde Tag und Nacht im Radio sowie jede einzelne ›Tagesschau‹, jedes ›heute‹, alle News, jede Talkshow und jede Sondersendung im Fernsehen seit März 2020 mit dem Stichwort ›Corona‹ begonnen wurden.

In denen während der ersten zehn Monate der Krise die Wiedergaben der Stimmen derer, die die Rückgabe der Grundrechte einklagten, verdächtig kleingehalten wurden im Verhältnis zu den Stimmen derer, die die notwendigen, aber auch oft irrationalen Einschränkungen befürworteten.

So war man oft schon versucht, zu fragen,

ob denn das eigentliche Virus die Demokratie sei?

Und ob man in Wahrheit die Deutschen vor diesem Virus ›Demokratie‹ schützen müsse, damit nicht zu viele von ihm infiziert werden und damit die Inzidenz minimal gehalten wird, damit das Gemeinwesen nicht überlastet werde, wenn sich an demokratischen Werten Erkrankte in die leerstehenden Innenstädte ergießen?

Das alles führte dazu, dass Bürger, denen die Maßnahmen gegen Corona zu Teilen willkürlich und widersprüchlich vorkamen, sich gezwungen sahen, ständig neu repetieren müssen:

Maßnahmen-Gegner sind KEINE Corona-Leugner.

Und sie sind auch KEINE Verschwörungstheoretiker!

Demonstranten sind mitnichten durchweg Neu-Nazis, AfDler oder Aufwiegler, sondern zum allergrößten Teil Menschen, die in ihrer Existenz nicht nur bedroht, sondern bereits zerstört sind. Sie haben das zusätzliche Pech, dass sie in ihrem Wunsch, ihre Not öffentlich zu machen, benutzt werden von einer minimalen rechten Minderheit, die lautstark genug ist, sich stärker in Szene zu setzen als die anderen.

Das wird gerne übersehen, weil es so einfacher wird, den Gegner regierungsamtlicher Tätigkeit groß genug erscheinen zu lassen.

Und es ist in höchstem Maße bedenklich, wenn im Zuge der Vorwürfe gegen die Anti-Corona-Maßnahmen – gerade weil diese eben oft nicht nachvollziehbar sind – höchste Regierungsvertreter, wie zum Beispiel auch der baden-württembergische Ministerpräsident, betonten, dass der größte Teil der Wirtschaft von den kritisierten Maßnahmen gar nicht betroffen sei.

Sicher in der vielleicht guten Absicht,

zu beruhigen oder ruhigzustellen.

Und vielleicht auch in der verkennenden Wirkung, dass diese Aussage in der Summe stimmen mag. Da Online-Handel, Handwerker et cetera jetzt den großen Reibach machen. Und dadurch das Bruttosozialprodukt tatsächlich vielleicht nicht so minimiert wird, wie man es hätte erwarten können.

Jedoch wurden die Einzelnen – der einzelne Fachhändler, der einzelne Unternehmer, der mittelständische Betrieb, der einzelne Künstler und der einzelne Direktor eines kleinen Theaters – mit solchen Worten vollkommen ignoriert. Wo doch immerhin der Deutsche Städtetag am Frühjahr 2021 vorgerechnet hatte, dass man mit Insolvenzen in den Innenstädten rechnete von bis zu 65 Prozent. 

Andererseits wurde zugegebenermaßen aber auch eine gewisse Paradoxie plötzlich überdeutlich, in der sich ganz Deutschland aufregte über die Untersagung von Sterbebegleitung von Oma und Opa in Corona-Lockdown-Zeiten und die Minimalzulassung von Trauergästen bei einer Beerdigung, wo wir doch seit Jahren den Tod ohnehin zunehmend anonymisiert haben:

Gräber werden nach fünf Jahren nicht mehr verlängert. Es gibt immer weniger Todesanzeigen, damit keiner am Tod teilnehmen kann. Es wird ohne Namen beerdigt, verschachert, ins Meer geschmissen.

Wir haben den Tod schon lange abgeschoben.

In dieser Hinsicht müsste doch Corona für unsere steigende Emotionslosigkeit ausgesprochen hilfreich gewesen sein?

Und eine gewisse Paradoxie wurde ebenso deutlich in der Farce der politischen Vorgabe, dass zum Beispiel wegen Corona im Schulbetrieb die Schüler sich möglichst wenig durchmischen sollen und auf den Schultoiletten der Kontakt vermieden werden müsse. Was war denn in den Schulen los auf den Klosetts, fragte man sich? Was wurde hier unterstellt? Wo doch immerhin ein Gericht in Nordrhein-Westfalen gerade das Prostitutionsverbot aufgehoben hatte.

Oder war das zu weit gedacht?

Und eine Paradoxie und irritierende Lächerlichkeit wurden noch zusätzlich deutlich, wenn Kanzlerin Merkel auf den Einwand, dass es Schülern bei viertelstündlich geöffnetem Fenster in den Schulen im Winter einfach auf Dauer eines ganzen Schultages zu kalt würde, empfahl, man könne »ja auch mal zwischendrin eine Kniebeuge machen. Oder mal in die Hände klatschen«.

Oder wenn Gesundheitsminister Jens Spahn in der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (9.12.2020) gar zitiert wurde: »Um die Ansteckungsgefahr im privaten Bereich zu minimieren, kann womöglich auch Gurgeln helfen.«

Und nicht nachvollziehbar wurde, dass es zum Beispiel als Bundesregelung ab dem Frühjahr 2021 eine Sperrstunde gab, in der man dennoch alleine von 22 Uhr bis 24 Uhr joggen durfte, aber in dieser Zeit alleine Auto zu fahren verboten gewesen ist.

Warum es überhaupt eine Sperrstunde gab, wo zu dieser Zeit alle Läden, Restaurants und Bars geschlossen waren, blieb unerklärt.

Ganz Findige wie der Gesundheitsminister sein wollende Karl Lauterbach argumentierten, dass man damit verhindern mochte, dass Menschen sich besuchen nach 22 Uhr. Hatte man folgerichtig in Hochhäuser Polizisten abgestellt, die beobachteten, ob keiner seine Wohnung im ersten Stock verließ, um sich zum Nachbarn im zehnten Stock zu gesellen?

Oder war man in der Beschränkung von Grundrechten

einfach nur noch nicht so weit gekommen?

Auf dieser Basis spürte man seit Beginn der Krise eine denkwürdige Veränderung in der Gesellschaft.

Von November bis zum Dezember 2020 und dann vom Januar bis zum Frühjahr 2021 wurde der Lockdown immer weiter verschärft. Offenbar ohne Wirkung, denn es stiegen die Fallzahlen dennoch. Und trotzdem wurde berichtet, dass sich eine große Mehrheit der Bürger aussprach für noch mehr Stillstand und für noch längeren Stillstand und für noch schärferen Stillstand. Um die 85 Prozent, hieß es manchmal, würden noch weniger Kommunikation wollen, noch weniger Kontakte und noch weniger soziale Umfelder.

Ein Wert übrigens,

um den uns ein Erich Honecker beneidet hätte.

Das Lieblingsrestaurant war geschlossen, das bevorzugte Modegeschäft war pleite, der Stamm-Friseur war insolvent. Und alle diese Arbeitslosen oder Betroffenen waren für noch mehr Lockdown??

Wie selbstlos.

Fragte man sich da nicht manchmal, ob AIDS, Ebola und Malaria in Afrika mit Millionen von Toten im Jahr so viel harmloser sind als Corona, dass man nicht auch Afrika deswegen schon längst komplett gelockdownt hatte?

 

6 Kritik der unreinen Vernunft

Waren so viele Mitbürger wirklich seelisch so stabil, dass sie in Magazinen und in Reportagen fast nur Zustimmung zu noch mehr Beschränkungen in Schulen, Einzelhandel und bei persönlichen Kontakten bekundeten?

Waren die Befragten trotz aller Pleiten so beständig, dass kaum einer von ihnen Herrn Schäuble zustimmte, wenn er mit Blick auf die Abwägung zwischen Lebensschutz und Kollateralschäden auf Warnungen der Vereinten Nationen und der Welthungerhilfe vor Millionen von Unterernährung und Hungertod bedrohten Menschen verwies und wörtlich im Gespräch mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung« im Dezember 2020 sagte und es im Januar 2021 noch einmal wiederholte:

»Gesperrte Häfen, geschlossene Märkte und unterbrochene Lieferketten treffen Bauern hart. Sie können ihre Ernte nicht mehr verkaufen, und es fehlt ihnen an Dünger und Saatgut, die Nahrungsmittelpreise steigen dadurch massiv. Wir können nicht um jeden Preis jedes Leben schützen, und alles andere muss dahinter zurücktreten.«