Ausstieg aus narzisstischen
Beziehungen
Aus dem Englischen
von Barbara Rusch
Der Originaltitel You Can Thrive After Narcissistic Abuse. The #1 System for Recovering from Toxic Relationships erschien 2018 bei Watkins, an imprint of Watkins Media Limited, London.
Die Autorin und der Verlag bedanken sich bei Coleman Barks und HarperCollins für die freundliche Genehmigung, aus The Essential Rumi (Neue erweiterte Ausgabe) zu zitieren, HarperCollins, 2004, herausgegeben und übersetzt von Coleman Barks.
Wichtiger Hinweis: Die Informationen und Ratschläge in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt von Autorin und Verlag erarbeitet und geprüft. Alle Leserinnen und Leser sind jedoch aufgefordert, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit sie die Anregungen in diesem Buch umsetzen wollen. Insbesondere soll dieses Buch keine Beratung, Diagnose oder Behandlung durch medizinische oder psychologische Experten ersetzen. Eine Haftung der Autorin bzw. des Verlags für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
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1. eBook-Ausgabe 2020
Copyright © Melanie Tonia Evans, 2018
© der deutschsprachigen Ausgabe 2020 Scorpio Verlag
in Europa Verlage GmbH, München
Redaktion im Verlag: Désirée Schoen
Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München
Umschlagabbildung: © mysondanube/gettyImages,
© bastinda18/shutterstock
Layout und Satz: Danai Afrati
Konvertierung: Bookwire
ePub-ISBN: 978-3-95803-278-1
Alle Rechte vorbehalten.
www.scorpio-verlag.de
Vorwort von Dr. Christiane Northrup
Vorwort von Theresa Cheung
Einleitung
1Wie alles anfing
Erster Teil: Was ist narzisstischer Missbrauch?
2Lebe ich in einer Beziehung mit einem Narzissten?
3Warum wir Narzissten anziehen
4Missbrauch hat viele Formen
5Was mit uns geschieht, wenn wir missbraucht werden
6Der grundlegende erste Schritt zum Thriver
Zweiter Teil: Die Schritte zur Heilung
7Die unmittelbaren Schmerzen und Verlustgefühle loslassen
8Sich von der Illusion befreien, dass ein anderer Mensch die Quelle unseres Ichs ist
9Sich selbst und Ihrem Leben vergeben
10 Durch Unrecht und Betrug verursachte Schmerzen heilen
11 Den Kampf um den Sieg und für Gerechtigkeit aufgeben
12 Das Bedürfnis loslassen, Verantwortung für den Narzissten zu übernehmen
13 Das Geschenk des spirituellen Empowerment annehmen
14 Die Furcht vor dem Narzissten und seinen zukünftigen Taten verlieren
15 Die Verbindung mit dem Narzissten endgültig lösen und heilen
16 Erlösung, Freiheit und Wahrheit verwirklichen
Dritter Teil: Uns selbst und nachfolgende Generationen heilen
17 Die persönliche und die kollektive Thriver-Veränderung
18 Unsere kostbarste Ressource: unsere Kinder
19 Die Thriver-Mission
Anmerkungen
Glossar
Weiterführende Literatur
Danksagung
Vor einigen Jahren rief mich eine Kollegin an und schockierte mich mit der Mitteilung, dass sie sich nach dreißig Jahren Ehe von ihrem gut aussehenden, erfolgreichen Ehemann – einer Säule der Gemeinde – scheiden lassen würde. Sie hatte herausgefunden, dass er eine Affäre hatte. Doch dies war erst der Anfang. Mit der Zeit fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, dass ihre Ehe und ihre Beziehung nichts weiter als eine Illusion gewesen waren. Eine Illusion, die sie jahrzehntelang mit all ihrer Energie gehegt und gepflegt hatte. Er war nie der Mann gewesen, als den sie sich ihn vorgestellt hatte; der Mann, nach dessen Aufmerksamkeit sie sich sehnte, die sie jedoch nie wirklich erlangte – wofür sie ihren eigenen Unzulänglichkeiten die Schuld gab. Nein, er war weitaus schlimmer. Sie fand heraus, dass er ihre gemeinsame Tochter sexuell missbraucht hatte und zudem praktisch ein Doppelleben führte: Nach außen gab er sich als pflichtbewusster Vater und Ehemann – respektiert von der ganzen Gemeinde und der erweiterten Familie –, aber hinter dieser Fassade war er ein vollkommen anderer. Und wie so häufig, glaubte ihr niemand ihre Seite der Geschichte. Aber das war egal. Sie konnte sich befreien.
Weil ich damals bereits so viel Erfahrung mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung gesammelt hatte, konnte ich ihr helfen zu erkennen, womit sie es zu tun hatte … und, weitaus wichtiger noch, sie in die richtige Richtung führen, damit sie das Ganze nicht nur überstehen – sondern als »Thriver« aufblühen würde.
Die Genesung meiner Kollegin und Tausender anderer wurde enorm durch die unglaublich wirksame Arbeit von Melanie Tonia Evans befeuert, die ich vor einigen Jahren kennenlernte. Eine Freundin von mir absolvierte während ihrer Scheidung Melanies Narcissistic Abuse Recovery Program. Jeden Tag rief sie mich an, um mir von ihren Einsichten, ihren emotionalen Zusammenbrüchen, aber auch ihren Durchbrüchen und Fortschritten zu erzählen. Auch sie ist heute auf jeder Ebene ein Thriver. Und wir alle hören uns regelmäßig Melanies Thriver TV an – damit wir nicht in alte empathische (aber unwirksame) Muster zurückfallen.
Unser Leben als Thriver ist der pure Gegensatz zu dem Leben der meisten anderen, die in Beziehungen mit cleveren narzisstischen Menschen – meisterhaften Manipulierern, die einem das Fell über die Ohren ziehen – stecken, einschließlich der Therapeuten, bei denen die Opfer Hilfe suchen. Unsere Gesellschaft beginnt erst sehr langsam zu verstehen, dass Persönlichkeitsstörungen, die meist auch Narzissmus beinhalten, ein enormes, bislang nicht erkanntes Problem – epidemischen Ausmaßes – für das Gesundheitswesen darstellen. Erst seit Kurzem hat der Berufsstand der Psychologen überhaupt erkannt, dass eine konventionelle Gesprächstherapie bei narzisstischen Menschen ganz und gar nicht hilft. Ebenso wenig wie »Wut-Management«. Tatsächlich werden sie durch konventionelle Therapie sogar noch schlimmer. Warum? Weil sie das, was sie in der »Therapie« lernen, nutzen, um das Leiden ihrer Partner und Partnerinnen oder Familienmitglieder noch zu verstärken. Narzisstische Menschen bewerben sich für die Opferrolle. Und sie spielen sie, egal, was passiert, auf einem oscarreifen schauspielerischen Niveau. Ihre Opfer unternehmen im Gegenzug alles, was in ihrer Macht steht, um den Narzisstinnen und Narzissten zu helfen, ohne zu verstehen, dass diese Energievampire nicht wie Menschen mit normaler Empathie denken und handeln. Sie besitzen keine Empathie. Für viele ist das einfach schwer zu glauben. Wir sind in der irrigen Überzeugung aufgewachsen, dass unsere Liebe und Energie alles und jeden heilen kann. Und in den meisten Bereichen unseres Lebens stimmt das auch. Doch in Bezug auf Narzisstinnen und Narzissten ist diese Überzeugung schlicht gefährlich.
Sandra Brown, die Autorin von Women Who Love Psychopaths (Frauen, die Psychopathen lieben), sagt, dass »die Welt scheinbar auf merkwürdige Weise zu ihrem Vorteil gepolt ist«. Ein anderer Kollege – ein klinischer Psychologe mit über dreißigjähriger Erfahrung in der Behandlung von Männern, die von Priestern sexuell missbraucht wurden – erzählte mir, dass diese Menschen Chamäleons sind, die einen voll und ganz um den Finger wickeln können. »Selbst nach all den Jahren, die ich in diesem Bereich arbeite«, sagte er, »ist mir klar, dass ich noch immer von einem Narzissten verschaukelt werden kann, solange er oder sie ausreichend charmant und gut aussehend ist.« Ernüchternd, oder?
Ich schrieb Vom Schatten ins Licht: Wie Sie Energieräuber erkennen und sich von ihnen befreien können, weil mir nach 35 Jahren an vorderster Front geleisteter Arbeit für Frauengesundheit klar wurde, dass die große Mehrheit der Frauen, die unter sogenannten Autoimmun- oder rätselhaften Krankheiten wie chronisches Müdigkeitssyndrom, adrenale Erschöpfung, Fibromyalgie, rheumatische Arthritis, Hashimoto-Thyreoiditis oder Lupus litten, mit einem Energievampir zusammenlebte. Solche Betroffenen können nur gesunden, wenn sie endlich verstehen, mit wem sie es zu tun haben, und sich befreien. Als Expertin für ganzheitliche Frauengesundheit musste ich in Bezug auf dieses Phänomen Alarm schlagen, um Menschen zu helfen, sich aus dieser Toxizität zu befreien, bevor sie ihr Leben ruinierte. Und natürlich habe auch ich wie Melanie meine persönlichen Erfahrungen mit solchen Persönlichkeiten gemacht. Ich weiß, wie schwer es ist, sich vor ihnen zu retten. Und ich glaube fest daran, dass wir jetzt an einem Punkt der Geschichte angelangt sind, an dem unsere Gesellschaft langsam den durch Narzisstinnen und Narzissten verursachten Schaden zu sehen beginnt. Fraglos hat die durch den Harvey-Weinstein-Skandal ins Rollen gekommene #MeToo-Bewegung dazu beigetragen. Damit ist ein Schritt auf einer langen Reise getan.
Melanie Tonia Evans kennt die persönliche Hölle narzisstischen Missbrauchs hautnah und aus eigener Erfahrung. Viel wichtiger noch, hat sie einen Weg aus diesem Fegefeuer entdeckt: die in diesem Buch vorgestellte Heilmethode Quanta Freedom Healing. Nachdem ich ihren Online-Kurs absolviert habe, kann ich die Wirksamkeit ihrer Behandlung bestätigen. Es reicht nicht, Narzissmus mit dem Verstand zu durchdringen – auch wenn dies ein Anfang ist. Letztendlich muss jeder von uns seine Wunden tief im Inneren angehen – die uns zum Ziel für narzisstische Menschen machen. Wir müssen emotional und spirituell heilen – auf tiefster Ebene. Wir müssen uns nach innen wenden. Wir müssen den narzisstischen Menschen aufgeben und endlich das einzige Leben umarmen, das wir retten können: unser eigenes. In diesem Buch werden Sie genau erfahren, wie das geht. Auch Sie können ein Thriver werden, der nicht mehr ängstlich, krank oder unterdrückt ist. Danke, Melanie, dass du diese Arbeit für dich und für uns machst.
Dr. Christiane Northrup, Mai 2018
Autorin von Vom Schatten ins Licht: Wie Sie Energieräuber
erkennen und sich von ihnen befreien können
Es war immer meine Grundeinstellung, mein Leben von Liebe, Freundlichkeit, Mitgefühl und Empathie leiten und inspirieren zu lassen. Das Licht in jedem und allem zu sehen und feinfühlig gegenüber den Bedürfnissen anderer zu sein ist der Weg in den Himmel, sage ich meinen Lesern. Ich könnte meine spirituellen Bücher nicht schreiben, wenn ich nicht an die Wahrheit dieses Konzepts glauben würde. Vor ein paar Jahren jedoch wurde mein Glaube an den Himmel und die Macht der Liebe, alles zu erklären und zu bezwingen, bis in die Grundfesten erschüttert.
2014 tauchte jemand in meinem Leben auf, der mir von einer verlässlichen Quelle wärmstens empfohlen worden war. Ich hatte keinen Grund, an dieser Quelle zu zweifeln, doch in den folgenden zwei Jahren sollte ich die Hölle auf Erden erleben.
Die Geschichte ist lang und würde allein ein ganzes Buch füllen, deshalb gehe ich an dieser Stelle nicht weiter darauf ein. Es reicht, wenn ich sage, dass ich genau die Schmerzen, die Verwirrung, Leere und den Kummer erlebte, die Melanie so bewegend in diesem unglaublichen Buch beschreibt. Nie zuvor habe ich jemanden gekannt, der mit solcher Intensität schmeichelte, so voll und ganz an die eigene Großartigkeit glaubte und mir auf solche Weise verhieß, Magie in mein Leben zu bringen … und der mit solcher Leichtigkeit betrog und mit der Wahrheit spielte, dass ich nicht mehr wusste, was real war, der so gierig nahm, ohne einen Gedanken daran, etwas zurückzugeben, und dessen Versprechungen absolut nichts bedeuteten.
Trotz der qualvollen Intensität meiner Verwirrung und Schmerzen und offensichtlicher roter Warnlampen, anstatt mich selbst wertzuschätzen und wegzugehen, verschloss ich einfach die Augen vor der Wahrheit. Unerklärlicherweise begann ich alles zu tun, was ich konnte, um diesem Jemand zu helfen, ihn zu unterstützen oder zu beeindrucken, um die goldene Ära grenzenloser Liebe, die urplötzlich durch Ignorieren und Schweigen abgelöst worden war, wiederauferstehen zu lassen. Ich glaubte, dass er meinen Wert wieder erkennen würde, wenn ich ihn mit Liebe, Selbstaufopferung und Freundlichkeit überschüttete, doch je mehr ich von mir gab, desto schlimmer wurde es. Es war erbarmenswert. Ich verlor mich selbst, und ich kann ehrlich sagen, wäre ich nicht über Melanies Videos gestolpert, würde ich dieses Vorwort vielleicht nicht schreiben. Ganz sicher würde ich nicht dieses fröhliche, liebevolle und erfüllende Leben führen, das ich heute führe.
Ich bin eine spirituelle Autorin, und deshalb schreiben mir häufig Menschen, um mich um Rat zu fragen, warum schlimme Dinge passieren, oder weil sie meine spirituelle Wegbegleitung bei der Verarbeitung des Verlusts eines geliebten Menschen oder in einer Krise im Glauben an sich selbst suchen. Meine Leser liegen mir sehr am Herzen, und nichts bereitet mir mehr Freude, als zu lehren, mein Wissen zu teilen und die Spiritualität anderer wachsen zu sehen. Doch in diesem dunklen Abschnitt meines Lebens war ich plötzlich einfach nicht mehr fähig, anderen diese Führung mit Überzeugung anzubieten. Der Grund war, dass ich selbst Hilfe und spirituelles Verständnis brauchte.
Die Situation war so qualvoll und mein Herz in so viele Teile zerbrochen, dass ich nicht wusste, wohin ich mich wenden sollte. Ich bin mein ganzes Leben lang eigenständig gewesen, und andere, selbst Familie und Freunde, um Hilfe zu bitten, wenn ich sie brauche, fällt mir nicht leicht. Glücklicherweise hatten mir in der Vergangenheit meine spirituellen Glaubensvorstellungen und die Energie der Liebe und Freude in meinem Herzen durch schwierige Zeiten geholfen und mir die nötige Kraft und Hoffnung gegeben. Dieses Mal jedoch war die Situation dramatisch anders. Mein Herz war verdorrt, mein Geist leer. Ich brauchte dringend Hilfe, und so tat ich, was ich immer tue: Ich betete darum. Der Himmel (mit etwas Hilfe von Google) antwortete mir durch die YouTube-Videos von Melanie Tonia Evans. Ich war sofort von ihrer Botschaft fasziniert. Sie kam mit aller Kraft bei mir an. Ich schrieb mich für ihr NAR-Programm ein, und das Abenteuer meiner Heilung begann.
Vier Jahre später bin ich dank Melanie am Ende des narzisstischen Tunnels und an jenem Punkt angelangt, an dem ich tatsächlich dankbar für die Erfahrung bin, weil sie mir zeigte, dass es mir gravierend an Selbstliebe fehlte. Melanie half mir, etwas zu verstehen, was ich instinktiv wusste, an das ich aber offensichtlich erinnert werden musste: nämlich dass ich das Verständnis, die Bestätigung, die Verehrung und die Begeisterung, die ich von außen zu bekommen versuchte, in meinem Inneren entdecken musste. Ich habe auch ein Stadium erreicht, in dem ich wirklich keine Rache mehr brauche, weil ich weiß, dass – um es mit John Milton (1608–1674) zu sagen –: »Wohin ich fliehe, ist die Hölle da. Ich bin selbst die Hölle«, und dass für einen Narzissten das Gesetz des Karmas sorgen wird. Dank Melanies spiritueller Weisheit kann ich loslassen und diesem Jemand einfach Liebe übersenden und hoffen, dass er seinen Frieden findet.
Natürlich sage ich all dies im Nachhinein, denn damals schienen Verständnis, Hoffnung und jegliche liebevolle Lösung ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb freue ich mich so unglaublich, heute dieses Vorwort zu schreiben, weil ich weiß, dass dieses Buch jedem, der es liest, Heilung, Verständnis, Trost, Unterstützung, Liebe und freudige Hoffnung geben wird. Ob man nun narzisstischen Missbrauch erlitten hat oder nicht, dieses Buch sollte für jeden Menschen Pflichtlektüre sein, weil immer mehr eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben und, wie Melanie erklärt, sensible, empathische Menschen für Narzisstinnen und Narzissten die Droge der Wahl sind. Wenn Sie bislang noch keinem narzisstischen Menschen begegnet sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie irgendwann auf einen treffen werden. Die Informationen in diesem Buch werden Ihnen helfen, die Warnsignale früher zu erkennen und einem Leben aus Schmerzen, Kummer und Verwirrung zu entgehen.
Ich glaube nicht an die Hölle, aber eine Beziehung mit einem narzisstischen Menschen zu haben oder mit einem aneinanderzugeraten fühlt sich ziemlich danach an. Glücklicherweise gibt es einen Engel auf Erden in der Person von Melanie Tonia Evans, der uns zeigt, dass ein Leben nach dem narzisstischen Missbrauch nicht nur erfüllender sein kann als zuvor, sondern dass es den Himmel auf Erden wirklich gibt. Der erste Ort, um nach diesem Verständnis und nach Heilung zu suchen, liegt in unserem Inneren. Der Weg ist extrem schwierig, solange man auf sich selbst gestellt ist, aber das sind Sie nicht: Melanie und ihr Team stehen bereit, um Sie zu heilen, zu führen und bei jedem Schritt auf Ihrem Weg zu unterstützen.
Indem Sie dieses Buch lesen, lassen Sie sich selbst etwas unglaublich Stärkendes, Liebevolles und Heilendes zukommen. Es könnte die wertvollste Anschaffung sein, die Sie je getätigt haben. Ich freue mich sehr für Sie, dass Sie nun den ersten Schritt auf dem Weg hinaus aus dem schwarzen Loch des narzisstischen Missbrauchs getan haben. Zusammen mit Melanies Online Thriver Community kann dieses lebensverändernde Buch wahrhaftig Ihr Licht in der Dunkelheit sein. Es ist ein Kurs in Selbstheilungswundern, eine Rückkehr zur Liebe. Es ist die Antwort des Himmels für Sie.
Theresa Cheung, Mai 2018
Autorin der Sunday Times-Bestseller Answers from Heaven
und Achtsamkeitsrituale. 21 Wege zu einem glücklicheren Leben
www.theresacheung.com
Dieses Buch ist ein Buch für jeden von uns. Die meisten Menschen haben entweder selbst eine Form des narzisstischen Missbrauchs erlitten oder kennen jemanden aus dem engsten Umfeld, dem dies widerfahren ist. Doch niemand, der nicht selbst die Erfahrung narzisstischen Missbrauchs gemacht hat, kann den Umfang dieser lautlosen Epidemie ermessen. Geschweige denn, dass er oder sie nachvollziehen könnte, dass einen die Auswirkungen in eine nie zuvor erfahrene, abgrundtiefe Verzweiflung stürzen lassen können – und in welches Entsetzen darüber, dass man sich davon offenbar einfach nicht erholen kann.
Ich möchte Ihnen gleich zu Beginn sagen, dass dieses Buch für Sie wichtig ist, wenn Sie aufgrund einer traumatischen Beziehung leiden, sei es zu einem Elternteil, Ehepartner, Geliebten, Freund, Chef, Kollegen, Geschäftspartner – es kann sogar Ihr eigenes Kind sein. Dabei ist es unerheblich, ob Sie aktuell in einer missbräuchlichen Beziehung gefangen sind oder noch mit der Heilung von längst vergangenen Erfahrungen kämpfen. Und Sie müssen auch gar nicht genau wissen, ob ein Mensch nun ein echter Narzisst ist oder nicht, um von den in diesem Buch vorgestellten wirksamen Heilmethoden zu profitieren. Das einzige für Sie wichtige Kriterium ist, dass Sie von schmerzvollen und enttäuschenden Beziehungen genug haben.
Dieses Buch behandelt zwar in erster Linie die Heilung von narzisstischem Missbrauch, doch es geht auch weit darüber hinaus: Es hilft Ihnen, die Dynamiken des Narzissmus kennenzulernen und zu verstehen, und vor allem zeigt es Ihnen, wie Sie von dessen schleichender Giftwirkung vollständig genesen können. Endlich frei! handelt im Wesentlichen davon, wie jeder Einzelne Teil eines geheilten globalen Ganzen ist und wie wir uns selbst zurückgewinnen – trotz Missbrauch und Missbrauchern. Dies erfordert jedoch, jenseits unserer rationalen Denkprozesse tief in unser Selbst einzutauchen, um die Symptome zu behandeln, die wir früher für nicht behandelbar hielten. Erst dann können wir beginnen, das Undenkbare zu heilen und das Trauma zu überwinden, das wir einst für unüberwindbar hielten, um ein erfüllteres Leben zu führen, als wir es je zuvor – auch vor dem Missbrauch – kannten.
Es ist Teil meiner Heilmethode, eine höhere Macht heranzuziehen, und tatsächlich funktioniert sie nur durch diese Verbindung. Dennoch liegt es mir fern, Ihnen eine bestimmte Spiritualität aufzudrängen, denn das Konzept Ihrer höheren Macht können Sie selbst bestimmen. Sie könnte zum Beispiel auch buchstäblich das »Leben« selbst sein. Der Einfachheit und Einheitlichkeit halber verwende ich in diesem Buch für diese höhere Macht Begriffe wie »Lebenskraft«, »Lebensquelle« und »Schöpfung«, die, wie ich glaube, im Grunde alle dasselbe bezeichnen.
Ich bin mir bewusst, dass viele Mitglieder unserer Community leider aufgrund von religiösem Missbrauch (oder aus anderen Gründen) eine Aversion gegenüber dem Begriff »Gott« hegen, was ich zutiefst respektiere. Wer jedoch damit keine Probleme hat: Ich verwende die Begriffe Lebenskraft, Lebensquelle und Schöpfung in einem Sinn, der durchaus mit Gott gleichgesetzt werden kann. Wenn Sie nicht an Gott glauben, dann könnten Sie einfach stattdessen eine »Energie« anerkennen. Heilung und Transformation erfolgen unabhängig davon, wie wir dieses Prinzip nennen.
In diesem Buch spreche ich zudem von früheren Leben. Tatsächlich glaube ich fest an Vorleben. Ich glaube auch daran, dass die Leiden, die wir zur Heilung ausgewählt haben, in unseren Leben so lange immer wieder auftauchen werden, bis wir sie endlich bewältigen. In meiner früheren Tätigkeit als Rückführungstherapeutin erhielt ich immer wieder erstaunliche Beweise für frühere Leben von Menschen, die sich an historische Ereignisse erinnerten, von denen sie zuvor überhaupt keine bewusste Kenntnis besaßen. Dazu gehörten Namen, Daten und Ereignisse, die in historischen Aufzeichnungen, zum Beispiel in Geburtsurkunden, nachgeprüft werden konnten. Und ich erlebte dies auch viele Male an mir selbst während meiner eigenen Rückführungen. Ich glaube, dass der Ursprung unserer Traumata und Missbrauchsmuster meist in brutalen historischen Epochen liegt und sie von Leben zu Leben weitergetragen werden. Deshalb müssen wir unser Bewusstsein erweitern und uns bemühen, die größeren Zusammenhänge zu erkennen, um so das Trauma oder den Missbrauch an der Wurzel zu packen und zu entfernen – denn sonst können wir niemals heilen.
Gleiches gilt für epigenetische Traumata, die über das Molekulargedächtnis und die Expression unserer Gene von Generation zu Generation weitergegeben werden, bis sie endlich ein Mensch aus seiner DNA löst und heilt und auf diese Weise den Kreislauf für sich selbst und für kommende Generationen durchbricht. Mittlerweile glauben immer mehr Menschen daran, dass Traumata von unseren Vorfahren über das Erbgut – die Gene – an uns weitergereicht werden können.
Derzeit gibt es noch keinen wissenschaftlichen Beweis für die Existenz von früheren Leben (wobei darüber bereits äußerst überzeugende Bücher geschrieben wurden, wie zum Beispiel Brian L. Weiss’ Klassiker Die zahlreichen Leben der Seele). Seien Sie sich aber im Klaren, dass es für die Wirkung meiner Heilbehandlung vollkommen unerheblich ist, ob Sie ebenfalls davon überzeugt sind: Sie wird das Trauma aus Ihrer Vergangenheit klären, ganz gleich, worum es sich dabei handelt und was Sie glauben.
Im Bereich der Epigenetik hingegen gewinnen die stützenden wissenschaftlichen Beweise derzeit unglaublich an Kraft, und ich werde mich in diesem Buch auf sie beziehen.
Dieses Buch behandelt die Heilung von narzisstischem Missbrauch, einem Missbrauch, der in einer wie auch immer gearteten Beziehung mit einem Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung (NPS) erfolgt. Diese Menschen werden oftmals auch mit Bezeichnungen wie »Psychopath« oder »Soziopath« versehen. »Narzisst« wiederum ist inzwischen ein Schlagwort, mit dem viele geradezu um sich werfen und es auch auf Personen anwenden, die zwar vielleicht gedankenlos und sogar egoistisch, aber sicherlich keine Narzissten sind.
Tatsächlich können wir alle bisweilen ein wenig (oder auch ziemlich!) narzisstisch sein – besonders wenn wir uns unsicher, verletzt und emotional getriggert fühlen. In solchen Situationen schlagen wir um uns, reagieren, ohne nachzudenken, und sagen oder tun womöglich Dinge, auf die wir später nicht stolz sind. Es besteht jedoch ein riesiger Unterschied zwischen »gelegentlichem Narzissmus« und »malignem Narzissmus«: Maligne Narzisstinnen und Narzissten agieren nicht nur gedankenlos und verletzend, sondern sie sind von Grund auf bösartige pathologische Lügner. Sie besitzen keinerlei Empathie und benutzen andere Menschen – häufig zu deren Nachteil –, um zu bekommen, was sie möchten. Und sie handeln nicht nur gelegentlich, sondern immer so und empfinden danach (im Gegensatz zu Menschen mit einem Gewissen) keine Reue oder Bedauern. Sie können zwar, wenn es ihren Absichten dient, so tun, als ob sie diese empathischen menschlichen Qualitäten besäßen, aber in Wahrheit haben sie sie nicht.
Leider haben viele von uns solche gefährlichen Menschen in ihr Leben gelassen und sind von ihnen zerstört worden. Und da Sie dieses Buch lesen, gehören auch Sie wahrscheinlich dazu. Genau aus diesem Grund habe ich es geschrieben: um Ihnen zu helfen, die verloren gegangenen Anteile Ihres Selbst wieder zurückzugewinnen und auf eine Weise vollständig zu heilen, wie Sie es bislang in Ihren kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätten.
Im ersten Teil des Buches beschäftigen wir uns mit narzisstischem Missbrauch, lernen seine Formen und Auswirkungen auf uns und unsere Beziehungen kennen. Im zweiten Teil sind die zehn Schritte dargestellt, mit deren Hilfe Sie sich mit Ihrem Trauma verbinden und es heilen können. Der dritte Teil zeigt auf, was wir aus narzisstischem Missbrauch – sowohl für uns selbst als auch für zukünftige Generationen – lernen und wie wir weiter vorankommen können. Dazu stelle ich Ihnen im ganzen Buch wahre Geschichten von Menschen vor, die sich selbst von narzisstischem Missbrauch geheilt und ihrem Leben auf eine bisher nicht gekannte, wunderbare Weise eine neue Richtung gegeben haben. Um ihre Privatsphäre zu schützen, habe ich lediglich einige Namen und Details geändert, durch die sie sonst erkannt werden könnten.
Zunächst möchte ich Ihnen jedoch versichern, dass ich weiß, wie komplex und vielschichtig narzisstischer Missbrauch ist und wie wichtig es für Sie ist, die bestmögliche Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Um genesen zu können, müssen Sie stets zur Wahrheit vorstoßen, ob Sie nun unter dem Trauma seit Tagen, Jahren oder Ihr ganzes Leben gelitten haben.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf meinen Online-Kurs verweisen. Ich lehre seit über zehn Jahren Menschen online, wie sie von Missbrauch genesen und sich ein missbrauchsfreies Leben gestalten können. In dieser Zeit habe ich gelernt, dass es vielen hilft, einer bestimmten Struktur, einem Schritt-für-Schritt-Prozess zu folgen, um vom zerstörerischen Trauma des narzisstischen Missbrauchs zu genesen. Ich habe auch gelernt, wie wichtig ein Unterstützersystem ist, sodass man, wenn man nicht mehr weiterkommt, um Anleitung bitten kann und Rat von jemandem erhält, der genau weiß, was man gerade durchmacht. Aus diesem Grund habe ich einen kostenlosen Online-Kurs zusammengestellt und eine Community gegründet, um dieses Buch zu begleiten – mein »You Can Thrive Program«, für das Sie sich hier registrieren können: www.youcanthriveprogram.com. In diesem Programm führe ich Sie genauso zu Ihren Ressourcen, wie ich Sie durch dieses Buch begleite.
Okay, wenn Sie also genug haben von all dem Schmerz, dem Irrsinn und den Gefühlen der Hilflosigkeit, die mit narzisstischem Missbrauch einhergehen, dann ist es an der Zeit, loszulegen. Lassen Sie es uns gemeinsam angehen! Ich freue mich darauf, Ihnen dabei zu helfen, zu genesen und ein Thriver zu werden.
In Liebe
Noch ein Hinweis: Ich verwende in diesem Buch der besseren Lesbarkeit wegen überwiegend die männliche Form. Aber selbstverständlich können Menschen jeden Geschlechts sowohl narzisstische Missbraucher als auch Missbrauchte sein.
Dieses Buch zu schreiben war für mich eine Herzensangelegenheit. Tatsächlich erzählt dieses Buch mein Leben – wie es beinahe endete und wie es heute ist. Anfänglich war mir nicht klar, dass meine Geschichte die Geschichte so vieler anderer Menschen ist. Ich wollte nur irgendwie ein einzelnes verheerendes Ereignis in meinem Leben überleben, das jeden Schrecken überstieg, den ich mir bis dato hatte vorstellen können. Erst später entdeckte ich, dass viele Menschen Ähnliches erlebt hatten und wie viele von uns darüber schwiegen, sich gefangen und machtlos fühlten, voller Scham, Schmerz und Furcht und ohne eine Ahnung, womit sie es wirklich zu tun hatten.
Wie so viele andere Menschen weltweit erlitt ich narzisstischen Missbrauch, das heißt, ich wurde von einem Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung (NPS) missbraucht. Ein solcher Mensch ist pathologisch selbstbezogen, stellt übertriebene Ansprüche und ist gefangen in Emotionen und Verhaltensweisen, die niemand von uns jemals erlebt hat und die durch Dinge ausgelöst werden, über die sich normale Erwachsene gar nicht aufregen. Beziehungen mit solchen Menschen sind zerstörerisch und verwirrend; sie rauben ihren Opfern ihr Selbstwertgefühl, ihre persönlichen Rechte und Ressourcen.
Leider tritt narzisstischer Missbrauch in geradezu epidemischem Ausmaß auf. Um die extreme Verwirrung und Traumatisierung zu verstehen, die er bewirkt, muss man aber von einem narzisstischen Menschen aus den üblichen Kämpfen und Kümmernissen des Lebens (die schwierig genug sind) herausgerissen und mitten in die Hölle hineingeworfen worden sein. Wie so viele andere Betroffene weiß ich, wie es sich anfühlt, genau von jenem Menschen ausgeplündert, seelisch vergewaltigt, verteufelt und weggeworfen zu werden, dem wir unser Herz geschenkt haben und vertrauen. Diese Erfahrung zersplittert einem die Seele.
Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, dieses Buch schreiben zu dürfen, denn narzisstisch missbrauchte Menschen suchen verzweifelt Hilfe. Es ist traurig und erschreckend, dass es für Narzisstinnen und Narzissten bislang keine wirksame Heilung oder zumindest eine Behandlung gibt, durch die sie sich bessern könnten (dies vor allem, weil sie gar nicht denken, dass etwas falsch an ihnen ist) – und dass es auch nur wenige echte Heilungschancen für deren Opfer gibt. Nur allzu oft erleiden von Narzissten verletzte Menschen schwere Traumata, verlieren das Vertrauen in sich selbst und andere, entwickeln anhaltende psychische Erkrankungen wie eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Agoraphobie, und ihre einzige Hoffnung ist, diese schrecklichen Leiden irgendwie in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus sehe ich überall in Familien den heimtückischen Kreislauf des narzisstischen Missbrauchs, wobei sich durch die Traumata, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, schädliche Muster entwickeln und die Kinder von Missbrauchten nicht selten selbst zu Opfern oder sogar Tätern werden.
Als eine Mutter, deren Sohn schrecklich unter dieser Form von Missbrauch litt und der in seinem Kampf für seine Heilung fast sein Leben verlor, weiß ich, wie entscheidend es für unsere Heilungssysteme ist, sich hinreichend anzupassen und so zu ändern, dass eine echte Heilung erfolgen kann – mit genesenden Erwachsenen, die als gutes Beispiel vorangehen. Von narzisstischem Missbrauch gesunden, anderen bei der Heilung helfen und unseren Kindern eine gesunde und ganzheitliche Seinsweise zu übermitteln ist für mich zur Passion geworden. Tatsächlich ist die Mission »wirklich heilen« zu meinem dharma – meiner Lebens-/Liebesmission – geworden, die nun den Kern meiner Arbeit bildet.
Mein Weg begann, als ich mit 35 Jahren einen Menschen traf, von dem ich glaubte, dass er der perfekte Mann für mich sei. Er war warmherzig, zuvorkommend und attraktiv. Und er war so unterstützend, einfühlsam und spirituell. Ich verliebte mich in ihn – Hals über Kopf, mit allen Fasern meines Seins. Ich erlebte eine Verbindung mit einem Seelenverwandten, die mich so umwarf, dass ich eines Tages zu ihm sagte: »Ich bin so verliebt, dass ich nicht mehr geradeaus sehen kann.« Das war völlig untypisch für mich, und zur Überraschung aller, die mich kannten, war ich, sechs Wochen nachdem ich ihn kennengelernt hatte, mit ihm verlobt, und vier Monate später feierte ich meine Traumhochzeit.
Alles schien perfekt, und doch stellten sich mir von Zeit zu Zeit die Haare im Nacken auf, wenn er einen Kommentar abgab oder mich auf eine Weise anblickte, die mir einfach nicht richtig schien. Schon bald hatte er meine ganze Zeit in Beschlag genommen. Ich fühlte mich zwar ein wenig kontrolliert, deutete es jedoch als einen Ausdruck dafür, wie sehr er mich liebte.
Dann erfuhr ich, dass seine Krebserkrankung – ein Melanom, gegen das er angeblich in der Vergangenheit eine Chemotherapie erhalten und das in Remission gewesen war – wieder ausgebrochen war. Ich war für uns beide am Boden zerstört. Doch ich liebte diesen Mann so sehr, dass ich ihm absolut zur Seite stehen und alles, was ich konnte, unternehmen wollte, um ihm dabei zu helfen, die Krankheit zu überstehen. Bald danach stellte ich fest, dass mit der Erkrankung auch seine Eifersucht extrem zugenommen hatte. Verhalten, das zuvor unangenehm gewesen war, eskalierte in unzumutbare Ansprüche: Ich sollte nicht mit anderen Männern sprechen oder sie auch nur anschauen. Er verbot mir, männliche Klienten zu behandeln, und befragte mich über jede Minute meines Tagesablaufs oder verfiel in Wutausbrüche, wenn ich etwas später nach Hause kam, weil ich im Supermarkt in der Schlange hatte warten müssen.
Ich führte dieses Verhalten auf die Krebserkrankung zurück, doch egal, wie sehr ich ihn liebend unterstützte und ihm versicherte, dass ich ihn nicht verlassen würde, seine Eifersucht wurde immer stärker und entwickelte sich zu einer ausgewachsenen Paranoia. Schon nach kurzer Zeit war ich so weit, dass ich vor jedem Mann zurückschreckte und zu Boden blickte, wenn ich mit ihm in der Öffentlichkeit unterwegs war, voller Angst, dass ein anderer Mann auch nur in meine Richtung schauen könnte.
Als ich Monate später herausfand, dass der angebliche Krebs nur eine von ihm genial eingefädelte Täuschung war, um Mitgefühl und Aufmerksamkeit zu erhalten, zeigte er genau einen Tag lang Reue. Nachdem es nun keine Krebserkrankung mehr gab, hinter der er sich verstecken konnte, kontrollierte und missbrauchte er mich jedoch nur noch schlimmer. Ich wusste damals nicht, dass er mich auf diese Weise dafür bestrafte, seinen Schwindel aufgedeckt zu haben.
Und noch andere Dinge kamen ans Licht: Seine ganze Vergangenheit war ein großer Schwindel, der von ihm behauptete finanzielle Erfolg entsprach nicht der Wahrheit. Langsam realisierte ich, dass er permanent und über alles log. Eine Lüge verschleierte die vorhergehende – und ich wusste langsam nicht mehr, was wahr war und was nicht.
Erschwerend kam hinzu, dass ich anfänglich keine Vorstellung davon hatte, wie süchtig ich nach ihm geworden war und wie eng mit ihm verstrickt. Es war nun offensichtlich, dass etwas furchtbar schieflief und ich von ihm erheblich missbraucht, über den Tisch gezogen und isoliert wurde, doch ich fühlte mich unfähig, ihn zu verlassen. Unseren ganzen Besitz hatten wir gemeinsam, und er häufte Schulden an. Es gab zahlreiche schwebende Gerichtsverfahren aufgrund seiner Betrügereien und krummen Geschäfte, und ich versuchte nur noch ständig, Schadensbegrenzung zu betreiben, damit wir das Dach über unserem Kopf nicht verloren.
Hektisch Katastrophen und Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen lenkte mich ständig davon ab, was wirklich mit mir geschah: Meine Seele war zersprungen und meine Fähigkeit, meine Wahrheit, meine Rechte oder Bedürfnisse zu bestimmen, zerstört. Es kam so viel ans Licht, das nicht meinem Bild von ihm als Märchenprinzen entsprach, und meine grenzenlose Liebe verwandelte sich langsam in Kritik und Verachtung. An diesem Punkt begann die verbale, körperliche und sexuelle Gewalt – und noch immer verließ ich ihn nicht. Es stand zu viel auf dem Spiel, auch all das, wofür ich mein ganzes Leben gearbeitet hatte, bevor ich ihn getroffen hatte. Und deshalb trennte ich mich nicht von ihm, so dachte ich zumindest. Doch später lernte ich, dass ich von ihm wie psychisch besessen war. Jeder Aspekt meiner Gefühle und Gedanken war von ihm besetzt. Ich fühlte mich, als ob ich ohne ihn nicht einmal mehr atmen könnte. Darüber hinaus standen immer seine Drohungen im Raum. Er hatte schon zuvor das Leben von Menschen zerstört, und zwar Stück für Stück, erzählte er mir, und wenn ich versuchen würde, ihn zu verlassen, wäre er absolut fähig, auch mir dies anzutun.
In den folgenden vier Jahren gab es Zeiten, in denen ich mich mehr davor fürchtete, bei ihm zu bleiben, als davor, ihn zu verlassen – und ich versuchte, ihm zu entfliehen. Doch dann stalkte und terrorisierte er mich, riss alles nieder, was ich aufgebaut hatte, griff die Menschen in meinem Umfeld an und zwang mich so, zu ihm zurückzukehren, damit er mein Leben nicht vollständig zerstörte. Oder er tauchte total zerknirscht und reuevoll auf und erklärte, dass er von nun an alles tun würde, um unsere Ehe zu retten. Wieder und wieder gab ich nach und kehrte zu ihm zurück. Trotz allem hielt ich stur an der Vorstellung fest, dass ich diesen Mann kurieren und verändern könnte.
Selbstverständlich konnte das niemals gut gehen. Im Gegenteil, der Kreislauf der Gewalt verschlimmerte sich nur. Immer wieder kamen wir zusammen. Dann beteuerte er, dass er alles daransetzen würde, um sich zu ändern, und ich verzieh ihm die unverzeihlichen Dinge, die er mir angetan hatte, wie meine Bürocomputer zu stehlen und Schecks für mein Konto zu fälschen (die Liste ist endlos). Doch schon nach kurzer Zeit baute sich die Spannung wieder auf, die Situation explodierte, und irgendwie kam ich wieder los von ihm, auch weil ich oft fürchtete, dass ich sterben würde, wenn ich ihn nicht verließ.
Schließlich zog ich aus und mietete mir eine Wohnung, doch ich war immer noch süchtig nach ihm. Ich konnte einfach nicht aufhören, an ihn zu denken oder mich zwanghaft mit ihm zu beschäftigen. Er lebte in dem Haus, das ich bezahlt hatte, renovierte es und behauptete, dass es ihm gehörte. Ich war zutiefst entsetzt über sein Verhalten, und trotzdem hatten wir noch immer gelegentlich »Dates«, die zu unaussprechlich traumatischen Abenden führten. Manche davon waren so schrecklich, dass ich tatsächlich keine bewusste Erinnerung mehr daran habe.
Nach einer erneuten Runde nach dem Motto »Ich werde alles tun, um diese Ehe zu retten« überredete ich ihn, mit mir zusammen eine Spezialistin für Persönlichkeitsstörungen aufzusuchen, die bei ihm eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) diagnostizierte. Kurz darauf ging er nicht mehr zu den Sitzungen. Die Spezialistin behandelte mich weiter und versuchte mir zu helfen, ihn zu verlassen. Die junge Frau, die immer vor mir ihre Termine hatte, war von einem Narzissten schwanger und erzählte mir, dass sich seine letzten drei Freundinnen alle selbst getötet hatten. Langsam dämmerte mir, wie ernst meine Lage war, vor allem als die Spezialistin mit mir Klartext redete: »Das sind Ihre vier Optionen, wenn Sie bei ihm bleiben. Entweder wird er Sie umbringen, oder Sie werden sich selbst umbringen, oder Sie haben einen Nervenzusammenbruch, oder Sie entwickeln durch den Dauerstress eine schreckliche, möglicherweise sogar tödliche Krankheit.«
Ich fragte sie, was mit einem bei einem Nervenzusammenbruch passiert. Sie erzählte mir von einer Patientin, die von einem Kriseninterventionsteam in eine Klinik gebracht worden war, weil sie ihre gesamte Kleidung aus dem Fenster im Obergeschoss ihrer Wohnung schmiss und dazu Unverständliches schrie. Die Frau war jetzt, 18 Monate später, immer noch in der Psychiatrie. »Es ist ein langer Weg zurück von einem Zusammenbruch«, erklärte meine Therapeutin.
Nur wenige Wochen danach mahnte sie, dass ich ihrer Meinung nach selbst einem Zusammenbruch nahe war. Ich wog nur noch 37 Kilo, meine Haare fielen büschelweise aus, und meine PTBS sprengte alle Vorstellungen. Seit Monaten schon hatte ich nicht mehr richtig essen und schlafen können, und ich zitterte fast unablässig. Wie eine Drogenabhängige traf ich mich immer noch mit meinem Mann, und weil jeder darüber entsetzt war, log ich über diese Treffen und erfand Vorwände dafür.
Als ich kurz darauf bei einem Workshop für das Catering sorgte, kamen ein paar Leute auf mich zu und sprachen mich an. Ich fühlte im Inneren Panik aufsteigen, wie es für mich mittlerweile im Umgang mit Menschen, besonders mit Männern, normal geworden war. Die Panik wurde schlimmer, und ich realisierte, dass ich gerade einen stillen inneren Nervenzusammenbruch erlitt. Ich konnte nicht einfach wegrennen, der Ausgang war von Menschen verstellt. Im nächsten Moment fühlte ich mich, als ob ich von der Decke herabsehen und mich selbst dabei beobachten würde, wie ich mit diesen Menschen sprach. Ich wusste, dass etwas schrecklich schieflief, deshalb entschuldigte ich mich und ging raus zu meinem Auto. In diesem relativ sicheren Raum kehrte ich mit einem dumpfen Geräusch in meinen Körper zurück. Doch die Halluzinationen gingen weiter. In zuerst flackernden, dann in stetigen Bildern sah ich schreckliche Szenen vor mir, in denen ich mit meinem Auto gegen einen Baum raste. Es machte keinen Unterschied, ob ich die Augen schloss oder nicht, die Bilder blieben, und das Gefühl des Grauens und der Machtlosigkeit, das ich dabei empfand, war unbeschreiblich. In dem Moment war ich mir vollkommen sicher: Ich war übergeschnappt, und ich fühlte, wie sich mein Verstand gleichsam auflöste.
Irgendwie gelang es mir, heimzufahren und eine Freundin anzurufen. Ich wurde hektisch in eine Notaufnahme gebracht, erhielt ein Sedativum, und die Bilder lösten sich langsam auf. Tests ergaben, dass ich an einem Versagen der Nebennieren litt, weil diese den Stress, dem sie ausgesetzt waren, nicht mehr aushielten. Der dazu auftretende Nervenzusammenbruch war offensichtlich. Man erklärte mir meine Optionen: Ich würde wahrscheinlich für den Rest meines Lebens Antipsychotika nehmen und eine engmaschige ärztliche Überwachung sowie möglicherweise einen Aufenthalt in der Psychiatrie ertragen müssen, je nachdem, wie gut ich auf die Medikamente reagierte. Es könnte bis zu drei Jahre dauern, bis ich durch vollständige Ruhe mit psychiatrischer Betreuung genesen würde, allerdings würde ich wohl nie mehr so wie zuvor funktionieren.
Es fühlte sich wie das Ende für mich an: Ich hatte Medikamente noch nie gut vertragen, selbst frei verkäufliche Schmerzmittel wie Paracetamol nicht. Ich war 40 Jahre alt und hatte alles verloren. Ich war finanziell ruiniert. Ich hatte meine Glaubwürdigkeit, meine Freunde und meine Familie verloren und jetzt auch noch die körperliche und psychische Gesundheit, die ich brauchte, um mein Leben wieder neu aufzubauen.
In dieser Nacht stand ich wegen Suizidgefahr unter ständiger Beobachtung. Ich lag in meinem Bett und dachte darüber nach, mich selbst umzubringen, als eine Stimme in meinem Kopf sagte: »Nein, es gibt einen anderen Ausweg.« Ich dachte, die Stimme sei Teil meines Irrsinns, und stritt mich mit ihr, doch sie blieb hartnäckig. In meiner Verzweiflung stand ich von meinem Bett auf, ging in das Badezimmer und blickte in das Gesicht der verrückten, geschundenen, ausgemergelten Frau, die mir aus dem Spiegel entgegenstarrte. Dann sackte ich auf der Badezimmermatte zusammen, überwältigt von der qualvollen Vorstellung, weiterzuleben und gleichzeitig keinen Weg zu sehen, wie ich das schaffen sollte. In völliger Verzweiflung hob ich meine Arme, brach in Tränen aus und schrie: »Helft mir. Ich kann das nicht allein!«
Ich fühlte, wie alles in mir zusammenbrach. Ich hatte alles losgelassen: mein Leben, mein Dasein und sogar meine Seele, hatte vollständig kapituliert. Vielleicht hätte ich nicht in diesem Maß losgelassen, wenn irgendetwas von mir übrig gewesen wäre, an dem ich mich hätte festhalten können. Aber ich hatte nicht das Gefühl, als ob es noch irgendetwas gäbe. An diesem Punkt war ich sogar überzeugt, dass es meinem Sohn ohne mich besser gehen würde. Ich kapitulierte nicht, um gerettet zu werden, sondern weil es für mich nichts anderes mehr zu tun gab.
Und dann geschah es. Das Gefühl war eindeutig – als ob sich mein Kopf geöffnet hätte und aus seinem Inneren ein ganzer Wust an Dingen herausgesogen würde. Mein bisheriges Gefühl, ein ohnmächtiges Opfer zu sein, war plötzlich verschwunden, und innerhalb von Sekunden fuhren so viel Klarheit und Erleuchtung in mich ein, dass ich mich ihnen nicht entziehen konnte. Bis zu diesem Moment hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie etwas so Echtes und Wahres erfahren.
Plötzlich wusste ich genau, warum mein Ex in mein Leben getreten war, und verstand die gesamten Zusammenhänge. Dann machte ich die unglaubliche Erfahrung, in die Zukunft katapultiert zu werden. Die Vision war fantastisch real. Ich fühlte mich wirklich in jeder Körperzelle glücklich, selbstbewusst und frei von allen Schmerzen. Dann kehrte ich wieder in meinen Körper in der gegenwärtigen Realität zurück. Doch die kurze Vision reichte mir, um zu wissen, dass dieses »neue Ich« auf mich wartete.
Bis dahin hatten ich und jeder, den ich kannte, alles, was mir passiert war, nur mit »ihm« und dem »Narzissmus« in Zusammenhang gebracht. Ich hatte einfach nicht verstanden, dass dies mit mir selbst zu tun hatte. Doch nun waren mir alle Zusammenhänge gezeigt worden, und ich hatte die tiefen, seelenheilenden Gründe erfahren, warum dieser Narzisst auf der Bühne meines Lebens eine Rolle spielen musste. Ich verstand, dass mir dies helfen sollte, die Traumata zu heilen, die ich bereits erlitten hatte, bevor ich ihn kennenlernte. Bei dieser Selbstanalyse verspürte ich weder Scham noch Schmerzen. Ich erlebte einfach nur ein unglaubliches Gefühl der Erkenntnis: »O mein Gott, das war mir bis jetzt nie klar – das ist der Schlüssel!«
Als ich Sekunden später aus dieser »göttlichen Übertragung« auftauchte, hatte ich mich schon verändert. Ich empfand Hoffnung. Ich hatte in dieser Vision in jeder Zelle meines Körpers gespürt, wie sich mein neues Ich, die neue Melanie, fühlen würde, wenn sie das Trauma heilen konnte. Ich wusste, dass dieses neue Ich in der Zukunft viel besser sein würde als mein Ich der Vergangenheit und auch viel besser als das Ich jenes Menschen, der ich vor dem narzisstischen Missbrauch gewesen war.
Am nächsten Tag geschah ein Wunder: Mein Arzt war über meine Veränderung bass erstaunt und einverstanden, dass ich die Antipsychotika absetzte und die Psychiatrie verließ. Von diesem Tag an traf ich mich nie mehr mit meinem Ex-Mann und trat auch nicht mehr in Kontakt mit ihm. Ich blockierte ihn auf allen Kanälen. Zwar hatte ich noch ein riesiges Trauma und einige Nervenerkrankungen zu heilen, aber ich war nie mehr versucht, ihn anzurufen, weil ich wusste, dass meine Heilung nichts mit ihm zu tun hatte. Ich hatte mir meine Kraft zurückgeholt – und wunderbarerweise ging es nur darum, mich selbst zu heilen.
Als ob jemand einen Schalter gedrückt hätte, versuchte der Narzisst von einer Sekunde auf die andere nicht mehr, mich zu kontrollieren, zu terrorisieren und in Abhängigkeit zu halten. Seine Attacken blieben von nun an aus.
Und so begann ein unglaublicher, 18 Monate langer göttlicher Auftrag, den ich »Wie man ein Missbrauchstrauma wirklich heilt« nannte. In meiner Vision hatte ich gesehen, dass die Heilung tief im Unterbewussten stattfinden muss, das nicht im Kopf, sondern im Körper besteht. Das darin eingebettete Trauma muss erreicht, freigelassen und durch eine andere Kraft ersetzt werden, die seine Auswirkungen aufhebt. Hätte ich die »göttliche Übertragung« nicht als so durch und durch wahr empfunden, hätte ich mich für völlig übergeschnappt gehalten. Aber ich hatte nie den leisesten Zweifel